"Harry Potter und die Heiligtümer des Todes" - читать интересную книгу автора (Роулинг Джоан)

Die Widmung dieses Buches ist siebengeteilt: für Neil, für Jessica, für David, für Kenzie, für Di, für Anne und für euch, wenn ihr zu Harry gehalten habt, bis ganz zum Schluss.

Erbteil des fluches,

hässlicher sünde

blutige wunde,

schmerzen, wer trüge sie?

quälen, wer stillte sie?

wehe weh!

Einzig der erbe

heilet des hauses

eiternde wunde,

einzig mit blut'gem schnitt.

götter der finsternis

rief mein lied.

Sel'ge geister drunten in der tiefe,

wenn ihr die beschwörungsrufe hörtet,

bringt den kindern hilfe, bringt den sieg.

Aischylos, Das Opfer am Grabe


Sterben ist nur ein Uebergang aus dieser Welt in die andere, als wenn Freunde über See gehen, welche dennoch in einander fortleben. Denn Diejenigen, die im Allgegenwärtigen lieben und leben, müssen nothwendig einander gegenwärtig seyn. In diesem göttlichen Spiegel sehen sie sich von Angesicht zu Angesicht, und ihr Umgang ist so wohl frey als rein. Und wenn sie auch durch den Tod getrennt werden, so haben sie doch den Trost, daß ihre Freundschaft und Gesellschaft ihnen, dem besten Gefühle nach, beständig gegenwärtig bleibt, weil diese unsterblich ist.

William Penn, Früchte der Einsamkeit. Zweyte Abtheilung


Shell Cottage

Bills und Fleurs Haus, in dessen weiß getünchte Mauern Muschelschalen eingelassen waren, stand allein auf einer Klippe über dem Meer. Es war ein einsamer und schöner Ort. Wo immer auch Harry in dem kleinen Haus oder seinem Garten hinkam, konnte er das stetige Wogen der See hören wie die Atemzüge eines großen schlummernden Tieres. In den nächsten Tagen verbrachte er viel Zeit damit, sich Ausreden einfallen zu lassen, um dem überfüllten Haus zu entfliehen, denn er sehnte sich nach dem Blick von der Klippe über den freien Himmel und das weite, einsame Meer, und nach dem Gefühl von kaltem, salzigem Wind auf seinem Gesicht.

Seine ungeheure Entscheidung, Voldemort allein nach dem Zauberstab jagen zu lassen, machte Harry immer noch Angst. Er konnte sich nicht erinnern, dass er jemals beschlossen hätte, nicht zu handeln. Er steckte voller Zweifel, und diese Zweifel brachte Ron unweigerlich zur Sprache, wann immer sie zusammen waren.

»Und wenn Dumbledore wollte, dass wir das Symbol rechtzeitig entschlüsseln, um an den Zauberstab zu kommen?«, »Vielleicht hat man sich die Heiligtümer gt;verdientlt;, wenn man das Symbol entschlüsselt?«,

»Harry, wenn das wirklich der Elderstab ist, wie zum Teufel sollen wir dann Du-weißt-schon-wen erledigen?«

Harry wusste keine Antworten: Es gab Momente, in denen er sich fragte, ob es heller Wahnsinn gewesen war, nicht den Versuch zu unternehmen, Voldemort daran zu hindern, das Grabmal aufzubrechen. Er war sich nicht einmal so recht im Klaren, warum er sich dagegen entschieden hatte: Jedes Mal, wenn er versuchte, seine eigenen Argumente nachzuvollziehen, die zu dieser Entscheidung geführt hatten, kamen sie ihm schwächer vor.

Das Komische war, dass Hermines Unterstützung ihn genauso durcheinanderbrachte wie Rons Zweifel. Sie war nun gezwungen hinzunehmen, dass der Elderstab tatsächlich existierte, behauptete aber, dass es sich dabei um etwas Böses handle und dass die Art und Weise, wie Voldemort ihn sich verschafft hatte, widerwärtig und völlig indiskutabel sei.

»Das hättest du niemals über dich gebracht, Harry«, sagte sie immer wieder. »Du hättest nicht in Dumbledores Grab eindringen können.«

Aber der Gedanke an Dumbledores Leichnam ängstigte Harry viel weniger als die Möglichkeit, dass er die Absichten des lebenden Dumbledore vielleicht falsch verstanden hatte. Er hatte das Gefühl, nach wie vor im Dunkeln zu tappen; er hatte sich für seinen Weg entschieden, blickte jedoch ständig zurück und fragte sich, ob er die Zeichen falsch gedeutet hatte, ob er nicht die andere Richtung hätte nehmen sollen.

Bisweilen erfasste ihn wieder die Wut auf Dumbledore, mächtig wie die Wellen, die unter dem Haus gegen die Klippe schlugen, die Wut darüber, dass Dumbledore vor seinem Tod nicht alles erklärt hatte.

»Aber ist er tot?«, fragte Ron, drei Tage nachdem sie in Shell Cottage angekommen waren. Harry hatte gerade hinausgestarrt, über die Mauer hinweg, die den Garten des Hauses von der Klippe abgrenzte, als Ron und Hermine zu ihm stießen; er wünschte, sie hätten es nicht getan, da er keine Lust verspürte, sich an ihrer Diskussion zu beteiligen.

»Ja, er ist tot, Ron, bitte, fang nicht wieder damit an!«

»Schau dir mal die Tatsachen an, Hermine«, sagte Ron über Harry hinweg, der weiter auf den Horizont starrte. »Die silberne Hirschkuh. Das Schwert. Das Auge, das Harry im Spiegel gesehen hat – «

»Harry gibt zu, dass er sich das Auge eingebildet haben könnte! Nicht wahr, Harry?«

»Könnte sein«, sagte Harry, ohne sie anzusehen.

»Aber das glaubst du nicht wirklich, oder?«, fragte Ron.

»Nein, tu ich nicht«, sagte Harry.

»Na also!«, sagte Ron schnell, ehe Hermine fortfahren konnte. »Wenn es nicht Dumbledore war, dann erklär mir mal, woher Dobby wusste, dass wir in dem Keller waren, Hermine?«

»Was weiß ich – aber kannst du erklären, wie ihn Dumbledore zu uns geschickt hat, wenn er in einem Grab in Hogwarts liegt?«

»Keine Ahnung, vielleicht war es sein Geist!«

»Dumbledore würde nicht als Geist zurückkommen«, sagte Harry. Es gab wenig, dessen er sich bei Dumbledore im Augenblick sicher war, aber so viel wusste er. »Er wäre weitergegangen.«

»Was meinst du mit gt;weitergegangenlt;?«, fragte Ron, doch ehe Harry noch etwas sagen konnte, ertönte eine Stimme von hinten: »Arry?«

Fleur war aus dem Haus gekommen, ihr langes silbernes Haar wehte im Wind.

»Arry, Grip'ook möschte mit dir reden. Er ist im kleinsten Schlafsimmer, er meint, er will nischt belauscht werden.«

Dass der Kobold sie schickte, um Botschaften auszurichten, gefiel ihr offensichtlich nicht; sie sah gereizt aus, als sie um das Haus herum zurückging.

Wie Fleur gesagt hatte, erwartete Griphook sie im kleinsten der drei Schlafzimmer des Hauses, in dem Hermine und Luna übernachteten. Er hatte die roten Baumwollvorhänge vor dem hellen, wolkigen Himmel zugezogen, weshalb im Zimmer ein glutrotes Licht herrschte, das nicht zu dem sonst luftigen und hellen Haus passte.

»Ich habe meine Entscheidung getroffen, Harry Potter«, sagte der Kobold, der mit gekreuzten Beinen auf einem niedrigen Stuhl saß und sich mit spindeldürren Fingern auf die Arme trommelte. »Auch wenn die Kobolde von Gringotts es als gemeinen Verrat betrachten werden, habe ich beschlossen, Ihnen zu helfen -«

»Großartig!«, sagte Harry und eine Woge der Erleichterung überkam ihn. »Griphook, danke, wir sind wirklich -«

»- als Gegenleistung«, sagte der Kobold bestimmt, »mit Bezahlung.«

Harry zögerte, ein wenig überrascht.

»Wie viel wollen Sie? Ich habe Gold.«

»Kein Gold«, sagte Griphook. »Ich besitze Gold.«

Seine schwarzen Augen funkelten; kein Weiß war darin.

»Ich will das Schwert. Das Schwert von Godric Gryffindor.«

Harrys Stimmung war schlagartig auf dem Tiefpunkt.

»Das können Sie nicht bekommen«, sagte er. »Tut mir leid.«

»Dann«, sagte der Kobold leise, »haben wir ein Problem.«

»Wir können Ihnen etwas anderes geben«, sagte Ron eifrig. »Ich wette, die Lestranges haben eine Menge Sachen, da können Sie sich was aussuchen, sobald wir in dem Verlies sind.«

Er hatte das Falsche gesagt. Griphook errötete zornig.

»Ich bin kein Dieb, Junge. Ich will mir keine Schätze beschaffen, auf die ich kein Recht habe!«

»Das Schwert gehört uns -«

»Das tut es nicht«, sagte der Kobold.

»Wir sind Gryffindors, und es war Godric Gryffindors -«

»Und vor Gryffindor, wem hat es da gehört?«, wollte der Kobold wissen und setzte sich aufrecht hin.

»Niemandem«, sagte Ron, »es wurde für ihn hergestellt, oder?«

»Nein!«, schrie der Kobold wutschnaubend und deutete mit einem langen Finger auf Ron. »Wieder diese Arroganz der Zauberer! Dieses Schwert gehörte Ragnuk dem Ersten und es wurde ihm von Godric Gryffindor genommen! Es ist ein verlorener Schatz, ein Meisterwerk der Koboldkunst! Es gehört den Kobolden! Das Schwert ist der Lohn für meine Dienste, das ist mein letztes Wort!«

Griphook sah sie finster an. Harry warf den anderen beiden einen kurzen Blick zu und sagte dann: »Wir müssen das besprechen, Griphook, wenn es für Sie in Ordnung ist. Können Sie uns ein paar Minuten geben?«

Der Kobold nickte mit mürrischer Miene.

Unten im leeren Wohnzimmer trat Harry mit gerunzelter Stirn vor den Kamin und versuchte zu überlegen, was sie tun sollten. Hinter ihm sagte Ron: »Das meint er doch wohl nicht im Ernst. Wir können ihm das Schwert nicht geben.«

»Stimmt es?«, fragte Harry Hermine. »Hat Gryffindor das Schwert gestohlen?«

»Ich weiß nicht«, sagte sie resigniert. »Die Geschichtsschreibung übergeht häufig, was die Zauberer den anderen magischen Arten angetan haben, aber ich kenne keine Darstellung, in der es heißt, dass Gryffindor das Schwert gestohlen hätte.«

»Das ist sicher wieder eine von diesen Koboldlegenden«, sagte Ron,

»wonach die Zauberer immer versuchen, sie übers Ohr zu hauen. Ich denke, wir können von Glück reden, dass er nicht einen von unseren Zauberstäben haben will.«

»Kobolde haben gute Gründe, Zauberer nicht zu mögen, Ron«, sagte Hermine. »Sie wurden in der Vergangenheit grausam behandelt.«

»Kobolde sind auch nicht gerade kuschelige kleine Häschen, oder?«, erwiderte Ron. »Die haben viele von uns umgebracht. Die haben auch mit üblen Methoden gekämpft.«

»Aber wenn wir jetzt mit Griphook darüber streiten, welche Art am hinterhältigsten und gewalttätigsten ist, wird es nicht gerade wahrscheinlicher, dass er uns hilft, oder?«

Sie verstummten und dachten über eine Möglichkeit nach, das Problem zu umgehen. Harry blickte aus dem Fenster auf Dobbys Grab. Luna stellte gerade Meerlavendel in einem Marmeladenglas neben dem Grabstein auf.

»Okay«, sagte Ron und Harry drehte sich wieder zu ihm um, »wie wär's damit? Wir sagen Griphook, dass wir das Schwert brauchen, bis wir im Verlies sind, und dann kann er es haben. Da ist eine Fälschung drin, oder?

Wir tauschen die Schwerter und geben ihm das falsche.«

»Ron, er kann die vermutlich besser unterscheiden als wir!«, sagte Hermine. »Er war der Einzige, der erkannt hat, dass es jemand vertauscht hatte!«

»Jaah, aber wir könnten abhauen, bevor er merkt -«

Er wurde ganz klein unter dem Blick, den Hermine ihm versetzte.

»Das«, sagte sie leise, »ist abscheulich. Ihn um Hilfe bitten und ihn dann hereinlegen? Und du fragst dich, warum Kobolde keine Zauberer mögen, Ron?«

Ron hatte rote Ohren bekommen.

»Schon gut, schon gut! Was Besseres ist mir eben nicht eingefallen!

Und wie willst du die Sache lösen?«

»Wir müssen ihm etwas anderes anbieten, etwas genauso Wertvolles.«

»Na toll. Ich geh und hol eins von den antiken Schwertern aus Koboldhand, die wir sonst noch haben, und du kannst es als Geschenk einpacken.«

Erneut verfielen sie in Schweigen. Harry war sicher, dass der Kobold nichts als das Schwert annehmen würde, selbst wenn sie etwas ebenso Wertvolles hätten, das sie ihm anbieten könnten. Doch das Schwert war ihre einzige, unentbehrliche Waffe gegen die Horkruxe.

Er schloss einige Momente lang die Augen und lauschte dem Brausen des Meeres. Die Vorstellung, dass Gryffindor das Schwert gestohlen haben könnte, behagte ihm nicht; er war immer stolz gewesen, ein Gryffindor zu sein; Gryffindor war der Fürsprecher der Muggelstämmigen gewesen, der Zauberer, der mit Slytherin, dem Freund der Reinblüter, aneinandergeraten war ...

»Vielleicht lügt er«, sagte Harry und schlug die Augen wieder auf. »

Griphook. Vielleicht hat Gryffindor das Schwert gar nicht gestohlen.

Woher wissen wir, dass die Koboldversion der Geschichte stimmt?«

»Macht das einen Unterschied?«, fragte Hermine.

»Ich hätte ein anderes Gefühl dabei«, sagte Harry.

Er holte tief Luft.

»Wir sagen ihm, dass er das Schwert bekommt, nachdem er uns geholfen hat, in dieses Verlies zu gelangen – aber wir werden uns hüten, ihm zu sagen, wann genau er es haben kann.«

Auf Rons Gesicht breitete sich ein Grinsen aus. Hermine jedoch sah beunruhigt aus.

»Harry, wir können nicht -«

»Er kann es haben«, fuhr Harry fort, »nachdem wir alle Horkruxe damit erledigt haben. Ich sorge dafür, dass er es dann bekommt. Ich werde mein Wort halten.«

»Aber das könnte Jahre dauern!«, sagte Hermine.

»Das weiß ich, aber er braucht es nicht zu wissen. Ich werde nicht lügen

... nicht wirklich.«

Harry begegnete ihrem Blick mit einer Mischung aus Trotz und Scham.

Er erinnerte sich an die Worte, die über dem Tor von Nurmengard eingemeißelt waren: Für das größere Wohl. Er schob den Gedanken beiseite. Hatten sie eine andere Wahl?

»Das gefällt mir nicht«, sagte Hermine.

»Mir auch nicht besonders«, gab Harry zu.

»Also, ich finde es genial«, meinte Ron und erhob sich. »Gehen wir und sagen es ihm.«

Als sie wieder in dem kleinsten Schlafzimmer waren, unterbreitete Harry das Angebot und achtete darauf, es so zu formulieren, dass er keinen bestimmten Zeitpunkt für die Übergabe des Schwertes nannte. Hermine blickte stirnrunzelnd zu Boden, während er sprach; das ärgerte ihn, denn er befürchtete, dass sie den geheimen Plan verraten würde. Aber Griphook hatte nur Augen für Harry.

»Ich habe Ihr Wort, Harry Potter, dass Sie mir das Schwert von Gryffindor geben, wenn ich Ihnen helfe? «

»Ja«, sagte Harry.

»Dann schlagen Sie ein«, sagte der Kobold und streckte die Hand aus.

Harry nahm sie und schüttelte sie. Er fragte sich, ob diese schwarzen Augen irgendwelche bösen Absichten in seinen wahrnahmen. Dann ließ Griphook ihn los, klatschte in die Hände und sagte: »So. Fangen wir an!«

Es war alles wieder wie damals, als sie planten, ins Ministerium einzudringen. Sie machten sich in dem kleinsten Schlafzimmer an die Arbeit, das auf Griphooks Wunsch im Halbdunkel blieb.

»Ich habe das Verlies der Lestranges nur einmal aufgesucht«, erklärte ihnen Griphook, »als ich angewiesen wurde, das falsche Schwert dort zu deponieren. Es ist eine der Kammern aus den frühesten Zeiten. Die ältesten Zaubererfamilien bewahren ihre Schätze ganz in der Tiefe auf, wo die Verliese am größten und am besten geschützt sind ...«

Sie schlossen sich stundenlang in dem schrankartigen Raum ein. Aus Tagen wurden allmählich "Wochen. Es galt, immer neue Probleme zu lösen, und nicht das geringste davon war, dass ihr Vorrat an Vielsaft-Trank fast zur Neige gegangen war.

»Eigentlich ist nur noch genug für einen von uns übrig«, sagte Hermine und hielt den dickflüssigen, schlammartigen Zaubertrank schräg gegen das Lampenlicht.

»Das wird reichen«, sagte Harry, der gerade Griphooks handgezeichnete Karte der tiefsten unterirdischen Gänge begutachtete.

Den anderen Bewohnern von Shell Cottage konnte kaum entgehen, dass irgendetwas los war, da Harry, Ron und Hermine inzwischen nur noch zu den Mahlzeiten auftauchten. Niemand stellte Fragen, doch Harry spürte bei Tisch häufig Bills Blick auf ihnen dreien ruhen, nachdenklich, besorgt.

Je mehr Zeit sie zusammen verbrachten, desto deutlicher wurde Harry bewusst, dass er den Kobold nicht sonderlich mochte. Griphook war unerwartet blutrünstig, lachte bei der Vorstellung, geringeren Geschöpfen Schmerz zuzufügen, und schien von der Aussicht begeistert, dass sie möglicherweise andere Zauberer verletzen mussten, um das Verlies der Lestranges zu erreichen. Harry merkte, dass Ron und Hermine seine Abneigung teilten, doch redeten sie nicht darüber: Sie brauchten Griphook.

Der Kobold aß nur widerwillig gemeinsam mit den anderen. Selbst als seine Beine verheilt waren, bat er weiterhin, dass man ihm sein Essen auf dem Tablett ins Zimmer brachte, wie dem nach wie vor gebrechlichen Ollivander, bis Bill (nach einem Wutausbruch von Fleur) nach oben ging und ihm erklärte, dass es so nicht weitergehen könne. Danach kam Griphook zu ihnen an den vollbesetzten Tisch, allerdings weigerte er sich, das Gleiche zu essen wie die anderen, und bestand stattdessen auf rohen Fleischklumpen, Wurzeln und verschiedenen Pilzen.

Harry fühlte sich verantwortlich: Schließlich war er es gewesen, der darauf bestanden hatte, dass der Kobold in Shell Cottage blieb, damit er ihn befragen konnte; es war seine Schuld, dass die gesamte Familie Weasley untertauchen musste, dass Bill, Fred, George und Mr Weasley nicht mehr zur Arbeit konnten.

»Es tut mir leid«, sagte er an einem stürmischen Aprilabend zu Fleur, als er ihr half, das Essen vorzubereiten. »Ich wollte euch das alles wirklich nicht aufhalsen.«

Sie hatte gerade ein paar Messer zum Arbeiten gebracht, die Steaks für Griphook und Bill schnitten, der sein Fleisch blutig mochte, seit Greyback ihn angegriffen hatte. Während die Messer hinter ihr schnitten, wurde ihre leicht gereizte Miene sanfter.

»'Arry, du 'ast meiner Schwester das Leben gerettet, das 'abe isch nischt vergessen.«

Das stimmte genau genommen nicht, aber Harry beschloss, sie nicht daran zu erinnern, dass Gabrielle nie wirklich in Gefahr gewesen war.

»Außerdem«, fuhr Fleur fort und zielte mit ihrem Zauberstab auf einen Soßentopf auf dem Herd, der sofort zu blubbern begann, »verlässt uns Mr Ollivander sowieso 'eute Abend und geht zu Muriel. Dann wird es einfacher. Der Kobold«, sie blickte ein wenig finster bei dem Wort, »kann dann nach unten sie'en, und du, Ron und Dean könnt sein Simmer nehmen.«

»Es macht uns nichts aus, im Wohnzimmer zu schlafen«, sagte Harry, der wusste, dass Griphook wenig davon halten würde, wenn er auf dem Sofa schlafen musste; dass sie Griphook bei Laune hielten, war entscheidend für ihr Vorhaben. »Mach dir wegen uns keine Gedanken.«

Und als sie protestieren wollte, fuhr er fort: »Uns bist du auch bald los, Ron, Hermine und mich. Wir werden hier nicht mehr viel länger bleiben müssen.«

»Aber was soll das 'eißen?«, sagte sie und sah ihn stirnrunzelnd an, den Zauberstab auf den Schmortopf gerichtet, der nun mitten in der Luft schwebte. »Natürlisch dürft ihr nischt ge'en, 'ier seid ihr sischer!«

Als sie das sagte, sah sie Mrs Weasley ziemlich ähnlich, und er war froh, dass im selben Moment die hintere Tür aufging. Luna und Dean kamen herein, mit feuchten Haaren vom Regen draußen und die Arme voller Treibholz.

»... und winzige kleine Ohren«, sagte Luna gerade, »ein bisschen wie die von einem Hippo, meint Daddy, nur violett und haarig. Und wenn man sie rufen will, muss man summen; sie mögen am liebsten Walzer, nichts allzu Schnelles ...«

Dean blickte verlegen drein und zuckte mit den Schultern, als er an Harry vorbeiging und Luna in das Wohn- und Esszimmer folgte, wo Ron und Hermine gerade den Tisch zum Abendessen deckten. Harry nutzte die Gelegenheit, Fleurs Fragen zu entfliehen, ergriff zwei Krüge Kürbissaft und ging ihnen hinterher.

»... und wenn du uns mal zu Hause besuchen kommst, kann ich dir das Horn zeigen, Daddy hat mir davon geschrieben, aber ich hab es noch nicht gesehen, weil die Todesser mich aus dem Hogwarts-Express geholt haben und ich an Weihnachten gar nicht nach Hause kam«, sagte Luna, während sie und Dean Feuerholz nachlegten.

»Luna, wir haben es dir doch gesagt«, rief Hermine ihr zu. »Dieses Horn ist explodiert. Es war von einem Erumpent, nicht von einem Schrumpfhörnigen Schnarchkackler -«

»Nein, es war ganz bestimmt ein Schnarchkackler-Horn«, sagte Luna heiter. »Das weiß ich von Daddy. Es hat sich mittlerweile wahrscheinlich wieder zusammengesetzt, die reparieren sich von alleine, weißt du.«

Hermine schüttelte den Kopf und legte weiter Gabeln auf den Tisch, als Bill erschien, der Mr Ollivander die Treppe herunterführte. Der Zauberstabmacher wirkte immer noch äußerst gebrechlich, und er hielt sich an Bills Arm fest, während Bill, der einen großen Koffer trug, ihn stützte.

»Ich werde Sie vermissen, Mr Ollivander«, sagte Luna und trat auf den alten Mann zu.

»Und ich Sie, meine Liebe«, sagte Ollivander und tätschelte ihr die Schulter. »Sie waren ein unbeschreiblicher Trost für mich an diesem schrecklichen Ort.«

»Nun, au revoir, Mr Ollivander«, sagte Fleur und küsste ihn auf beide Wangen. »Und könnten Sie mir vielleischt einen Gefallen tun und Bills Tantschen Muriel ein Paket von mir bringen? Isch 'abe ihr das Diadem noch gar nischt zurückgegeben.«

»Es ist mir eine Ehre«, sagte Ollivander mit einer kleinen Verbeugung,

»das Mindeste, womit ich mich für Ihre großzügige Gastfreundschaft revanchieren kann.«

Fleur holte ein abgegriffenes samtenes Kästchen hervor, das sie öffnete, um dem Zauberstabmacher zu zeigen, was darin war. Das Diadem lag glitzernd und funkelnd im Licht der niedrig hängenden Lampen.

»Mondsteine und Diamanten«, sagte Griphook, der hereingeschlichen war, ohne dass Harry es bemerkt hatte. »Von Kobolden gefertigt, schätze ich? «

»Und von Zauberern bezahlt«, sagte Bill leise, und der Kobold warf ihm einen lauernden und zugleich herausfordernden Blick zu.

Starke Windböen wehten gegen die Fenster des Hauses, als Bill und Ollivander in die Nacht hinein aufbrachen. Die Übrigen setzten sich dicht gedrängt um den Tisch herum; Ellbogen an Ellbogen, fingen sie an zu essen, sie hatten kaum Platz, sich zu rühren. Das Feuer prasselte und knisterte im Kamin neben ihnen. Harry bemerkte, dass Fleur nur in ihrem Essen herumstocherte; alle paar Minuten warf sie einen Blick zum Fenster; doch bevor sie mit dem ersten Gang fertig waren, kam Bill zurück, seine langen Haare waren vom Wind zerzaust.

»Alles in Ordnung«, sagte er zu Fleur. »Ollivander ist untergebracht, Mum und Dad lassen grüßen. Ginny schickt euch alles Liebe. Fred und George bringen Muriel auf die Palme, sie betreiben immer noch von ihrem Hinterzimmer aus einen Lieferservice mit Eulen. Aber es hat sie aufgemuntert, dass sie ihr Diadem wiederhat. Sie meinte, sie hätte schon geglaubt, dass wir es gestohlen hätten.«

»Ah, wie unge'euer charmante, eure Tante«, sagte Fleur säuerlich und schwang ihren Zauberstab, worauf die benutzten Teller in die Höhe stiegen und sich mitten in der Luft übereinanderstapelten. Sie fing sie auf und marschierte hinaus.

»Daddy hat auch ein Diadem gemacht«, meldete sich Luna. »Na ja, eigentlich eher eine Krone.«

Ron begegnete Harrys Blick und grinste; Harry wusste, dass er an den grotesken Kopfschmuck dachte, den sie während ihres Besuchs bei Xenophilius gesehen hatten.

»Ja, er versucht das verschollene Diadem von Ravenclaw nachzubilden.

Er glaubt, dass er inzwischen weiß, aus was die meisten wichtigen Bestandteile waren. Dass er die Billywig-Flügel dazugetan hat, hat wirklich viel ausgemacht -«

Es klopfte an der Haustür. Alle wandten die Köpfe dorthin. Fleur kam mit verängstigter Miene aus der Küche gerannt; Bill sprang auf, den Zauberstab auf die Tür gerichtet; Harry, Ron und Hermine taten es ihm nach. Griphook glitt stillschweigend unter den Tisch und war nicht mehr zu sehen.

»Wer ist da?«, rief Bill.

»Ich bin es, Remus John Lupin!«, rief eine Stimme durch den heulenden Wind. Jähe Angst packte Harry; was war geschehen? »Ich bin ein Werwolf, verheiratet mit Nymphadora Tonks, und du, der Geheimniswahrer von Shell Cottage, hast mir die Adresse genannt und mich gebeten, im Ernstfall zu kommen!«

»Lupin«, murmelte Bill, und er rannte zur Tür und riss sie auf.

Lupin stürzte über die Schwelle. Er war weiß im Gesicht und in einen Reiseumhang gehüllt, sein angegrautes Haar war vom Wind zerzaust. Er richtete sich auf, blickte im Zimmer umher, um sich zu vergewissern, wer anwesend war, dann schrie er laut: »Es ist ein Junge! Wir haben ihn Ted genannt, nach Doras Vater!«

Hermine stieß einen spitzen Schrei aus.

»Wa-? Tonks – Tonks hat das Baby bekommen?«

»Ja, ja, sie hat das Baby bekommen!«, rief Lupin. Überall am Tisch waren Freudenschreie zu hören, Seufzer der Erleichterung. Hermine und Fleur quiekten beide: »Glückwunsch, Glückwunsch!«, und Ron sagte:

»Meine Fresse, ein Baby!«, als ob er noch nie von so etwas gehört hätte.

»Ja – ja – ein Junge«, sagte Lupin erneut, offenbar ganz benebelt von seinem eigenen Glück. Er schritt zügig um den Tisch herum und schloss Harry in die Arme; es war, als ob die Szene im Kellergeschoss vom Grimmauldplatz nie stattgefunden hätte.

»Willst du der Pate sein?«, fragte er, als er Harry losließ.

»I-ich?«, stammelte Harry.

»Du, ja, natürlich – Dora ist ganz einverstanden, keiner wär besser -«

»Ich – jaah – meine Güte – «

Harry war überwältigt, verblüfft, erfreut. Bill ging nun rasch Wein holen, und Fleur überredete Lupin, eine Kleinigkeit mit ihnen zu trinken.

»Ich kann nicht lange bleiben, ich muss zurück«, sagte Lupin und strahlte alle ringsum an: Er wirkte um Jahre jünger, als Harry ihn je erlebt hatte. »Danke, danke, Bill.«

Bill hatte rasch alle ihre Kelchgläser gefüllt; sie standen auf und erhoben sie für einen Toast.

»Auf Teddy Remus Lupin«, sagte Lupin, »einen großen, noch ganz kleinen Zauberer!«

»Wem sieht er ähnlisch?«, erkundigte sich Fleur.

»Ich glaube, er sieht Dora ähnlich, aber sie meint, er schlägt nach mir.

Wenig Haare. Sie waren schwarz, als er geboren wurde, aber ich schwöre, eine Stunde später waren sie rot. Wenn ich zurückkomme, werden sie wahrscheinlich blond sein. Andromeda meint, Tonks' Haare hätten schon an dem Tag, als sie geboren wurde, angefangen die Farbe zu wechseln.« Er leerte sein Glas. »Oh, na gut, einen noch«, fügte er strahlend hinzu, als Bill nachschenken wollte.

Der Wind rüttelte an dem kleinen Haus, das Feuer loderte und knisterte, und es dauerte nicht lange und Bill öffnete eine weitere Flasche Wein.

Lupin hatte sie mit seiner Nachricht offenbar auf andere Gedanken gebracht, hatte sie für eine Weile aus ihrem Belagerungszustand herausgeholt: Die Kunde von neuem Leben hatte sie aufgeheitert. Nur den Kobold schien die nun plötzlich festliche Stimmung ungerührt zu lassen, und nach einer Weile schlich er zurück in das Schlafzimmer, das er jetzt ganz für sich hatte. Harry glaubte, dass er der Einzige war, der seinen Weggang bemerkt hatte, bis er sah, wie Bills Blick dem Kobold die Treppe hinauf folgte.

»Nein ... nein ... ich muss wirklich zurück«, sagte Lupin schließlich und lehnte ein weiteres Glas Wein ab. Er stand auf und hüllte sich wieder in seinen Reiseumhang. »Auf Wiedersehen, bis bald – vielleicht bringe ich in den nächsten Tagen ein paar Bilder vorbei – sie werden ja alle so froh sein, dass ich euch gesehen hab -«

Er schloss seinen Umhang und verabschiedete sich, umarmte die Frauen und drückte den Männern die Hände, dann kehrte er, immer noch strahlend, in die stürmische Nacht zurück.

»Patenonkel, Harry!«, sagte Bill, als sie beim Tischabräumen halfen und zusammen in die Küche gingen. »Eine echte Ehre! Gratuliere!«

Als Harry die leeren Gläser abstellte, die er hinausgetragen hatte, zog Bill die Tür hinter ihm zu und sperrte die nach wie vor lebhaften Stimmen der anderen aus, die auch ohne Lupin noch weiterfeierten.

»Ich wollte eigentlich mal mit dir alleine sprechen, Harry. Es ist nicht leicht, eine Gelegenheit zu finden, bei dem vollen Haus.«

Bill zögerte.

»Harry, du planst etwas mit Griphook zusammen.«

Es war eine Feststellung, keine Frage, und Harry bemühte sich gar nicht erst, sie zu bestreiten. Er blickte Bill nur abwartend an.

»Ich kenne die Kobolde«, sagte Bill. »Ich habe für Gringotts gearbeitet, seit ich von Hogwarts weg war. Wenn es überhaupt Freundschaft zwischen Zauberern und Kobolden geben kann, habe ich Freunde unter Kobolden –oder zumindest Kobolde, die ich gut kenne und die ich mag.« Bill zögerte erneut. »Harry, was willst du von Griphook, und was hast du ihm dafür versprochen?«

»Das kann ich dir nicht sagen«, erwiderte Harry. »Tut mir leid, Bill.«

Die Küchentür hinter ihnen ging auf; Fleur wollte noch mehr leere Gläser hereinbringen.

»Warte«, sagte Bill zu ihr. »Nur einen Moment.«

Sie wich zurück und er schloss von neuem die Tür.

»Dann muss ich dir eins sagen«, fuhr Bill fort. »Falls du dich auf irgendeinen Handel mit Griphook eingelassen hast, und vor allem, falls es bei diesem Handel um wertvolle Dinge geht, musst du außerordentlich vorsichtig sein. Die Kobolde haben andere Begriffe von Eigentum, Bezahlung und Rückerstattung als die Menschen.«

Harry spürte, wie sich ein leises Unbehagen in ihm regte, als hätte eine kleine Schlange sich in ihm gekrümmt.

»Was meinst du damit?«, fragte er.

»Wir reden von einer anderen Art von Lebewesen«, sagte Bill.

»Geschäfte zwischen Zauberern und Kobolden sind seit Jahrhunderten belastet – aber das wirst du ja alles aus Zaubereigeschichte kennen. Es wurden auf beiden Seiten Fehler begangen, ich würde nie behaupten, dass die Zauberer unschuldig waren. Allerdings herrscht bei manchen Kobolden die Auffassung, und die bei Gringotts neigen vielleicht am stärksten dazu, dass man Zauberern nicht vertrauen kann, wenn es um Gold und Kostbarkeiten geht, dass sie das Eigentum der Kobolde nicht respektieren.«

»Ich respektiere -«, begann Harry, aber Bill schüttelte den Kopf.

»Du verstehst nicht, Harry, keiner kann es verstehen, außer wenn er unter Kobolden gelebt hat. Für einen Kobold ist der rechtmäßige und wahre Besitzer jedes Gegenstands nicht der Käufer, sondern der Erzeuger. Alle koboldgearbeiteten Gegenstände gehören in ihren Augen rechtmäßig ihnen.«

»Aber wenn er gekauft wurde -«

»- dann würden sie ihn als gemietet betrachten, von demjenigen, der das Geld gezahlt hat. Sie haben jedoch große Schwierigkeiten mit der Vorstellung, dass koboldgearbeitete Gegenstände von Zauberer zu Zauberer weitergegeben werden. Du hast Griphooks Gesicht gesehen, als das Diadem vor seinen Augen weitergereicht wurde. Er missbilligt das. Ich glaube, wie die Grimmigsten seiner Artgenossen denkt er, es hätte den Kobolden zurückgegeben werden müssen, sobald der ursprüngliche Käufer gestorben war. Für sie ist unser Brauch, koboldgearbeitete Gegenstände zu behalten und sie ohne nochmalige Bezahlung von Zauberer zu Zauberer weiterzugeben, nichts anderes als Diebstahl.«

Harry beschlich nun ein düsteres Gefühl; er fragte sich, ob Bill mehr ahnte, als er zugab.

»Ich will nur sagen«, fuhr Bill fort und legte die Hand auf die Tür zum Wohnzimmer, »du musst sehr vorsichtig sein, was du einem Kobold versprichst, Harry. Es wäre weniger gefährlich, in Gringotts einzubrechen, als ein Versprechen, das einem Kobold gegeben wurde, nicht einzuhalten.«

»Verstehe«, sagte Harry, als Bill die Tür öffnete, »ja. Danke. Ich werd's mir merken.«

Als er hinter Bill zu den anderen zurückkehrte, beschlich ihn ein bitterer Gedanke, zweifellos von dem Wein, den er getrunken hatte. Er schien auf dem besten Weg, ein genauso rücksichtsloser Pate für Teddy Lupin zu werden, wie es Sirius Black für ihn gewesen war.