"Harry Potter und die Heiligtümer des Todes" - читать интересную книгу автора (Роулинг Джоан)

Die Widmung dieses Buches ist siebengeteilt: für Neil, für Jessica, für David, für Kenzie, für Di, für Anne und für euch, wenn ihr zu Harry gehalten habt, bis ganz zum Schluss.

Erbteil des fluches,

hässlicher sünde

blutige wunde,

schmerzen, wer trüge sie?

quälen, wer stillte sie?

wehe weh!

Einzig der erbe

heilet des hauses

eiternde wunde,

einzig mit blut'gem schnitt.

götter der finsternis

rief mein lied.

Sel'ge geister drunten in der tiefe,

wenn ihr die beschwörungsrufe hörtet,

bringt den kindern hilfe, bringt den sieg.

Aischylos, Das Opfer am Grabe


Sterben ist nur ein Uebergang aus dieser Welt in die andere, als wenn Freunde über See gehen, welche dennoch in einander fortleben. Denn Diejenigen, die im Allgegenwärtigen lieben und leben, müssen nothwendig einander gegenwärtig seyn. In diesem göttlichen Spiegel sehen sie sich von Angesicht zu Angesicht, und ihr Umgang ist so wohl frey als rein. Und wenn sie auch durch den Tod getrennt werden, so haben sie doch den Trost, daß ihre Freundschaft und Gesellschaft ihnen, dem besten Gefühle nach, beständig gegenwärtig bleibt, weil diese unsterblich ist.

William Penn, Früchte der Einsamkeit. Zweyte Abtheilung


Gringotts

Es war alles geplant, ihre Vorbereitungen waren abgeschlossen; im kleinsten Schlafzimmer lag ein einzelnes langes, grobes, schwarzes Haar (von dem Pullover gezupft, den Hermine im Haus der Malfoys getragen hatte) zusammengerollt in einem Glasfläschchen auf dem Kaminsims.

»Und dann benutzt du auch noch ihren richtigen Zauberstab«, sagte Harry und nickte in Richtung des Walnuss-Zauberstabs, »ich schätze mal, da wirst du ziemlich überzeugend sein.«

Hermine nahm den Zauberstab hoch und sah aus, als befürchtete sie, er könnte sie stechen oder beißen.

»Ich hasse dieses Ding«, sagte sie mit leiser Stimme. »Und wie ich es hasse. Es fühlt sich ganz komisch an, es ist nicht richtig für mich geeignet

... es ist wie ein Stück von ihr.«

Harry musste unweigerlich daran denken, wie Hermine seinen Abscheu gegen den Schwarzdorn-Zauberstab abgetan hatte, wie sie darauf beharrt hatte, dass er sich nur irgendwas einbilden würde, als er nicht so gut funktioniert hatte wie sein eigener, und zu ihm gesagt hatte, er müsse einfach üben. Er beschloss jedoch, ihr diesen Ratschlag nicht zurückzugeben; der Vorabend ihres Versuchs, Gringotts zu erstürmen, schien der falsche Zeitpunkt, sie gegen sich aufzubringen.

»Aber er hilft dir wahrscheinlich, ein Gefühl für deine Rolle zu kriegen«, sagte Ron. »Denk mal, was dieser Zauberstab schon gemacht hat!«

»Aber genau das meine ich!«, sagte Hermine. »Das ist der Zauberstab, der Nevilles Mum und Dad gefoltert hat und wer weiß wie viele Leute sonst noch. Das ist der Zauberstab, der Sirius getötet hat! «

Daran hatte Harry nicht gedacht: Er blickte hinab auf den Zauberstab und verspürte einen grausamen Drang, ihn zu zerbrechen, ihn mit Gryffindors Schwert, das neben ihm an der Wand lehnte, entzweizuhacken.

»Ich vermisse meinen Zauberstab«, sagte Hermine bekümmert. »Hätte Mr Ollivander mir doch auch einen anderen machen können.«

Mr Ollivander hatte Luna an diesem Morgen einen neuen Zauberstab geschickt. Sie war im Augenblick draußen auf dem Rasen hinter dem Haus und probierte in der Nachmittagssonne aus, was er alles konnte. Dean, der seinen Zauberstab an die Greifer verloren hatte, sah ihr ziemlich bedrückt zu.

Harry blickte hinab auf den Weißdorn-Zauberstab, der einst Draco Malfoy gehört hatte. Zu seiner allerdings freudigen Überraschung hatte er festgestellt, dass er bei ihm mindestens genauso gut funktionierte wie zuvor Hermines Zauberstab. Er erinnerte sich daran, was Ollivander ihnen über das geheimnisvolle Wirken von Zauberstäben erzählt hatte, und meinte zu wissen, worin Hermines Problem lag: Sie hatte Bellatrix den Walnuss-Zauberstab nicht persönlich abgenommen und daher auch nicht seine Gefolgschaft gewonnen.

Die Tür des Schlafzimmers ging auf und Griphook trat ein. Harry langte instinktiv nach dem Griff des Schwertes und zog es zu sich heran, bereute es aber auf der Stelle: Der Kobold hatte das offensichtlich bemerkt. Harry versuchte den unangenehmen Moment zu überspielen, indem er sagte:

»Wir sind gerade noch mal die allerletzten Sachen durchgegangen, Griphook. Wir haben Bill und Fleur gesagt, dass wir morgen abreisen und dass sie nicht aufzustehen brauchen, um uns zu verabschieden.«

In diesem Punkt waren sie hart geblieben, weil Hermine sich in Bellatrix verwandeln musste, ehe sie aufbrachen, und je weniger Bill und Fleur wussten oder vermuteten, was sie vorhatten, desto besser. Sie hatten ihnen auch erklärt, dass sie nicht zurückkommen würden. Da sie Perkins' altes Zelt in der Nacht verloren hatten, als die Greifer sie fingen, hatte Bill ihnen ein anderes geliehen. Es war jetzt in der perlenverzierten Tasche verstaut, die Hermine, wie Harry beeindruckt erfuhr, vor den Greifern geschützt hatte, indem sie sie einfach ganz unten in ihre Socke gestopft hatte.

Obwohl er Bill, Fleur, Luna und Dean vermissen würde, ganz zu schweigen von den häuslichen Annehmlichkeiten, die sie während der letzten Wochen genossen hatten, freute sich Harry darauf, der Enge von Shell Cottage zu entkommen. Er hatte es satt, andauernd aufpassen zu müssen, dass ihnen keiner zuhörte, hatte es satt, in dem kleinen dunklen Schlafzimmer eingesperrt zu sein. Am meisten sehnte er sich danach, Griphook loszuwerden. Doch wie und wann genau sie sich von dem Kobold trennen würden, ohne ihm Gryffindors Schwert auszuhändigen, blieb eine Frage, auf die Harry keine Antwort hatte. Es war unmöglich gewesen, zu einer Entscheidung zu kommen, wie sie das anstellen sollten, da der Kobold Harry, Ron und Hermine selten länger als fünf Minuten am Stück allein ließ. »Der könnte meiner Mutter noch was beibringen«, knurrte Ron, als die langen Koboldfinger ständig an Türkanten auftauchten. Bills Warnung im Sinn, konnte Harry nicht umhin zu vermuten, dass Griphook Ausschau hielt, ob er womöglich hereingelegt wurde. Hermine war so vehement gegen das geplante falsche Spiel, dass Harry den Versuch aufgegeben hatte, sich ihr Wissen zunutze zu machen bei der Frage, wie man es am besten anstellen könnte; Ron fiel in einem jener seltenen Momente, die sie ohne Griphook ergattern konnten, nichts Besseres dazu ein als: »Wir müssen einfach irgendwie improvisieren, Mann.«

Harry schlief schlecht in dieser Nacht. In den frühen Morgenstunden lag er wach und rief sich ins Gedächtnis zurück, wie er sich in der Nacht gefühlt hatte, bevor sie ins Zaubereiministerium eingedrungen waren, und er erinnerte sich, dass er entschlossen, fast erregt gewesen war. Nun verspürte er jäh aufflackernde Ängste, nagende Zweifel: Er wurde die Befürchtung einfach nicht los, dass alles schiefgehen würde. Immer wieder sagte er sich, dass sie einen guten Plan hatten, dass Griphook wusste, womit sie es zu tun bekommen würden, dass sie auf all die Schwierigkeiten, mit denen sie rechnen mussten, gut vorbereitet waren; und dennoch hatte er ein ungutes Gefühl. Ein-, zweimal hörte er, wie Ron sich bewegte, und war sicher, dass auch er wach lag, doch sie teilten sich das Wohnzimmer mit Dean, deshalb sagte Harry nichts.

Es war eine Erleichterung, als es sechs Uhr wurde und sie aus ihren Schlafsäcken schlüpfen, sich im Halbdunkel anziehen und dann hinaus in den Garten schleichen konnten, wo sie sich mit Hermine und Griphook treffen wollten. Es war ein kühler Morgen, doch es wehte nur ein leichter Wind, nun, da es Mai war. Harry blickte hoch zu den Sternen, die am dunklen Himmel immer noch blass leuchteten, und lauschte den Wellen, die gegen die Klippe brandeten: Er würde dieses Geräusch vermissen.

Kleine grüne Schösslinge sprossen nun aus der roten Erde von Dobbys Grab; in einem Jahr würde der Hügel mit Blumen bewachsen sein. Der weiße Stein, der den Namen des Elfen trug, sah bereits verwittert aus. Jetzt wurde Harry klar, dass sie Dobby kaum an einem schöneren Platz hätten bestatten können, doch ihm war schmerzhaft traurig zumute bei dem Gedanken, dass sie ihn zurückließen. Er sah auf das Grab hinab und fragte sich noch einmal, woher der Elf gewusst hatte, wohin er kommen musste, um sie zu retten. Wie von allein wanderten seine Finger zu dem kleinen Beutel, der nach wie vor um seinen Hals hing und durch den er die gezackte Spiegelscherbe ertasten konnte, in der er, davon war er überzeugt, Dumbledores Auge gesehen hatte. Dann hörte er eine Tür aufgehen und drehte sich um.

Bellatrix Lestrange schritt über den Rasen auf sie zu, in Begleitung von Griphook. Im Gehen stopfte sie die kleine Perlentasche in die Innentasche eines weiteren der alten Umhänge, die sie vom Grimmauldplatz mitgenommen hatten. Obwohl Harry ganz genau wusste, dass es in Wahrheit Hermine war, konnte er einen Schauder des Abscheus nicht unterdrücken. Sie war größer als er, das lange schwarze Haar wogte ihr über den Rücken, und ihre Augen mit den schweren Lidern blickten verächtlich, als sie auf ihm ruhten; doch dann sprach sie und er hörte Hermine aus Bellatrix' leiser Stimme heraus.

»Sie hat ekelhaft geschmeckt, schlimmer als Spulenwurzeln! Okay, Ron, komm, damit ich dich herrichten kann ...«

»In Ordnung, aber vergiss nicht, ich mag den Bart nicht zu lang -«

»Oh, um Himmels willen, es geht hier nicht darum, möglichst gut auszusehen -«

»Das ist es nicht, der ist nur andauernd im Weg! Aber dass meine Nase ein wenig kürzer war, hat mir gefallen, versuch doch, es so wie letztes Mal hinzukriegen.«

Seufzend machte sich Hermine an die Arbeit und veränderte leise vor sich hin murmelnd verschiedene Merkmale von Rons Erscheinung. Er sollte eine völlig erfundene Person werden, und sie bauten darauf, dass die feindselige Aura, die von Bellatrix ausging, ihn schützen würde. Harry und Griphook wollten sich unterdessen unter dem Tarnumhang verbergen.

»Bitte sehr«, sagte Hermine, »wie sieht er aus, Harry?«

Es war gerade noch möglich, Ron unter seiner Maske zu erkennen, aber nur, dachte Harry, weil er ihn so gut kannte. Rons Haare waren jetzt lang und gewellt, er hatte einen dichten braunen Bart mitsamt Schnurrbart, keine Sommersprossen, eine kurze, breite Nase und buschige Augenbrauen.

»Also, mein Typ ist er nicht, aber es wird genügen«, sagte Harry.

»Gehen wir dann?«

Alle drei blickten zurück auf Shell Cottage, das dunkel und still unter den verblassenden Sternen lag, dann wandten sie sich um und gingen auf die Stelle direkt hinter der Grenzmauer zu, wo der Fidelius-Zauber nicht mehr wirksam war und sie disapparieren konnten. Sobald sie draußen vor dem Tor waren, ergriff Griphook das Wort.

»Ich sollte jetzt aufsteigen, Harry Potter, nicht wahr?«

Harry bückte sich, der Kobold kletterte auf seinen Rücken und verschränkte seine Hände vor Harrys Kehle. Er war nicht schwer, doch Harry mochte das Gefühl des Kobolds auf seinem Rücken nicht, der sich überraschend kräftig an ihn klammerte. Hermine zog den Tarnumhang aus der Perlentasche und warf ihn beiden über.

»Perfekt«, sagte sie und bückte sich nach Harrys Füßen. »Nichts zu sehen. Gehen wir.«

Mit Griphook auf den Schultern drehte Harry sich auf der Stelle, voll und ganz auf den Tropfenden Kessel konzentriert, den Pub, der den Eingang zur Winkelgasse markierte. Der Kobold klammerte sich noch fester an ihn, als sie sich in die drückende Dunkelheit hineinbewegten, und Sekunden später landeten Harrys Füße auf dem Bürgersteig, er schlug die Augen auf und war in der Charing Cross Road. Muggel eilten vorbei, mit den tranigen Mienen des frühen Morgens, nichts von der Existenz des kleinen Pubs ahnend.

Der Schankraum des Tropfenden Kessels war fast leer. Tom, der zahnlose Wirt mit dem krummen Rücken, polierte Gläser hinter der Bar; einige Zauberer, die sich hinten in der Ecke leise unterhielten, warfen einen Blick auf Hermine und zogen sich in die Schatten zurück.

»Madam Lestrange«, murmelte Tom und neigte unterwürfig den Kopf, als Hermine vorbeiging.

»Guten Morgen«, sagte Hermine, und als Harry vorbeischlich, der unter dem Tarnumhang immer noch Griphook huckepack trug, sah er Toms überraschte Miene.

»Zu höflich«, flüsterte Harry Hermine ins Ohr, als sie aus dem Pub hinaus in den kleinen Hinterhof gingen. »Du musst die Leute wie Abschaum behandeln!«

»Okay, okay! «

Hermine zog Bellatrix' Zauberstab hervor und klopfte sachte damit gegen einen Ziegelstein an der unauffälligen Mauer vor ihnen.

Augenblicklich begannen die Steine sich zu drehen und herumzuwirbeln: Ein Loch tat sich in der Mitte der Mauer auf, wurde immer breiter und bildete schließlich einen Torbogen, der auf eine schmale gepflasterte Straße hinausführte, die Winkelgasse.

Es war ruhig, noch würde es etwas dauern, bis die Läden öffneten, und es waren kaum Käufer unterwegs. Die gewundene Pflasterstraße hatte sich stark verändert seit damals, als Harry vor seinem ersten Jahr in Hogwarts hier gewesen war und ein geschäftiges Treiben erlebt hatte. Noch mehr Läden waren mit Brettern vernagelt, doch seit seinem letzten Besuch hatten einige neue Geschäfte aufgemacht, die auf die dunklen Künste spezialisiert waren. Harrys Gesicht starrte finster von Plakaten zu ihm herab, die über vielen Fenstern klebten, stets mit der Überschrift versehen Unerwünschter Nummer eins.

In den Eingängen kauerten einige zerlumpte Gestalten dicht beieinander. Er hörte, wie sie die wenigen Passanten jammernd ansprachen, um Gold bettelten und dabei versicherten, dass sie wirklich Zauberer seien.

Ein Mann hatte eine blutige Binde über dem Auge.

Als sie sich auf den Weg die Straße entlang machten, wurde Hermine von den Bettlern bemerkt. Sie schienen sich bei ihrem Anblick förmlich aufzulösen, zogen Kapuzen über ihre Gesichter und flohen, so schnell sie konnten. Hermine sah ihnen neugierig hinterher, bis der Mann mit der blutigen Binde ihr direkt über den Weg torkelte.

»Meine Kinder!«, schrie er und deutete auf sie. Seine schrille Stimme überschlug sich, er klang außer sich. »Wo sind meine Kinder? Was hat er mit ihnen gemacht? Du weißt es, du weißt es!«

»Ich – ich, woher -«, stammelte Hermine.

Der Mann stürzte sich auf sie, griff nach ihrer Kehle: Dann war ein Knall zu hören, rotes Licht blitzte auf, und der Mann wurde rücklings zu Boden geschleudert, wo er bewusstlos liegen blieb. Ron stand da mit immer noch ausgestrecktem Zauberstab, und unter seinem Bart war seine entsetzte Miene zu erkennen. Zu beiden Seiten der Straße erschienen Gesichter an den Fenstern, während ein Grüppchen offenbar wohlhabender Passanten ihre Umhänge rafften, die Schritte leicht beschleunigten und sich möglichst rasch von dannen machten.

Sie hätten beim Betreten der Winkelgasse kaum stärkeres Aufsehen erregen können; Harry überlegte kurz, ob sie nicht besser gleich wieder verschwinden und versuchen sollten, sich einen anderen Plan auszudenken.

Doch ehe sie weitergehen oder sich beraten konnten, hörten sie hinter sich einen Schrei:

»Aber das ist ja Madam Lestrange!«

Harry fuhr herum und Griphook klammerte sich fester an seinen Hals: Ein großer, schlanker Zauberer mit einer buschigen grauen Haarkrone und einer langen, spitzen Nase schritt auf sie zu.

»Das ist Travers«, zischte der Kobold Harry ins Ohr, doch Harry wollte im Moment nicht einfallen, wer Travers war. Hermine hatte sich so groß wie möglich gemacht und sagte mit aller Geringschätzung, die sie aufbieten konnte: »Und was wollen Sie?«

Travers blieb abrupt stehen, offenbar vor den Kopf gestoßen.

»Er ist auch ein Todesser!«, hauchte Griphook, und Harry schlich seitwärts, um es Hermine ins Ohr zu flüstern.

»Ich wollte Sie nur begrüßen«, sagte Travers kühl, »aber wenn meine Gegenwart unerwünscht ist ...«

Jetzt erkannte Harry die Stimme; Travers war einer der Todesser, die zu Xenophilius' Haus gerufen worden waren.

»Nein, nein, im Gegenteil, Travers«, sagte Hermine rasch, um ihren Fehler zu vertuschen. »Wie geht es Ihnen?«

»Nun, ich gestehe, es überrascht mich, Sie hier unterwegs zu sehen, Bellatrix.«

»Tatsächlich? Weshalb?«, fragte Hermine.

»Nun«, Travers hüstelte, »ich habe gehört, dass die Bewohner des Hauses Malfoy das Haus nicht verlassen dürfen, seit der ... ähm ... Flucht.«

Harry wünschte mit aller Kraft, Hermine möge kühlen Kopf bewahren.

Wenn das stimmte und Bellatrix eigentlich nicht draußen in der Öffentlichkeit sein sollte -

»Der Dunkle Lord vergibt denjenigen, die ihm in der Vergangenheit am treuesten gedient haben«, sagte Hermine, indem sie Bellatrix'

herablassendste Art großartig nachahmte. »Vielleicht stehen Sie nicht ganz so hoch in seiner Gunst wie ich, Travers.«

Der Todesser schien zwar gekränkt, doch auch weniger misstrauisch. Er warf einen Blick hinab auf den Mann, dem Ron gerade einen Schockzauber verpasst hatte.

»Wie hat Sie das hier beleidigt?«

»Das ist nicht von Bedeutung, es wird das nicht wieder tun«, sagte Hermine kühl.

»Manche von diesen Zauberstablosen können lästig sein«, sagte Travers. »Solange sie nur betteln, habe ich nichts gegen sie, aber letzte Woche hat mich eine tatsächlich gebeten, im Ministerium ein gutes Wort für sie einzulegen. gt;Ich bin eine Hexe, Sir, ich bin eine Hexe, lassen Sie es mich beweisen!lt;«, imitierte er sie mit piepsender Stimme. »Als ob ich ihr meinen Zauberstab geben würde – aber wessen Zauberstab«, fragte Travers neugierig, »benutzen Sie denn im Augenblick, Bellatrix? Wie ich höre, wurde der Ihre -«

»Ich habe meinen Zauberstab hier«, sagte Hermine kalt und hielt Bellatrix' Zauberstab hoch. »Ich weiß nicht, welche Gerüchte Sie da gehört haben, Travers, aber Sie scheinen bedauerlich schlecht informiert zu sein.«

Travers wirkte darüber ein wenig verblüfft und wandte sich jetzt Ron zu.

»Wer ist Ihr Freund? Ich kenne ihn nicht.«

»Das ist Dragomir Despard«, sagte Hermine; sie hatten beschlossen, dass ein erfundener Ausländer die sicherste Tarnung für Ron war. »Er spricht nur sehr wenig Englisch, aber er sympathisiert mit den Zielen des Dunklen Lords. Er ist aus Transsylvanien angereist, um sich unser neues Regime anzusehen.«

»Tatsächlich? Guten Tag, Dragomir.«

»Tag«, sagte Ron und hielt ihm die Hand entgegen.

Travers streckte zwei Finger aus und schüttelte Rons Hand, als ob er Angst hätte, sich schmutzig zu machen.

»Nun, was führt Sie und Ihren – ähm – sympathischen Freund so früh in die Winkelgasse?«, fragte Travers.

»Ich muss zu Gringotts«, sagte Hermine.

»Ich auch, leider«, sagte Travers. »Gold, schnödes Gold! Wir können nicht ohne es leben, doch ich bedaure zugegebenermaßen die Notwendigkeit, mit unseren langfingrigen Freunden zu verkehren.«

Harry spürte, wie Griphooks Hände sich für einen Moment fester um seinen Hals schlossen.

»Wollen wir?«, sagte Travers und winkte Hermine vorwärts.

Hermine blieb nichts anderes übrig, als sich ihm anzuschließen und neben ihm die gewundene Pflasterstraße entlangzugehen, hin zu dem Platz, wo die schneeweiße Gringotts-Bank hoch über die kleinen Geschäfte aufragte. Ron schlenderte neben ihnen her, Harry und Griphook folgten.

Ein wachsamer Todesser war das Allerletzte, was sie brauchen konnten, und das Schlimmste daran war, dass Harry, solange Travers neben der vermeintlichen Bellatrix ging, keine Möglichkeit hatte, mit Hermine oder Ron in Verbindung zu treten. Allzu schnell gelangten sie zum Fuß der Marmortreppe, die zu dem großen Bronzetor hinaufführte. Wie Griphook sie schon vorgewarnt hatte, waren die uniformierten Kobolde, die sonst den Eingang flankierten, durch zwei Zauberer ersetzt worden, die beide lange, dünne goldene Stäbe in den Händen hielten.

»Ah, Seriositätssonden«, seufzte Travers theatralisch, »so primitiv –aber wirkungsvoll! «

Er ging nun die Treppe hinauf und nickte links und rechts den Zauberern zu, die ihre goldenen Stäbe hoben und sie an seinem Körper entlangführten. Die Sonden, das wusste Harry, spürten Verbergungszauber und versteckte magische Gegenstände auf. Sich dessen bewusst, dass er nur Sekunden hatte, richtete Harry Dracos Zauberstab nacheinander auf die beiden Wächter und murmelte jedes Mal: »Confundo.« Ohne dass Travers etwas bemerkte, der durch die Bronzetüren in die Halle hineinblickte, zuckten die beiden Wachen ein wenig zusammen, als sie von den Zaubern getroffen wurden.

Hermines langes schwarzes Haar wallte hinter ihr her, als sie die Treppe hochstieg.

»Einen Moment, Madam«, sagte der Wächter und hob seine Sonde.

»Aber das haben Sie doch eben schon getan!«, sagte Hermine in Bellatrix' gebieterischem, arrogantem Tonfall. Travers wandte sich mit hochgezogenen Brauen um. Der Wächter war verwirrt. Er sah hinab auf die dünne goldene Sonde und dann zu seinem Gefährten, der mit leicht träger Stimme sagte: »Jaah, du hast die beiden gerade überprüft, Marius.«

Hermine schritt vorwärts, Ron an ihrer Seite, während Harry mit Griphook unsichtbar hinterhertrottete. Harry warf einen Blick zurück, als sie über die Schwelle traten: Beide Zauberer kratzten sich am Kopf.

Zwei Kobolde waren vor der inneren, silbernen Doppeltür postiert, auf der das Gedicht stand, das mögliche Diebe vor schrecklicher Strafe warnte.

Harry schaute zu ihm auf und plötzlich kam ihm glasklar eine Erinnerung: Genau an dieser Stelle hatte er gestanden, an dem Tag als er elf geworden war, dem wunderbarsten Geburtstag seines Lebens, und Hagrid war an seiner Seite gewesen und hatte gesagt: »Wie ich gesagt hab, du musst verrückt sein, wenn du den Laden knacken willst.« Gringotts war ihm an diesem Tag wie etwas Wunderbares vorgekommen, der verzauberte Ort, der einen Goldschatz verwahrte, von dem er nicht gewusst hatte, dass er ihn besaß, und nicht im Traum hätte er auch nur für einen Moment gedacht, dass er zurückkommen würde, um zu stehlen ... Doch wenige Sekunden später standen sie in der riesigen Marmorhalle der Bank.

Der lange Schalter war mit Kobolden auf hohen Schemeln besetzt, die die ersten Kunden des Tages bedienten. Hermine, Ron und Travers steuerten auf einen alten Kobold zu, der mit einer Uhrmacherlupe eine dicke Goldmünze untersuchte. Hermine ließ Travers den Vortritt unter dem Vorwand, dass sie Ron Besonderheiten der Halle erläutern wolle.

Der Kobold warf die Münze, die er in der Hand hielt, beiseite, sagte zu niemand Bestimmtem: »Leprechan«, und begrüßte dann Travers, der ihm einen winzigen goldenen Schlüssel überreichte, den er in Augenschein nahm und wieder zurückgab.

Hermine trat vor.

»Madam Lestrange!«, sagte der Kobold, offenbar verblüfft. »Meine Güte! Was – was kann ich heute für Sie tun?«

»Ich wünsche mein Verlies aufzusuchen«, sagte Hermine.

Der alte Kobold schien ein wenig zurückzuschrecken. Harry sah sich um. Nicht nur Travers lauerte wachsam im Hintergrund, auch einige der anderen Kobolde hatten von ihrer Arbeit aufgeblickt und starrten Hermine an.

»Können Sie sich ... ausweisen?«, fragte der Kobold.

»Ausweisen? Man – man hat noch nie von mir verlangt, dass ich mich ausweisen soll!«, sagte Hermine.

»Sie wissen Bescheid!«, flüsterte Griphook in Harrys Ohr. »Sie müssen gewarnt worden sein, dass eine Doppelgängerin auftauchen könnte!«

»Ihr Zauberstab wird genügen, Madam«, sagte der Kobold. Er streckte seine etwas zitternde Hand aus, und wie ein furchtbarer Schlag traf Harry die Erkenntnis, dass die Kobolde von Gringotts wussten, dass Bellatrix'

Zauberstab gestohlen worden war.

»Sofort handeln, sofort handeln«, flüsterte Griphook Harry ins Ohr,

»der Imperius-Fluch!«

Harry hob unter seinem Umhang den Weißdorn-Zauberstab, richtete ihn auf den alten Kobold und flüsterte zum ersten Mal in seinem Leben:

»Imperio!«

Ein seltsames Gefühl schoss durch Harrys Arm, eine prickelnde Wärme, die von seinem Kopf auszugehen schien, durch die Sehnen und Adern hinabströmte und ihn mit dem Zauberstab und dem Fluch verband, den er gerade ausgeführt hatte. Der Kobold nahm Bellatrix' Zauberstab entgegen, prüfte ihn genau und sagte dann: »Ah, Sie haben sich einen neuen Zauberstab machen lassen, Madam Lestrange!«

»Wie bitte?«, sagte Hermine. »Nein, nein, das ist meiner -«

»Einen neuen Zauberstab?«, fragte Travers und näherte sich wieder dem Schalter; die Kobolde rundum sahen immer noch zu. »Aber wie haben Sie das geschafft, welchen Zauberstabmacher haben Sie beauftragt?«

Harry handelte, ohne nachzudenken: Er richtete seinen Zauberstab auf Travers und murmelte noch einmal: »Imperio!«

»Oh, ja, ich verstehe«, sagte Travers, während er auf Bellatrix'

Zauberstab hinabschaute, »ja, sehr hübsch. Und funktioniert er gut? Ich war schon immer der Meinung, dass man Zauberstäbe ein wenig einzaubern muss, nicht wahr?«

Hermine sah völlig konfus aus, doch zu Harrys gewaltiger Erleichterung nahm sie die seltsame Wendung des Geschehens kommentarlos hin.

Der alte Kobold hinter dem Schalter klatschte in die Hände und ein jüngerer Kobold kam herbei.

»Ich brauche die Klirrer«, sagte er zu dem Kobold, der davoneilte und einen Moment später mit einer Ledertasche zurückkehrte, die offenbar voll klimpernder Metallteile war und die er seinem Vorgesetzten übergab.

»Schön, schön! Nun, wenn Sie mir bitte folgen würden, Madam Lestrange«, sagte der alte Kobold, hüpfte von seinem Schemel herunter und war nicht mehr zu sehen. »Ich werde Sie zu Ihrem Verlies bringen. «

Er tauchte am Ende des Schalters wieder auf und trottete munter auf sie zu, wobei es im Innern der Ledertasche weiter klimperte. Travers stand inzwischen vollkommen reglos da und sein Mund blieb ihm weit offen stehen. Ron lenkte die Aufmerksamkeit auf dieses merkwürdige Bild, indem er Travers verwirrt ansah.

»Einen Moment, Bogrod!«

Ein weiterer Kobold kam um den Schalter herumgetrippelt.

»Wir haben Anweisungen«, sagte er mit einer Verneigung in Hermines Richtung. »Verzeihen Sie mir, Madam Lestrange, aber wir haben spezielle Befehle bekommen, was das Verlies der Lestranges angeht.«

Er flüsterte eindringlich in Bogrods Ohr, doch der Kobold unter dem Imperius-Fluch schüttelte ihn ab.

»Die Anweisungen sind mir bekannt. Madam Lestrange wünscht ihr Verlies aufzusuchen ... sehr alte Familie ... alte Kunden ... hier lang, bitte

...«

Und unter stetem Geklirre hastete er auf eine der vielen Türen zu, die aus der Halle hinausführten. Harry blickte zu Travers zurück, der immer noch wie angewurzelt dastand und einen ungewöhnlich teilnahmslosen Eindruck machte, dann traf er seine Entscheidung: Mit einem Schlenker seines Zauberstabs brachte er Travers dazu, mitzukommen, der ihnen nun lammfromm bis zur Tür folgte und weiter in den groben steinernen Gang dahinter, den lodernde Fackeln erleuchteten.

»Wir kriegen Ärger, sie haben Verdacht geschöpft«, sagte Harry, als die Tür hinter ihnen zuschlug und er den Tarnumhang herunterzog. Griphook sprang von seinen Schultern; weder Travers noch Bogrod schienen auch nur im Geringsten überrascht darüber, dass plötzlich Harry Potter in ihrer Mitte auftauchte. »Die stehen unter dem Imperius«, antwortete er auf Hermines und Rons verwirrte Fragen nach Travers und Bogrod, die beide dastanden und mit leerem Blick vor sich hin stierten. »Ich glaub nicht, dass ich ihn stark genug gemacht habe, ich weiß nicht ...«

Und wieder jagte ihm eine Erinnerung durch den Kopf, an die echte Bellatrix Lestrange, die ihn angeschrien hatte, als er zum ersten Mal einen Unverzeihlichen Fluch ausprobiert hatte: »Du musst ihn auch wirklich so meinen, Potter!«

»Was machen wir jetzt?«, fragte Ron. »Sollten wir nicht gleich verschwinden, solange wir noch können?«

»Falls wir noch können«, sagte Hermine und blickte zurück auf die Tür zur Haupthalle, hinter der wer weiß was vor sich ging.

»Wir haben es bis hierher geschafft, ich denke, jetzt machen wir auch weiter«, erwiderte Harry.

»Gut!«, sagte Griphook. »Dann brauchen wir auf jeden Fall Bogrod, um den Karren zu fahren; ich habe nicht mehr die Befugnis. Aber für den Zauberer wird kein Platz sein.«

Harry richtete seinen Zauberstab auf Travers.

»Imperio!«

Der Zauberer drehte sich um und ging mit forschen Schritten den dunklen Schienenstrang entlang.

»Was lässt du ihn machen?«

»Er soll sich verstecken«, sagte Harry und richtete seinen Zauberstab auf Bogrod, der pfiff und damit einen kleinen Karren herbeirief, der auf den Schienen aus der Dunkelheit auf sie zugerollt kam. Harry war überzeugt davon, dass hinter ihnen in der Haupthalle Rufe zu hören waren, während sie alle hineinkletterten, Bogrod mit Griphook vorne, Harry, Ron und Hermine dicht gedrängt dahinter.

Mit einem Ruck fuhr der Karren los und gewann an Geschwindigkeit: Sie wirbelten an Travers vorbei, der sich in eine Felsspalte drückte, dann begann der Karren durch die labyrinthischen Gänge zu schlingern und zu kurven, die unaufhörlich in die Tiefe führten. Harry war betäubt von dem Geratter des Karrens auf den Schienen: Sein Haar flatterte im Fahrtwind, während sie zwischen Stalaktiten hindurchkurvten und immer tiefer in die Erde rauschten, doch er schaute ständig zurück. Sie hätten genauso gut gewaltige Fußabdrücke hinterlassen können; je länger er darüber nachdachte, desto törichter erschien es ihm, dass Hermine als Bellatrix verkleidet war, dass sie Bellatrix' Zauberstab mitgebracht hatten, wo die Todesser doch wussten, wer ihn gestohlen hatte -

Sie waren jetzt tiefer in Gringotts, als Harry jemals vorgedrungen war; in flottem Tempo nahmen sie eine Haarnadelkurve und sahen vor sich, nur Sekunden entfernt, einen Wasserfall, der auf die Schienen herabdonnerte.

Harry hörte Griphook »Nein!« schreien, aber bremsen war nicht möglich: Sie sausten mitten hindurch. Wasser drang in Harrys Augen und Mund: Er konnte nichts sehen und bekam keine Luft mehr. Dann kippte der Karren mit einem fürchterlichen Ruck und sie wurden alle hinausgeschleudert.

Harry hörte, wie der Karren an der Felswand zerschmetterte, hörte Hermine etwas schreien und spürte, wie er selbst nach unten schwebte, als ob er schwerelos wäre, und ohne sich wehzutun auf dem Boden des steinernen Ganges landete.

»P-Polsterungszauber«, prustete Hermine, als Ron sie auf die Füße zog.

Doch zu seinem Entsetzen sah Harry, dass sie nicht mehr Bellatrix war; stattdessen stand sie in einem viel zu großen Umhang da, tropfnass und völlig sie selbst; Ron war wieder rothaarig und hatte keinen Bart mehr. Als sie einander ansahen und die eigenen Gesichter abtasteten, wurde es ihnen bewusst.

»Der Diebesfall!«, sagte Griphook, rappelte sich auf und blickte zurück auf die Flut, die sich über die Schienen ergoss und mehr als Wasser war, wie Harry jetzt wusste. »Er spült alle Zauber, alle magischen Maskeraden weg! Die wissen, dass Betrüger in Gringotts sind, sie haben Verteidigungsmaßnahmen gegen uns eingeleitet!«

Harry sah, wie Hermine sich vergewisserte, dass sie die Perlentasche noch hatte, und fuhr hastig mit der Hand unter seine Jacke, um sicherzugehen, dass er den Tarnumhang nicht verloren hatte. Dann wandte er sich Bogrod zu, der konfus den Kopf schüttelte: Der Diebesfall schien den Imperius-Fluch aufgehoben zu haben.

»Wir brauchen ihn«, sagte Griphook, »ohne einen Kobold von Gringotts können wir nicht in das Verlies hineinkommen. Und wir brauchen die Klirrer!«

»Imperio!«, sagte Harry erneut; seine Stimme hallte durch den steinernen Gang, und er empfand wieder das berauschende Gefühl der Macht, das von seinem Gehirn zum Zauberstab strömte. Bogrod fügte sich noch einmal seinem Willen, und seine verwirrte Miene wurde wieder eine höflich gleichgültige, während Ron eilends die Ledertasche mit den metallenen Geräten aufhob.

»Harry, ich glaube, ich höre Leute kommen!«, sagte Hermine, und sie richtete Bellatrix' Zauberstab auf den Wasserfall und schrie: »Protego!« Sie sahen, wie der Schildzauber durch die Flut des verzauberten Wassers brach, als er den Gang hinaufflog.

»Gut gemacht«, sagte Harry, »gehen Sie voran, Griphook!«

»Wie sollen wir da wieder rauskommen?«, fragte Ron, während sie dem Kobold zu Fuß in die Dunkelheit nacheilten, wobei Bogrod hinter ihnen herkeuchte wie ein alter Hund.

»Darüber machen wir uns Sorgen, wenn es so weit ist«, sagte Harry. Er spitzte die Ohren: Er meinte, in der Nähe etwas rasseln zu hören und dass sich etwas bewegte. »Wie weit noch, Griphook?«

»Nicht mehr weit, Harry Potter, nicht mehr weit ...«

Dann bogen sie um eine Ecke und sahen das, worauf Harry gefasst war und das sie dennoch alle erstarren ließ.

Ein gigantischer Drache war vor ihnen an den Boden gekettet und versperrte den Zugang zu vier oder fünf der tiefsten Verliese von Gringotts.

Die Schuppen des Untiers waren während der langen Gefangenschaft unter der Erde blass und rissig geworden; seine Augen waren milchig rosa. Beide Hinterbeine trugen schwere Schellen, von denen Ketten zu riesigen Pflöcken führten, die tief in den Felsboden getrieben waren. Seine großen stacheligen Flügel, die eng an den Körper gefaltet waren, hätten den ganzen Raum eingenommen, wenn er sie ausgebreitet hätte, und als er ihnen seinen hässlichen Kopf zuwandte, brüllte er, dass der Lärm das Gestein erzittern ließ, öffnete das Maul und spie einen Feuerstrahl, der sie in den Gang zurückjagte.

»Er ist halb blind«, keuchte Griphook, »und deshalb umso wütender.

Aber wir haben die Mittel, ihn zu bändigen. Er hat gelernt, was er zu erwarten hat, wenn die Klirrer kommen. Geben Sie sie mir.«

Ron reichte Griphook die Tasche, und der Kobold zog eine Reihe kleiner metallener Instrumente hervor, die, wenn man sie schüttelte, ein lautes, klirrendes Geräusch wie von winzigen Hämmern auf Ambossen verursachten. Griphook teilte sie aus: Bogrod nahm seines unterwürfig entgegen.

»Sie wissen, was Sie zu tun haben«, sagte Griphook zu Harry, Ron und Hermine. »Er wird Schmerzen erwarten, wenn er das Geräusch hört: Er wird zurückweichen und Bogrod muss seine Handfläche auf die Tür des Verlieses legen.«

Sie kamen wieder hinter der Ecke hervor und schüttelten die Klirrer, deren Lärm von den Felswänden widerhallte und mächtig verstärkt wurde, so dass es in Harrys Schädel von dem Getöse zu vibrieren schien. Der Drache stieß erneut ein heiseres Brüllen aus, dann wich er zurück. Harry konnte sehen, dass er bebte, und als sie näher kamen, sah er die Narben, die furchtbare Hiebe auf seinem Gesicht hinterlassen hatten, und er vermutete, dass man dem Drachen beigebracht hatte, grausame Schwerter zu fürchten, wenn er den Klang der Klirrer vernahm.

»Lassen Sie ihn mit der Hand auf die Tür drücken!«, drängte Griphook Harry, der seinen Zauberstab abermals auf Bogrod richtete. Der alte Kobold gehorchte, drückte seine Handfläche auf das Holz, und die Tür des Verlieses löste sich auf und gab eine höhlenartige Kammer frei, die vom Boden bis zur Decke vollgestopft war mit Goldmünzen und Kelchen, silbernen Rüstungen, Häuten fremdartiger Lebewesen, manche mit langen Stacheln, andere mit schlaff herabhängenden Flügeln, mit Zaubertränken in juwelenbesetzten Flaschen und einem Totenschädel, auf dem immer noch eine Krone saß.

»Sucht, rasch!«, sagte Harry, während sie alle in das Verlies stürmten.

Er hatte Ron und Hermine Hufflepuffs Becher beschrieben, aber sollte es der andere, unbekannte Horkrux sein, der in diesem Verlies aufbewahrt war, dann wusste er nicht, wie er aussah. Er hatte jedoch kaum Zeit, sich umzuschauen, als hinter ihnen ein gedämpftes Scheppern zu hören war: Die Tür war wieder erschienen, hatte sie im Innern des Verlieses eingeschlossen, und sie waren in völlige Dunkelheit getaucht.

»Macht nichts, Bogrod kann uns dann rauslassen!«, sagte Griphook, als Ron einen überraschten Schrei ausstieß. »Entzünden Sie doch Ihre Zauberstäbe! Und Beeilung, wir haben sehr wenig Zeit!«

»Lumos!«

Harry leuchtete mit seinem entflammten Zauberstab im Verlies umher: Der Lichtstrahl fiel auf glitzernde Juwelen, auf einem hohen Regal sah er das falsche Schwert von Gryffindor in einem Wirrwarr von Ketten liegen.

Auch Ron und Hermine hatten ihre Zauberstäbe entzündet und betrachteten die Berge von Gegenständen um sie herum.

»Harry, könnte das -? Aaarh!«

Hermine schrie vor Schmerz, und als Harry den Zauberstab auf sie richtete, sah er gerade noch, wie ein juwelenbesetzter Kelch aus ihrer Hand fiel: Doch als er aufprallte, spaltete er sich auf, und ein ganzer Schauer von Kelchen entstand daraus, so dass einen Augenblick später der komplette Fußboden voll von gleichartigen Kelchen war, die unter lautem Geschepper in alle Richtungen davonkullerten, und das Original darunter war nicht mehr auszumachen.

»Ich hab mich daran verbrannt!«, stöhnte Hermine und lutschte an ihren Fingern voller Blasen.

»Die haben zusätzlich noch Gemino- und Flagrante-Flüche eingesetzt!«, sagte Griphook. »Alles, was Sie berühren, wird heiß und vervielfältigt sich, aber die Kopien sind wertlos – und wenn Sie den Schatz weiterhin anfassen, erdrückt Sie am Ende die Last des Goldes, das immer mehr wird!«

»Okay, dann fasst nichts an!«, sagte Harry verzweifelt, doch im selben Augenblick stieß Ron versehentlich mit dem Fuß gegen einen der zu Boden gefallenen Kelche, und explosionsartig entstanden zwanzig neue, während Ron auf der Stelle hüpfte, weil ein Teil seines Schuhs bei der Berührung mit dem heißen Metall weggebrannt war.

»Still stehen, nicht bewegen!«, sagte Hermine und hielt Ron fest.

»Seht euch einfach nur um!«, sagte Harry. »Denkt dran, der Becher ist klein und golden, ein Dachs ist darauf eingraviert, und er hat zwei Henkel –ansonsten passt auf, ob ihr irgendwo das Symbol von Ravenclaw entdecken könnt, den Adler -«

Sich vorsichtig auf der Stelle drehend, richteten sie ihre Zauberstäbe in jeden Winkel und Hohlraum. Es war unmöglich, nicht irgendetwas zu streifen; Harry ließ einen riesigen Schwall falscher Galleonen zu Boden stürzen, wo sie zwischen den Kelchen liegen blieben, und nun war kaum noch Platz, um aufzutreten, während das schimmernde Gold vor Hitze glühte, so dass das Verlies zu einer Art Backofen wurde. Das Licht von Harrys Zauberstab glitt über Schilde und koboldgearbeitete Helme, die auf Regalen bis hoch zur Decke lagen. Er ließ den Lichtstrahl höher und höher klettern, bis er plötzlich auf einen Gegenstand stieß, der sein Herz hüpfen und seine Hand erzittern ließ.

»Da ist er, da oben ist er!«

Ron und Hermine richteten ihre Zauberstäbe nun auch dorthin, so dass der kleine goldene Becher aus drei Richtungen angestrahlt funkelte: Es war der Becher, der Helga Hufflepuff gehört hatte und in den Besitz von Hepzibah Smith übergegangen war, von der Tom Riddle ihn gestohlen hatte.

»Und wie zum Teufel sollen wir da hochkommen, ohne irgendwas zu berühren?«, fragte Ron.

»Accio Becher!«, rief Hermine, die in ihrer Verzweiflung offenbar vergessen hatte, was Griphook ihnen während ihrer Planungstreffen erzählt hatte.

»Zwecklos, zwecklos!«, knurrte der Kobold.

»Und was machen wir dann?«, sagte Harry und sah den Kobold wütend an. »Wenn Sie das Schwert wollen, Griphook, dann brauchen wir mehr Hilfe von Ihnen als – wartet! Kann ich die Sachen mit dem Schwert berühren? Hermine, gib es mir!«

Hermine wühlte in ihrem Umhang herum, zog die Perlentasche hervor, kramte ein paar Sekunden und holte dann das glänzende Schwert heraus.

Harry packte es an seinem rubinbesetzten Griff und berührte mit der Spitze der Klinge einen silbernen Krug in der Nähe, der sich nicht vervielfältigte.

»Wenn ich das Schwert durch einen Henkel stechen könnte – aber wie soll ich da hochkommen?«

Das Regal, auf dem der Becher stand, war für keinen von ihnen in Reichweite, selbst für Ron nicht, der der Längste war. Von den verzauberten Schätzen stiegen Hitzewellen auf, und Harry rann der Schweiß über Gesicht und Rücken, während er sich den Kopf zerbrach, wie er zu dem Becher hinaufgelangen könnte; und dann hörte er den Drachen vor der Verliestür brüllen und ein immer lauter werdendes Klirren.

Jetzt saßen sie wirklich in der Falle: Es gab keinen Weg nach draußen, außer durch die Tür, und eine Horde Kobolde schien sich auf der anderen Seite zu nähern. Harry blickte zu Ron und Hermine und sah panische Angst in ihren Gesichtern.

»Hermine«, sagte Harry, als das Klirren noch lauter wurde, »ich muss da hoch, wir müssen das Ding erledigen – «

Sie hob ihren Zauberstab, richtete ihn auf Harry und flüsterte:

»Levicorpus.«

Am Fußgelenk in die Luft gerissen, prallte Harry gegen eine Rüstung, und Kopien brachen aus ihr hervor wie weiß glühende Körper und füllten den engen Raum. Ron, Hermine und die beiden Kobolde brüllten vor Schmerz, als sie zur Seite gestoßen wurden und gegen andere Gegenstände fielen, die sich ebenfalls zu vervielfältigen begannen. Halb begraben unter einer steigenden Flut glühend heißer Kostbarkeiten, schlugen sie schreiend um sich, während Harry das Schwert durch den Henkel von Hufflepuffs Becher stieß, so dass er an der Klinge baumelte.

»Impervius!«, kreischte Hermine in einem Versuch, sich selbst, Ron und die Kobolde vor dem brennenden Metall zu schützen.

Dann ertönte der bisher schlimmste Schrei und Harry blickte nach unten: Ron und Hermine steckten bis zur Taille in den Schätzen und bemühten sich, Bogrod zu helfen, der in der steigenden Flut unterzugehen drohte, aber Griphook war versunken, und nur noch die Spitzen einiger langer Finger waren zu sehen.

Harry packte Griphooks Finger und zog. Der mit Blasen übersäte Kobold tauchte brüllend nach und nach auf.

»Liberacorpus!«, schrie Harry, und mit einem Krachen landeten er und Griphook oben auf dem anschwellenden Berg von Schätzen, und das Schwert flog Harry aus der Hand.

»Halt es fest!«, rief Harry und kämpfte gegen den Schmerz von heißem Metall auf seiner Haut, als Griphook wieder auf seine Schultern kletterte, entschlossen, der wachsenden Masse glühend heißer Gegenstände zu entkommen. »Wo ist das Schwert? Da war der Becher dran!«

Das Klirren auf der anderen Seite der Tür wurde ohrenbetäubend – es war zu spät -

»Da!«

Es war Griphook, der es gesehen hatte, und Griphook, der sich streckte, und in diesem Moment wusste Harry, dass der Kobold nie damit gerechnet hatte, dass sie ihr Wort halten würden. Griphook klammerte sich mit einer Hand an ein ganzes Büschel von Harrys Haaren, um nicht in das wogende Meer aus brennendem Gold zu stürzen, dann packte er den Griff des Schwertes und schwang es so hoch, dass Harry es nicht erreichen konnte.

Der kleine goldene Becher, der am Henkel auf der Schwertklinge aufgespießt war, wurde in die Luft geschleudert. Harry, auf dem immer noch rittlings der Kobold saß, machte einen Hechtsprung und fing den Becher auf, und obwohl er spüren konnte, wie er ihm die Haut versengte, ließ er ihn nicht los, selbst als unzählige Hufflepuff-Becher aus seiner Faust hervorbrachen und auf ihn herunterprasselten, während sich das Verlies wieder öffnete und er plötzlich merkte, wie er ohne Halt auf einer sich ausbreitenden Lawine von glühendem Gold und Silber dahinglitt, die ihn, Ron und Hermine in die Kammer draußen trug.

Harry, der den Schmerz der Verbrennungen überall auf seinem Körper kaum wahrnahm und immer noch von der Flut der sich vervielfältigenden Kostbarkeiten weitergetragen wurde, stopfte den Becher in seine Tasche und streckte die Hand in die Höhe, um sich das Schwert zurückzuholen, doch Griphook war fort. Er war bei der erstbesten Gelegenheit von Harrys Schultern geglitten und losgerannt, um unter den Kobolden ringsum Schutz zu suchen, wo er nun das Schwert schwang und schrie: »Diebe! Diebe!

Hilfe! Diebe!« Er verschwand in der vorrückenden Meute der Kobolde, die alle Dolche in den Händen hielten und ihn, ohne nachzufragen, als einen der Ihren aufnahmen.

Harry, der auf dem heißen Metall ausgerutscht war, kämpfte sich hoch und wusste, dass der einzige Weg nach draußen geradewegs durch die Kobolde führte.

»Stupor!«, brüllte er, und Ron und Hermine schlossen sich ihm an: Rote Lichtstrahlen flogen in die Meute der Kobolde, und manche kippten um, doch andere rückten weiter vor, und Harry sah, wie mehrere Zauberer-Wächter um die Ecke gerannt kamen.

Der festgebundene Drache brüllte auf und eine Flammengarbe jagte über die Kobolde hinweg: Die Zauberer flohen zusammengekrümmt den Weg zurück, auf dem sie gekommen waren, und Harry hatte eine großartige

– oder wahnwitzige – Idee. Er zielte mit dem Zauberstab auf die schweren Schellen, mit denen das Ungeheuer an den Boden gekettet war, und rief:

»Relaschio!«

Die Schellen brachen mit lautem Krachen entzwei.

»Hier lang!«, rief Harry, und während er den vorrückenden Kobolden immer noch Schockzauber entgegenschoss, stürzte er auf den blinden Drachen zu.

»Harry – Harry – was machst du da?«, rief Hermine.

»Los, hoch, steigt auf, kommt schon -«

Der Drache hatte nicht begriffen, dass er frei war: Harry ertastete mit dem Fuß die Kniekehle seines Hinterbeins und zog sich hoch auf seinen Rücken. Die Schuppen waren hart wie Stahl: Der Drache schien ihn nicht einmal zu spüren. Harry streckte einen Arm aus; Hermine hievte sich hoch; Ron kletterte hinter ihnen hinauf, und eine Sekunde später bemerkte der Drache, dass seine Ketten gelöst waren.

Mit einem Brüllen bäumte er sich auf: Harry grub seine Knie tief ein und klammerte sich mit aller Kraft an die gezackten Schuppen, als sich die Flügel ausbreiteten, die die kreischenden Kobolde wie Kegel beiseitestießen, und der Drache in die Luft aufstieg. Harry, Ron und Hermine, die sich flach auf seinen Rücken drückten, schürften an der Decke entlang, als er zur Öffnung des Ganges hinabtauchte, während die ihnen nachjagenden Kobolde Dolche schleuderten, die von seinen Flanken abprallten.

»Wir kommen da nie raus, der ist zu groß!«, schrie Hermine, doch der Drache öffnete sein Maul und spie erneut Flammen, die den Tunnel sprengten, Boden und Decke aufreißen und bröckeln ließen. Mit schierer Kraft, kratzend und um sich schlagend, kämpfte sich der Drache weiter.

Harry hatte die Augen fest zugedrückt gegen die Hitze und den Staub: Betäubt von den herabstürzenden Felsbrocken und dem Brüllen des Drachen, blieb ihm nichts, als sich an dessen Rücken zu klammern und sich darauf gefasst zu machen, jeden Moment abgeschüttelt zu werden; dann hörte er Hermine schreien: »Defodio!«

Sie half, den Gang zu vergrößern, und meißelte die Decke aus, während der Drache sich weiter nach oben quälte, zur frischeren Luft hin, weg von den kreischenden und klirrenden Kobolden: Harry und Ron folgten Hermines Beispiel und sprengten die Decke mit weiteren aushöhlenden Zaubern weg. Sie kamen an dem unterirdischen See vorbei, und das große, kriechende, fauchende Untier schien nun zu spüren, dass die Freiheit und mehr Raum vor ihm lagen, und der Tunnel hinter ihnen war voll von dem peitschenden stacheligen Schwanz, von großen Gesteinsbrocken, gigantischen zerschmetterten Stalaktiten, und das Klirren der Kobolde wirkte allmählich dumpfer, während das Feuer des Drachen ihnen vorne den Weg bahnte -

Und dann schließlich, mit der vereinten Kraft ihrer Zauber und der rohen Gewalt des Drachen, hatten sie sich den Durchgang hinaus in die Marmorhalle frei gesprengt. Kobolde und Zauberer kreischten und rannten in Deckung, und endlich hatte der Drache Platz, seine Flügel auszustrecken: Er wandte seinen gehörnten Kopf der kühlen Luft zu, die er draußen vor dem Eingang wittern konnte, und machte sich auf, und während Harry, Ron und Hermine sich immer noch an seinen Rücken klammerten, brach er durch die metallenen Tore und ließ sie verbogen und aus den Angeln hängend hinter sich, als er in die Winkelgasse hinauswankte und sich hoch in den Himmel stürzte.