"Harry Potter und die Heiligtümer des Todes" - читать интересную книгу автора (Роулинг Джоан)Erbteil des fluches, hässlicher sünde blutige wunde, schmerzen, wer trüge sie? quälen, wer stillte sie? wehe weh! Einzig der erbe heilet des hauses eiternde wunde, einzig mit blut'gem schnitt. götter der finsternis rief mein lied. Sel'ge geister drunten in der tiefe, wenn ihr die beschwörungsrufe hörtet, bringt den kindern hilfe, bringt den sieg. Aischylos, Sterben ist nur ein Uebergang aus dieser Welt in die andere, als wenn Freunde über See gehen, welche dennoch in einander fortleben. Denn Diejenigen, die im Allgegenwärtigen lieben und leben, müssen nothwendig einander gegenwärtig seyn. In diesem göttlichen Spiegel sehen sie sich von Angesicht zu Angesicht, und ihr Umgang ist so wohl frey als rein. Und wenn sie auch durch den Tod getrennt werden, so haben sie doch den Trost, daß ihre Freundschaft und Gesellschaft ihnen, dem besten Gefühle nach, beständig gegenwärtig bleibt, weil diese unsterblich ist. William Penn, Der ZauberstabmacherEs war, als würde er in einen altbekannten Alptraum sinken; für einen kurzen Moment kniete er wieder neben Dumbledores Leiche am Fuß des höchsten Turmes von Hogwarts, doch in Wirklichkeit starrte er auf einen kleinen, im Gras zusammengekrümmten Körper, der von Bellatrix' silbernem Messer erstochen war. Harry hörte sich immer noch »Dobby ... Nach etwa einer Minute wurde ihm klar, dass sie immerhin zum richtigen Ort gelangt waren, denn da waren Bill und Fleur, Dean und Luna, die sich um ihn herum versammelten, während er vor dem Elfen kniete. »Hermine?«, sagte er plötzlich. »Wo ist sie?« »Ron hat sie ins Haus gebracht«, sagte Bill. »Es wird ihr bald wieder gut gehen.« Harry blickte erneut hinab auf Dobby. Er streckte eine Hand aus und zog die scharfe Klinge aus dem Körper des Elfen, dann schlüpfte er aus seiner Jacke und breitete sie wie eine Decke über Dobby. Irgendwo in der Nähe brauste das Meer gegen Felsen; Harry lauschte der See, während die anderen sich unterhielten, Dinge besprachen, die er nur belanglos finden konnte, und Entscheidungen trafen. Dean trug den verletzten Griphook ins Haus, Fleur kam eilends mit; nun schlug Bill vor, wie sie den Elfen begraben sollten. Harry stimmte zu, ohne recht zu wissen, was er sagte. Dabei war sein Blick auf den kleinen Körper geheftet, und seine Narbe ziepte und brannte, und mit einem Teil seines Bewusstseins sah er, wie durch das falsche Ende eines langen Teleskops, Voldemort die bestrafen, die sie im Haus Malfoy zurückgelassen hatten. Voldemorts Wut war schrecklich, und doch schien Harrys Trauer um Dobby sie abzuschwächen, so dass sie nur noch ein ferner Sturm war, der Harry über einen riesigen stillen Ozean hinweg erreichte. »Ich will es richtig machen« waren die ersten Worte, die Harry ganz bewusst sprach. »Nicht mit Magie. Habt ihr einen Spaten?« Und kurz darauf hatte er sich allein an die Arbeit gemacht und hob das Grab an der Stelle aus, die Bill ihm gezeigt hatte, hinten im Garten zwischen Büschen. Er grub mit einer Art Zorn, genoss die Arbeit mit den Händen und freute sich, dass sie nichtmagisch war, denn jeder Tropfen seines Schweißes und jede Blase war wie ein Tribut an den Elfen, der ihnen das Leben gerettet hatte. Seine Narbe brannte, doch er meisterte den Schmerz; er spürte ihn, blieb aber von ihm fern. Er hatte endlich gelernt, ihn zu beherrschen, gelernt, seinen Geist gegen Voldemort zu verschließen, genau das, was er nach Dumbledores Wunsch von Snape hatte lernen sollen. So, wie Voldemort nicht von Harry hatte Besitz ergreifen können, während der Kummer über Sirius ihn verzehrte, so konnte er auch jetzt nicht in Harrys Gedanken eindringen, während er Dobby betrauerte. Trauer verscheuchte Voldemort offenbar ... obwohl Dumbledore natürlich gesagt hätte, dass es die Liebe war ... Harry grub weiter, immer tiefer in die harte, kalte Erde, ließ seine Trauer zu Schweiß werden, verleugnete den Schmerz in seiner Narbe. In der Dunkelheit, während er nur das Geräusch seiner eigenen Atemzüge und das Brausen des Meeres zur Gesellschaft hatte, kehrten die Ereignisse bei den Malfoys zu ihm zurück, kamen ihm die Dinge wieder, die er gehört hatte, und allmählich, allein in der Nacht, begann er zu verstehen ... Der stete Rhythmus seiner Arme schlug den Takt zu seinen Gedanken. Heiligtümer ... Horkruxe ... Heiligtümer ... Horkruxe ... doch dieses unheimliche, zwanghafte Verlangen brannte nun nicht mehr in ihm. Verlust und Angst hatten es ausgelöscht: Es war, als wäre er mit einer Ohrfeige geweckt worden. Immer tiefer sank Harry in das Grab, und er wusste, wo Voldemort heute Nacht gewesen war und wen er in der obersten Zelle von Nurmengard ermordet hatte, und warum ... Und er dachte an Wurmschwanz, getötet wegen einer einzigen kleinen, unwillkürlichen Regung von Erbarmen ... Dumbledore hatte das vorausgesehen ... was hatte er noch alles gewusst? Harry verlor jegliches Zeitgefühl. Er wusste nur, dass sich die Dunkelheit ein wenig gelichtet hatte, als Ron und Dean wieder zu ihm stießen. »Wie geht es Hermine?« »Besser«, sagte Ron. »Fleur kümmert sich um sie.« Harry hatte seine Antwort parat, falls sie ihn fragten, warum er nicht einfach mit seinem Zauberstab ein perfektes Grab geschaffen hatte, doch er brauchte sie nicht. Sie sprangen selbst mit Spaten in das Loch hinunter, das er ausgehoben hatte, und alle drei arbeiteten stumm, bis das Loch ihnen tief genug vorkam. Harry wickelte den Elfen enger in seine Jacke ein. Ron setzte sich an den Rand des Grabs, schlüpfte aus seinen Schuhen und Socken und zog sie dem Elfen über die nackten Füße. Dean holte eine Wollmütze hervor, die Harry sorgfältig auf Dobbys Kopf setzte und die seine Fledermausohren einhüllte. »Wir sollten seine Augen schließen.« Harry hatte die anderen nicht durch die Nacht kommen hören. Bill trug einen Reiseumhang; Fleur eine große weiße Schürze, aus deren Tasche eine Flasche herausragte, in der, wie Harry erkannte, Skele-Wachs war. Hermine war in einen geliehenen Morgenmantel gehüllt, blass und wacklig auf den Beinen; Ron legte einen Arm um sie, als sie an seine Seite trat. Luna, die sich einen von Fleurs Mänteln übergeworfen hatte, ging in die Hocke, legte ihre Finger sanft auf die Augenlider des Elfen und schob sie über seinen glasigen, starren Blick. »So«, sagte sie leise. »Nun sieht es aus, als würde er schlafen.« Harry legte den Elfen in das Grab, die winzigen Arme und Beine so angeordnet, als würde er sich nur ausruhen, dann kletterte er hinaus und blickte zum letzten Mal auf den kleinen Körper. Er musste sich zwingen aufrecht zu bleiben, als er sich an Dumbledores Begräbnis erinnerte und an die endlosen Reihen goldener Stühle und den Zaubereiminister in der ersten Reihe, an die Aufzählung von Dumbledores Leistungen, an das prachtvolle weiße Grabmal aus Marmor. Er hatte das Gefühl, dass Dobby ein genauso aufwändiges Begräbnis verdiente, und doch lag der Elf hier zwischen Büschen in einem auf die Schnelle ausgehobenen Loch. »Ich glaube, wir sollten etwas sagen«, meldete sich Luna zu Wort. »Soll ich anfangen?« Und sobald aller Augen auf sie gerichtet waren, wandte sie sich dem toten Elfen unten im Grab zu. »Ich danke dir sehr, Dobby, dass du mich aus diesem Keller gerettet hast. Es ist so ungerecht, dass du sterben musstest, wo du doch so gut und mutig warst. Ich werde nie vergessen, was du für uns getan hast. Ich hoffe, du bist jetzt glücklich.« Sie drehte sich um und sah erwartungsvoll Ron an, der sich räusperte und mit belegter Stimme sagte: »Jaah ... danke, Dobby.« »Danke«, murmelte Dean. Harry schluckte. »Mach's gut, Dobby«, sagte er. Mehr brachte er nicht zustande, aber Luna hatte schon alles gesagt. Bill hob seinen Zauberstab, und der Erdhaufen neben dem Grab stieg in die Luft, fiel dann ordentlich hinein und bildete einen kleinen, rötlichen Hügel. »Habt ihr was dagegen, wenn ich einen Moment hierbleibe?«, fragte Harry die anderen. Sie murmelten Worte, die er nicht verstand; er spürte, wie sie ihm leicht auf die Schulter klopften, dann gingen sie mit schleppenden Schritten zurück zum Haus und ließen Harry bei dem Elfen allein. Er blickte sich um: Es gab eine Menge großer weißer Steine, die vom Meer glatt geschliffen waren und die Blumenbeete umgrenzten. Er hob einen von den größten auf und legte ihn wie ein Kissen über die Stelle, wo Dobbys Kopf jetzt ruhte. Dann tastete er in seiner Tasche nach einem Zauberstab. Es waren zwei darin. Er hatte es vergessen, den Überblick verloren; er konnte sich nicht mehr erinnern, wem diese Zauberstäbe gehörten; er wusste noch halbwegs, dass er sie jemandem aus der Hand gerissen hatte. Er wählte den kürzeren der beiden, der sich angenehmer anfühlte, und richtete ihn auf den Stein. Langsam und nach den Anweisungen, die er murmelte, bildeten sich tiefe Einkerbungen auf der Gesteinsoberfläche. Hermine hätte es sicher ordentlicher gemacht, und wahrscheinlich auch schneller, doch er wollte diese Stelle kennzeichnen, wie er auch das Grab hatte schaufeln wollen. Als Harry wieder aufstand, lautete die Inschrift auf dem Stein: Er blickte noch einige Sekunden lang auf sein Werk hinab, dann entfernte er sich, mit immer noch leicht kribbelnder Narbe und völlig mit den Dingen beschäftigt, die ihm in dem Grab eingefallen waren, mit Ideen, die in der Dunkelheit Gestalt angenommen hatten, faszinierend und schrecklich zugleich. Als er in den kleinen Flur trat, saßen alle im Wohnzimmer und hatten ihre Aufmerksamkeit auf Bill gerichtet, der gerade sprach. Der Raum war in lichten Farben gehalten, hübsch, im Kamin brannte ein helles kleines Feuer aus Treibholz. Weil Harry den Teppich nicht mit Erde beschmutzen wollte, stellte er sich in die Tür und hörte zu. »... ein Glück, dass Ginny in den Ferien ist. Wenn sie in Hogwarts gewesen wäre, dann hätten die sie womöglich entführt, bevor wir bei ihr gewesen wären. Jetzt wissen wir, dass auch sie in Sicherheit ist.« Bill wandte sich um und sah Harry da stehen. »Ich habe sie alle aus dem Fuchsbau geholt«, erklärte er. »Und sie zu Muriel gebracht. Die Todesser wissen jetzt, dass Ron bei dir ist, sie werden sicher die Familie ins Visier nehmen – das braucht dir nicht leidzutun«, fügte er hinzu, als er Harrys Miene sah. »Es war immer eine Frage der Zeit, das sagt Dad schon seit Monaten. Wir sind die größte Blutsverräterfamilie, die es gibt.« »Wie werden sie geschützt?«, fragte Harry. »Fidelius-Zauber. Dad ist der Geheimniswahrer. Und bei diesem Haus hier haben wir das auch gemacht; hier bin ich der Geheimniswahrer. Keiner von uns kann zur Arbeit gehen, aber das ist jetzt wohl nicht so wichtig. Sobald Ollivander und Griphook sich einigermaßen erholt haben, bringen wir auch sie zu Muriel. Hier ist nicht viel Platz, aber bei ihr jede Menge. Griphooks Beine verheilen schon, Fleur hat ihm Skele-Wachs gegeben. Wir können sie vermutlich in einer Stunde wegbringen oder -« »Nein«, sagte Harry und Bill schien verblüfft. »Ich brauche sie beide hier. Ich muss mit ihnen reden. Es ist wichtig.« Er hörte die Autorität in seiner Stimme, die Gewissheit, die Entschlossenheit, die er gewonnen hatte, während er Dobbys Grab ausgehoben hatte. Alle Gesichter waren ihm zugewandt und blickten verwirrt. »Ich gehe mich waschen«, sagte Harry zu Bill und sah hinab auf seine Hände, die immer noch voll von Erde und Dobbys Blut waren. »Dann muss ich sie sehen, und zwar sofort.« Er ging in die kleine Küche, zu dem Spülbecken unter einem Fenster, von dem aus das Meer zu sehen war. Während er sich wusch, brach am Horizont der Morgen an, muschel-rosa und mit einem Streifen Gold, und Harry hing wieder den Gedanken nach, die ihm in dem dunklen Garten gekommen waren ... Dobby würde ihnen niemals sagen können, wer ihn in den Keller geschickt hatte, aber Harry wusste, was er gesehen hatte. Ein blaues Auge hatte mit stechendem Blick aus dem Bruchstück des Spiegels geschaut und dann war Hilfe da gewesen. Harry trocknete sich die Hände ab, die Schönheit der Szenerie vor dem Fenster und das Gemurmel der anderen im Wohnzimmer ließen ihn unberührt. Er blickte hinaus über den Ozean und hatte in dieser Morgendämmerung das Gefühl, näher als je zuvor zu sein, näher am Kern des Ganzen. Und noch immer ziepte seine Narbe, und er wusste, dass auch Voldemort auf der richtigen Spur war. Harry begriff, und begriff doch nicht. Sein Instinkt sagte ihm das eine, sein Gehirn etwas ganz anderes. Der Dumbledore in Harrys Kopf lächelte, beobachtete Harry über seine Fingerkuppen hinweg, die er aneinandergelegt hatte wie zum Gebet. Sie Harry stand reglos da, mit glasigen Augen, den Blick auf den Punkt gerichtet, wo der strahlend goldene Rand der gleißenden Sonne am Horizont erschien. Dann schaute er auf seine sauberen Hände und war kurz überrascht, das Tuch zu sehen, das er darin hielt. Er legte es beiseite und kehrte in den Flur zurück, und dabei spürte er seine Narbe zornig pochen, und durch seinen Kopf jagte, rasch wie die Spiegelung einer Libelle über dem Wasser, die Silhouette eines Gebäudes, das er nur zu gut kannte. Bill und Fleur standen am Fuß der Treppe. »Ich muss mit Griphook und Ollivander sprechen«, sagte Harry. »Nein«, sagte Fleur. »Du wirst warten müssen, 'Arry. Sie sind beide krank, müde -« »Es tut mir leid«, sagte er ohne Schärfe, »aber ich kann nicht warten. Ich muss auf der Stelle mit ihnen reden. Allein -und mit jedem einzeln. Es ist dringend.« »Harry, was zum Teufel ist eigentlich los?«, fragte Bill. »Du tauchst hier auf mit einem toten Hauselfen und einem halb bewusstlosen Kobold, Hermine sieht aus, als wäre sie gefoltert worden, und Ron hat sich eben geweigert, mir irgendwas zu erzählen -« »Wir können dir nicht verraten, was wir gerade tun«, sagte Harry bestimmt. »Du bist im Orden, Bill, du weißt, dass Dumbledore uns einen Auftrag hinterlassen hat. Wir sollen mit niemand anderem darüber reden.« Fleur gab einen ungeduldigen Laut von sich, aber Bill sah nicht zu ihr hin; er starrte Harry an. Sein tief vernarbtes Gesicht war schwer zu lesen. Schließlich sagte er: »Von mir aus. Mit wem willst du zuerst sprechen?« Harry zögerte. Er wusste, was von dieser Wahl abhing. Es war kaum noch Zeit: Nun war der Moment gekommen, sich zu entscheiden: Horkruxe oder Heiligtümer? »Griphook«, sagte Harry. »Ich will zuerst mit Griphook reden. « Sein Herz raste, als wäre er gerannt und hätte gerade ein mächtiges Hindernis genommen. »Dann hier hoch«, sagte Bill und ging voran. Harry war mehrere Stufen hinaufgestiegen, als er stehen blieb und zurückblickte. »Euch beide brauche ich auch!«, rief er Ron und Hermine zu, die sich halb versteckt bei der Tür zum Wohnzimmer herumgedrückt hatten. Sie traten beide ins Licht mit seltsam erleichterten Mienen. »Wie geht es dir?«, fragte Harry Hermine. »Du warst sagenhaft – dass dir diese Geschichte eingefallen ist, als sie dir so wehgetan hat -« Hermine lächelte matt, und Ron nahm sie in den Arm und drückte sie. »Was machen wir jetzt, Harry?«, fragte er. »Ihr werdet sehen. Kommt mit.« Harry, Ron und Hermine folgten Bill die steile Treppe hoch in einen kleinen Flur. Drei Türen gingen von ihm ab. »Hier rein«, sagte Bill und öffnete die Tür zu seinem und Fleurs Zimmer. Auch von hier aus war das Meer zu sehen, das nun von der aufgehenden Sonne golden gesprenkelt war. Harry ging zum Fenster, kehrte der atemraubenden Aussicht den Rücken und wartete, mit verschränkten Armen und kribbelnder Narbe. Hermine nahm den Stuhl am Frisiertisch; Ron setzte sich auf seine Armlehne. Bill tauchte wieder auf, er trug den kleinen Kobold und setzte ihn behutsam auf dem Bett ab. Griphook bedankte sich mit einem Grunzen, und Bill ging hinaus und schloss die Tür hinter sich, so dass sie allein waren. »Es tut mir leid, dass ich Sie aus dem Bett hole«, sagte Harry. »Wie geht es Ihren Beinen?« »Sie schmerzen«, antwortete der Kobold. »Aber sie heilen.« Er hielt noch immer das Schwert von Gryffindor in der Hand und machte ein sonderbares Gesicht, halb trotzig, halb neugierig. Harry bemerkte die fahle Haut des Kobolds, seine langen dünnen Finger, seine schwarzen Augen. Fleur hatte ihm die Schuhe ausgezogen: Seine langen Füße waren schmutzig. Er war größer als ein Hauself, aber nicht viel. Sein nach oben gewölbter Kopf war viel größer als der eines Menschen. »Sie erinnern sich wahrscheinlich nicht mehr -«, begann Harry. »- dass ich der Kobold war, der Ihnen Ihr Verlies gezeigt hat, das erste Mal, als Sie bei Gringotts waren?«, sagte Griphook. »Ich erinnere mich, Harry Potter. Selbst unter Kobolden sind Sie sehr berühmt.« Harry und der Kobold sahen sich an, taxierten sich. Harrys Narbe kribbelte immer noch. Er wollte dieses Gespräch mit Griphook rasch hinter sich bringen und fürchtete zugleich, einen falschen Schritt zu tun. Während er überlegte, wie er sein Anliegen am besten vortragen konnte, brach der Kobold das Schweigen. »Sie haben den Elfen begraben«, sagte er und klang unerwartet bitter. »Ich habe Sie beobachtet, durch das Fenster im Schlafzimmer nebenan.« »Ja«, sagte Harry. Griphook sah ihn von der Seite her aus seinen schräg liegenden schwarzen Augen an. »Sie sind ein ungewöhnlicher Zauberer, Harry Potter.« »Inwiefern?«, fragte Harry und rieb sich zerstreut die Narbe. »Sie haben das Grab ausgehoben.« »Und?« Griphook antwortete nicht. Harry hatte das Gefühl, dass er ihn verachtete, weil er wie ein Muggel gehandelt hatte, doch es war ihm ziemlich gleichgültig, ob Griphook die Sache mit Dobbys Grab billigte oder nicht. Er sammelte sich für den Angriff. »Griphook, ich muss Sie fragen -« »Sie haben auch einen Kobold gerettet. « »Was?« »Sie haben mich hierhergebracht. Mich gerettet.« »Na, ich nehme an, dass Ihnen das nicht leidtut?«, sagte Harry ein wenig ungeduldig. »Nein, Harry Potter«, erwiderte Griphook und wickelte sich den dünnen schwarzen Bart an seinem Kinn um einen Finger, »aber Sie sind ein sehr eigenartiger Zauberer.« »Mag sein«, sagte Harry. »Nun, ich brauche Hilfe, Griphook, und zwar von Ihnen.« Der Kobold gab kein Zeichen der Ermunterung, sondern sah Harry weiter stirnrunzelnd an, als ob er noch nie etwas wie ihn gesehen hätte. »Ich muss in ein Verlies von Gringotts einbrechen.« Harry hatte es eigentlich nicht so unverblümt sagen wollen; die Worte brachen aus ihm hervor, als ein Schmerz durch seine Blitznarbe fuhr und er von neuem die Umrisse von Hogwarts sah. Er verschloss fest seinen Geist. Er musste sich erst mit Griphook befassen. Ron und Hermine starrten Harry an, als wäre er verrückt geworden. »Harry -«, sagte Hermine, doch Griphook fiel ihr ins Wort. »In ein Verlies von Gringotts einbrechen?«, wiederholte der Kobold und zuckte leicht zusammen, als er seine Lage auf dem Bett wechselte. »Das ist unmöglich.« »Nein, ist es nicht«, widersprach ihm Ron. »Es hat schon mal jemand geschafft.« »Jaah«, sagte Harry. »Genau an dem Tag, als ich Sie zum ersten Mal traf, Griphook. An meinem Geburtstag, vor sieben Jahren.« »Das besagte Verlies war zu jener Zeit leer«, erwiderte der Kobold bissig, und Harry begriff, dass der Gedanke, Gringotts' Verteidigung könnte zusammenbrechen, für Griphook eine Beleidigung war, auch wenn er Gringotts längst verlassen hatte. »Es war nur äußerst schwach geschützt.« »Nun, das Verlies, in das wir hineinmüssen, ist nicht leer, und ich vermute, sein Schutz wird ziemlich mächtig sein«, sagte Harry. »Es gehört den Lestranges.« Er sah, wie Hermine und Ron sich völlig verdutzt anblickten, aber für Erklärungen würde noch Zeit genug sein, sobald Griphook eine Antwort gegeben hatte. »Sie haben keine Chance«, sagte Griphook entschieden. »Überhaupt keine Chance. Können Sie mir das glauben?« Der Kobold sah Harry mit schrägem Blick an, und die Blitznarbe auf Harrys Stirn ziepte, doch er ignorierte sie, weigerte sich, ihren Schmerz oder ihre Verlockung zuzulassen. »Wenn es einen Zauberer gäbe, dem ich glauben würde, dass er sich nicht persönlich bereichern will«, sagte Griphook endlich, »dann wären es Sie, Harry Potter. Kobolde und Elfen sind nicht an den Schutz oder Respekt gewöhnt, den Sie heute Nacht für uns aufgebracht haben. Nicht von Zauberstabträgern.« »Zauberstabträger«, wiederholte Harry: Der Ausdruck klang ihm merkwürdig in den Ohren, während seine Narbe kribbelte, Voldemort seine Gedanken nordwärts wandte und Harry darauf brannte, Ollivander im benachbarten Zimmer zu befragen. »Um das Recht, einen Zauberstab zu tragen«, sagte der Kobold leise, »streiten Zauberer und Kobolde schon seit langem.« »Nun, Kobolde können ohne Zauberstab zaubern«, sagte Ron. »Das ist unerheblich! Zauberer weigern sich, die Geheimnisse der Zauberstabkunde mit anderen magischen Wesen zu teilen, sie versagen uns die Möglichkeit, unsere Kräfte auszuweiten! « »Na ja, auch Kobolde wollen ihre magischen Fähigkeiten für sich behalten«, sagte Ron. »Sie wollen uns nicht verraten, wie Sie Schwerter und Rüstungen auf Ihre Art herstellen. Kobolde wissen, wie man Metall so bearbeitet, wie es Zauberer niemals -« »Ist doch egal«, sagte Harry, der bemerkte, dass Griphook immer röter wurde. »Hier geht es nicht um Zauberer gegen Kobolde oder irgendwelche anderen magischen Geschöpfe -« Griphook lachte gehässig. »Aber ja doch, genau darum geht es! Je mächtiger der Dunkle Lord wird, desto mehr festigt eure Rasse ihre Vorherrschaft über meine! Gringotts fällt unter das Gesetz der Zauberer, Hauselfen werden abgeschlachtet, und wer von den Zauberstabträgern protestiert dagegen?« »Wir!«, sagte Hermine. Sie hatte sich aufgerichtet und ihre Augen leuchteten. »Wir protestieren! Und ich werde genauso gejagt wie jeder Kobold oder Elf, Griphook! Ich bin ein Schlammblut!« »Nenn dich nicht selbst -«, murmelte Ron. »Warum denn nicht?«, sagte Hermine. »Schlammblut, und stolz darauf! Ich bin in dieser neuen Ordnung nicht höhergestellt als Sie, Griphook! Ich war diejenige, die sie zum Foltern herausgepickt haben, dort bei den Malfoys.« Während sie sprach, zog sie den Kragen des Morgenmantels zur Seite und zeigte die schmale scharlachrote Schnittwunde an ihrer Kehle, die ihr Bellatrix zugefügt hatte. »Wussten Sie, dass Harry es war, der Dobby die Freiheit gegeben hat?«, fragte sie. »Wussten Sie, dass wir schon seit Jahren Freiheit für die Elfen verlangen?« (Ron rutschte unruhig auf der Armlehne von Hermines Stuhl herum.) »Keiner wünscht sich mehr als wir, dass Du-weißt-schon-wer besiegt wird, Griphook!« Der Kobold starrte Hermine mit derselben Neugier an wie zuvor Harry. »Was suchen Sie im Verlies der Lestranges?«, fragte er plötzlich. »Das Schwert, das dort liegt, ist eine Fälschung. Dies ist das echte.« Er blickte sie der Reihe nach an. »Ich denke, Sie wissen das bereits. Sie haben mich gebeten, bei den Malfoys für Sie zu lügen.« »Aber das falsche Schwert ist nicht der einzige Gegenstand in diesem Verlies, richtig?«, fragte Harry. »Vielleicht haben Sie auch die anderen Dinge dort gesehen?« Sein Herz schlug heftiger denn je. Umso mehr strengte er sich an, nicht auf das Pochen seiner Narbe zu achten. Wieder wickelte der Kobold sich seinen Bart um den Finger. »Es ist gegen unsere Vorschriften, über die Geheimnisse von Gringotts zu sprechen. Wir sind die Wächter sagenhafter Schätze. Wir haben eine Pflicht den Dingen gegenüber, die in unserer Obhut sind und die so häufig mit unseren eigenen Händen geschmiedet wurden.« Der Kobold streichelte das Schwert, und seine schwarzen Augen wanderten von Harry über Hermine zu Ron und dann wieder zurück. »So jung«, sagte er schließlich, »und kämpfen gegen so viele.« »Werden Sie uns helfen?«, fragte Harry. »Es wäre hoffnungslos, wenn wir ohne die Hilfe eines Kobolds einbrechen würden. Sie sind unsere einzige Chance.« »Ich werde ... darüber nachdenken«, sagte Griphook zu ihrem Verdruss. »Aber -«, begann Ron wütend; Hermine stieß ihm in die Rippen. »Danke«, sagte Harry. Der Kobold neigte anerkennend seinen großen gewölbten Kopf, dann beugte er seine kurzen Beine. »Ich denke«, sagte er und machte es sich demonstrativ auf Bills und Fleurs Bett gemütlich, »dass das Skele-Wachs seine Arbeit getan hat. Vielleicht kann ich nun endlich schlafen. Sie entschuldigen mich ...« »Jaah, natürlich«, sagte Harry, doch ehe sie den Raum verließen, neigte er sich zu dem Kobold hinunter und nahm das Schwert Gryffindors von seiner Seite. Griphook protestierte nicht, aber Harry glaubte Unmut in den Augen des Kobolds zu sehen, als er die Tür schloss und sie ihn allein ließen. »Kleiner Mistkerl«, flüsterte Ron. »Er genießt es, uns zappeln zu lassen.« »Harry«, flüsterte Hermine und zog die beiden von der Tür weg in die Mitte des immer noch dunklen Flurs. » Glaubst du, was ich denke, was du glaubst? Willst du behaupten, dass in dem Verlies der Lestranges ein Horkrux ist?« »Ja«, sagte Harry. »Bellatrix war höchst erschrocken, als sie dachte, dass wir dort drin gewesen wären, sie war außer sich. Warum? Was, meinte sie, hätten wir gesehen, was, meinte sie, hätten wir sonst noch mitnehmen können? Etwas, bei dem sie Todesangst bekam, wenn sie nur daran dachte, dass Voldemort davon erfahren könnte.« »Aber ich dachte, wir würden nach Orten suchen, wo Du-weißt-schon-wer mal gewesen ist, nach Orten, wo er etwas Wichtiges gemacht hat?«, sagte Ron mit verdutzter Miene. »War er jemals im Verlies der Lestranges?« »Ich weiß nicht, ob er je in Gringotts drin war«, sagte Harry. »In seiner Jugend hatte er nie Gold dort, weil niemand ihm etwas hinterlassen hat. Aber er hat die Bank sicher von außen gesehen, als er zum ersten Mal in der Winkelgasse war.« Harrys Narbe pochte, doch er achtete nicht darauf; er wollte, dass Ron und Hermine die Sache mit Gringotts begriffen, ehe sie mit Ollivander sprachen. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass er jeden beneidete, der einen Schlüssel zu einem Gringotts-Verlies hatte. Das war für ihn vermutlich ein echtes Symbol dafür, dass man zur Zaubererwelt gehörte. Und vergesst nicht, er vertraute Bellatrix und ihrem Mann. Sie waren vor seinem Sturz seine ergebensten Diener, und sie suchten nach ihm, als er verschwunden war. Das hat er gesagt in der Nacht, als er zurückkam, ich habe ihn gehört. « Harry rieb sich die Narbe. »Ich glaube allerdings nicht, dass er Bellatrix verraten hat, dass es ein Horkrux ist. Er hat Lucius Malfoy nie die Wahrheit über das Tagebuch erzählt. Er hat ihr wahrscheinlich gesagt, dass es ein hoch geschätzter Gegenstand sei, und sie gebeten, ihn in ihrem Verlies zu hinterlegen. Der sicherste Platz der Welt für alles, was man verstecken will, hat mir Hagrid erklärt ... mit Ausnahme von Hogwarts.« Als Harry geendet hatte, schüttelte Ron den Kopf. »Du weißt ja richtig gut über ihn Bescheid.« »Ein bisschen«, sagte Harry. »Ein bisschen ... ich wünschte nur, ich hätte genauso viel über Dumbledore gewusst. Aber wir werden sehen. Kommt jetzt – zu Ollivander.« Ron und Hermine blickten verwirrt, aber beeindruckt, als sie ihm über den kleinen Flur folgten und an die Tür gegenüber von Bills und Fleurs Zimmer klopften. Ein mattes »Herein!« war die Antwort. Der Zauberstabmacher lag auf dem einen der beiden Betten im Zimmer, das weiter vom Fenster entfernt war. Er war über ein Jahr lang im Keller eingesperrt gewesen, und Harry wusste, dass er mindestens ein Mal gefoltert worden war. Er war entkräftet, seine Gesichtsknochen traten deutlich unter seiner gelblichen Haut hervor. Die großen silbernen Augen wirkten riesig in ihren tiefen Höhlen. Die Hände, die auf der Bettdecke ruhten, hätten die eines Gerippes sein können. Harry setzte sich auf das leere Bett, neben Ron und Hermine. Die aufgehende Sonne war hier nicht zu sehen. Das Zimmer lag zum Garten oben auf der Klippe und zu dem frisch ausgehobenen Grab. »Mr Ollivander, es tut mir leid, Sie zu stören«, sagte Harry. »Mein lieber Junge.« Ollivanders Stimme war schwach. »Sie haben uns gerettet. Ich dachte, wir würden an diesem Ort sterben. Ich kann Ihnen nie ... »Wir haben es gern getan.« Harrys Narbe pochte. Er wusste, er war sicher, dass kaum noch Zeit war, Voldemort zuvorzukommen oder einen Versuch zu unternehmen, ihn aufzuhalten. Er spürte einen Anflug von Panik ... doch er hatte seine Entscheidung getroffen, als er beschloss, zuerst mit Griphook zu sprechen. Er täuschte eine Gelassenheit vor, die er nicht verspürte, kramte in dem Beutel um seinen Hals und holte die beiden Hälften seines zerbrochenen Zauberstabs hervor. »Mr Ollivander, ich brauche Hilfe.« »Gerne. Gerne«, sagte der Zauberstabmacher schwach. »Können Sie den reparieren? Ist das möglich?« Ollivander streckte eine zitternde Hand aus und Harry legte die lose aneinanderhängenden Hälften hinein. »Stechpalme und Phönixfeder«, sagte Ollivander mit bebender Stimme. »Elf Zoll. Handlich und geschmeidig.« »Ja«, sagte Harry. »Können Sie -?« »Nein«, flüsterte Ollivander. »Es tut mir leid, sehr leid, aber ein Zauberstab, der in solchem Maße beschädigt ist, kann mit keinem Mittel, das ich kenne, wiederhergestellt werden.« Harry war auf diese Antwort gefasst gewesen und doch war es ein Schlag. Er nahm die Hälften des Zauberstabs zurück und steckte sie wieder in den Beutel um seinen Hals. Ollivander starrte dorthin, wo der zerbrochene Stab verschwunden war, und wandte den Blick erst ab, als Harry die beiden Zauberstäbe, die er von den Malfoys mitgebracht hatte, aus seiner Tasche genommen hatte. »Können Sie sagen, woraus die sind?«, fragte Harry. Der Zauberstabmacher nahm den ersten Zauberstab, hielt ihn dicht an seine verblichenen Augen, rollte ihn zwischen seinen knorpeligen Fingern und bog ihn leicht. »Walnuss und Drachenherzfaser«, sagte er. »Zwölfdreiviertel Zoll. Nicht flexibel. Dieser Zauberstab gehörte Bellatrix Lestrange.« »Und dieser hier?« Ollivander wiederholte die Prozedur. »Weißdorn und Einhornhaar. Genau zehn Zoll. Ziemlich federnd. Dies war der Zauberstab von Draco Malfoy.« »War?«, wiederholte Harry. »Gehört er ihm nicht mehr?« »Womöglich nicht. Wenn Sie ihn an sich genommen haben -« »- das habe ich -« »- dann könnte er Ihnen gehören. Natürlich spielt die Art und Weise, wie man ihn sich nimmt, eine Rolle. Viel hängt auch von dem Zauberstab selbst ab. Doch für gewöhnlich wird ein Zauberstab, der im Kampf gewonnen wurde, seine Gefolgschaft wechseln.« Stille breitete sich in dem Zimmer aus, nur das ferne Rauschen des Meeres war zu hören. »Sie reden über Zauberstäbe, als ob sie Gefühle hätten«, sagte Harry, »als ob sie selber denken könnten.« »Der Zauberstab sucht sich den Zauberer«, sagte Ollivander. »So viel war denjenigen von uns, welche die Zauberstabkunde studiert haben, immer schon klar.« »Jemand kann aber trotzdem einen Zauberstab benutzen, der sich ihn nicht ausgesucht hat?«, fragte Harry. »O ja, falls man überhaupt ein Zauberer ist, wird man seine magischen Kräfte durch fast jedes Werkzeug lenken können. Die besten Resultate werden sich jedoch immer dort einstellen, wo die stärkste Wesensverwandtschaft zwischen Zauberer und Zauberstab besteht. Diese Zusammenhänge sind kompliziert. Eine anfängliche Anziehung, und dann ein gemeinsames Streben nach Erfahrung, bei dem der Zauberstab vom Zauberer lernt und der Zauberer vom Zauberstab.« Das Meer schlug hohe Wellen; es war ein klagendes Geräusch. »Ich habe diesen Zauberstab Draco Malfoy mit Gewalt abgenommen«, sagte Harry. »Kann ich ihn gefahrlos benutzen?« »Ich glaube, ja. Hintergründige Gesetzmäßigkeiten regeln die Inhaberschaft eines Zauberstabs, doch wird der eroberte Zauberstab meist seinen Willen dem neuen Herrn beugen.« »Also kann ich den hier benutzen?«, sagte Ron, zog Wurmschwanz' Zauberstab aus seiner Tasche und reichte ihn Ollivander. »Kastanie und Drachenherzfaser. Neuneinviertel Zoll. Spröde. Kurz nach meiner Entführung hat man mich gezwungen, diesen anzufertigen, für Peter Pettigrew. Ja, wenn Sie ihn im Kampf errungen haben, wird er Ihre Befehle vermutlich eher befolgen als ein anderer Zauberstab, und zwar gut.« »Und dies gilt für alle Zauberstäbe, nicht wahr?«, fragte Harry. »Ich denke schon«, erwiderte Ollivander und richtete seine hervorquellenden Augen auf Harrys Gesicht. »Sie stellen tiefgründige Fragen, Mr Potter. Die Zauberstabkunde ist ein vielgliedriger und geheimnisvoller Zweig der Magie.« »Also ist es nicht notwendig, den vorigen Eigentümer zu töten, um einen Zauberstab wahrhaft in Besitz zu nehmen?«, fragte Harry. Ollivander schluckte. »Notwendig? Nein, ich würde nicht sagen, dass es notwendig ist, zu töten.« »Es gibt aber Legenden«, sagte Harry, und als sein Puls sich beschleunigte, schmerzte auch seine Narbe heftiger; er war sicher, dass Voldemort beschlossen hatte, seinen Plan in die Tat umzusetzen. »Legenden über einen Zauberstab – oder Zauberstäbe – die durch Mord von Hand zu Hand gingen.« Ollivander erbleichte. Auf dem schneeweißen Kissen wirkte er hellgrau, und seine riesigen Augen waren blutunterlaufen und traten offenbar aus Angst noch weiter hervor. »Nur ein einziger Zauberstab, denke ich«, flüsterte er. »Und Du-weißt-schon-wer ist an ihm interessiert, nicht wahr?«, fragte Harry. »Ich – woher?«, krächzte Ollivander und blickte Ron und Hermine um Hilfe flehend an. »Woher wissen Sie das?« »Er wollte, dass Sie ihm verraten, wie er die Verbindung zwischen unseren Zauberstäben überwinden kann«, sagte Harry. Ollivander schien zu Tode erschrocken. »Er hat mich gefoltert, das müssen Sie verstehen! Der Cruciatus-Fluch, ich – ich hatte keine andere Wahl, als ihm zu sagen, was ich wusste, was ich vermutete!« »Ich verstehe«, sagte Harry. »Sie haben ihm von den Zwillingskernen erzählt? Sie haben gesagt, dass er sich einfach den Zauberstab eines anderen Zauberers ausleihen muss?« Ollivander wirkte wie versteinert, entsetzt darüber, wie viel Harry wusste. Er nickte langsam. »Aber es hat nicht funktioniert«, fuhr Harry fort. »Meiner hat den geborgten Zauberstab immer noch geschlagen. Wissen Sie, warum das so war?« Ollivander schüttelte den Kopf ebenso langsam, wie er gerade genickt hatte. »Ich hatte ... noch nie von so etwas gehört. Ihr Zauberstab hat in jener Nacht etwas Einzigartiges getan. Die Verbindung der Zwillingskerne ist unglaublich selten, doch warum Ihr Zauberstab den geborgten zerbrochen hat, weiß ich nicht ...« »Wir sprachen gerade über den anderen Zauberstab, den, der durch Mord den Besitzer wechselt. Als Du-weißt-schon-wer erkannte, dass mein Zauberstab etwas Seltsames getan hatte, kam er zurück und fragte Sie nach diesem anderen Zauberstab, nicht wahr?« »Woher wissen Sie das?« Harry antwortete nicht. »Ja, er hat gefragt«, flüsterte Ollivander. »Er wollte alles erfahren, was ich ihm über den Zauberstab sagen konnte, der mal als Todesstab, als Zauberstab des Schicksals oder als Elderstab bezeichnet wird. « Harry warf einen Seitenblick auf Hermine. Sie schaute völlig entgeistert. »Der Dunkle Lord«, sagte Ollivander in gedämpftem und verängstigtem Ton, »war immer zufrieden mit dem Zauberstab, den ich ihm gemacht hatte – Eibe und Phönixfeder, drei-zehneinhalb Zoll –, bis er die Verbindung der Zwillingskerne entdeckte. Nun sucht er einen anderen, mächtigeren Zauberstab als die einzige Möglichkeit, den Ihren zu besiegen.« »Aber er wird bald erfahren, wenn er es nicht schon weiß, dass meiner zerbrochen und nicht mehr zu reparieren ist«, sagte Harry leise. »Nein!«, rief Hermine mit angsterfüllter Stimme. »Er kann das nicht wissen, Harry, wie denn auch -?« »Priori Incantatem«, sagte Harry. »Wir haben deinen Zauberstab und den Schwarzdornstab bei den Malfoys zurückgelassen, Hermine. Wenn sie die richtig untersuchen und die Zauber noch einmal wiederholen lassen, die sie kurz zuvor erzeugt haben, werden sie sehen, dass dein Zauberstab meinen zerbrochen hat, sie werden sehen, dass du vergeblich versucht hast, ihn zu richten, und es wird ihnen klar werden, dass ich seither immer den Schwarzdornstab benutzt habe.« Das bisschen Farbe, das sie seit ihrer Ankunft wieder bekommen hatte, war aus ihrem Gesicht gewichen. Ron versetzte Harry einen vorwurfsvollen Blick und sagte: »Jetzt machen wir uns darüber mal keine Sorgen -« Doch Mr Ollivander ergriff das Wort. »Der Dunkle Lord sucht den Elderstab nicht mehr nur, um Sie zu vernichten, Mr Potter. Er ist entschlossen, ihn in Besitz zu nehmen, weil er glaubt, dass er ihn wahrhaft unbesiegbar machen wird.« »Und wird er das?« »Der Besitzer des Eiderstabs muss immer einen Angriff fürchten«, sagte Ollivander, »aber die Vorstellung, dass der Dunkle Lord im Besitz des Todesstabes sein könnte, ist, ich muss es zugeben ... beeindruckend. « Harry fühlte sich plötzlich daran erinnert, dass er bei ihrem ersten Zusammentreffen nicht sicher gewesen war, wie gut er Ollivander leiden konnte. Selbst jetzt, nachdem er von Voldemort gefoltert und eingekerkert worden war, schien ihn die Vorstellung, dass der schwarze Magier im Besitz dieses Zauberstabs sein könnte, genauso zu faszinieren, wie sie ihn abstieß. »Sie – Sie glauben wirklich, dass dieser Zauberstab existiert, Mr Ollivander?«, fragte Hermine. »O ja«, sagte Ollivander. »Ja, es ist durchaus möglich, die Spur des Zauberstabs durch die Geschichte zu verfolgen. Es gibt natürlich Lücken, auch große, in denen er aus dem Blickfeld verschwindet, vorübergehend verloren oder verborgen ist; doch er taucht immer wieder auf. Er hat bestimmte kennzeichnende Merkmale, die diejenigen, die mit der Zauberstabkunde vertraut sind, erkennen können. Es gibt schriftliche Darstellungen, manche davon rätselhaft, die zu erforschen ich und andere Zauberstabmacher uns zur Aufgabe gemacht haben. Dem Anschein nach sind sie glaubwürdig.« »Sie – Sie meinen also nicht, dass es sich um ein Märchen handeln könnte, oder um einen Mythos?«, fragte Hermine hoffnungsvoll. »Nein«, sagte Ollivander. »Ob er tatsächlich durch Mord von Hand zu Hand gehen muss, weiß ich nicht. Seine Geschichte ist blutig, doch das könnte einfach daran liegen, dass er ein so begehrenswertes Objekt ist und in den Zauberern derartige Leidenschaften entfacht. Enorm mächtig, in den falschen Händen gefährlich, und etwas, das eine unglaubliche Faszination in uns allen auslöst, die wir die Macht von Zauberstäben erforschen.« »Mr Ollivander«, sagte Harry, »Sie haben Du-weißt-schon-wem erzählt, dass Gregorowitsch den Elderstab hätte, nicht wahr?« Ollivander wurde, soweit es möglich war, noch blasser. Er wirkte gespenstisch, als er schluckte. »Aber woher – woher -?« »Ist egal, woher ich das weiß«, sagte Harry und schloss kurz seine Augen, als seine Narbe brannte und er, nur für Sekunden, ein Bild von der Hauptstraße in Hogsmeade sah, wo es noch dunkel war, weil sie viel weiter nördlich lag. »Sie haben Du-weißt-schon-wem erzählt, dass Gregorowitsch den Zauberstab hätte?« »Es war ein Gerücht«, flüsterte Ollivander. »Ein Gerücht, vor vielen, vielen Jahren, lange bevor Sie geboren wurden! Ich glaube, Gregorowitsch selbst hat es in Umlauf gebracht. Sie können sicher verstehen, wie geschäftsfördernd das gewesen sein muss: dass er die Eigenschaften des Eiderstabs studierte und kopierte!« »Ja, das kann ich«, sagte Harry. Er stand auf. »Mr Ollivander, noch ein Letztes, und dann lassen wir Sie ausruhen. Was wissen Sie über die Heiligtümer des Todes?« »Die – die was?«, fragte der Zauberstabmacher und blickte vollkommen verwirrt. »Die Heiligtümer des Todes.« »Ich fürchte, ich weiß nicht, wovon Sie reden. Hat das auch etwas mit Zauber Stäben zu tun?« Harry sah in das eingefallene Gesicht und war überzeugt, dass Ollivander ihm nichts vorspielte. Er wusste nichts von den Heiligtümern. »Danke«, sagte Harry. »Ich danke Ihnen sehr. Wir gehen jetzt, damit Sie sich ausruhen können.« Ollivander schien verzweifelt. »Er hat mich gefoltert!«, keuchte er. »Der Cruciatus-Fluch ... Sie haben keine Ahnung ...« »Doch, das habe ich«, entgegnete Harry. »Das habe ich wirklich. Bitte ruhen Sie sich aus. Danke, dass Sie mir all das gesagt haben.« Er ging Ron und Hermine voran die Treppe hinunter. Harry erhaschte einen flüchtigen Blick auf Bill, Fleur, Luna und Dean, die am Küchentisch saßen, Teetassen vor sich. Sie alle sahen zu Harry auf, als er an der Tür erschien, doch er nickte ihnen nur zu und ging, gefolgt von Ron und Hermine, weiter in den Garten. Der rötliche Erdhügel, der Dobby bedeckte, lag vor ihm, und Harry kehrte zu dem Grab zurück, während der Schmerz in seinem Kopf unaufhörlich zunahm. Inzwischen kostete es ihn gewaltige Mühe, die Bilder niederzukämpfen, die sich ihm aufzwangen, doch er wusste, dass er nur noch eine kleine Weile widerstehen musste. Er würde sehr bald nachgeben, denn er musste wissen, ob seine Theorie richtig war. Er musste sich nur noch einmal kurz Mühe geben, damit er Ron und Hermine alles erklären konnte. » Gregorowitsch hatte den Elderstab vor langer Zeit«, sagte er. »Ich habe gesehen, wie Du-weißt-schon-wer versucht hat ihn zu finden. Als er Gregorowitsch aufgespürt hatte, stellte er fest, dass der ihn nicht mehr hatte: Er war ihm gestohlen worden, von Grindelwald. Wie Grindelwald herausgefunden hat, dass Gregorowitsch ihn besaß, weiß ich nicht – aber wenn Gregorowitsch so dumm war, dieses Gerücht zu verbreiten, kann es nicht allzu schwierig gewesen sein.« Voldemort war vor den Toren von Hogwarts; Harry konnte ihn dort stehen sehen, und er sah auch die Lampe, die in der frühen Dämmerung auf und ab hüpfte und allmählich immer näher kam. »Und Grindelwald benutzte den Elderstab, um mächtig zu werden. Und auf dem Höhepunkt seiner Macht, als Dumbledore wusste, dass er der Einzige war, der ihn aufhalten konnte, hat er sich mit Grindelwald duelliert und ihn besiegt, und er nahm den Elderstab an sich.« »In Hogwarts«, sagte Harry und kämpfte darum, hier bei ihnen in dem Garten auf der Klippe zu bleiben. »Aber dann nichts wie hin!«, drängte Ron. »Harry, gehen wir und holen ihn, bevor er es tut! « »Dafür ist es zu spät«, sagte Harry. Es ging nicht anders, er musste die Hände gegen seinen Kopf drücken, vielleicht halfen sie ihm standzuhalten. »Er weiß, wo er ist. Er ist jetzt dort.« »Harry!«, sagte Ron zornig. »Wie lange weißt du das schon – wieso haben wir unsere Zeit verschwendet? Warum hast du zuerst mit Griphook gesprochen? Wir hätten losgehen können – wir könnten immer noch gehen -« »Nein«, sagte Harry und sank im Gras auf die Knie. »Hermine hat Recht. Dumbledore wollte nicht, dass ich ihn besitze. Er wollte nicht, dass ich ihn an mich nehme. Er wollte, dass ich die Horkruxe jage.« »Der unbesiegbare Zauberstab, Harry!«, stöhnte Ron. »Ich soll nicht ... ich soll die Horkruxe finden ...« Und jetzt war alles kühl und dunkel: Die Sonne war noch kaum am Horizont zu sehen, als er neben Snape dahinglitt, über das Gelände in Richtung See. »Ich werde in Kürze im Schloss zu dir stoßen«, sagte er mit seiner hohen, kalten Stimme. »Lass mich jetzt allein.« Snape verbeugte sich und ging wieder den Pfad hinauf, und sein schwarzer Umhang bauschte sich hinter ihm. Harry schritt langsam, er wartete, bis Snapes Gestalt verschwunden war. Es wäre ungut, wenn Snape oder auch irgendjemand sonst sehen würde, wohin er ging. Aber in den Fenstern des Schlosses war kein Licht und er konnte sich verstecken ... und einen Moment später hatte er einen Desillusionierungszauber über sich selbst gelegt, der ihn sogar vor seinen eigenen Augen verbarg. Und er setzte seinen Weg fort, am Ufer des Sees entlang, und betrachtete die Umrisse des geliebten Schlosses, seines ersten Königreichs, seines wahren Erbes ... Und hier stand es, am See, gespiegelt in dem dunklen Wasser. Das weiße Marmorgrabmal, ein unnötiger Schandfleck in der vertrauten Landschaft. Wieder spürte er, wie jene gemessene Euphorie ihn durchflutete, jenes berauschende Gefühl der Entschlossenheit, zu zerstören. Er hob seinen alten Zauberstab aus Eibenholz empor: Wie passend, dass dies die letzte große Tat des Stabs sein würde. Das Grabmal riss von oben bis unten auf. Die in ein Leichentuch gehüllte Gestalt War so lang und dünn, wie sie es zu Lebzeiten gewesen war. Abermals hob er den Zauberstab. Das Tuch fiel ab. Das Gesicht war durchscheinend, fahl, eingesunken, doch fast vollkommen erhalten. Sie hatten seine Brille auf der Hakennase gelassen: Er verspürte höhnisches Vergnügen. Dumbledores Hände waren auf seiner Brust gefaltet, und da lag er, unter den Fingern, mit ihm begraben. Hatte der alte Narr sich eingebildet, dass Marmor oder der Tod den Zauberstab schützen würden? Hatte er gedacht, dass der Dunkle Lord Angst davor hätte, sein Grab zu schänden? Die spinnenartige Hand stieß hinab und zog den Zauberstab aus Dumbledores Griff, und als er ihn nahm, sprühte ein Funkenschauer aus seiner Spitze und warf funkelndes Licht über den Leichnam seines letzten Besitzers, bereit, endlich einem neuen Herrn zu dienen. |
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