"Harry Potter und die Heiligtümer des Todes" - читать интересную книгу автора (Роулинг Джоан)Erbteil des fluches, hässlicher sünde blutige wunde, schmerzen, wer trüge sie? quälen, wer stillte sie? wehe weh! Einzig der erbe heilet des hauses eiternde wunde, einzig mit blut'gem schnitt. götter der finsternis rief mein lied. Sel'ge geister drunten in der tiefe, wenn ihr die beschwörungsrufe hörtet, bringt den kindern hilfe, bringt den sieg. Aischylos, Sterben ist nur ein Uebergang aus dieser Welt in die andere, als wenn Freunde über See gehen, welche dennoch in einander fortleben. Denn Diejenigen, die im Allgegenwärtigen lieben und leben, müssen nothwendig einander gegenwärtig seyn. In diesem göttlichen Spiegel sehen sie sich von Angesicht zu Angesicht, und ihr Umgang ist so wohl frey als rein. Und wenn sie auch durch den Tod getrennt werden, so haben sie doch den Trost, daß ihre Freundschaft und Gesellschaft ihnen, dem besten Gefühle nach, beständig gegenwärtig bleibt, weil diese unsterblich ist. William Penn, Das Haus MalfoyHarry wandte sich zu den beiden anderen um, die jetzt nur noch Umrisse in der Dunkelheit waren. Er sah, wie Hermine ihren Zauberstab nicht nach draußen, sondern auf sein Gesicht richtete; ein Knall war zu hören, weißes Licht zuckte auf, und Harry brach unter qualvollen Schmerzen zusammen und konnte nichts mehr sehen. Er spürte sein Gesicht unter seinen Händen rasch anschwellen, dann kamen schwere Schritte ringsum auf ihn zu. »Aufstehen, Ungeziefer.« Unbekannte Hände zerrten Harry brutal vom Boden hoch. Ehe er etwas dagegen unternehmen konnte, hatte jemand seine Taschen durchwühlt und ihm den Schwarzdorn-Zauberstab abgenommen. Harry drückte die Hände auf sein unerträglich schmerzendes Gesicht, das sich fremdartig anfühlte unter seinen Fingern, straff, geschwollen und aufgedunsen, als hätte er auf irgendetwas heftig allergisch reagiert. Seine Augen waren nur noch Schlitze, durch die er kaum sehen konnte; seine Brille fiel zu Boden, als er aus dem Zelt nach draußen verfrachtet wurde; er konnte nur noch erkennen, dass vier oder fünf verschwommene Gestalten auch Ron und Hermine mühsam hinauszerrten. »Lasst – sie – los!«, brüllte Ron. Das unverkennbare Geräusch von Knöcheln, die auf einen Körper trafen, war zu hören: Ron stöhnte vor Schmerz und Hermine schrie: »Nein! Lasst ihn in Ruhe, lasst ihn in Ruhe!« »Deinem Freund wird's noch übler ergehen, wenn er auf meiner Liste steht«, sagte die fürchterlich vertraute, schnarrende Stimme. »Appetitliches Mädchen ... was für ein Leckerbissen ... wie weich ihre Haut ist ...« Harry stülpte sich der Magen um. Er wusste, wer das war: Fenrir Greyback, der Werwolf, dem es erlaubt war, einen Todesser-Umhang zu tragen, als Lohn für seine grausamen Dienste. »Durchsucht das Zelt!«, sagte eine andere Stimme. Harry wurde vornübergeworfen und fiel mit dem Gesicht auf die Erde. Ein dumpfer Aufprall verriet ihm, dass Ron neben ihm niedergeschlagen worden war. Sie konnten Schritte und Krach hören; die Männer warfen Stühle um, während sie das Zelt durchsuchten. »Dann schauen wir mal, wen wir hier haben«, sagte Greybacks hämische Stimme über ihm, und Harry wurde auf den Rücken gedreht. Der Lichtstrahl von einem Zauberstab fiel ihm ins Gesicht und Greyback lachte. »Dadrauf brauch ich 'n Butterbier. Was ist mit dir passiert, du Fratze?« Harry antwortete nicht sofort. »Ich hab dich was »Ein Stich«, murmelte Harry. »Bin gestochen worden.« »Jaah, sieht so aus«, sagte eine zweite Stimme. »Wie heißt du?«, knurrte Greyback. »Dudley«, sagte Harry. »Und dein Vorname?« »Ich – Vernon. Vernon Dudley.« »Schau auf der Liste nach, Scabior«, sagte Greyback, und Harry hörte, wie er ein Stück zur Seite ging, um nun auf Ron hinabzublicken. »Und was ist mit dir, Rotschopf?« »Stan Shunpike«, sagte Ron. »Der bist du verflucht noch mal nicht«, sagte der Mann namens Scabior. »Wir kennen Stan Shunpike, er hat uns mal 'n bisschen Arbeit verschafft. « Dann war ein weiterer dumpfer Schlag zu hören. »Ich bin Bardy«, sagte Ron, und Harry wusste, dass sein Mund voller Blut war. »Bardy Weaschley.« »Ein Weasley?«, schnarrte Greyback. »Also bist du mit Blutsverrätern verwandt, auch wenn du kein Schlammblut bist. Und zum Schluss deine hübsche kleine Freundin ...« Seine Stimme hatte etwas Genüssliches, so dass es Harry eiskalt über den Rücken lief. »Langsam, Greyback«, sagte Scabior durch das Gejohle der anderen. »Oh, ich werd doch nicht gleich zubeißen. Wollen mal sehen, ob sie sich schneller an ihren Namen erinnert als Barny. Wer bist du, Mädchen?« »Penelope Clearwater«, sagte Hermine. Sie klang verängstigt, aber überzeugend. »Wie ist dein Blutstatus?« »Halbblut«, sagte Hermine. »Lässt sich leicht überprüfen«, sagte Scabior. »Aber diese ganze Bande sieht aus, als könnt'n sie noch im 'Ogwarts-Alter sein -« »Wir schin' ford«, sagte Ron. »Fort, tatsächlich, Rotschopf?«, sagte Scabior. »Und ihr 'abt beschlossen, zelten zu gehen? Und ihr dachtet, ihr könntet nur mal so aus Jux den Namen des Dunklen Lords aussprechen?« »Kein Jugsch«, sagte Ron. »Ausch Verscheh'n.« »Aus Versehen?« Von neuem brach höhnisches Gelächter los. »Du weißt schon, wer den Namen des Dunklen Lords immer gerne verwendet hat, Weasley?«, knurrte Greyback. »Der Orden des Phönix. Jemals davon gehört?« »Nöh.« »Jedenfalls erweisen sie dem Dunklen Lord nicht den gebührenden Respekt, daher wurde ein Tabu auf den Namen gelegt. So wurden einige vom Orden aufgespürt. Werden sehen. Bindet sie mit den anderen beiden Gefangenen zusammen!« Jemand riss Harry an den Haaren hoch, schleifte ihn ein Stück weiter, drückte ihn hinunter in eine sitzende Haltung und fing dann an, ihn Rücken an Rücken mit anderen zusammenzubinden. Harry war immer noch halb blind und kaum in der Lage, durch seine geschwollenen Augen etwas zu sehen. Als der Mann, der sie gefesselt hatte, sich endlich entfernt hatte, flüsterte Harry zu den anderen Gefangenen. »Hat jemand noch seinen Zauberstab?« »Nein«, antworteten Ron und Hermine rechts und links von ihm. »Das ist alles meine Schuld. Ich hab den Namen genannt, tut mir leid -« »Harry?« Es war eine neue, aber bekannte Stimme, und sie ertönte direkt hinter Harry, von jemandem, der an Hermines linke Seite gefesselt war. »Du »Kein schlechter Fang für eine Nacht«, sagte Greyback gerade, als ein Paar genagelte Stiefel dicht an Harry vorbeimarschierten und sie aus dem Zelt weiteres Krachen hörten. »Ein Schlammblut, ein Kobold auf der Flucht und drei Schulschwänzer. Hast du ihre Namen schon auf der Liste gesucht, Scabior?«, brüllte er. »Jaah. Da ist kein Vernon Dudley drauf, Greyback.« »Interessant«, sagte Greyback. »Das ist interessant.« Er kauerte sich vor Harry nieder, der durch den verschwindend kleinen Schlitz zwischen seinen geschwollenen Lidern ein Gesicht mit mattgrauem Haarpelz und einem Backenbart sah, mit spitzen braunen Zähnen und entzündeten Mundwinkeln. Greyback roch, wie er oben auf dem Turm gerochen hatte, wo Dumbledore gestorben war: nach Schmutz, Schweiß und Blut. »Dann wirst du gar nicht gesucht, Vernon? Oder bist du unter einem anderen Namen auf dieser Liste? In welchem Haus von Hogwarts warst du?« »Slytherin«, sagte Harry automatisch. »Komisch, dass die alle glauben, wir woll'n das 'ören«, höhnte Scabior aus der Finsternis. »Aber keiner von den'n kann uns sagen, wo der Gemeinschaftsraum ist.« »Er ist in den Kerkern«, sagte Harry deutlich. »Man tritt durch die Wand ein. Er ist voller Schädel und so, und er ist unter dem See, deshalb ist das Licht ganz grün.« Eine kurze Stille trat ein. »So, so, sieht aus, als 'ätten wir wirklich 'nen kleinen Slytherin geschnappt«, sagte Scabior. »Gratuliere, Vernon, gibt nicht viele Slytherins, die Schlammblüter sind. Wer ist dein Vater?« »Er arbeitet im Ministerium«, log Harry. Er wusste, dass seine ganze Geschichte bei der kleinsten Nachforschung zusammenbrechen würde, andererseits hatte er nur noch Zeit, bis sein Gesicht wieder normal aussah, dann würde das Spiel ohnehin zu Ende sein. »Abteilung für Magische Unfälle und Katastrophen.« »Weißt du was, Greyback«, sagte Scabior. »Ich glaub, da arbeitet tatsächlich einer, der Dudley heißt.« Harry rang nach Luft: Konnte Glück, pures Glück, sie aus dieser Lage retten? »So, so«, sagte Greyback, und Harry konnte eine winzige Spur von Beklommenheit in dieser gefühllosen Stimme hören, offenbar weil Greyback sich fragte, ob er tatsächlich gerade den Sohn eines Ministeriumsbeamten angegriffen und gefesselt hatte. Harrys Herz hämmerte gegen die Stricke um seine Rippen; es hätte ihn nicht überrascht, zu erfahren, dass Greyback das sehen konnte. »Wenn du die Wahrheit sagst, Fratzengesicht, dann hast du bei einem Abstecher ins Ministerium nichts zu befürchten. Ich schätze, dein Vater wird uns dafür belohnen, dass wir dich aufgelesen haben.« »Aber«, sagte Harry mit völlig trockenem Mund, »wenn Sie uns einfach -« »Hey!«, rief jemand aus dem Zeltinneren. »Sieh dir das mal an, Greyback!« Eine dunkle Gestalt kam auf sie zugehastet und Harry sah im Licht der Zauberstäbe etwas silbern glitzern. Sie hatten Gryffindors Schwert gefunden. »Seeehr schön«, sagte Greyback anerkennend und nahm es seinem Gefährten ab. »Oh, wirklich sehr hübsch. Das sieht aus wie koboldgearbeitet. Wo hast du denn so was her?« »Es gehört meinem Vater«, log Harry und hoffte verzweifelt, dass es für Greyback zu dunkel war, um den Namen, der unterhalb des Griffs eingraviert war, zu erkennen. »Wir haben es uns ausgeliehen, um Brennholz zu hacken -« »Wart mal kurz, Greyback! Schau dir das an, im In dem Moment, als Scabior dies sagte, begann Harrys Narbe, die sich straff über seine aufgedunsene Stirn spannte, wild zu brennen. Deutlicher als irgendetwas, das er in seinem Umkreis ausmachen konnte, sah er ein hoch aufragendes Gebäude, eine düstere Festung, pechschwarz und bedrohlich; Voldemorts Gedanken waren mit einem Mal wieder rasiermesserscharf; er glitt in stiller Euphorie und Entschlossenheit auf den gewaltigen Bau zu ... Mit einer gewaltigen Willensanstrengung verschloss Harry seinen Geist vor Voldemorts Gedanken, riss sich dorthin zurück, wo er jetzt saß, in der Dunkelheit an Ron, Hermine, Dean und Griphook gefesselt, und lauschte Greyback und Scabior. Harrys Narbe brannte, während sie schwiegen, doch er bot alle Kraft auf, im Hier und Jetzt zu bleiben und nicht in Voldemorts Geist abzugleiten. Er hörte Greybacks Stiefel knarzen, als er vor Hermine in die Hocke ging. »Weißt du was, du kleine Göre? Dieses Bild sieht dir aber verdammt ähnlich.« »Tut es nicht! Das bin ich nicht!« Hermines verängstigt piepsende Stimme war praktisch ein Geständnis. Stille hatte sich breitgemacht. Harrys Narbe schmerzte heftig, doch er wehrte sich mit aller Kraft gegen den Sog von Voldemorts Gedanken: Es war noch nie so wichtig gewesen, dass er bei sich und bei vollem Verstand blieb. »Nun, das ändert die Sache, oder?«, flüsterte Greyback. Niemand antwortete: Harry spürte, dass die Greiferbande reglos dastand und zusah, und fühlte Hermines Arm zitternd an seinem. Greyback stand auf, machte einige Schritte bis zu der Stelle, wo Harry saß, hockte sich wieder hin und fixierte scharf seine unförmigen Gesichtszüge. »Was hast du da an der Stirn, Vernon?«, fragte er ruhig, und sein stinkender Atem drang in Harrys Nase, als er einen schmutzigen Finger auf die straffe Narbe drückte. »Nicht anfassen!«, schrie Harry; es rutschte ihm heraus; er hatte das Gefühl, dass er sich vor Schmerz übergeben müsste. »Ich dachte, du trägst eine Brille, Potter?«, hauchte Greyback. »Ich hab eine Brille gefunden!«,japste einer der Greifer, der im Hintergrund lauerte. »Da war eine Brille im Zelt, Greyback, wart mal -« Und Sekunden später hatten sie Harry die Brille wieder auf die Nase gedrückt. Nun kamen die Greifer näher und starrten ihn an. »Das ist er!«, schnarrte Greyback. »Wir haben Potter gefangen!« Sie traten allesamt einige Schritte zurück, ganz verblüfft darüber, was ihnen gelungen war. Harry, der sich immer noch mühte, in seinem eigenen, zerspringenden Kopf gegenwärtig zu bleiben, fiel nichts ein, was er hätte sagen können: Bruchstückhafte Bilder tauchten an der Oberfläche seines Bewusstseins auf - ... er Nein, er war Harry, gefesselt und ohne Zauberstab, in ernster Gefahr - ... er Er war Harry, und mit leisen Stimmen diskutierten sie, was mit ihm geschehen sollte - »- ins Ministerium?« »Zur Hölle mit dem Ministerium«, knurrte Greyback. »Die heimsen dann die Lorbeeren ein und wir kriegen nichts ab. Ich würde sagen, wir bringen ihn direkt zu Du-weißt-schon-wem.« »Willst du ihn 'errufen? »Nein«, schnarrte Greyback. »Ich hab kein – es heißt, sie benutzen Malfoys Haus als Stützpunkt. Wir bringen den Jungen dorthin.« Harry glaubte zu wissen, warum Greyback Voldemort nicht herbeirief. Der Werwolf durfte zwar einen Todesser-Umhang tragen, wenn sie ihn für ihre Zwecke brauchten, aber nur Voldemorts engster Kreis war mit dem Dunklen Mal versehen: Greyback hatten sie diese höchste Ehre versagt. Harrys Narbe brannte wieder - ... »Wer führt hier das Kommando?«, brüllte Greyback, um seine kurze Schwäche zu vertuschen. »Ich sage, das ist Potter, und er plus sein Zauberstab, das gibt zweihunderttausend Galleonen sofort auf die Kralle! Aber wenn keiner von euch den Mumm hat mitzukommen, dann gehört alles mir, und mit ein bisschen Glück krieg ich das Mädchen noch dazu!« ... »Na schön!«, sagte Scabior. »Na schön, wir sin' dabei! Und was ist mit den andern, Greyback, was sollen wir mit den'n machen?« »Am besten, wir nehmen die alle mit. Wir haben zwei Schlammblüter, das macht noch mal zehn Galleonen. Und das Schwert gebt ihr mir auch. Wenn das Rubine sind, ist das noch mal ein kleines Vermögen wert.« Die Gefangenen wurden auf die Füße gezerrt. Harry konnte Hermine atmen hören, schnell und verängstigt. »Alle festhalten, und zwar richtig. Ich nehm Potter!«, sagte Greyback und packte eine Hand voll von Harrys Haaren; Harry spürte seine langen gelben Nägel über seine Kopfhaut kratzen. »Bei drei! Eins – zwei – drei -« Sie disapparierten und zogen die Gefangenen mit sich. Harry sträubte sich, versuchte Greybacks Hand abzuschütteln, doch es war hoffnungslos: Ron und Hermine wurden von beiden Seiten eng an ihn gepresst, er konnte sich nicht von der Gruppe lösen, und als ihm die Luft aus dem Leib gequetscht wurde, brannte seine Narbe noch schmerzhafter - Die Gefangenen fielen übereinander, als sie auf einen Feldweg stürzten. Harrys immer noch geschwollene Augen brauchten einen Moment, bis sie sich gewöhnt hatten, dann erkannte er ein schmiedeeisernes Doppeltor, hinter dem sich ein offenbar langer Zufahrtsweg befand. Einen winzigen Moment lang war ihm leichter zumute. Das Schlimmste war noch nicht eingetreten: Voldemort war nicht hier. Er war, wie Harry wusste, da er gegen die Vision ankämpfte, an einem fremden Ort, in einer Art Festung, ganz oben in einem Turm. Wie lange Voldemort brauchen würde, um hierherzugelangen, sobald er erfahren hatte, dass Harry da war, war eine andere Frage ... Einer der Greifer schritt zum Tor und rüttelte daran. »Wie kommen wir da rein? Es ist verschlossen, Greyback, ich kann nicht – zum Teufel!« Er riss erschrocken seine Hände weg. Das Eisen verzog sich, die abstrakten Schnörkel und Spiralen lösten sich auf, und ein Furcht erregendes Gesicht wand sich heraus, das mit metallisch klirrender, widerhallender Stimme sprach: »Was ist Euer Begehr?« »Wir haben Potter!«, brüllte Greyback triumphierend. »Wir haben Harry Potter gefangen!« Das Doppeltor schwang auf. »Kommt!«, sagte Greyback zu seinen Männern, und die Gefangenen wurden durch das Tor und die Zufahrt entlanggeschubst, zwischen hohen Hecken hindurch, die das Geräusch ihrer Schritte dämpften. Harry sah eine gespenstisch weiße Erscheinung über sich und erkannte, dass es ein Albino-Pfau war. Er stolperte und Greyback zerrte ihn hoch; jetzt wankte er seitwärts weiter, Rücken an Rücken an die vier anderen Gefangenen gefesselt. Er schloss seine verschwollenen Augen und gab dem Schmerz in seiner Narbe einen Moment lang nach, denn er wollte erfahren, was Voldemort tat, ob er schon wusste, dass Harry gefangen war - ... Voldemorts Wut hämmerte in ihm, und Harrys Narbe drohte vor Schmerz aufzuplatzen, er zwang seine Gedanken, wieder zurückzukehren in seinen eigenen Körper, kämpfte darum, bei Verstand zu bleiben, während die Gefangenen über den Kiesweg getrieben wurden. Licht überflutete sie. »Was hat das zu bedeuten?«, sagte die kalte Stimme einer Frau. »Wir sind gekommen, um Ihn, dessen Name nicht genannt werden darf, zu sehen!«, schnarrte Greyback. »Wer seid Ihr?« »Ihr kennt mich!« Unmut lag in der Stimme des Werwolfs. »Fenrir Greyback! Wir haben Harry Potter gefasst!« Greyback packte Harry und zerrte ihn herum ins Licht, was die anderen Gefangenen zwang, sich schlurfend mitzudrehen. »Ich weiß, er ist zugeschwollen, gnädige Frau, aber er is' es!«, meldete sich Scabior zu Wort. »Wenn Ihr ein bisschen näher 'inschaut, dann seht Ihr seine Narbe. Und 'ier, seht Ihr das Mädchen? Das Schlammblut, das mit ihm um'ergezogen ist, gnädige Frau. Kein Zweifel, dass er's ist, und wir 'aben auch seinen Zauberstab! 'Ier, gnädige Frau -« Harry sah, wie Narzissa Malfoy sein aufgedunsenes Gesicht musterte. Scabior drückte ihr den Schwarzdorn-Zauberstab in die Hand. Sie hob die Brauen. »Bringt sie rein«, sagte sie. Sie stießen und traten Harry und die anderen eine breite Steintreppe hinauf, die in eine Eingangshalle führte, an deren Wänden Porträts hingen. »Folgt mir«, sagte Narzissa und ging voran durch die Halle. »Mein Sohn Draco ist über die Osterferien zu Hause. Wenn das Harry Potter ist, dann wird er ihn erkennen.« Nach der Dunkelheit draußen war das Licht im Salon gleißend hell; obwohl seine Augen fast geschlossen waren, konnte Harry sehen, wie groß der Raum war. An der Decke hing ein Kristallleuchter und weitere Porträts hingen an den dunkelroten Wänden. Zwei Gestalten erhoben sich von ihren Stühlen vor dem reich verzierten Marmorkamin, als die Greifer ihre Gefangenen in den Salon hineinschleiften. »Was gibt es?« Die furchtbar vertraute, gedehnte Stimme von Lucius Malfoy drang in Harrys Ohren. Jetzt ergriff ihn Panik: Er sah keinen Ausweg, und während seine Angst wuchs, war es leichter, Voldemorts Gedanken fernzuhalten, obwohl seine Narbe nach wie vor brannte. »Die behaupten, sie hätten Potter«, sagte Narzissas kalte Stimme. »Draco, komm her.« Harry wagte es nicht, direkt zu Draco hinzublicken, sah ihn jedoch von der Seite her an: Eine Gestalt, die ein wenig größer war als er selbst, erhob sich aus einem Lehnstuhl, sein Gesicht ein blasser, spitz zulaufender Fleck unter weißblondem Haar. Greyback zwang die Gefangenen erneut, sich zu drehen, damit Harry genau unter dem Kronleuchter zu stehen kam. »Nun, Junge?«, schnarrte der Werwolf. Harry befand sich gegenüber einem Spiegel über dem Kamin, einem großen, vergoldeten Ding mit kompliziert verschnörkeltem Rahmen. Durch seine Augenschlitze sah er sein Spiegelbild, zum ersten Mal seit er das Haus am Grimmauldplatz verlassen hatte. Sein Gesicht war riesig, glänzend und blutrot, Hermines Zauber hatte all seine Züge verzerrt. Sein schwarzes Haar reichte ihm bis zu den Schultern und um seinen Kiefer zog sich ein schwarzer Schatten. Hätte er nicht gewusst, dass er selbst es war, der hier stand, hätte er sich gefragt, wer da seine Brille aufhatte. Er beschloss, nicht zu sprechen, denn seine Stimme würde ihn gewiss verraten; und er vermied nach wie vor den Blickkontakt mit Draco, als dieser sich näherte. »Nun, Draco?«, sagte Lucius Malfoy. Er klang begierig. »Ist er es? Ist es Harry Potter?« »Ich weiß nicht – ich weiß nicht genau«, sagte Draco. Er hielt Abstand von Greyback und schien genauso viel Angst davor zu haben, Harry anzusehen, wie Harry Angst davor hatte, ihn anzusehen. »Aber schau ihn dir genau an, los! Geh näher ran!« Harry hatte Lucius Malfoy noch nie so aufgeregt erlebt. »Draco, wenn wir diejenigen sind, die Potter dem Dunklen Lord übergeben, dann wird alles verzieh-« »Aber, Mr Malfoy, wir werden doch nicht vergessen, wer ihn tatsächlich gefasst hat, hoffe ich?«, sagte Greyback drohend. »Natürlich nicht, natürlich nicht!«, erwiderte Lucius ungeduldig. Er ging nun selber auf Harry zu, kam ihm so nahe, dass Harry sogar durch seine Augenschlitze jedes Detail des für gewöhnlich gelangweilten, blassen Gesichts erkennen konnte. Da sein eigenes Gesicht eine aufgequollene Maske war, hatte Harry den Eindruck, zwischen den Stangen eines Käfigs hindurchzublicken. »Was hast du mit ihm gemacht?«, fragte Lucius Greyback. »Wie kommt es, dass er in diesem Zustand ist?« »Das war'n nicht wir.« »Sieht mir eher nach einem Brandzauber aus«, sagte Lucius. Seine grauen Augen suchten Harrys Stirn ab. »Da ist etwas«, flüsterte er, »das könnte die Narbe sein, straff gezogen ... Draco, komm her, schau dir das genau an! Was meinst du?« Harry sah Dracos Gesicht jetzt aus der Nähe, gleich neben dem seines Vaters. Sie waren sich verblüffend ähnlich, nur dass der Vater ganz außer sich schien vor Erregung, während Dracos Miene voller Widerwille, ja sogar Furcht war. »Ich weiß nicht«, sagte er und ging in Richtung Kamin, wo seine Mutter stand und zusah. »Wir sollten sicher sein, Lucius«, rief Narzissa mit ihrer kalten, klaren Stimme ihrem Mann zu. »Ganz sicher, dass es Potter ist, ehe wir den Dunklen Lord rufen ... Die behaupten, der gehöre ihm«, sie nahm den Schwarzdorn-Zauberstab genau in Augenschein, »aber er entspricht nicht Ollivanders Beschreibung ... Wenn wir uns irren, wenn wir den Dunklen Lord umsonst hierherrufen ... wisst ihr noch, was er mit Rowle und Dolohow gemacht hat?« »Und was ist mit dem Schlammblut?«, knurrte Greyback. Harry wurde fast umgerissen, als die Greifer die Gefangenen zwangen, sich erneut zu drehen, damit das Licht nun auf Hermine fiel. »Wartet«, sagte Narzissa scharf. »Ja – ja, sie war mit Potter bei »Ich ... vielleicht ... jaah.« »Aber das ist doch der Weasley-Junge!«, rief Lucius, schritt rasch um die Gefesselten herum und sah Ron ins Gesicht. »Das sind sie, Potters Freunde – Draco, schau ihn dir an, ist das nicht Arthur Weasleys Sohn, wie heißt er noch mal -?« »Jaah«, sagte Draco erneut, den Rücken den Gefangenen zugewandt. »Könnte sein.« Hinter Harry öffnete sich die Salontür. Eine Frau sprach und der Klang ihrer Stimme ließ Harrys Angst noch größer werden. »Was geht hier vor? Was ist passiert, Zissy?« Bellatrix Lestrange ging langsam um die Gefangenen herum, blieb rechts von Harry stehen und starrte unter ihren schweren Augenlidern auf Hermine. »Aber das ist«, sagte sie leise, »das ist doch das Schlammblutmädchen? Ist das diese Granger?« »Ja, ja, das ist die Granger!«, rief Lucius. »Und der neben ihr ist wahrscheinlich Potter! Potter und seine Freunde, endlich gefasst!« »Potter?«, kreischte Bellatrix und wich zurück, damit sie Harry besser betrachten konnte. »Bist du sicher? Nun, dann muss der Dunkle Lord sofort informiert werden!« Sie zog ihren linken Ärmel hoch: Harry sah das Dunkle Mal, das in das Fleisch ihres Armes gebrannt war, und wusste, dass sie es gleich berühren würde, um ihren geliebten Herrn herbeizurufen - »Ich wollte ihn gerade rufen!«, sagte Lucius, und schon schloss sich seine Hand um Bellatrix' Handgelenk, um sie daran zu hindern, das Mal zu berühren. »Deiner Autorität!«, höhnte sie und versuchte, ihre Hand seinem Griff zu entwinden. »Du hast deine Autorität verloren, als du deinen Zauberstab verloren hast, Lucius! Wie kannst du es wagen! Lass mich los!« »Du hast damit überhaupt nichts zu tun, du hast den Jungen nicht gefangen -« »Bitte um Verzeihung, »Gold!«, lachte Bellatrix, die immer noch versuchte, ihren Schwager abzuschütteln, während sie mit der freien Hand in der Tasche nach ihrem Zauberstab suchte. »Nimm dein Gold, du dreckiger Aasfresser, was will ich mit Gold? Ich strebe nur nach der Ehre seines – von -« Sie hörte auf sich zu wehren und heftete ihre dunklen Augen auf etwas, das Harry nicht sehen konnte. Froh, dass sie kapituliert hatte, ließ Lucius sie rasch los und riss nun seinen eigenen Ärmel hoch - »HALT!«, kreischte Bellatrix. »Berühr es nicht, wir werden alle zugrunde gehen, wenn der Dunkle Lord jetzt kommt!« Lucius erstarrte, den Zeigefinger dicht über seinem Mal. Bellatrix schritt aus Harrys begrenztem Gesichtsfeld hinaus. »Was ist das?«, hörte er sie sagen. »Schwert«, grunzte ein Greifer, den er nicht sehen konnte. »Gib es mir.« »Das ist nicht Euers, Missis, das ist meins, ich hab's nämlich gefunden. « Es gab einen Knall und einen roten Lichtblitz: Harry wusste, dass der Greifer geschockt worden war. Seine Gefährten brüllten zornig auf; Scabior zückte den Zauberstab. »Was soll das denn, Frau?« Sie waren ihr nicht gewachsen, obwohl sie zu viert gegen eine waren: Sie war eine skrupellose Hexe mit ungeheuerlichen Fähigkeiten, wie Harry wusste. Sie brachen auf der Stelle zusammen, alle außer Greyback, den sie auf die Knie gezwungen hatte, die Arme ausgestreckt. Aus den Augenwinkeln sah Harry, wie Bellatrix sich über den Werwolf beugte, das Schwert von Gryffindor fest in der Hand, das Gesicht wächsern. »Wo hast du dieses Schwert her?«, flüsterte sie Greyback zu, während sie ihm den Zauberstab aus seinem schlaffen Griff zog. »Wie kannst du es wagen?«, knurrte er, und sein Mund war alles, was er bewegen konnte, während er gezwungen war, zu ihr aufzublicken. Er bleckte seine spitzen Zähne. »Lass mich los, Frau!« »Wo hast du dieses Schwert gefunden?«, wiederholte sie und fuchtelte damit vor seinem Gesicht herum. »Snape hat es zu meinem Verlies in Gringotts geschickt!« »Es war im Zelt von denen«, schnarrte Greyback. »Lass mich los, sage ich!« Sie schwang ihren Zauberstab, und der Werwolf sprang auf, schien jedoch zu argwöhnisch, um sich ihr zu nähern. Er schlich hinter einen Sessel und grub seine schmutzigen, gebogenen Nägel in die Lehne. »Draco, bring diesen Abschaum nach draußen«, sagte Bellatrix und deutete auf die bewusstlosen Männer. »Wenn du nicht den Schneid hast, sie zu erledigen, dann lass sie für mich im Hof liegen.« »Untersteh dich, mit Draco zu sprechen wie -«, sagte Narzissa zornig, aber Bellatrix schrie: »Halt den Mund! Die Lage ist bedrohlicher, als du es dir vielleicht vorstellen kannst, Zissy! Wir haben ein sehr ernstes Problem!« Sie stand rasch atmend da, blickte hinab auf das Schwert und musterte seinen Griff. Dann drehte sie sich um und sah die stummen Gefangenen an. »Wenn es wirklich Potter ist, darf ihm nichts geschehen«, murmelte sie, mehr zu sich selbst als zu den anderen. »Der Dunkle Lord will Potter eigenhändig vernichten ... aber wenn er herausfindet ... ich muss ... ich muss wissen ...« Sie wandte sich wieder an ihre Schwester. »Die Gefangenen müssen in den Keller gebracht werden, während ich überlege, was zu tun ist!« »Das ist mein Haus, Bella, du gibst keine Befehle in meinem -« »Tu es! Du hast keine Ahnung, in welcher Gefahr wir sind!«, kreischte Bellatrix. Sie sah beängstigend aus, übergeschnappt; ein dünner Feuerstrahl drang aus ihrem Zauberstab und brannte ein Loch in den Teppich. Narzissa zögerte einen Moment, dann richtete sie das Wort an den Werwolf. »Bring diese Gefangenen hinunter in den Keller, Greyback.« »Warte«, sagte Bellatrix scharf. »Alle außer ... außer dem Schlammblut.« Greyback grunzte vor Freude. »Nein!«, rief Ron. »Sie können mich haben, behalten Sie mich!« Bellatrix schlug ihm ins Gesicht; der Schlag hallte durch den Raum. »Wenn sie im Verhör stirbt, nehm ich dich als Nächsten dran«, sagte sie. »Blutsverräter kommen auf meiner Liste gleich nach den Schlammblütern. Bring sie nach unten, Greyback, und sieh zu, dass sie dort auch bleiben, aber tu ihnen nichts weiter an – noch nicht. « Sie warf Greyback seinen Zauberstab wieder zu und holte dann ein kurzes silbernes Messer unter ihrem Umhang hervor. Sie schnitt Hermine von den anderen Gefangenen los und zerrte sie an den Haaren in die Mitte des Raumes, während Greyback mit seinem ausgestreckten Zauberstab, von dem eine unsichtbare und unwiderstehliche Kraft ausging, die übrigen zwang, zu einer weiteren Tür und in einen dunklen Gang hineinzutrotten. » Glaubst du, sie lässt mich 'n Stück von dem Mädchen haben, wenn sie mit ihr fertig ist?«, gurrte Greyback, während er sie den Gang entlangtrieb. »Schätze mal, ich krieg 'nen Bissen oder zwei ab, meinst du nicht, Rotschopf?« Harry spürte, wie Ron bebte. Sie mussten eine steile Treppe hinunter, immer noch Rücken an Rücken gebunden und ständig in Gefahr, auszurutschen und sich den Hals zu brechen. Am Fuß der Treppe befand sich eine schwere Tür. Greyback öffnete sie mit einem leichten Klopfen seines Zauberstabs, dann zwang er sie alle in einen feuchten und modrigen Raum hinein und ließ sie in völliger Dunkelheit zurück. Das Echo der zugeschlagenen Kellertür war noch nicht verklungen, als auch schon direkt über ihnen ein schrecklicher, lang gezogener Schrei ertönte. »HERMINE!«, brüllte Ron, und er begann sich zu winden und gegen die Stricke aufzubäumen, mit denen sie gefesselt waren, so dass Harry schwankte. »HERMINE!« »Sei leise!«, sagte Harry. »Sei still, Ron, wir müssen überlegen, wie -« »HERMINE! HERMINE!« »Wir brauchen einen Plan, hör auf zu schreien – wir müssen diese Fesseln loskriegen -« »Harry?«, flüsterte es aus der Dunkelheit. »Ron? Seid ihr das?« Ron hörte auf zu schreien. Harry merkte, wie sich in ihrer Nähe etwas bewegte, dann sah er einen Schatten näher kommen. »Harry? Ron?« »Ja, ich bin's! O nein, ich wollte nicht, dass ihr gefasst werdet!« »Luna, kannst du uns helfen, diese Fesseln abzukriegen?«, sagte Harry. »O ja, ich denk schon ... da ist so ein alter Nagel, den nehmen wir immer, wenn wir was aufbrechen müssen ... einen Moment ...« Hermine schrie oben wieder, und sie konnten auch Bellatrix schreien hören, doch ihre Worte waren nicht zu verstehen, denn Ron rief erneut: »HERMINE! HERMINE!« »Mr Ollivander?«, konnte Harry Luna sagen hören. »Mr Ollivander, haben Sie den Nagel? Würden Sie bitte ein wenig zur Seite rücken ... ich glaube, er war neben dem Wasserkrug ...« In Sekundenschnelle war sie zurück. »Ihr müsst jetzt stillhalten«, sagte sie. Harry konnte spüren, wie sie in die zähen Fasern des Stricks hineinbohrte, um die Knoten zu lösen. Von oben hörten sie Bellatrix' Stimme. »Ich frage dich noch einmal! Wo habt ihr dieses Schwert her? »Wir haben es gefunden – wir haben es gefunden – BITTE!« Hermine schrie von neuem; Ron kämpfte nur noch verbissener gegen die Fesseln an, und der rostige Nagel rutschte weg auf Harrys Handgelenk. »Ron, bitte, halt still!«, flüsterte Luna. »Ich kann nicht sehen, was ich mache -« »Meine Tasche!«, sagte Ron. »In meiner Tasche ist ein Deluminator und der ist voller Licht!« Wenige Sekunden später war ein Klicken zu hören, und die leuchtenden Kugeln, die der Deluminator aus den Lampen des Zeltes gesogen hatte, flogen in den Keller: Da sie ihre Quelle nicht wiederfinden konnten, blieben sie einfach wie winzige Sonnen dort hängen und tauchten den unterirdischen Raum in Licht. Harry sah Luna, mit bleichem Gesicht und großen Augen, und die reglose Gestalt von Ollivander, dem Zauberstabmacher, der zusammengerollt in der Ecke am Boden lag. Als er den Kopf drehte, erblickte er ihre Mitgefangenen: Dean und Griphook, den Kobold, der halb ohnmächtig schien und von den Stricken, die ihn an die Menschen banden, aufrecht gehalten wurde. »Oh, das macht es viel einfacher, danke, Ron«, sagte Luna und begann erneut in ihre Fesseln zu stechen. »Hallo, Dean!« Von oben drang Bellatrix' Stimme zu ihnen. »Du lügst, dreckiges Schlammblut, und ich weiß es! Ihr wart in meinem Verlies in Gringotts! Sag die Wahrheit, Ein weiterer schrecklicher Schrei - »HERMINE!« »Was habt ihr außerdem gestohlen? Was habt ihr sonst noch? Sag mir die Wahrheit, oder, ich schwöre, du wirst dieses Messer zu spüren bekommen!« »Geschafft!« Harry fühlte, wie die Fesseln von ihm abfielen, er rieb sich die Handgelenke, wandte sich um und sah Ron im Keller herumrennen, den Blick nach oben zur niedrigen Decke gerichtet auf der Suche nach einer Falltür. Dean, dessen Gesicht zerschrammt und blutig war, sagte »Danke« zu Luna und stand zitternd da, aber Griphook, der viele Striemen in seinem dunklen Gesicht hatte, wirkte angeschlagen und orientierungslos und sank auf den Kellerboden. Ron machte jetzt den Versuch, ohne Zauberstab zu disapparieren. »Es gibt keine Möglichkeit, hier rauszukommen, Ron«, sagte Luna, die ihn bei seinen erfolglosen Bemühungen beobachtete. »Der Keller ist vollkommen ausbruchsicher. Ich hab es zu Anfang auch probiert. Mr Ollivander ist schon lange Zeit hier, er hat alles versucht. « Hermine schrie erneut: Der Laut durchfuhr Harry wie körperlicher Schmerz. Er nahm das zornige Stechen seiner Narbe kaum wahr, als nun auch er im Keller umherzulaufen begann und die Wände nach etwas abtastete, von dem er keine rechte Vorstellung hatte, wobei er im Grunde wusste, dass es sinnlos war. »Was habt ihr noch mitgenommen, was noch? ANTWORTE MIR! CRUCIO!« Hermines Schreie hallten von den Wänden oben wider, Ron brach fast in Schluchzen aus, während er mit den Fäusten gegen die Mauern hämmerte, und Harry packte in seiner tiefen Verzweiflung Hagrids Beutel um seinen Hals und tastete darin herum: Er zog Dumbledores Schnatz heraus und schüttelte ihn, in der Hoffnung auf irgendetwas – nichts geschah; er schwang die zerbrochenen Hälften des Phönix-Zauberstabs, doch sie waren leblos – die Spiegelscherbe fiel blitzend zu Boden, und er sah ein Funkeln von hellstem Blau - Dumbledores Auge starrte ihn aus dem Spiegel heraus an. »Helfen Sie uns!«, schrie er das Auge in wütender Verzweiflung an. »Wir sind im Keller im Haus der Malfoys, helfen Sie uns!« Das Auge blinzelte und war verschwunden. Harry war sich nicht einmal sicher, dass es wirklich da gewesen war. Er bewegte die Spiegelscherbe hin und her, doch er sah nichts darin als die Mauern und die Decke ihres Gefängnisses, während Hermine noch schlimmer schrie und Ron neben ihm brüllte: »HERMINE! HERMINE!« »Wie seid ihr in mein Verlies gekommen?«, hörten sie Bellatrix schreien. »Hat euch dieser dreckige kleine Kobold unten im Keller geholfen?« »Wir haben ihn erst heute Abend getroffen!«, schluchzte Hermine. »Wir waren nie in Ihrem Verlies ... es ist nicht das echte Schwert! Es ist eine Kopie, nur eine Kopie!« »Eine Kopie?«, kreischte Bellatrix. »Oh, und das soll ich glauben? « »Aber wir können das ganz leicht feststellen!«, ertönte Lucius' Stimme. »Draco, hol den Kobold, er kann uns sagen, ob das Schwert echt ist oder nicht!« Harry stürzte durch den Keller zu Griphook, der auf dem Boden kauerte. »Griphook«, flüsterte er in das spitze Ohr des Kobolds, »Sie müssen denen sagen, dass das Schwert eine Fälschung ist, die dürfen nicht wissen, dass es das echte ist, Griphook, bitte -« Er konnte jemanden die Kellertreppe hinunterhasten hören; einen Moment später vernahmen sie Dracos zittrige Stimme vor der Tür. »Zurücktreten. Stellt euch in einer Reihe an der Wand auf. Keine krummen Sachen, oder ich bring euch um!« Sie taten, wie ihnen geheißen; als sich das Schloss drehte, ließ Ron den Deluminator klicken, die Lichter huschten zurück in seine Tasche, und der Keller lag wieder im Dunkeln. Die Tür flog auf; Malfoy marschierte herein, den Zauberstab vor sich ausgestreckt, blass und entschlossen. Er packte den kleinen Kobold am Arm und ging rückwärts wieder hinaus, wobei er Griphook mit sich schleifte. Genau in dem Moment, als die Tür zuschlug, hallte ein lauter Ron ließ den Deluminator klicken. Drei Lichtkugeln flogen aus seiner Tasche zurück in die Luft und offenbarten, dass Dobby, der Hauself, gerade mitten unter sie appariert war. »DOB-!« Harry schlug Ron auf den Arm, damit er zu schreien aufhörte, und Ron schien bestürzt über seinen Fehler. Schritte quer über die Kellerdecke waren zu hören: Draco führte Griphook zu Bellatrix. Dobbys gewaltige, tennisballförmige Augen waren weit aufgerissen; er zitterte von den Füßen bis zu den Ohrspitzen. Er war zurück im Haus seiner alten Herren und offensichtlich wie gelähmt vor Angst. »Harry Potter«, quiekte er mit ganz leiser, bebender Stimme, »Dobby ist gekommen, um Sie zu retten. « »Aber wie bist du -?« Harrys Worte gingen in einem entsetzlichen Schrei unter: Hermine wurde erneut gefoltert. Er beschränkte sich auf das Wesentliche. »Kannst du aus diesem Keller disapparieren?«, fragte er Dobby, der mit flatternden Ohren nickte. »Und kannst du Menschen mitnehmen?« Dobby nickte erneut. »Gut. Dobby, ich möchte, dass du dir Luna, Dean und Mr Ollivander schnappst und sie zu – sie zu -« »Bill und Fleur bringst«, sagte Ron. »Shell Cottage am Rand von Tinworth!« Der Elf nickte zum dritten Mal. »Und dann kommst du zurück«, sagte Harry. »Kannst du das tun, Dobby?« »Natürlich, Harry Potter«, flüsterte der kleine Elf. Er eilte hinüber zu Mr Ollivander, der halb ohnmächtig schien. Er nahm eine Hand des Zauberstabmachers in seine, dann streckte er die andere Luna und Dean entgegen, doch keiner von den beiden rührte sich. »Harry, wir wollen dir helfen!«, flüsterte Luna. »Wir können dich nicht hierlassen«, sagte Dean. »Geht, ihr beide! Wir sehen uns bei Bill und Fleur.« Während Harry sprach, brannte seine Narbe schlimmer denn je, und einige Sekunden lang blickte er hinab, nicht auf den Zauberstabmacher, sondern auf einen anderen Mann, der genauso alt war, genauso mager, der aber verächtlich lachte. Er spürte Voldemorts Zorn, doch als Hermine wieder schrie, verschloss er sich dagegen und kehrte in den Keller zurück zu dem Grauen, mit dem er selbst es gerade zu tun hatte. »Geht!«, bat er Luna und Dean inständig. »Geht! Wir kommen nach, geht nur! « Sie ergriffen die ausgestreckten Finger des Elfen. Ein weiterer lauter »Was war das?«, rief Lucius Malfoy über ihren Köpfen. »Habt ihr das gehört? Was war das für ein Lärm im Keller?« Harry und Ron starrten einander an. »Draco – nein, ruf Wurmschwanz! Lass ihn gehen und nachsehen!« Schritte durchquerten oben den Raum, dann trat Stille ein. Harry wusste, dass die Leute im Salon auf weitere Geräusche aus dem Keller lauschten. »Wir müssen versuchen, mit ihm fertig zu werden«, flüsterte er Ron zu. Sie hatten keine andere Wahl: Sobald irgendjemand den Raum betrat und sah, dass drei Gefangene fehlten, waren sie verloren. »Lass die Lichter an«, fügte Harry hinzu, und als sie draußen jemand die Treppe herunterkommen hörten, drückten sie sich zu beiden Seiten der Tür an die Wand. »Zurücktreten«, erklang Wurmschwanz' Stimme. »Weg von der Tür. Ich komme rein.« Die Tür flog auf. Für den Bruchteil einer Sekunde starrte Wurmschwanz in den scheinbar leeren Keller, den die drei kleinen, in der Luft schwebenden Sonnen in gleißendes Licht tauchten. Dann warfen sich Harry und Ron auf ihn. Ron packte Wurmschwanz am Zauberstabarm und drückte ihn hoch; Harry schlug ihm die Hand auf den Mund, um seine Stimme zu ersticken. Sie kämpften stumm: Wurmschwanz' Zauberstab sprühte Funken; seine silberne Hand schloss sich um Harrys Kehle. »Was ist los, Wurmschwanz?«, rief Lucius Malfoy von oben. »Nichts!«, rief Ron zurück, indem er Wurmschwanz' heisere Stimme halbwegs nachahmte. »Alles in Ordnung!« Harry rang nach Luft. »Willst du mich umbringen?« Harry würgte und versuchte die metallenen Finger von sich wegzuzerren. »Nachdem ich dir das Leben gerettet habe? Du bist mir was schuldig, Wurmschwanz!« Die silbernen Finger lockerten sich. Das hatte Harry nicht erwartet. Er riss sich los, verblüfft, die Hand nach wie vor auf Wurmschwanz' Mund. Er sah, wie die kleinen, wässrigen Augen des rattenartigen Mannes vor Angst und Überraschung größer wurden: Er schien nicht weniger erschrocken als Harry über das, was seine Hand getan hatte, über die winzige barmherzige Regung, die sie gezeigt hatte, und nun sträubte er sich umso heftiger, als ob er diesen Moment der Schwäche ungeschehen machen wollte. »Und den nehmen wir«, flüsterte Ron und zog Wurmschwanz den Zauberstab aus seiner anderen Hand. Ohne Zauberstab, hilflos, wie er war, weiteten sich Pettigrews Pupillen voller Entsetzen. Seine Augen waren von Harrys Gesicht zu etwas anderem gehuscht. Seine silbernen Finger bewegten sich unaufhaltsam auf seine eigene Kehle zu. »Nein -« Ohne auch nur eine Sekunde zu überlegen, versuchte Harry die Hand wegzuziehen, doch sie ließ sich nicht aufhalten. Das silberne Werkzeug, das Voldemort seinem feigsten Diener gegeben hatte, hatte sich gegen seinen entwaffneten und nutzlosen Besitzer gekehrt; Pettigrew erntete den Lohn für sein Zögern, für den Moment des Mitleids; er wurde vor ihren Augen erwürgt. »Nein!« Auch Ron hatte Wurmschwanz losgelassen, und er und Harry versuchten gemeinsam die Metallfinger, die Wurmschwanz' Kehle zusammendrückten, wegzureißen, doch es hatte keinen Zweck. Pettigrew lief blau an. Wurmschwanz' Augen rollten in seinem violetten Gesicht nach oben, er zuckte ein letztes Mal und regte sich dann nicht mehr. Harry und Ron sahen einander an, dann rannten sie, Wurmschwanz' Leiche am Boden hinter sich lassend, die Treppe hinauf, zurück in den düsteren Gang, der zum Salon führte. Vorsichtig schlichen sie ihn entlang, bis sie die Salontür erreichten, die angelehnt war. Nun konnten sie deutlich sehen, wie Bellatrix auf Griphook hinabschaute, der Gryffindors Schwert in seinen langfingrigen Händen hielt. Hermine lag zu Bellatrix' Füßen. Sie rührte sich kaum. »Nun?«, sagte Bellatrix zu Griphook. »Ist es das echte Schwert?« Harry wartete mit angehaltenem Atem und kämpfte gegen das Stechen seiner Narbe an. »Nein«, sagte Griphook. »Es ist eine Fälschung.« »Bist du sicher?«, keuchte Bellatrix. »Ganz sicher?« »Ja«, sagte der Kobold. Erleichterung trat in ihr Gesicht, alle Spannung fiel davon ab. »Gut«, sagte sie, und mit einem lässigen Schlenker ihres Zauberstabs schlitzte sie einen weiteren tiefen Schnitt in das Gesicht des Kobolds, der schreiend vor ihren Füßen zusammenbrach. Sie stieß ihn beiseite. »Und jetzt«, sagte sie mit höchst triumphierender Stimme, »rufen wir den Dunklen Lord!« Und sie schob ihren Ärmel hoch und berührte mit dem Zeigefinger das Dunkle Mal. Augenblicklich fühlte sich Harrys Narbe an, als wäre sie wieder aufgerissen. Seine wahre Umgebung verschwand: Er war Voldemort und der skelettdürre Zauberer vor ihm lachte ihn zahnlos aus; er war erzürnt über den Ruf, den er spürte – er hatte sie gewarnt, er hatte sie angewiesen, ihn nur wegen Potter zu rufen. Wenn sie sich irrten ... Und Voldemorts Zorn entlud sich: Ein grüner Lichtblitz erfüllte das Gefängnis, und es hob den gebrechlichen alten Körper von seiner Pritsche, dann fiel er leblos wieder hinab, und Voldemort kehrte zum Fenster zurück, mit kaum zu bändigender Wut ... sie würden seine Strafe zu spüren bekommen, wenn sie keinen guten Grund hatten, ihn zurückzurufen ... »Und ich glaube«, sagte Bellatrix' Stimme, »wir können das Schlammblut beseitigen. Greyback, nimm sie, wenn du sie haben willst.« »NEIIIIIIIIIIIIN!« Ron war in den Salon gestürmt; Bellatrix wandte sich erschrocken um; sie deutete mit ihrem Zauberstab nun auf Ron - »AUFHÖREN, ODER SIE STIRBT!« Keuchend lugte Harry hinter dem Sofa hervor. Bellatrix stützte Hermine, die bewusstlos schien, und hielt ihr das kurze silberne Messer an die Kehle. »Lasst eure Zauberstäbe fallen«, flüsterte sie. »Lasst sie fallen, oder wir werden genau sehen, wie dreckig ihr Blut ist!« Ron stand stocksteif da, Wurmschwanz' Zauberstab fest in der Hand. Harry, der immer noch Bellatrix' Zauberstab hielt, richtete sich auf. »Ich sagte, lasst sie fallen!«, kreischte sie und drückte die Klinge in Hermines Kehle: Harry sah Blutstropfen hervortreten. »In Ordnung!«, rief er und ließ Bellatrix' Zauberstab vor seinen Füßen auf den Boden fallen. Ron tat das Gleiche mit Wurmschwanz' Zauberstab. Beide hoben die Hände auf Schulterhöhe. »Gut!«, sagte sie mit einem boshaften Grinsen. »Draco, heb sie auf! Der Dunkle Lord ist unterwegs, Harry Potter! Dein Tod naht heran!« Harry wusste es; deshalb schmerzte seine Narbe, als wolle sie bersten, und er konnte Voldemort spüren, wie er von weit her über den Himmel flog, über ein dunkles und stürmisches Meer, und bald war er nahe genug, um zu ihnen zu apparieren, und Harry sah keinen Ausweg. »Nun«, sagte Bellatrix leise, als Draco mit den Zauberstäben zurückgeeilt kam, »Zissy, ich denke, wir sollten diese kleinen Helden wieder fesseln, während Greyback sich um Miss Schlammblut kümmert. Ich bin sicher, der Dunkle Lord wird dir das Mädchen nicht missgönnen, Greyback, nach allem, was du heute Nacht getan hast.« Beim letzten Wort kam von oben her ein seltsam knirschendes Geräusch. Alle blickten auf und sahen gerade noch, wie der kristallene Kronleuchter erzitterte; dann begann er mit einem Quietschen und einem unheilvollen Klirren herabzustürzen. Bellatrix stand direkt unter ihm; sie ließ Hermine los und warf sich schreiend zur Seite. Der Kronleuchter krachte mit einer Explosion von Kristall und Ketten zu Boden und fiel dabei auf Hermine und den Kobold, der immer noch das Schwert von Gryffindor in der Hand hielt. Glitzernde Kristallscherben stoben in alle Richtungen: Draco krümmte sich und bedeckte sein blutiges Gesicht mit den Händen. Als Ron losrannte, um Hermine aus den Trümmern zu ziehen, nutzte Harry die Chance; er sprang über einen Lehnstuhl, schnappte die drei Zauberstäbe aus Dracos Griff, richtete sie allesamt auf Greyback und schrie: Während Narzissa Draco wegzog, um ihn vor weiterem Schaden zu schützen, sprang Bellatrix mit wehenden Haaren auf und fuchtelte mit ihrem silbernen Messer; aber Narzissa hatte ihren Zauberstab auf die Tür gerichtet. »Dobby!«, schrie sie und selbst Bellatrix erstarrte. »Du! Der kleine Elf tapste in den Raum, seine zitternden Finger deuteten auf seine alte Herrin. »Sie dürfen Harry Potter nicht wehtun«, quiekte er. »Töte ihn, Zissy!«, kreischte Bellatrix, doch es gab einen weiteren lauten »Du dreckiger kleiner Affe!«, brüllte Bellatrix. »Wie kannst du es wagen, den Zauberstab einer Hexe in die Hand zu nehmen, wie kannst du es wagen, deinen Herren zu trotzen?« »Dobby hat keinen Herrn!«, quiekte der Elf. »Dobby ist ein freier Elf, und Dobby ist gekommen, um Harry Potter und seine Freunde zu retten!« Harrys Narbe machte ihn blind vor Schmerz. Er ahnte dumpf, dass sie nur noch Momente, Sekunden hatten, ehe Voldemort bei ihnen war. »Ron, fang – und VERSCHWINDET!«, schrie er und warf ihm einen der Zauberstäbe zu; dann bückte er sich und zerrte Griphook unter dem Kronleuchter hervor. Er hob den stöhnenden Kobold, der immer noch das Schwert festhielt, auf seine Schulter, packte Dobbys Hand und wirbelte auf der Stelle herum, um zu disapparieren. Während er sich in die Dunkelheit hineindrehte, erhaschte er einen letzten Blick von dem Salon: Er sah die bleichen, erstarrten Gestalten von Narzissa und Draco, die rote Schliere, die Rons Haar war, und einen verwischten silbernen Fleck, als Bellatrix' Messer durch den Raum flog, dorthin, wo er gerade verschwand - Er war ins Unbekannte abgetaucht; er konnte jetzt nichts weiter tun, als den Namen des Zielorts zu wiederholen und zu hoffen, dass das ausreichte, um ihn dorthin zu bringen. Der Schmerz in seiner Stirn durchdrang ihn und das Gewicht des Kobolds lastete schwer auf ihm; er konnte die Klinge des Schwerts von Gryffindor gegen seinen Rücken schlagen spüren; Dobbys Hand zuckte in seiner; er fragte sich, ob der Elf versuchte, die Führung zu übernehmen, sie in die richtige Richtung zu ziehen, und indem er die Finger zusammendrückte, versuchte er ihm zu zeigen, dass ihm das nur recht war ... Und dann stürzten sie auf feste Erde und rochen salzige Luft: Harry fiel auf die Knie, ließ Dobbys Hand los und bemühte sich, Griphook sanft auf dem Boden abzusetzen. »Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte er, als der Kobold sich regte, aber Griphook wimmerte nur. Harry spähte in der Dunkelheit umher. Ganz in der Nähe, unter dem weiten Sternenhimmel, stand offenbar ein Haus, und er glaubte zu erkennen, dass sich davor etwas bewegte. »Dobby, ist das Shell Cottage?«, flüsterte er, die beiden Zauberstäbe, die er vom Haus der Malfoys mitgebracht hatte, fest in der Hand und auch bereit zu kämpfen, falls es nötig war. »Sind wir hier richtig? Dobby?« Er wandte sich um. Der kleine Elf stand nur ein, zwei Schritte von ihm entfernt. »DOBBY!« Der Elf schwankte leicht, in seinen großen, glänzenden Augen spiegelten sich die Sterne. Er und Harry richteten ihren Blick jetzt beide hinab auf den silbernen Schaft des Messers, der aus der Brust des schwer atmenden Elfen ragte. »Dobby – nein – HILFE!«, brüllte Harry zu dem Haus hinüber, zu den Menschen, die sich dort bewegten. »HILFE!« Er wusste nicht, ob es Zauberer oder Muggel, Freunde oder Feinde waren, und es war ihm auch egal; er dachte nur an den dunklen Fleck, der sich über Dobbys Brust ausbreitete, und dass er seine dünnen Arme nach Harry ausgestreckt hatte und ihn flehend ansah. Harry fing ihn auf und legte ihn seitlich ins kühle Gras. »Dobby, nein, nicht sterben, nicht sterben -« Die Augen des Elfen fanden seine, und seine Lippen zitterten von der Mühe, Worte zu bilden. »Harry ... Potter ...« Und dann, nach einem leisen Schaudern, regte sich der Elf nicht mehr, und seine Augen waren nur noch große, glasige Kugeln, gesprenkelt mit dem Sternenlicht, das sie nicht sehen konnten. |
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