"Im Schatten des Todes" - читать интересную книгу автора (Питерс Элизабет)4. KapitelIch hatte mir vorgenommen, ungew#246;hnlich fr#252;h am n#228;chsten Morgen abzureisen, um Mr. Lucas zu entgehen. Ich untersch#228;tzte ihn. Am Himmel zeigte sich noch kaum ein erster rosenfarbener Schimmer, als wir in die Hotelhalle hinabkamen und dort Mr. Lucas mit einem riesigen Blumenstrau#223; f#252;r Evelyn und einem wissenden L#228;cheln f#252;r mich vorfanden. Er bestand darauf, uns nach Boulaq zu begleiten, und als wir schon auf der Dahabije waren, stand er noch immer winkend und die Pracht seiner Z#228;hne in einem breiten Lachen zeigend am Ufer. Mit viel Geschrei nahmen die M#228;nner ihre Pl#228;tze ein und l#246;sten die Ankertaue. Die Ruderer stie#223;en ab, bald schwellte der Wind die Segel, und wir waren auf dem Weg. Wir sa#223;en auf dem oberen Deck im Schutz eines Sonnensegels. Teppiche, Liegest#252;hle und Tische machten es zu einem behaglichen Salon, und sofort erschien auch unser Aufw#228;rter, der junge Habib, mit Minzentee und Geb#228;ck. Evelyn gab ihre tiefe Nachdenklichkeit auf und tat kleine Entz#252;ckensschreie. Wirklich, selbst ein ausgemachter Pessimist m#252;#223;te auf die Sch#246;nheit eines solchen Tages und einer solchen Reise voll Heiterkeit reagieren. Die Sonne stand an einem wolkenlosen Himmel, und ein sanfter Wind f#228;chelte uns die Wangen. Die Pal#228;ste in ihren G#228;rten, die bis zum Wasser reichten, erschienen uns wie ein Traum oder ein liebliches M#228;rchen. In der Ferne hoben sich die Pyramiden klar vor dem Himmel ab, denn die reine, trockene Luft lie#223; alle Linien wie graviert hervortreten. Wir konnten uns von dieser herrlichen Aussicht nicht losrei#223;en und sa#223;en den ganzen Tag #252;ber auf Deck. Zur Dinnerzeit wehten delikate D#252;fte zu uns herauf, und Evelyn a#223; mit herzhafterem Appetit als seit langem. Dann brach der Abend herein, und wir zogen uns in den Salon zur#252;ck. Sie spielte Chopin, w#228;hrend ich an einem Fenster sa#223; und den Sonnenuntergang beobachtete. Solche Momente bleiben ewig in meinem Ged#228;chtnis haften. Selbstverst#228;ndlich habe ich nicht die Absicht, die Literatur um ein weiteres Reisebuch zu bereichern und den seltsamen Gesang der M#228;nner in der Abendd#228;mmerung, den Austausch von Saluten mit den Cook-Dampfern und unsere Besuche bei den Monumenten von Dahshoor und Abusir - gr#246;#223;tenteils Pyramiden - zu beschreiben. Die meisten Reisenden wollen die schwierigere Fahrt flu#223;aufw#228;rts m#246;glichst rasch hinter sich bringen und besichtigen die historischen Pl#228;tze erst auf dem R#252;ckweg. Sehr viel h#228;ngt nat#252;rlich von den Winden ab, denn bei Flaute ist man entweder gezwungen, am Ufer vor Anker zu gehen oder sich von M#228;nnern rudern zu lassen, die wie Sklaven an Taue gelegt werden. Ich zog es aus privaten Gr#252;nden vor, die Reise nilauf-w#228;rts m#246;glichst schnell zu machen, denn ich untersch#228;tzte Mr. Lucas' Energie keineswegs. Ich rechnete mir aus, da#223; es nicht sehr leicht w#228;re, eine passende Dahabije zu finden, so da#223; wir ein paar friedliche Wochen genie#223;en k#246;nnten. Vor unserer Abreise hatte ich einen Plan aufgestellt, weil ich die #228;lteren Grabdenkm#228;ler sehen wollte, bevor ich die aus der griechischen und r#246;mischen Periode besichtigte. Reis Hassan erkl#228;rte mir jedoch, er m#252;sse sich nach den Winden richten. Ich verstand aber inzwischen so viel Arabisch, da#223; ich ein paar Bemerkungen begriff, die mir Michael nicht #252;bersetzte. Nach Reis Hassan war ich eine Frau, also eine N#228;rrin, die nichts von Booten und Winden auf dem Nil verstand. Wer ich denn sei, da#223; ich einem erfahrenen Kapit#228;n sagen wolle, wie er sein Boot f#252;hren m#252;sse? Selbstverst#228;ndlich machte ich den Reis darauf aufmerksam, da#223; ich das Boot gemietet habe, und man braucht nicht zu raten, wer die Auseinandersetzung gewann. Trotzdem mu#223;te ich jedesmal mit ihm streiten, wenn ich unterwegs einen Halt vorschlug. Der Wind war gut, und wir kamen ausgezeichnet vorw#228;rts. 167 Meilen s#252;dlich von Kairo sind die Gr#228;ber von Beni Hassan aus der Zeit der Zw#246;lften Dynastie, die chronologisch jener der Pyramiden von Gizeh folgt. Der Reis begriff meine Erkl#228;rung sicher nicht, doch wir hielten in Beni Hassan. Das Dorf war typisch. Kleine, mit Stroh gedeckte Erdh#252;gel, die wahllos #252;ber die Ebene verstreut waren, dienten als menschliche Behausungen. Gekocht wird in einem von solchen Erdh#252;geln umgebenen Innenhof; neben der Feuerstelle gibt es einen Stein, mit dem Korn zerquetscht wird, und ein paar Kr#252;ge, das ist alles. Die Frauen spinnen, mahlen Korn oder n#228;hren ihre Kinder, die M#228;nner sitzen unt#228;tig da. Kinder, H#252;hner, Hunde und ab und zu eine Ziege, alles schmutzig und mit unz#228;hligen Fliegen bedeckt, balgen sich da. Sind die Kinder nicht von Krankheiten entstellt, so sind sie trotz allen Schmutzes sehr h#252;bsch. Als wir in das Dorf kamen, wurden wir sofort umringt. H#228;nde streckten sich nach Bakschisch aus oder boten uns gestohlene Antiquit#228;ten oder deren wertlose Nachahmungen zum Kauf an. Man sagt, diese F#228;lschungen stammten aus europ#228;ischen und amerikanischen Lieferungen. Evelyn schrie auf, als ihr ein unbeschreiblich gr#228;#223;licher Gegenstand unter die Nase gehalten wurde. Erst sah das Ding aus wie ein B#252;ndel trockener brauner Stecken, die in Lumpen gewickelt waren, doch dann erkannte mein kritischer Blick eine Mumienhand, die am Gelenk abgetrennt war. Zwei zierliche Ringe steckten noch an den Fingern, und das machte den Anblick noch gespenstischer. Viele Reisende kaufen solche Dinge, ja sogar ganze Mumien, die ohne jede Ehrfurcht vor ihrem Alter und ohne Ber#252;cksichtigung ihres unsch#228;tzbaren kulturellen Wertes au#223;er Landes gebracht werden. Michael mu#223;te diesen Leuten erkl#228;ren, da#223; wir nicht daran d#228;chten, solche Sachen zu kaufen. Wir begaben uns zu den Gr#228;bern. Ich hatte w#228;hrend der Reise meine Zeit nicht vergeudet, denn ich hatte mich mit Samuel Birchs kleinen B#252;chern #252;ber #228;gyptische Hieroglyphen besch#228;ftigt, so da#223; ich nun in der Lage war, Evelyn den einen oder anderen Namen zu buchstabieren. Es ist ein sehr erregendes Gef#252;hl, diese Zeichen auf zerbr#246;ckelten Fels gemalt zu sehen, statt gedruckt auf den Seiten eines Buches, und dann auch noch ihren Sinn zu erkennen. Die Gr#228;ber waren auch f#252;r Gelegenheitstouristen au#223;erordentlich interessant. Die Wandbilder stellten auf fr#246;hliche Art das dar, was diese Toten zu Lebzeiten zu tun liebten und was auf ihren Besitzt#252;mern gearbeitet wurde. Sklaven bliesen Glas und machten Goldschmiedearbeiten, h#252;teten die Herden, arbeiteten auf den Feldern oder t#246;pferten. Sp#228;ter wurden dann viele dieser herrlichen Gr#228;ber von habgierigen und unverst#228;ndigen Eingeborenen gepl#252;ndert. Teile der Wandbilder wurden an Antiquit#228;tenh#228;nd-ler verschachert. Die Touristen waren auch kaum besser als die #196;gypter. Ich beobachtete einen Amerikaner, der einfach ein St#252;ck Stein mitnahm, das ein entz#252;ckend gemaltes, ganz junges Kalb zeigte. Ich schrie den Mann an, doch er erkl#228;rte mir seelenruhig, wenn er es nicht mitn#228;hme, t#228;te es ein anderer, und es sei ja genug da. Emerson hatte mit seinen Klagen schon recht gehabt, das sah ich immer deutlicher. Evelyn sprach nie von Walter, doch wenn ich einmal den Namen erw#228;hnte, leuchteten ihre Augen. Sie schien also sehr h#228;ufig an ihn zu denken. Ich dachte oft an den #228;lteren Bruder, wenn auch auf eine andere Art als Evelyn an den j#252;ngeren. Mir kam der Gedanke an ihn wie ein Moskitostich vor, an dem man st#228;ndig kratzen mu#223;te. Ich wei#223;, das ist kein eleganter Vergleich, doch seine Kritik war ja auch immer sehr bei#223;end gewesen. Als ich jedoch immer klarer sah, da#223; die Touristen und die Einheimischen wie Vandalen in diesen geheiligten Altert#252;mern hausten, h#228;tte ich am liebsten die ganze Altertumsabteilung des Landes #252;bernommen. Oh, ich h#228;tte f#252;r Ordnung gesorgt! Inzwischen kannte ich die Bootsmannschaft ganz gut. Der Koch war ein #228;ltlicher, schwarzh#228;utiger und zahnloser Mann aus Assuan, der auf zwei kleinen Kohlen#246;fchen die k#246;stlichsten Mahlzeiten zauberte. Habib und Abdul, die beiden jungen Diener, h#228;tten direkt aus einem alten #228;gyptischen Wandbild stammen k#246;nnen. Sie sahen sehr gut aus, waren gro#223;, schlank und breitschultrig. Besonders Habib hatte ein sehr ansteckendes Lachen, wenn ich mit ihm arabisch sprach. Die anderen M#228;nner konnte ich nicht leicht voneinander unterscheiden; sie waren milchkaffeefarbig bis schwarz und trugen gestreifte Gew#228;nder und wei#223;e Turbane. Die #196;gypter haben f#252;r jedermann einen Necknamen. Maspero hatte uns von einem wei#223;b#228;rtigen Freund erz#228;hlt, den sie gt;Vater des Barteslt; nannten. Mir verliehen sie den Titel Sitt Hakim, das hei#223;t Doktorin. Ich verdiente ihn, denn t#228;glich hatte ich Wunden zu verbinden, Kratzer zu desinfizieren und kleine Krankheiten zu heilen, doch zu einer Amputation wurde ich niemals gerufen. In den D#246;rfern brachten mir die Frauen ihre kranken Kinder. Als wir Beni Hassan verlie#223;en, hatte ich fast meinen ganzen Vorrat an Augenmedizin aufgebraucht, aber auch das war nur ein Tropfen Wasser in der W#252;ste. So vergingen die Tage eigentlich recht abwechslungsreich und interessant. Evelyn war eine sehr angenehme Gesellschafterin und gute Freundin. Sie geno#223; Sch#246;nheit, wo sie sich bot, nahm auf meine Stimmungen R#252;cksicht, war heiter, beklagte sich nie und zeigte sich sehr aufgeschlossen f#252;r die Geschichte, deren Zeugen wir vor Augen hatten. Ich glaube, wir h#228;tten viele Jahre lang wie Schwestern zusammen reisen oder die Behaglichkeit Englands genie#223;en k#246;nnen, doch mir war ja klar, da#223; ich damit nicht rechnen konnte. Ob sie nun ihren Vetter heiratete oder nicht, war egal, denn heiraten w#252;rde sie eines Tages, und Lucas' Beharrlichkeit war nicht zu untersch#228;tzen. Also beschlo#223; ich, ihre Gegenwart so lange zu genie#223;en, wie es m#246;glich war. Nach Beni Hassan war der n#228;chste interessante Ort ein Dorf namens Haggi Quandil, auch Tell-el-Amarna genannt, die Stadt des Ketzerk#246;nigs Khuenaten. Manche Arch#228;ologen vermuten, da#223; es kein K#246;nig, sondern eine K#246;nigin war, und wenn man Bilder dieses Herrschers sieht, entdeckte man eindeutig feminine Z#252;ge. Verwirrend waren die #220;berlegungen zur religi#246;sen #220;berzeugung dieser Pers#246;nlichkeit. Khuenaten hatte die alten #228;gyptischen G#246;tter aufgegeben und verehrte daf#252;r die Sonne, Aten. Betete er wirklich nur diesen einzigen Gott an? Und bestand zwischen seinem Monotheismus und dem der Hebr#228;er irgendeine Verbindung? Moses war am Hof von #196;gypten erzogen worden, und so erschien es mir m#246;glich, da#223; der Glaube der Hebr#228;er von der Religion eines alt#228;gyptisehen Pharaos abstammte. Evelyn war sehr ersch#252;ttert, als ich ihr gegen#252;ber diese Idee entwickelte. »Er hat die k#246;nigliche Stadt Theben aufgegeben«, erkl#228;rte ich ihr, »und seine neue Hauptstadt seinem Gott geweiht. Lepsius entdeckte auf den Felsen rund um Khuenatens Stadt zahlreiche Inschriften und interessante Gr#228;ber. Die Malereien hier unterscheiden sich grundlegend von den sonstigen Grabgem#228;lden. Wenn der Wind g#252;nstig ist, k#246;nnten wir dort einen Besuch machen. Was meinst du dazu, Evelyn?« Evelyn, die gerade an einer Skizze arbeitete, legte den Bleistift weg. Sie zeichnete n#228;mlich sehr h#252;bsch und hatte unterwegs schon viele Skizzen gemacht. Jetzt schaute sie zum Ufer hin#252;ber. »Wie hei#223;t dieses Dorf, Amelia?« fragte sie. »Der alte Ortsname hei#223;t ...« Ich bl#228;tterte in meinem Buch. »Der moderne Name ist doch El Amarnah, nicht wahr?« sagte sie leise. »Es gibt hier drei D#246;rfer, El-Till, El-Haggi Qandil und El-Amariah.« »Ach ja, ich erinnere mich. Walter hat davon gesprochen. Da arbeiten doch die beiden. Du hast nat#252;rlich keinen Grund, dich daran zu erinnern.« Jetzt war Evelyn ausnahmsweise einmal sarkastisch. Einen solchen Luxus erlaubte sie sich selten, also sagte ich nichts dazu. »Tats#228;chlich?« antwortete ich beil#228;ufig. »Ich denke nicht, da#223; wir den Emersons hier unbedingt begegnen m#252;ssen. Es ist ein riesiges Gebiet, und die Gr#228;ber liegen weit auseinander. Ich werde also mit Reis Hassan sprechen.« Infolge widriger Winde kamen wir erst zwei Tage sp#228;ter nach Haggi Qandil. Reis Hassan str#228;ubte sich sehr gegen einen Aufenthalt dort. Er sagte, im Dorf herrsche eine Krankheit, die arch#228;ologischen St#228;tten seien viel zu weit vom Flu#223; entfernt, und dazu fiel ihm noch eine Menge anderer Gr#252;nde ein. Er kannte mich nun schon lange genug und h#228;tte wissen m#252;ssen, da#223; es unn#252;tz war, mit mir zu streiten. Selbstverst#228;ndlich hatte er teilweise recht. Vor dem Dorf liefen wir auf eine Sandbank, und die Dorfbewohner mu#223;ten uns zum Ufer tragen. Reis Hassan und seine M#228;nner mu#223;ten das Boot wieder flottmachen, und das war eine harte Arbeit. Michael, unser Dragoman, f#252;hrte uns ins Dorf. Dieses Dorf sah noch verr#252;ckter und elender aus als andere, die wir gesehen hatten. In den engen Stra#223;en lagen #252;belriechende Unrathaufen, die in der hei#223;en Sonne dampften. Alles war mit Sand bedeckt. Viele magere Hunde streiften herum, und halbnackte Kinder bettelten uns an. Michael st#252;rzte sich in die Menge, schrie Befehle, und wenig sp#228;ter konnten wir unter einer Anzahl von Eseln unsere Auswahl treffen. Nat#252;rlich nahm ich den Esel, der noch am besten aussah, aber ich forderte eine Prozedur, die selbst unseren getreuen Michael #252;berraschte. Der Eselsbesitzer mu#223;te n#228;mlich das schmutzige Zeug vom R#252;cken des Tieres nehmen und es mit etlichen Wasserg#252;ssen ordentlich s#228;ubern. Dann wurde der Esel mit einer Salbe eingerieben, die ich zur Verf#252;gung stellte, und ich gab auch eine saubere Satteldecke her, die nach jeder Ben#252;tzung gewaschen werden mu#223;te. Es war sowieso das erstemal, da#223; dem armen Tier eine so f#252;rsorgliche Behandlung zuteil wurde. Das finstere Gesicht des Eselsbesitzers hellte sich be-tr#228;chtlich auf, als er mein ansehnliches Trinkgeld entgegennahm. Ich erkl#228;rte den Leuten, wie vorteilhaft es f#252;r sie sei, wenn sie ihr Vieh ordentlich pflegten, doch begriffen haben sie's sicher nicht, obwohl Michael dolmetschte. Das kultivierte Land zu beiden Seiten des Nils ist kaum breiter als eine halbe Meile; dahinter ist W#252;ste, bis man zu den Felsen kommt, in denen die K#246;nigsgr#228;ber liegen. Dorthin machten wir uns nun auf. Wir kamen recht gut vorw#228;rts, wenn uns auch die grelle Sonne sehr blendete. Bald bemerkte ich eine Gestalt, die uns entgegenkam. In der trockenen, klaren Luft #196;gyptens sieht man weiter und sch#228;rfer als sonstwo, und so erkannte ich bald, da#223; diese Person kein Einheimischer war. Der Mann trug n#228;mlich Hosen und kein flatterndes Gewand. Es ist nicht fein, von den inneren Organen zu reden, doch die meinen verknoteten sich. Evelyn erkannte ihn gleichzeitig mit mir; ich sah, wie ihre H#228;nde sich um die Z#252;gel krampften. Walter erkannte uns nicht gleich; er sah nur zwei europ#228;ische Reisende, denen er entgegenlief. Er blieb dann so unvermittelt stehen, da#223; unter seinen Abs#228;tzen eine Sandfont#228;ne aufstob. Dann starrte er uns an, als seien wir ein Traum. »Gott sei Dank!« rief er, ehe wir ihn noch begr#252;#223;en konnten. »Das hei#223;t, sind Sie das wirklich? Sie sind keine Fata Morgana?« Nat#252;rlich schaute er dabei vorwiegend Evelyn an, doch es war sicher nicht nur Liebe, die ihn erleichtert aufatmen lie#223;. »Ja, wir sind es wirklich«, antwortete ich. »Was ist denn los, Mr. Walter?« »Emerson, mein Bruder. Er ist krank, sehr schwer krank. Sie haben nat#252;rlich keinen Arzt bei sich. Aber vielleicht w#228;re es m#246;glich, ihn mit Ihrer Dahabije nach Kairo bringen zu lassen?« »Schnell, Michael, lauf zum Boot und bring mir den Sanit#228;tskasten«, befahl ich. »Aber lauf, so schnell du kannst, bitte . Und jetzt, Mr. Walter, wenn Sie uns den Weg zeigen wollen? Sie wissen ja, einen Arzt gibt es nur in Kairo, und ich wei#223; doch nicht, ob Ihr Bruder transportf#228;hig ist. Also, f#252;hren Sie uns hin.« Er machte kehrt und rannte davon, und wir trabten hinter ihm drein. Eine dicke Staubwolke folgte uns. Emerson hatte in einem der Felsengr#228;ber Stellung bezogen, die am Rand der Ebene lagen. Die Eing#228;nge waren nur schwarze Vierecke im sonnendurchgl#252;hten Stein. Ein primitiver Pfad f#252;hrte hinauf, und das letzte St#252;ck mu#223;ten wir klettern. Walter bem#252;hte sich um Evelyn, w#228;hrend ich die Eselstreiber mit dem Sonnenschirm abwehrte. Ich keuchte ein wenig, als ich oben ankam, aber es war weniger die Anstrengung, sondern eher eine gewisse Aufregung, die mich atemlos machte. Die T#252;rrahmen waren mit Reliefs bedeckt, doch f#252;r die hatte ich jetzt keine Zeit. Ich ging hinein und schaute mich um. Es war ein langer, schmaler Gang, der selbstverst#228;ndlich etwas besser war als ein Zelt. Das Ende verlor sich in d#252;sterer Dunkelheit, doch in T#252;rn#228;he konnte ich ganz gut die Packkisten sehen, die als E#223;- und Schreibtische dienten. Zwei Feldbetten und ein paar Klappst#252;hle waren die ganze sonstige Einrichtung. Auf einem Feldbett lag bewegungslos ein Mann. Mich packte Entsetzen, weil ich f#252;rchtete, wir seien zu sp#228;t gekommen. Dann bewegte sich ein Arm, und eine rauhe Stimme murmelte etwas. Ich trat zum Bett und setzte mich daneben auf den Boden. Zu erkennen war er kaum mehr. Sein Bart hatte das Gesicht fast v#246;llig #252;berwuchert, die Augen waren eingesunken, und die Wangenknochen traten hervor. Er gl#252;hte vor Fieber. Sein Hemd war offen und enth#252;llte einen dichten schwarzen Pelz. Bis zur Taille war er mit einem Laken zugedeckt, das sich um seine Beine gewunden hatte. Evelyn sank neben mir auf die Knie. »Was soll ich tun, Amelia?« fragte sie. »Tauch ein Tuch ins Wasser, Evelyn. Walter, Sie m#252;ssen daf#252;r sorgen, da#223; immer reichlich Wasser da ist. Essen wird er wohl nicht wollen. Hat er Wasser getrunken?« »Er will keines«, antwortete Walter. »Von mir nimmt er es schon«, sagte ich und rollte die #196;rmel hinauf. Als Michael mit dem Sanit#228;tskasten ankam, hatten wir Emerson ein wenig bequemer gebettet. Da wir ihm dauernd kalte Kompressen auf Kopf und Brust legten, war die Temperatur etwas zur#252;ckgegangen, und ein paar Tropfen Wasser hatte ich ihm auch eingegeben, nat#252;rlich unter Schwierigkeiten. Ich gab ihm eine doppelte Dosis Chinin. Dazu mu#223;te ich mich quer auf seine Brust legen und ihm die Nase zukneifen, w#228;hrend Walter ihm die Arme und Evelyn die Beine festhielt. Danach schlief er ziemlich unruhig. Ich schickte Michael zum Boot, und Evelyn ging mit, um die Sachen auszuw#228;hlen, die wir f#252;r uns brauchten. Ich befahl ihr zwar, an Bord zu bleiben, doch sie weigerte sich. Also bat ich Walter, ein h#252;bsches Grab f#252;r uns auszusuchen. Walter war sprachlos. Er klappte nur immer wie ein Fisch den Mund auf und zu, und das sah ziemlich komisch aus. Ich dr#228;ngte ihn also, f#252;r uns endlich ein Grab auszuw#228;hlen und es s#228;ubern zu lassen, damit alles in Ordnung w#228;re, wenn unsere Sachen ank#228;men. »H#252;bsches Grab?« wiederholte Walter d#252;mmlich. »Ja, ja, ein paar Gr#228;ber sind schon da in der N#228;he, aber ob sie h#252;bsch sind ...?« »Ich verstehe ja, da#223; Sie sich Sorgen machen, Walter, aber den Kopf brauchen Sie doch nicht gleich zu verlieren«, redete ich ihm zu. »Ich bin da und bleibe so lange, bis Mr. Emerson wieder auf den Beinen ist. Ah, ich habe mir schon immer gew#252;nscht, einige Zeit bei einer arch#228;ologischen Expedition verbringen zu k#246;nnen. Es hat keinen Sinn, Ihren Bruder anderswohin zu bringen, denn die Krise wird in wenigen Stunden zu erwarten sein. Keine Angst, mein Freund, denn er ist sehr kr#228;ftig, und ich bin ja da.« Walter hockte neben mir auf dem Boden. Er beobachtete mich, als ich ein nasses Tuch auswrang und es auf Emersons Brust klatschte. Ganz unvermittelt nahm er mich bei den Schultern und k#252;#223;te mich kr#228;ftig auf die Wange. »Ich glaube Ihnen, Mi#223; Peabody, da#223; ich keine Angst mehr zu haben brauche, denn Sie sind ja da. Sie w#252;rden sogar den Satan in die Flucht schlagen, wenn er Ihnen in die Quere k#228;me.« Damit sprang er auf und rannte hinaus. Ich legte meinem Patienten wieder ein frisches Tuch auf. Au#223;er mir war niemand bei Emerson, und er schlief, so erlaubte ich mir ein L#228;cheln. Der liebe Gott hatte dem einen Emerson ungeheuer viel Charme geschenkt, dem anderen gar keinen. Arme Evelyn! Kein Wunder, da#223; sie sich so gr#252;ndlich verliebt hatte. Dieser Emerson hier war allerdings keine Gefahr f#252;r eine Frau. Aber ein gest#252;rzter Kolo#223; ist erbarmenswerter als ein gefallener Schw#228;chling. Als ich ihm das hei#223;e Gesicht k#252;hlte, verloren sich ein paar Linien des Schmerzes, er seufzte wie ein Kind, und von da an schlief er ruhig. Die Krise kam nachts, und wir hatten alle H#228;nde voll zu tun. Bis zum Morgengrauen kamen Evelyn und ich nicht zur Ruhe. Walter hatte f#252;r uns ein Grab s#228;ubern lassen, und Michael hatte es recht gem#252;tlich eingerichtet. Aber wir verlie#223;en unseren Patienten nicht. Gegen Sonnenuntergang lag Emerson in Fieberfantasien, und wir brauchten unsere ganze Kraft, um zu verhindern, da#223; er sich oder uns durch sein Toben verletzte. Ich gab ihm noch ein paarmal Medizin ein, und in den ersten Morgenstunden fiel er in ein Koma, das entweder zum Tod oder zur Genesung f#252;hren mu#223;te. Diese Stunden waren schlimm. Das Fieber stieg trotz unserer Bem#252;hungen. Walter kniete neben seinem Bruder. Meine H#228;nde schmerzten vom st#228;ndigen Auswringen der T#252;cher, alle Knochen taten mir weh, besonders die meiner linken Hand, die Emerson in seinem Delirium ergriffen und lange nicht mehr losgelassen hatte. Das Fieber verlieh ihm unheimliche Kr#228;fte. Aber ich hatte das Gef#252;hl, als sei ich eine Art Lebensleine, die er nicht loslassen wollte, um nicht in den Abgrund des Todes zu st#252;rzen. Allm#228;hlich wurde ich so m#252;de, da#223; mein Kopf wie leer erschien. Es war eine gespenstische Szene: Die rauchende Lampe warf flackerndes Licht auf das magere Gesicht des Kranken und die gespannten Gesichter seiner Pfleger. Ab und zu heulte drau#223;en in der W#252;ste ein Schakal. Das klang in der Nachtstille sehr spukhaft. In der dunkelsten Stunde vor Einbruch der D#228;mmerung kam dann der Umschwung. Er war so sp#252;rbar wie ein k#252;hler Luftzug an der Wange. F#252;r einen Moment schlo#223; ich die Augen, und ich f#252;hlte gar nichts. Da h#246;rte ich einen unterdr#252;ckten Seufzer von Walter. Als ich die Augen #246;ffnete, sah ich ihn quer #252;ber dem Fu#223;ende des Bettes liegen, und seine Hand ruhte auf dem Arm seines Bruders. Emersons Gesicht sah sehr friedlich aus. Dann hob sich seine Brust in einem langen, tiefen Atemzug -und bewegte sich weiter. Die Hand, die meine festgehalten hatte, erschlaffte. Und sie war k#252;hl. Er w#252;rde also am Leben bleiben. Ich war so verkrampft, da#223; ich nicht stehen konnte. Walter mu#223;te mich mehr tragen als st#252;tzen, als ich endlich zu Bett ging. Er wollte f#252;r den Rest der Nacht bei seinem Bruder sitzen und Wache halten, doch ich glaubte nicht, da#223; ein R#252;ckfall zu bef#252;rchten war. Ich schlief sofort ein, w#228;hrend Evelyn mir noch Gesicht und H#228;nde wusch. Als ich nach einigen Stunden erwachte, wu#223;te ich gar nicht, wo ich mich befand. Um mich herum waren Steinw#228;nde, unter mir eine harte Unterlage statt einer weichen Couch. Als ich mich umdrehte, tat ich einen Schmerzensschrei. Meine linke Hand, auf die ich mich gest#252;tzt hatte, war dick geschwollen. Jetzt wu#223;te ich wieder alles. Ich erhob mich und tastete nach meinem Schlafrock. Evelyn schlief an der Wand gegen#252;ber den Schlaf der Ersch#246;pfung. Ein Lichtstrahl fiel durch den schnell angebrachten Vorhang und vergoldete ihr Haar. Als ich vor das improvisierte Schlafzimmer trat, traf mich die Hitze wie ein Schlag, aber die Aussicht, die sich mir bot, war gro#223;artig. Die Sandh#252;gel der W#252;ste reichten bis zur blauen Biegung des Flusses, und die Felsen dahinter schimmerten wie nachgedunkeltes Gold. Die Ferne versch#246;nte die H#252;tten des Dorfes, die Palmen veredelten sie. Etwa halbwegs zwischen dem Dorf und unseren Felsen schien ein Ameisenh#252;gel lebendig geworden zu sein; das war die derzeitige Grabungsst#228;tte. Eine breite Felsleiste f#252;hrte an den Gr#228;bern entlang, und ihr folgte ich zum Nachbargrab, von wo zornige Rufe zu h#246;ren waren. Emerson ging es also wieder gut. Ich m#246;chte hier ausdr#252;cklich festhalten, da#223; meine Gef#252;hle an jenem Morgen die reinster christlicher N#228;chstenliebe waren, denn Emerson tat mir leid, und das war ganz na-t#252;rlich bei einem Patienten, den man gepflegt hat. Aber dieses Gef#252;hl hielt nur zwei Minuten an. Als ich das gt;Krankenzimmerlt; betrat, m#252;hte sich Walter ab, seinen Bruder im Bett zu halten. Er war nur teilweise bekleidet. Seine Beine steckten in Hosen von unglaublicher Rosafarbe. Er schrie Walter an, der ihm einen kleinen Teller unter die Nase hielt. Als er mich sah, h#246;rte er zu br#252;llen auf, doch seine Miene wurde nicht freundlicher. Ich l#228;chelte und besah mir das, was auf dem Teller lag. Zugegeben, ich verga#223; mich und bediente mich einiger kr#228;ftiger Ausdr#252;cke, die ich von meinem Vater gelernt hatte, doch das war verst#228;ndlich, denn der Anblick von giftig aussehendem, graugr#252;nem Zeug war zuviel f#252;r mich. »Guter Gott, was soll denn das sein?« rief ich. »Das sind Erbsen aus der Dose«, erkl#228;rte Walter. »Verstehen Sie, Mi#223; Peabody, das ist ein ausgezeichnetes, billiges Gem#252;se. Wir haben zwar auch Corned beef, Bohnen, Kohl und dergleichen, doch ich dachte, dies hier ...« »Hinauswerfen«, befahl ich und hielt mir die Nase zu. »Ihr Koch soll ein Huhn besorgen. Wenn Sie solches Zeug essen, wundert es mich nicht, da#223; Ihr Bruder Fieber hat. Durchfall und entz#252;ndetes Ged#228;rm bleiben da nicht aus.« Walter salutierte milit#228;risch und marschierte davon. Emerson hatte sich inzwischen zur#252;ckgelegt und das Laken bis zum Kinn hinaufgezogen. »Reden Sie schon weiter, Mi#223; Peabody«, forderte er mich heraus. »Geben Sie ruhig Ihren Kommentar auch zu meinen anderen Fehlleistungen. Ich habe geh#246;rt, da#223; ich Ihnen mein Leben verdanke. Allerdings neigt Walter immer dazu, alles zu dramatisieren. Trotzdem danke ich Ihnen f#252;r Ihre aufopfernde Pflege. Aber jetzt gehen Sie.« Das hatte ich zwar beabsichtigt, doch nun blieb ich, setzte mich auf das Bett und griff nach seiner Hand. Er entri#223; sie mir. »Ich will doch nur Ihren Puls f#252;hlen«, fuhr ich ihn an. »H#246;ren Sie auf, sich wie eine sch#252;chterne alte Jungfer aufzuf#252;hren.« Ein paar Sekunden lang #252;berlie#223; er mir sein Handgelenk, ehe er es mir endg#252;ltig entzog. »Mir w#228;re lieber, Mi#223; Nightingale w#228;re zu Hause geblieben. Jetzt m#246;chte es ihr jede Engl#228;nderin gleichtun. Madam, wenn Sie jetzt endlich zufrieden sind, dann gehen Sie - oder ich stehe auf.« »Sie k#246;nnen heute nicht aufstehen, also bleibe ich«, erkl#228;rte ich ihm resolut. »Und glauben Sie ja nicht, da#223; Sie mir mit Ihren Drohungen Angst einjagen k#246;nnen. So hinrei#223;end ist Ihre Anatomie ja wirklich nicht, darin gebe ich Ihnen recht; aber ich bin ganz gut vertraut damit.« »Aber mein Pflaster!« rief er. »Was geschieht mit meinem Pflaster? Sie Teufelsweib, ich mu#223; nachsehen, was die mit meinem Pflaster machen!« Von seinem Pflaster hatte er auch in seinen Fieberdelirien st#228;ndig gesprochen, doch ich wu#223;te nicht, was er damit meinte. Also fragte ich ihn. »Mein bemaltes Pflaster«, erkl#228;rte er mir nun ruhiger. »Ich habe einen Teil von Khuenatens k#246;niglichem Palast entdeckt. Pflaster, W#228;nde und Decken waren bemalt. Stellenweise sind diese Malereien wundervoll erhalten.« »Gut und sehr erstaunlich. Hei#223;t das, der Palast des h#228;retischen K#246;nigs habe dort gestanden, wo jetzt Sandw#252;ste ist? Khuenaten . Eine faszinierende Pers#246;nlichkeit. Oder k#246;nnte es vielleicht doch eine Frau gewesen sein?« »Unsinn! Ein solcher Gedanke ist typisch f#252;r die Narren, die heute arch#228;ologische Forschungen betreiben. Ma-riette behauptet, die Nubier h#228;tten ihn gefangen, und sie gehen davon aus .« »Die Theorie kenne ich«, unterbrach ich ihn. »Warum sollte das nicht m#246;glich sein? Eine solche Operation bringt bei M#228;nnern doch weibliche Z#252;ge hervor, oder nicht?« Emerson warf mir einen seltsamen Blick zu. »So kann man's auch sagen. Ich halte es f#252;r wahrscheinlicher, da#223; Khuenatens k#246;rperliche Absonderlichkeiten k#252;nstlerische Zutaten sind. Seine H#246;flinge und Freunde zeigen die gleichen Eigenheiten.« »Wirklich?« »Klar. Schauen Sie doch das hier an.« Er setzte sich auf und grapschte nach dem rutschenden Laken. Er war wirklich #252;beraus haarig. »Dieses Grab hier geh#246;rte einem Edelmann an Khuenatens Hof. Die W#228;nde sind mit Reliefs im einzigartigen Amarna-Stil geschm#252;ckt.« Ich griff nach der Lampe, um sie anzuschauen, was einen Wutschrei Emersons zur Folge hatte. »Doch nicht die Lampe! Ich ben#252;tze sie nur, wenn es gar nicht anders geht. Diese Narren mit ihren Magnesiumlampen sind Vandalen, denn der fettige Rauch zerst#246;rt die Reliefs. Nehmen Sie doch den Spiegel. Wenn Sie ihn im richtigen Winkel halten, haben Sie genug Licht.« Der Spiegel war mir vorher schon aufgefallen, und ich hatte mich gewundert, woher Emersons pl#246;tzliche Eitelkeit kam. Nun probierte ich ihn aus, unterst#252;tzt von seinen sarkastischen Kommentaren, und fand auch endlich den richtigen Winkel, so da#223; ich einen Moment lang den Atem anhielt. Die Reliefs waren ziemlich flach und etwas verwittert, doch sie waren von einem Leben erf#252;llt, das mich tief beeindruckte. Sie schienen eine Parade oder Prozession darzustellen. Zahlreiche kleine rennende Gestalten folgten der gro#223;en des Pharaos, die zehnmal so gro#223; war wie die der Untertanen. Er lenkte grazi#246;s einen mit feurigen Pferden bespannten leichten Wagen. Neben ihm im Wagen sa#223; eine etwas kleinere, ebenfalls gekr#246;nte Person. Sie wandten einander die K#246;pfe zu, als wollten ihre Lippen einander ber#252;hren. »Er mu#223; sie sehr geliebt haben, wenn er sie so an seine Seite setzte«, #252;berlegte ich laut. »Emerson, ich glaube, nur ein richtiger Mann kann seiner sch#246;nen Frau so viel ergebene Zuneigung zeigen. Sogar ihr Name Nefertiti -die sch#246;ne Frau ist gekommen ...« »Ah, Sie haben die Hieroglyphen gelesen?« »Ein wenig.« Ich deutete auf das ovale Medaillon, in dem der Name der K#246;nigin stand, dann auf die leeren Ovale, die einst den Namen des Khuenaten enthalten hatten. »Ich habe gelesen, wie die triumphierenden Priester des Amon den Namen des k#246;niglichen Ketzers nach seinem Tod #252;berall tilgten. Wie m#252;ssen sie ihn geha#223;t haben!« »Sie hofften, damit auch seine Seele ausl#246;schen zu k#246;nnen«, antwortete Emerson. »Ohne Identit#228;t konnte der Geist des Toten nicht weiterleben.« Erst als Evelyn erschien, kam mir zu Bewu#223;tsein, wie grotesk meine Unterhaltung mit einem Gentleman in rosa Unterw#228;sche eigentlich war. Sie zog sich sofort wieder zur#252;ck und fragte von au#223;en her sch#252;chtern an, ob sie hereinkommen d#252;rfe. »Ah, verdammt noch mal«, fluchte Emerson, zog das Laken zum Kopf hinauf und forderte Evelyn zum Eintreten auf. Sie war korrekt in ein bla#223;gr#252;nes Baumwollkleid geh#252;llt und sah aus, als h#228;tte sie alle Bequemlichkeiten des Dahabije zur Verf#252;gung gehabt, statt lediglich einer Sch#252;ssel lauwarmen Wassers. Sie schien sich #252;ber etwas zu am#252;sieren. Emersons Augen funkelten sie #252;ber dem Lakenrand b#246;se an. Sie beachtete ihn jedoch nicht. »Evelyn, komm doch rein, und schau dir diese Reliefs an!« rief ich und drehte meinen Spiegel geschickt. »Hier ist der K#246;nig in seinem Wagen, neben ihm die K#246;nigin .« »Das ist sicher sehr faszinierend, aber w#228;re es nicht kl#252;ger, Amelia, eine geeignetere Zeit f#252;r diese Dinge abzuwarten? Mr. Emerson braucht Ruhe, und du bist f#252;r einen Besuch nicht passend gekleidet.« Ihre Stimme kam mir recht verd#228;chtig vor, als m#252;sse sie ein Lachen unterdr#252;cken. »Mir scheint, Walter hat einige Schwierigkeiten mit dem Huhn, das du bestellt hast.« Ich warf einen letzten Blick auf die rennenden Gestalten und legte den Spiegel weg. »Dann mu#223; ich mich eben selbst darum k#252;mmern«, meinte ich seufzend. »Wenn schon, dann k#246;nnten Sie gleich nach meinem Pflaster schauen«, brummte Emerson. »Sie stehen hier herum und schwatzen wie ein Papagei, und inzwischen bl#228;ttert die ganze kostbare .« »Sie haben sie doch aufgedeckt«, erinnerte ich ihn. »Wie wollen Sie die Malereien jetzt sch#252;tzen?« »Ich habe ein Holzger#252;st aufgestellt, aber das ist nicht ausreichend. Die Farbe zerkr#252;melt zu Staub. Mit einem Pinsel verschmiert man nur die Oberfl#228;che. Firnis verpfuscht die klaren Farben und wird rissig .« »Aber Sie haben doch sicher eine L#246;sung gefunden.« »Genau. Eine L#246;sung. Eine Mischung aus d#252;nnem Ta-pioka und Wasser, und diese Mischung mu#223; mit der Fingerspitze aufgetragen werden.« Ich starrte ihn voll Bewunderung an. »Das mu#223; ich zugeben, Sie wissen, was Sie wollen.« »Es geht sehr langsam, und die Arbeit mu#223; ich selbst tun. Ich habe erst einen kleinen Teil davon fertig.« Er st#246;hnte vor Verzweiflung. »Frau, ich mu#223; aufstehen und mich um mein Pflaster k#252;mmern.« »Das werde ich tun. Sie bleiben im Bett, sonst ist ein R#252;ckfall zu bef#252;rchten, der Sie dann f#252;r Wochen ans Bett fesselt. Selbst Sie m#252;ssen einsehen, da#223; dies recht unprak-tisch w#228;re.« Auf eine Antwort wartete ich nicht, denn sie w#228;re doch nur grob ausgefallen. Drau#223;en hielt mich Evelyn fest. »Amelia, wohin gehst du?« fragte sie. »Zu Mr. Emersons Pflaster nat#252;rlich. Hast du je erlebt, da#223; ich mein Wort nicht gehalten h#228;tte?« »Nein, nat#252;rlich nicht. Aber k#246;nntest du dich nicht vielleicht doch passender dazu bekleiden?« Da hatte sie recht. Ich hatte ja noch meinen Morgenrock an. Wie der verehrte Leser inzwischen wohl festgestellt hat, lag mir nie besonders viel an weiblichem Modefirlefanz. Ich hatte, als ich einmal in London war, jedoch von der Liga f#252;r vern#252;nftige Kleidung geh#246;rt und mir in diesem Stil ein Kleid n#228;hen lassen. Es bestand aus schieferfarbener indischer Seide von einfachstem, fast m#228;nnlichem Schnitt. Der einzige Schmuck war ein Spitzenr#252;schchen am Handgelenk. Sein gro#223;er Vorteil und sein Charakteristikum war der geteilte Rock. Die beiden Beine waren sehr voll geschnitten, so da#223; sie wie ein gew#246;hnlicher Rock wirkten. Er gew#228;hrte zwar nicht ganz soviel Bewegungsfreiheit, wie ich mir gew#252;nscht h#228;tte, doch war er viel praktischer als die damals modernen Humpelr#246;cke. In Kairo hatte ich das Kleid nicht zu tragen gewagt und deshalb ganz unten in den Koffer gepackt. Jetzt nahm ich es heraus, sch#252;ttelte die Falten aus und zog es an. Noch lieber w#228;ren mir jedoch richtige Hosen gewesen. Ich kletterte nach unten und fand dort Walter, der mit dem Koch stritt. Der Mann schaute m#252;rrisch drein und hatte nur ein Auge. Ich wu#223;te nicht, worum der Streit ging, schlichtete ihn aber und hatte das gerupfte Huhn, das der Koch Walter unter die Nase hielt, im Topf, ehe ich ging. Walter schickte ich zu seinem Bruder, der einen Wachhund brauchte. Bald hatte ich den Vorarbeiter Abdullah, einen stattlichen, gro#223;en Mann in flie#223;endem, schneewei#223;em Gewand mit langem, grauem Bart, gefunden. Mit seiner umfangreichen Kopfbedeckung glich er einem biblischen Patriarchen. Er stammte aus Ober#228;gypten und hatte schon fr#252;her f#252;r Emerson gearbeitet. Abdullah f#252;hrte mich zum Pflaster, das wegen des h#246;lzernen Schutzdaches leicht zu finden war. Es war etwa zwanzig Fu#223; lang und f#252;nfzehn breit und einmalig gut erhalten. Die Farben sahen aus, als seien sie frisch aufgetragen - erlesene Blau- und leuchtende Rott#246;ne, dazu k#252;hles Gr#252;n mit etwas Wei#223; und Schwarzblau, um Kontraste zu unterstreichen. In einem Luxusgarten mit sch#246;nen Blumen flogen bunte V#246;gel herum, dazwischen spielten junge Tiere im Geb#252;sch. Ich konnte fast das Muhen der K#228;lbchen und das Meckern der kleinen Ziegen h#246;ren, so lebendig wirkte alles. Ich hockte noch immer vor dem Pflaster, als mich Evelyn und Walter fanden. »Amelia, jetzt ist die hei#223;este Zeit, und alle Arbeiter halten Mittagsruhe«, mahnte sie mich. »Sei vern#252;nftig, komm mit uns und i#223; einen Happen.« »Von diesem elenden Huhn esse ich keinen Bissen«, erkl#228;rte ich. »Schau dir doch das an, Evelyn. So etwas Sch#246;nes habe ich noch nie gesehen. Und die k#246;nigliche Nefertiti wird in Goldsandalen dar#252;ber geschritten sein.« »Es ist wirklich erlesen«, gab Evelyn zu. »Ich w#252;rde es gerne zeichnen.« »Eine gro#223;artige Idee«, pflichtete ihr Walter eifrig bei. »Mein Bruder w#228;re #252;beraus gl#252;cklich, wenn er davon eine Kopie bek#228;me. Ich bin unter anderem der K#252;nstler der Expedition, aber das kann ich nicht.« Das Huhn war furchtbar z#228;h, das Gem#252;se zu einer undefinierbaren, geschmacklosen Masse zerkocht. Da mein ergebener Michael zur Hand war, fl#252;sterte ich ihm einige Anweisungen bez#252;glich unserer k#252;nftigen Versorgung zu. Es war wirklich ungemein hei#223;, und nach der d#252;rftigen Nachtruhe war ich gerne zu einer Siesta bereit. Michael war ein Juwel. Als ich mit Evelyn am Sp#228;tnachmittag unser Grab verlie#223;, stand ein Tisch auf dem breiten Sims, St#252;hle waren aufgestellt, sogar ein kleiner Teppich lag da. Nun hatten wir einen reizenden Balkon mit einer unvergleichlich sch#246;nen Aussicht. Der Sonnenuntergang tauchte den Himmel in die gl#252;hendsten Farben, und eine zarte Brise f#228;chelte unsere Wangen. Michael hatte auch Lebensmittel mitgebracht und #252;berwachte den Schurken von einem Koch. Ich lie#223; mich auf einen der St#252;hle fallen, und gleich darauf stand ein Glas Limonade vor mir. Dann kam Walter dazu, und als ich ihn nach unserem Patienten fragen wollte, h#246;rte ich eine kleine Steinlawine abgehen. Ich drehte mich um und sah Emerson in der T#252;r#246;ffnung seines Grabes stehen. Er war angezogen, und sein Gesicht war grau wie dunkler Sandstein. Er klammerte sich an den T#252;rrahmen. Im Notfall kann man sich auf keinen Mann verlassen. Ich erreichte Emerson gerade noch rechtzeitig, um ihn aufzufangen, so da#223; er sich nicht den Kopf an den Felsen einschlug. Unter seinem Gewicht setzte ich mich ein wenig zu pl#246;tzlich auf den harten Boden, dessen dornige Spitzen ich schmerzhaft durch meine R#246;cke sp#252;rte. H#228;tte ich ihn nicht mit beiden Armen festgehalten, w#228;re er vom Sims gest#252;rzt. »Dieser Mann ist von einer grenzenlosen, arroganten Sturheit!« rief ich, als Walter gelaufen kam. »Holen Sie Michael. Er soll Ihnen helfen, ihn zu Bett zu bringen.« Sein starriger Bart kratzte durch das d#252;nne Gewebe meines Kleides. »Und schaben Sie ihm endlich dieses gr#228;#223;liche Gestr#252;pp aus dem Gesicht!« f#252;gte ich zornig hinzu. |
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