"Harry Potter und der Orden des Phönix" - читать интересную книгу автора (Rowling Joanne K.)Es sind Sommerferien und wieder einmal sitzt Harry bei den unsäglichen Dursleys im Ligusterweg fest. Doch diesmal treibt ihn größere Unruhe denn je warum schreiben seine Freunde Ron und Hermine nur so rätselhafte Briefe? Und vor allem: Warum erfährt er nichts über die dunklen Mächte, die inzwischen neu erstanden sind? Noch ahnt er nicht, was der geheimnisvolle Orden des Phönix gegen Voldemort ausrichten kann ... Als Harrys fünftes Schuljahr in Hogwarts beginnt, werden seine Sorgen nur noch größer. Und dann schlägt der Dunkle Lord wieder zu. Harry muss seine Freunde um sich scharen, sonst gibt es kein Entrinnen. Joanne K. Rowling HARRY POTTER und der Orden des Phönix Aus dem Englischen von Klaus Fritz CARLSEN Das Papier dieser Ausgabe wurde nach strengen Umweltrichtlinien hergestellt und ist recyclebar; der Rohstoff stammt aus kontrolliertem schwedischem Waldanbau. 12 3 4 05 04 03 Alle deutschen Rechte bei Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2003 Original text copyright ©Joanne K. Rowling 2003 Originalverlag: Bloomsbury Publishing Plc, London 2003 Originaltitel: Harry Potter and the Order ot thc Phoenix Harry Potter, names, characters and related indicia arc Copyright and trademark Warner Bros. Harry Potter Publishing rights are Copyright JK Rowling. Umschlaggestaltung: Doris K. Künster Umschlagillustration: Sabine Wilharm Satz: Dörlemann Satz, Lemfördc Druck und Bindung: Clausen amp; Bosse, Leck ISBN 3-551-55555-9 Printed in Germany Für Neil, Jessica und David, die meine Welt verzaubern Die VorhutHarry schrieb diese Worte auf drei verschiedene Pergamentblätter, sobald er den Schreibtisch in seinem dunklen Zimmer erreicht hatte. Er adressierte das erste Blatt an Sirius, das zweite an Ron und das dritte an Hermine. Hedwig, seine Eule, war draußen auf Jagd; ihr Käfig stand leer auf dem Tisch. Harry ging im Zimmer auf und ab und wartete auf ihre Rückkehr, mit hämmerndem Kopf, das Gehirn zu wach zum Schlafen, obwohl ihm die Augen tränten und brannten vor Müdigkeit. Sein Rücken tat weh von der Anstrengung, Dudley nach Haus zu schleppen, und die zwei Beulen am Kopf, wo das Fenster und Dudleys Faust ihn getroffen hatten, pochten schmerzhaft. Immer wieder ging er im Zimmer auf und ab, zornig und enttäuscht, knirschte mit den Zähnen, ballte die Fäuste und warf jedes Mal, wenn er am Fenster vorbeikam, wütende Blicke hinaus auf den leeren, sternübersäten Himmel. Dementoren waren hinter ihm her, Mrs. Figg und Mundungus Fletcher beschatteten ihn heimlich, dann ein vorläufiges Schulverbot für Hogwarts und eine Anhörung im Zaubereiministerium - und immer noch sagte ihm keiner, was eigentlich los war. Und worum, Warum saß er immer noch ohne Neuigkeiten hier fest? Warum behandelten ihn alle wie ein ungezogenes Kind? Im Vorbeigehen trat er gegen seinen Schulkoffer, was jedoch keineswegs seinen Zorn linderte, es ging ihm nur noch schlechter, weil ihm neben all den anderen Schmerzen in seinem Körper jetzt auch noch ein heftiges Stechen im Zeh zu schaffen machte. Gerade war er am Fenster vorbeigehumpelt, da schwebte Hedwig, leise mit den Flügeln raschelnd, wie ein kleines Gespenst herein. »Wird auch Zeit«, fauchte Harry, als sie sanft auf ihrem Käfig landete. »Leg den weg, ich hab Arbeit für dich!« Hedwigs große, runde Bernsteinaugen starrten ihn vorwurfsvoll über den toten Frosch in ihrem Schnabel hinweg an. »Komm her«, sagte Harry, nahm die drei kleinen Pergamentrollen und einen Lederriemen und schnürte die Rollen an ihrem schuppigen Bein fest. »Bring die sofort zu Sirius, Ron und Hermine, und komm nicht ohne gute, ausführliche Antworten zurück. Hack auf ihnen rum, wenn nötig, bis sie ordentlich lange Antworten geschrieben haben. Verstanden?« Hedwig, immer noch den Frosch im Schnabel, stieß einen erstickten Schrei aus. »Na dann los«, sagte Harry. Sie flog auf der Stelle davon. Kaum war sie verschwunden, ließ sich Harry ohne sich auszuziehen aufs Bett fallen und starrte hoch an die dunkle Decke. Elend, wie ihm ohnehin schon zumute war, fühlte er sich jetzt auch noch schuldig, dass er gemein zu Hedwig gewesen war; sie war die einzige Freundin, die er im Ligusterweg Nummer vier hatte. Er wollte es wieder gutmachen, wenn sie mit den Antworten von Sirius, Ron und Hermine zurückkam. Sie mussten unbedingt schnellstens antworten; einen Dementorenangriff konnten sie unmöglich ignorieren. Wahrscheinlich würde er morgen aufwachen und drei dicke Briefe voller Mitgefühl und Pläne für einen sofortigen Umzug in den Fuchsbau vorfinden. Und bei dieser tröstlichen Vorstellung wogte der Schlaf über ihn hin und ertränkte alle weiteren Gedanken. Doch Hedwig kehrte am nächsten Morgen nicht zurück. Harry verbrachte den Tag in seinem Zimmer und verließ es nur, um ins Bad zu gehen. Dreimal schob Tante Petunia an diesem Tag Essen durch die Katzenklappe, die Onkel Vernon drei Sommer zuvor angebracht hatte. Jedes Mal wenn Harry sie kommen hörte, machte er den Versuch, von ihr etwas über den Heuler zu erfahren, aber er hätte genauso gut den Türknauf befragen können, so viel Auskunft bekam er. Ansonsten hielten sich die Dursleys völlig seinem Zimmer fern. Harry wiederum hielt es für sinnlos, ihnen seine Gesellschaft aufzuzwingen. Noch ein Streit würde nichts bewirken und ihn womöglich so in Rage versetzen, dass er schon wieder rechtswidrige Zauber gebrauchte. So ging es ganze drei Tage lang. Mal war Harry von einer rastlosen Energie durchdrungen, die es ihm unmöglich machte, sich mit etwas zu beschäftigen, die ihn durchs Zimmer trieb, voll Wut auf die ganze Bagage, die sich nicht um ihn scherte und ihn jetzt in seinem Elend schmoren ließ; dann wieder erfasste ihn eine so ausweglose Trägheit, dass er eine geschlagene Stunde auf dem Bett liegen konnte, benebelt ins Leere starrend und gepeinigt von Angst vor der Anhörung im Ministerium. Was, wenn sie ihn verurteilten? Was, wenn sie ihn tatsächlich rauswarfen und seinen Zauberstab entzweibrachen? Was sollte er dann machen, wohin sollte er gehen? Jetzt, da er die andere Welt kannte, die Welt, in die er wirklich gehörte, konnte er nicht einfach so bei den Dursleys weiterleben. Konnte er vielleicht in Sirius' Haus ziehen, wie Sirius es ihm vor einem Jahr vorgeschlagen hatte, bevor ihn das Ministerium zur Flucht gezwungen hatte? Würde man Harry gestatten, dort allein zu leben, obwohl er doch immer noch minderjährig war? Oder würde man bald für ihn entscheiden, wohin er zu gehen hätte? War seine Verletzung des Internationalen Geheimhaltungsabkommens so schwer gewesen, dass er in einer Zelle in Askaban landen würde? Immer wenn er daran dachte, glitt Harry unwillkürlich vom Bett und ging erneut im Zimmer auf und ab. Es war die vierte Nacht, seit Hedwig fort war, Harry lag wieder einmal stumpf und teilnahmslos auf dem Bett und starrte erschöpft und mit vollkommen leerem Kopf an die Decke, als sein Onkel ins Zimmer trat. Harry drehte sich langsam zu ihm um. Onkel Vernon trug seinen besten Anzug und eine mächtig blasierte Miene. »Wir gehen aus«, sagte er. »Wie bitte?« »Wir - das heißt deine Tante, Dudley und ich - wir gehen aus.« »Schön«, sagte Harry dumpf und sah wieder zur Decke. »Du bleibst in deinem Zimmer, während wir weg sind.« »Okay.« »Du rührst den Fernseher, die Stereoanlage und auch keine anderen Sachen von uns an.« »Gut.« »Du stiehlst kein Essen aus dem Kühlschrank.« »Okay.« »Ich schließe deine Tür ab.« »Tu das.« Onkel Vernon, offenbar argwöhnisch, weil Harry sich nicht wehrte, warf ihm einen bösen Blick zu, dann stampfte er aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Harry hörte, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte und Onkel Vernon schweren Schrittes die Treppe hinunterging. Ein paar Minuten später hörte er Autotüren knallen, einen Motor aufbrummen und das unverwechselbare Geräusch eines Autos, das aus der Einfahrt brauste. Dass die Dursleys wegfuhren, kümmerte Harry nicht sonderlich. Ihm war es gleichgültig, ob sie zu Hause waren oder nicht. Er brachte nicht einmal die Kraft auf, vom Bett aufzustehen und das Licht anzumachen. Im Zimmer wurde es allmählich dunkel, und er kg da und lauschte den nächtlichen Geräuschen, die durchs Fenster wehten, das er immer offen ließ in der sehnlichen Hoffnung, Hedwig würde endlich zurückkehren. Das leere Haus knarzte um ihn her. Die Rohre gurgelten. Harry lag wie betäubt da, in Trübsal versunken, und dachte an nichts. Dann, ganz deutlich, hörte er unten in der Küche ein Klirren. Schlagartig saß er kerzengerade im Bett und lauschte angestrengt. Die Dursleys konnten noch nicht zurück sein, es war viel zu früh und außerdem hatte er ihren Wagen nicht gehört. Für einige Sekunden trat Stille ein, dann vernahm er Stimmen. Einbrecher, dachte er und glitt vom Bett - doch eine Sekunde später schoss ihm durch den Kopf, dass Einbrecher leise reden würden, und wer immer sich in der Küche herumtrieb, machte sich offenbar darüber keine Gedanken. Er griff nach seinem Zauberstab auf dem Nachttisch, fixierte reglos die Zimmertür und lauschte, so gut er konnte. Im nächsten Moment zuckte er zusammen, als das Schloss laut klickte und seine Tür aufschwang. Harry blieb starr stehen, spähte durch die offene Tür auf den dunklen oberen Treppenabsatz und horchte angespannt nach weiteren Geräuschen, doch er hörte nichts. Nach kurzem Zögern huschte er geräuschlos aus dem Zimmer zur Treppe hinaus. Das Herz sprang ihm bis an die Kehle. Unten, im düsteren Flur, standen Leute. Die Straßenbeleuchtung, die durch die Glastür schimmerte, ließ nur ihre Umrisse erkennen; acht oder neun waren es, und soweit er sehen konnte, blickten alle zu ihm hoch. »Den Zauberstab runter, Junge, bevor du jemandem das Auge ausstichst«, sagte eine dunkle, knurrende Stimme. Harrys Herz fing wild an zu klopfen. Er kannte diese Stimme, aber den Zauberstab ließ er nicht sinken. »Professor Moody?«, sagte er unsicher. »Den ›Professor‹ lass mal stecken«, knurrte die Stimme, »bin nie groß zum Unterrichten gekommen, oder? Nun aber runter hier, wir wollen dich richtig sehen.« Harry ließ den Zauberstab ein wenig sinken, hielt ihn aber weiter fest umklammert und rührte sich auch nicht. Er hatte allen Grund, misstrauisch zu sein. Vor gar nicht allzu langer Zeit hatte er neun Monate in der vermeintlichen Gesellschaft von Mad-Eye Moody verbracht, um schließlich festzustellen, dass es überhaupt nicht Moody gewesen war, sondern ein Doppelgänger; ein Doppelgänger überdies, der Harry hatte töten wollen, bevor er enttarnt wurde. Doch ehe Harry wusste, was er als Nächstes tun sollte, schwebte eine zweite, ein wenig heisere Stimme treppauf. »Schon in Ordnung, Harry. Wir sind hier, um dich abzuholen.« Harrys Herz machte einen Satz. Auch diese Stimme kannte er, obwohl er sie seit über einem Jahr nicht mehr gehört hatte. »P-Professor Lupin?«, sagte er ungläubig. »Sind Sie das?« »Warum stehen wir alle im Dunkeln rum?«, sagte eine dritte Stimme, diesmal eine gänzlich unvertraute, die einer Frau. » Die Spitze eines Zauberstabs flammte auf und tauchte den Flur in magisches Licht. Harry blinzelte. Die Leute unten standen dicht beieinander am Fuß der Treppe und spähten gebannt zu ihm hoch, manche reckten den Kopf, um ihn besser zu sehen. Remus Lupin stand ihm am nächsten. Er sah immer noch recht jung aus, wirkte aber müde und angeschlagen; seit Harry sich das letzte Mal von ihm verabschiedet hatte, hatte er noch mehr graue Haare bekommen, sein Umhang hatte einige zusätzliche Flicken und war schäbiger denn je. Dennoch lächelte er Harry breit an, und Harry versuchte, so erschrocken er auch war, das Lächeln zu erwidern. »Oooh, er sieht genau so aus, wie ich ihn mir vorgestellt hab«, sagte die Hexe, die den leuchtenden Zauberstab emporhielt. Sie schien die Jüngste dort unten zu sein und hatte ein blasses, herzförmiges Gesicht, dunkle, funkelnde Augen und kurzes Stachelhaar in wildem Violett. »Schön, dich zu sehen, Harry!« »Ja, jetzt versteh ich, was du meinst, Remus«, sagte ein kahlköpfiger schwarzer Zauberer, der ganz hinten stand - er hatte eine tiefe, bedächtige Stimme und trug einen goldenen Ring im Ohr - »er sieht genau wie James aus.« »Nur die Augen nicht«, sagte ein silberhaariger Zauberer mit pfeifender Stimme. »Lilys Augen.« Mad-Eye Moody hatte langes grau meliertes Haar und an seiner Nase fehlte ein großes Stück; mit seinen ungleichen Augen schielte er Harry argwöhnisch an. Das eine Auge war klein, dunkel und perlschimmernd, das andere groß, rund und strahlend blau - es war das magische Auge, das durch Wände, Türen und in Moodys eigenen Kopf hineinsehen konnte. »Bist du ganz sicher, dass er's ist, Lupin?«, knurrte er. »War doch 'ne schöne Bescherung, wenn wir 'nen Todesser mitbringen würden, der seine Gestalt angenommen hat. Wir sollten ihn was fragen, das nur der echte Potter wissen kann. Oder hat jemand zufällig Veritaserum dabei?« »Harry, welche Gestalt nimmt dein Patronus an?«, fragte Lupin. »Die von einem Hirsch«, sagte Harry nervös. »Er ist es, Mad-Eye«, sagte Lupin. Während er deutlich spürte, dass er immer noch von allen angestarrt wurde, stieg Harry die Treppe hinunter und schob unterwegs den Zauberstab in die hintere Tasche seiner Jeans. »Steck den Zauberstab nicht da rein, Junge«, donnerte Moody. »Was, wenn er losgeht? Gab schon bessere Zauberer als dich, die 'ne Pobacke verloren haben, sag ich dir!« »Wen kennst du, der 'ne Pobacke verloren hat?«, fragte die Frau mit den violetten Haaren neugierig. »Tut jetzt nichts zur Sache, der Zauberstab gehört jedenfalls nicht in die Hosentasche!«, knurrte Mad-Eye. »Die einfachsten Sicherheitsregeln, und keinen kümmert's heutzutage mehr.« Er stampfte zur Küche hinüber. »Und das hab ich auch gesehen«, setzte er säuerlich hinzu, als die Frau die Augen verdrehte. Lupin trat vor und schüttelte Harry die Hand. »Wie geht's dir?«, fragte er und musterte ihn aufmerksam. »G-gut...« Harry konnte kaum glauben, dass dies wirklich geschah. Vier Wochen lang nichts, nicht die kleinste Andeutung eines Plans, ihn aus dem Ligusterweg zu holen, und plö tzlich stand da eine ganze Horde Zauberer völlig gelassen bei ihm im Haus, als wäre das alles schon lange so verabredet gewesen. Er musterte die Leute um Lupin flüchtig; sie starrten ihn immer noch begierig an. Ihm wurde peinlich bewusst, dass er seit vier Tagen seine Haare nicht mehr gekämmt hatte. »Ich - ihr habt wirklich Glück, dass die Dursleys nicht da sind ...«, murmelte er. »Glück, ha!«, sagte die Frau mit den violetten Haaren. »Weggelockt hab ich sie. Hab ihnen per Muggelpost einen Brief geschickt, in dem ihnen mitgeteilt wurde, dass sie in der Endauswahl im Wettbewerb um den bestgepflegten Kleinstadtrasen Englands sind. Sie sind gerade auf dem Weg zur Preisverleihung ... oder glauben das wenigstens.« Harry sah undeutlich Onkel Vernons Gesicht vor sich, in dem Moment, da diesem klar wurde, dass es keinen Wettbewerb um den bestgepflegten Kleinstadtrasen Englands gab. »Wir gehen weg von hier, ja?«, fragte er. »Bald?« »Jeden Moment«, sagte Lupin, »wir warten nur noch auf das Okay.« »Wo gehen wir hin? Zum Fuchsbau?«, fragte Harry hoffnungsvoll. »Nein, nicht zum Fuchsbau«, sagte Lupin und wies Harry in Richtung Küche; die kleine Schar Zauberer, die Harry noch immer neugierig beäugte, folgte ihnen. »Zu riskant. Wir haben das Hauptquartier an einem unaufspürbaren Ort aufgeschlagen. Das hat uns einige Zeit gekostet ...« Mad-Eye Moody hockte inzwischen am Küchentisch und trank mit kräftigen Schlucken aus einem Flachmann, rollte sein Auge in alle Richtungen und begutachtete die vielen arbeitssparenden Gerätschaften der Dursleys. »Das ist Alastor Moody, Harry«, sagte Lupin und wies auf Moody. »Ja, weiß ich«, sagte Harry unangenehm berührt. Es mutete ihn seltsam an, jemandem vorgestellt zu werden, den er ein Jahr lang zu kennen geglaubt hatte. »Und das ist Nymphadora -« »Nenn mich nicht Nymphadora, Remus«, sagte die junge Hexe schaudernd, »nur Tonks.« »Nymphadora Tonks, die lieber nur bei ihrem Nachnamen genannt sein will«, schloss Lupin. »Das war dir auch lieber, wenn deine Närrin von Mutter dich »Und das ist Kingsley Shacklebolt.« Er deutete auf den großen schwarzen Zauberer, der sich verbeugte. »Elphias Doge.« Der Zauberer mit der pfeifenden Stimme nickte. »Dädalus Diggel -« »Wir kennen uns schon«, quiekte der quirlige Dig gel und der violette Zylinder fiel ihm vom Kopf. »Emmeline Vance.« Eine stämmig wirkende Hexe mit smaragdgrünem Schal verneigte sich. »Sturgis Podmore.« Ein Zauberer mit kantigem Unterkiefer und dichtem strohblondem Haar zwinkerte. »Und Hestia Jones.« Eine schwarzhaarige Hexe mit rosa Wangen, die neben dem Toaster stand, winkte herüber. Harry nickte allen, wie sie der Reihe nach vorgestellt wurden, verlegen zu. Er wünschte, sie würden jemand anderen ansehen - ihm war zumute, als wäre er plötzlich auf eine Bühne geschoben worden. Außerdem fragte er sich, warum so viele von ihnen hier waren. »Es haben sich überraschend viele freiwillig gemeldet, um dich abzuholen«, sagte Lupin, als hätte er Harrys Gedanken gelesen; seine Mundwinkel zuckten leicht. »Tja, je mehr, desto besser«, sagte Moody finster. »Wir sind deine Leibgarde, Potter.« »Wir warten nur noch auf das Signal, dass es sicher ist, aufzubrechen«, sagte Lupin und warf einen Blick aus dem Küchenfenster. »Wir haben noch etwa fünfzehn Minuten.« »Sehr reinlich, nicht wahr, diese Muggel?«, sagte die Hexe namens Tonks, die sich mit großem Interesse in der Küche umsah. »Mein Dad ist ein Muggelstämmiger und er ist 'ne richtige alte Pottsau. Ist wohl ganz unterschiedlich, genau wie bei Zauberern?« »Ähm - ja«, sagte Harry. »Hören Sie -«, er wandte sich wieder an Lupin, »was ist eigentlich los, mir hat keiner was gesagt, was macht Vol-?« Ein paar Hexen und Zauberer stießen merkwürdige Zischgeräusche aus; Dädalus Diggel fiel wieder der Zylinder herunter und Moody knurrte: »Sei still!« »Was?«, sagte Harry. »Hier wird nichts beredet, das ist zu riskant«, sagte Moody und drehte sein normales Auge Harry zu. Sein magisches Auge war auf die Decke gerichtet. »Verfluchtes Ding«, fügte er zornig hinzu und fuhr mit der Hand an das Auge, »bleibt dauernd stecken - seit dieser Schweinehund es getragen hat.« Und mit einem widerlichen Glucksgeräusch, ganz ähnlich dem eines Stöpsels, der aus dem Waschbecken gezogen wird, quetschte er sein Auge heraus. »Mad-Eye, du weißt, dass das eklig ist, ja?«, sagte Tonks nachsichtig. »Hol mir doch mal ein Glas Wasser, Harry«, verlangte Moody. Harry ging hinüber zum Geschirrspüler, nahm ein sauberes Glas heraus und füllte es am Küchenbecken mit Wasser, immer noch neugierig beobachtet von der Zaubererschar. Ihr dauerndes Starren ging ihm allmählich auf die Nerven. »Danke«, sagte Moody, als Harry ihm das Glas reichte. Er ließ den magischen Augapfel ins Wasser fallen und stupste ihn auf und ab; das Auge wirbelte umher und starrte sie alle der Reihe nach an. »Auf der Rückreise will ich dreihundertsechzig Grad Sicht haben.« »Wie kommen wir hin - wohin auch immer?«, fragte Harry. »Besen«, sagte Lupin. »Geht nicht anders. Du bist zu jung zum Apparieren, die werden das Flohnetzwerk überwachen, und wir wären lebensmüde, wenn wir einen nicht genehmigten Portschlüssel aufbauen würden.« »Remus meint, du kannst gut fliegen«, sagte Kingsley Shacklebolt mit seiner tiefen Stimme. »Blendend«, warf Lupin ein und sah auf die Uhr. »Jedenfalls gehst du jetzt besser und packst deine Sachen, Harry, wir wollen startbereit sein, wenn das Signal kommt.« »Ich komm mit und helf dir«, sagte Tonks und strahlte. Sie folgte Harry hinaus auf den Flur und die Treppe hoch und sah sich neugierig und interessiert um. »Komisches Haus«, sagte sie. »Ein bisschen zu sauber, wenn du mich fragst. Bisschen unnatürlich. Oh, das ist besser«, fügte sie hinzu, als sie Harrys Zimmer betraten und er das Licht anmachte. Sein Zimmer war tatsächlich viel unordentlicher als das übrige Haus. Vier Tage war er schlecht gelaunt eingesperrt gewesen und hatte sich nicht die Mühe gemacht aufzuräumen. Die meisten Bücher, die er besaß, lagen auf dem Boden verstreut, überall dort, wo er versucht hatte, sich mit einem nach dem anderen abzulenken, und sie dann beiseite geworfen hatte; Hedwigs Käfig fing an zu muffeln und musste geputzt werden; sein Koffer lag offen da und um ihn herum ein Sammelsurium von Muggelklamotten und Zaubererumhängen, die er auf den Boden geschmissen hatte. Harry fing an, seine Bücher aufzulesen und sie hastig in den Koffer zu werfen. Tonks hielt am offenen Schrank inne und betrachtete sich kritisch im Spiegel an der Innenseite der Tür. »Ehrlich gesagt, ich glaub nicht, dass Violett wirklich zu mir passt«, sagte sie nachdenklich und zupfte an einem Büschel Stachelhaar. »Findest du nicht, ich seh damit 'n bisschen ungesund aus?« »Ähm -«, sagte Harry und blickte über den Rand von »Ja, eindeutig«, sagte Tonks bestimmt. Sie kniff die Augen mit angestrengter Miene zusammen, als versuchte sie sich mühsam an etwas zu erinnern. Eine Sekunde später war ihr Haar bonbonrosa. »Wie haben Sie das gemacht?«, fragte Harry und starrte sie mit offenem Mund an, während sie die Augen wieder öffnete. »Ich bin ein Metamorphmagus«, sagte sie, warf einen Blick zurück auf ihr Spiegelbild und drehte den Kopf so, dass sie ihr Haar von allen Seiten sehen konnte. »Das heißt, ich kann meine Erscheinung allein mit meinem Willen verändern«, fügte sie hinzu, als sie Harrys verdutzte Miene im Spiegel hinter sich bemerkte. »Bin schon so geboren. Bei der Aurorenschulung habe ich Spitzennoten in Tarnung und Maskierung gekriegt, ohne dass ich überhaupt dafür gelernt hab, das war toll.« »Sie sind ein Auror?«, fragte Harry beeindruckt. Ein Jäger schwarzer Magier zu werden war bisher das Einzige, was er sich für die Zeit nach Hogwarts vorgestellt hatte. »Jaah«, sagte Tonks stolz. »Kingsley auch, er ist allerdings ein wenig ranghöher als ich. Ich hab erst vor einem Jahr den Abschluss gemacht. Bin in Verheimlichen und Aufspüren fast durchgerasselt. Ich bin so was von schusselig. Hast du gehört, wie ich den Teller runtergeschmissen hab, als wir unten ankamen?« »Metamorphmagus - kann man das lernen?«, fragte Harry und richtete sich auf, das Kofferpacken hatte er schon völlig vergessen. Tonks gluckste. »Wette, du würdest diese Narbe gelegentlich gern mal verstecken, was?« Ihr Blick fiel auf die blitzförmige Narbe auf Harrys Stirn. »Nein, das würde ich nicht«, murmelte Harry und wandte sich ab. Er mochte es nicht, wenn die Leute seine Narbe anstarrten. »Naja, du wirst es auf die harte Tour lernen müssen, fürchte ich«, sagte Tonks. »Metamorphmagi sind ziemlich selten, sie werden als solche geboren und nicht dazu ausgebildet. Die meisten von uns brauchen ihren Zauberstab oder Zaubertränke, um ihre Erscheinung zu ändern. Aber wir müssen uns beeilen, Harry, wir sollten eigentlich packen«, fügte sie mit schuldbewusster Miene hinzu und ließ den Blick über das Sammelsurium am Boden schweifen. »Oh - ja«, sagte Harry und griff hastig nach ein paar Büchern. »Blödsinn, es geht viel schneller, wenn ich - Bücher, Kleider, Teleskop und Waage schossen in die Luft und flogen in den Koffer, durcheinander wie Kraut und Rüben. »Das ist nicht besonders ordentlich«, sagte Tonks, ging hinüber und blickte hinab auf das Durcheinander im Koffer. »Meine Mutter hat den Dreh raus, wie sich die Klamotten tipptopp von alleine ordnen - die bringt sogar die Socken dazu, sich selbst zu falten - aber ich hab nie rausgekriegt, wie sie's schafft - muss irgendwie locker aus dem Handgelenk kommen -« Hoffnungsvoll schnippte sie mit ihrem Zauberstab. Einer von Harrys Socken schwänzelte schwächlich und flappte dann wieder auf den kunterbunten Haufen im Koffer zurück. »Na gut«, sagte Tonks und schlug den Kofferdeckel zu, »wenigstens ist alles drin. Der da könnte auch ein wenig Reinemachen vertragen.« Sie richtete den Zauberstab auf Hedwigs Käfig. » Ihre Augen weiteten sich, als ihr Blick auf den Besen in Harrys rechter Hand fiel. Er war sein ganzer Stolz, ein Geschenk von Sirius, ein Besen von internationalem Standard. »Und ich flieg immer noch einen Komet Zwei-Sechzig«, sagte Tonks neidisch. »Naja ... Zauberstab noch in der Jeans? Beide Pobacken noch dran? Okay, gehen wir. Harrys Koffer hob sich einige Zentimeter in die Luft. Tonks trug Hedwigs Käfig in der Linken, in der Rechten hielt sie den Zauberstab wie einen Taktstock und ließ den Koffer voraus durch das Zimmer und zur Tür hinaus schweben. Harry trug seinen Besen und folgte ihr die Treppe hinunter. In der Küche hatte Moody inzwischen sein Auge wieder eingesetzt, und nach der Reinigung rotierte es so schnell, dass Harry vom Zusehen schlecht wurde. Kingsley Shacklebolt und Sturgis Podmore untersuchten die Mikrowelle, und Hestia Jones lachte über einen Kartoffelschäler, auf den sie beim Stöbern in den Schubladen gestoßen war. Lupin versiegelte einen an die Dursleys adressierten Brief. »Bestens«, sagte Lupin und blickte auf, als Tonks und Harry eintraten. »Wir haben noch ungefähr eine Minute, denke ich. Vielleicht sollten wir raus in den Garten, damit wir bereit sind. Harry, ich lass einen Brief an Tante und Onkel hier, damit sie sich keine Sorgen -« »Tun die sowieso nicht«, sagte Harry. »- dass du in Sicherheit bist -« »Das deprimiert sie nur.« »- und dass du sie nächsten Sommer wieder besuchst.« »Muss das sein?« Lupin lächelte, antwortete aber nicht. »Komm her, Junge«, sagte Moody ruppig und winkte Harry mit dem Zauberstab zu sich. »Ich muss dich desillusionieren.« »Sie müssen was?«, sagte Harry nervös. »Desillusionierungszauber«, sagte Moody und hob den Zauberstab. »Lupin meint, du hast einen Tarnumhang, aber der flattert weg, während wir fliegen; das hier verbirgt dich besser. Los geht's -« Er klopfte ihm hart auf den Kopf, und Harry hatte das komische Gefühl, als hätte Moody gerade ein Ei darauf aufgeschlagen; von dort, wo der Zauberstab ihn getroffen hatte, schienen kalte Tropfen seinen Körper hinunterzurinnen. »Der kam gut, Mad-Eye«, sagte Tonks anerkennend und starrte auf Harrys Brustkorb. Harry blickte an seinem Körper hinab, oder vielmehr an seinem ehemaligen Körper, denn er sah nicht mehr aus wie der seine. Er war nicht unsichtbar; er hatte schlicht und einfach die gleiche Farbe und Maserung wie der Küchenschrank hinter ihm angenommen. Er schien ein menschliches Chamäleon geworden zu sein. »Komm«, sagte Moody und entriegelte die Hintertür mit seinem Zauberstab. Sie traten alle nach draußen auf Onkel Vernons wunderschön gepflegten Rasen. »Klare Nacht«, brummte Moody und suchte den Himmel mit seinem magischen Auge ab. »Ein paar mehr Wolken als Deckung wär'n nicht schlecht gewesen. Jetzt hör mal«, blaffte er Harry an, »wir fliegen in enger Formation. Tonks fliegt direkt vor dir, bleib dicht an ihrem Schweif. Lupin deckt dich von unten. Ich bin hinter dir. Die andern umkreisen uns. Wir bleiben um jeden Preis zusammen, verstanden? Wenn einer von uns getötet wird -« »Kann das passieren?«, fragte Harry besorgt, doch Moody überhörte ihn. »- fliegen die andern weiter, stoppen nicht, bleiben in Formation. Wenn sie uns alle ausknipsen und du überlebst, Harry, steht die Nachhut bereit und übernimmt; flieg weiter Richtung Osten, dort werden sie dich in Empfang nehmen.« »Nur nicht so gut gelaunt, Mad-Eye, er wird noch denken, wir nehmen das nicht ernst«, sagte Tonks, während sie Harrys Koffer und Hedwigs Käfig in einem Geschirr festzurrte, das an ihrem Besen hing. »Ich erklär dem Jungen nur den Plan«, grollte Moody. »Unser Job ist es, ihn sicher im Hauptquartier abzuliefern, und wenn wir bei dem Unternehmen sterben -« »Niemand wird sterben«, sagte Kingsley Shacklebolt mit seiner tiefen, beruhigenden Stimme. »Rauf auf die Besen, das ist das erste Signal!«, sagte Lupin scharf und deutete auf den Himmel. Hoch, hoch über ihnen war ein roter Funkenschauer zwischen den Sternen aufgeflackert. Harry erkannte sofort, dass es Zauberstabfunken waren. Er schwang das rechte Bein über den Feuerblitz, packte ihn entschlossen am Stiel und spürte ihn ganz leicht vibrieren, als wäre er ebenso wild darauf wie Harry, wieder in der Luft zu sein. »Zweites Signal, los geht's!«, sagte Lupin laut, als erneut hoch über ihnen Funken explodierten, diesmal waren es grüne. Harry stieß sich kräftig vom Boden ab. Die kühle Nachtluft rauschte ihm durchs Haar, die ordentlichen quadratischen Gärten des Ligusterwegs sanken in die Tiefe und schrumpften rasch zu einem Flickenteppich aus dunklen Grün- und Schwarztönen, und jeder Gedanke an die Anhörung im Ministerium war weggewischt, als ob der Fahrtwind ihn aus seinem Kopf geblasen hätte. Ihm war, als würde sein Herz vor Freude explodieren; er flog wieder, flog weg vom Ligusterweg, wie er es sich den ganzen Sommer über erträumt hatte, er war auf dem Weg nach Hause ... für ein paar glückselige Momente schienen all seine Probleme nichtig geworden, bedeutungslos in diesem weiten, sternübersäten Himmel. »Scharf links, scharf links, da schaut ein Muggel hoch!«, rief Moody hinter ihm. Tonks riss den Besen herum, und Harry folgte ihr, seinen Koffer im Blick, der unter ihrem Besen heftig hin und her schaukelte. »Wir müssen höher ... noch 'ne Viertelmeile!« Harrys Augen wurden feucht vor Kälte, als sie nach oben schnellten; in der Tiefe konnte er nun nichts mehr erkennen außer den winzigen Stecknadellichtern der Autoscheinwerfer und Straßenlaternen. Zwei dieser winzigen Lichter gehörten vielleicht zu Onkel Vernons Wagen ... die Dursleys waren jetzt wohl auf der Rückfahrt zu ihrem leeren Haus, wütend wegen des angeblichen Rasenwettbewerbs ... und Harry lachte laut bei diesem Gedanken, auch wenn seine Stimme erstickt wurde vom Flattern der Umhänge, vom Knarren der Gurte, die seinen Koffer und den Käfig hielten, und vom Pfeifen des Windes in seinen Ohren, während sie durch die Luft schossen. Seit einem Monat hatte er sich nicht mehr so lebendig gefühlt und auch nicht so glücklich. »Südlich halten!«, rief Mad-Eye. »Stadt voraus!« Sie schwenkten nach rechts, um nicht direkt über das glitzernde Spinnennetz aus Lichtern in der Tiefe zu fliegen. »Nach Südosten und höher steigen, da ist eine niedrige Wolke voraus, in der wir verschwinden können!«, rief Moody. »Wir fliegen nicht durch Wolken!«, rief Tonks erbost. »Da werden wir pitschnass, Mad-Eye!« Harry war erleichtert, das zu hören; seine Hände am Stiel des Feuerblitzes wurden allmählich taub. Hätte er nur daran gedacht, einen Mantel anzuziehen; er fing an zu zittern. Immer wieder änderten sie nach Mad-Eyes Anweisungen ihren Kurs. Harry kniff im eisigen Windzug, der ihm allmählich auch in den Ohren schmerzte, die Augen zu. Nur einmal, erinnerte er sich, war ihm auf dem Besen so kalt gewesen, während des Quidditch-Spiels gegen Hufflepuff in seinem dritten Jahr, als es gestürmt hatte. Seine Bewacher um ihn her kreisten unablässig wie riesige Raubvögel. Harry verlor allmählich jegliches Zeitgefühl. Er fragte sich, wie lange sie geflogen waren, es musste mindestens eine Stunde gewesen sein. »Nach Südwest drehen!«, rief Moody. »Wir wollen die Autobahn umgehen!« Harry war jetzt so durchgefroren, dass er sehnsüchtig an die behaglichen, trockenen Innenräume der Autos dachte, die unten dahinströmten, und dann, noch sehnsüchtiger, an das Reisen mit Flohpulver; es war vielleicht unbequem, in Kaminen umherzuwirbeln, aber in den Flammen war es wenigstens warm ... Kingsley Shacklebolt schwirrte um ihn herum, sein kahler Schädel und der Ohrring schimmerten schwach im Mondlicht ... jetzt war Emmeline Vance zu seiner Rechten, sie hielt den Zauberstab erhoben und wandte den Kopf nach rechts und links ... dann flog auch sie über ihn hinweg und Sturgis Podmore nahm ihre Position ein. »Wir sollten ein Stück zurückfliegen, nur um sicherzugehen, dass wir nicht verfolgt werden!«, rief Moody. »BIST DU VERRÜCKT, MAD-EYE?«, schrie Tonks von der Spitze her. »Wir sind allesamt an den Besen festgefroren! Wenn wir andauernd vom Kurs abweichen, brauchen wir noch 'ne Woche! Außerdem sind wir jetzt fast da!« »Zeit zum Landeanflug!«, ertönte Lupins Stimme. »Halt dich an Tonks, Harry!« Harry folgte Tonks in die Tiefe. Sie flogen auf die größte Ansammlung von Lichtern zu, die er je gesehen hatte, eine riesige, unter ihm ausgebreitete, kreuz und quer verlaufende Masse aus glitzernden Gittern und Linien, gesprenkelt mit Flecken aus tiefstem Schwarz. Tiefer und tiefer sanken sie, bis Harry einzelne Scheinwerfer und Straßenlaternen, Kamine und Fernsehantennen sehen konnte. Es verlangte ihn heftig, wieder auf dem Boden zu sein, doch war er sich sicher, dass jemand ihn vom Besen loseisen musste. »Na endlich!«, rief Tonks und ein paar Sekunden später war sie gelandet. Harry setzte gleich hinter ihr auf einem ungepflegten Flecken Gras in der Mitte eines kleinen Platzes auf. Tonks schnallte bereits seinen Koffer los. Zitternd blickte Harry sich um. Die schmutzigen Fassaden der Häuser rundum wirkten nicht gerade einladend; manche hatten zerbrochene Fensterscheiben, die im Licht der Straßenlaternen stumpf schimmerten, von vielen Türen blätterte die Farbe und neben etlichen Vortreppen lagen Abfallhaufen. »Wo sind wir?«, fragte Harry, doch Lupin sagte leise: »Moment noch.« Moody stöberte in seinem Mantel, seine knorrigen Hände waren klamm vor Kälte. »Hab es«, murmelte er, hob etwas empor, das aussah wie ein silbernes Feuerzeug, und ließ es klicken. Mit einem »Hab ich mir von Dumbledore geborgt«, knurrte Moody und steckte den Ausschalter ein. »Damit wir keine Probleme mit Muggeln haben, die vielleicht aus dem Fenster gucken, kapiert? Jetzt kommt, rasch.« Er nahm Harry am Arm und führte ihn von dem Grasfleck weg, über die Straße und auf den Gehweg; Lupin und Tonks, die zwischen sich Harrys Koffer trugen, folgten ihnen, und der Rest der Leibgarde flankierte sie, die Zauberstäbe im Anschlag. Das dumpfe Wummern einer Musikanlage drang aus dem oberen Fenster des nächsten Hauses. Beißender Gestank nach faulendem Abfall stieg aus den überquellenden Mülleimern gleich hinter dem kaputten Tor. »Hier«, murmelte Moody, hielt Harrys desillusionierter Hand ein Pergamentblatt entgegen und beleuchtete die Schrift mit der entflammten Spitze seines Zauberstabs. »Rasch lesen und einprägen.« Harry blickte auf das Blatt. Die enge Handschrift kam ihm vage bekannt vor. Die Worte lauteten: |
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