"Harry Potter und die Heiligtümer des Todes" - читать интересную книгу автора (Роулинг Джоан)

Die Widmung dieses Buches ist siebengeteilt: für Neil, für Jessica, für David, für Kenzie, für Di, für Anne und für euch, wenn ihr zu Harry gehalten habt, bis ganz zum Schluss.

Erbteil des fluches,

hässlicher sünde

blutige wunde,

schmerzen, wer trüge sie?

quälen, wer stillte sie?

wehe weh!

Einzig der erbe

heilet des hauses

eiternde wunde,

einzig mit blut'gem schnitt.

götter der finsternis

rief mein lied.

Sel'ge geister drunten in der tiefe,

wenn ihr die beschwörungsrufe hörtet,

bringt den kindern hilfe, bringt den sieg.

Aischylos, Das Opfer am Grabe


Sterben ist nur ein Uebergang aus dieser Welt in die andere, als wenn Freunde über See gehen, welche dennoch in einander fortleben. Denn Diejenigen, die im Allgegenwärtigen lieben und leben, müssen nothwendig einander gegenwärtig seyn. In diesem göttlichen Spiegel sehen sie sich von Angesicht zu Angesicht, und ihr Umgang ist so wohl frey als rein. Und wenn sie auch durch den Tod getrennt werden, so haben sie doch den Trost, daß ihre Freundschaft und Gesellschaft ihnen, dem besten Gefühle nach, beständig gegenwärtig bleibt, weil diese unsterblich ist.

William Penn, Früchte der Einsamkeit. Zweyte Abtheilung


Die sieben Potters

Harry rannte die Treppe hoch in sein Zimmer zurück und erreichte gerade noch rechtzeitig das Fenster, um den Wagen der Dursleys aus der Zufahrt hinaus- und auf der Straße davonrauschen zu sehen. Dädalus'

Zylinder war zwischen Tante Petunia und Dudley auf dem Rücksitz sichtbar. Der Wagen bog am Ende des Ligusterwegs nach rechts ab, die Fenster flammten in der gerade untergehenden Sonne für einen Moment scharlachrot auf, dann war er verschwunden.

Harry nahm Hedwigs Käfig, seinen Feuerblitz und den Rucksack, ließ ein letztes Mal den Blick durch sein ungewohnt ordentliches Zimmer schweifen und stieg dann ungelenk zurück hinunter in den Flur, wo er Käfig, Besen und Rucksack am Fuß der Treppe abstellte. Das Licht schwand nun rasch, der Flur war voller Schatten in der Abenddämmerung.

Es war ein äußerst merkwürdiges Gefühl für ihn, in der Stille dazustehen und zu wissen, dass er das Haus gleich zum letzten Mal verlassen würde.

Vor langer Zeit, als die Dursleys ihn allein gelassen hatten, während sie ausgegangen waren, um sich zu vergnügen, waren die Stunden der Einsamkeit ein seltener Genuss gewesen: Er war nach oben gerannt, um auf Dudleys Computer zu spielen, und hatte nur Pause gemacht, um etwas aus dem Kühlschrank zu stibitzen, oder er hatte den Fernseher eingeschaltet und nach Lust und Laune durch die Kanäle gezappt. Wenn er sich diese Zeiten ins Gedächtnis rief, fühlte er eine sonderbare Leere; es war, als ob er sich an einen jüngeren Bruder erinnerte, den er verloren hatte.

»Möchtest du dir das Haus nicht noch einmal ansehen?«, fragte er Hedwig, die den Kopf immer noch schmollend unter einen Flügel gesteckt hatte. »Wir kommen hier nie wieder her. Willst du dich nicht an all die guten Zeiten erinnern? Ich meine, schau dir diese Türmatte an. Was für Erinnerungen ... Dudley hat da draufgekotzt, als ich ihn vor den Dementoren gerettet habe ... Am Ende war er dann doch dankbar, hättest du das gedacht? ... Und letzten Sommer kam Dumbledore durch diese Haustür

...«

Harry verlor für einen Moment den Faden, und Hedwig half ihm nicht, ihn wiederzufinden, sondern blieb weiter mit dem Kopf unter dem Flügel sitzen. Harry wandte der Haustür den Rücken zu.

»Und hier drunter, Hedwig -«, Harry zog eine Tür unter der Treppe auf,

»hier hab ich immer geschlafen! Da hast du mich noch gar nicht gekannt –

Wahnsinn, ist das eng, das hatte ich schon vergessen ...«

Harrys Augen wanderten über die aufgestapelten Schuhe und Schirme, und er erinnerte sich daran, wie er jeden Morgen mit Blick auf die Unterseite der Treppe aufgewacht war, die häufig die ein oder andere Spinne zierte. Das war die Zeit gewesen, in der er noch gar nicht gewusst hatte, wer er wirklich war; noch nicht herausgefunden hatte, wie seine Eltern gestorben waren oder warum oft so seltsame Dinge um ihn herum passierten. Aber Harry konnte sich nach wie vor an die Träume erinnern, die ihn sogar in jener Zeit verfolgt hatten: verworrene Träume mit grünen Lichtblitzen, und einmal – Onkel Vernon hatte fast seinen Wagen zu Schrott gefahren, als Harry es erzählte –, einmal war auch ein fliegendes Motorrad darin vorgekommen ...

Plötzlich war ein ohrenbetäubendes Dröhnen ganz in der Nähe zu hören.

Harry richtete sich jäh auf und schlug mit der Schädeldecke an den niedrigen Türrahmen. Er wankte zurück in die Küche, blieb nur stehen, um einige der erlesensten Schimpfwörter von Onkel Vernon loszulassen, hielt sich den Kopf und starrte aus dem Fenster in den Garten hinter dem Haus.

Die Dunkelheit schien Wellen zu schlagen, die Luft selbst bebte. Dann tauchten nacheinander Gestalten auf, schlagartig, sowie der Desillusionierungszauber von ihnen abfiel. Als Erster fiel Hagrid ins Auge, er trug Helm und Schutzbrille und saß rittlings auf einem riesigen Motorrad, an dem ein schwarzer Beiwagen befestigt war. Um ihn herum stiegen weitere Leute von ihren Besen und zwei von skelettartigen schwarzen Pferden mit Flügeln.

Harry riss die Hintertür auf und stürmte mitten in die Menge hinein.

Unter allgemeinem Begrüßungsgeschrei schlang Hermine die Arme um ihn, Ron klopfte ihm auf den Rücken, und Hagrid sagte: »Alles kla', Harry?

Fertig zum Abfluch?«

»Sicher«, sagte Harry und strahlte in die Runde. »Aber so viele von euch hätt ich nicht erwartet!«

»Plan geändert«, knurrte Mad-Eye, der zwei gewaltige, prall gefüllte Säcke hielt und dessen magisches Auge Schwindel erregend schnell von dem immer dunkler werdenden Himmel über das Haus zum Garten wirbelte. »Gehen wir in Deckung, ehe wir alles besprechen.«

Harry führte sie hinein in die Küche, wo sie sich lachend und schwatzend auf Stühlen niederließen, auf Tante Petunias glänzende Arbeitsplatten hockten oder sich an ihre makellos sauberen Haushaltsgeräte lehnten: Ron, lang und schlaksig; Hermine, das buschige Haar zu einem langen Zopf zurückgebunden; Fred und George, ununterscheidbar grinsend; Bill, mit üblen Narben und langen Haaren; Mr Weasley, mit freundlichem Gesicht, schütterem Haar und leicht schief sitzender Brille; Mad-Eye, vom Kampf gezeichnet, mit nur einem Bein und einem strahlend blauen Auge, das in seiner Höhle surrte; Tonks, die ihr kurzes Haar in ihrer Lieblingsfarbe trug, einem knalligen Pink; Lupin, grauer, faltiger; Fleur, schlank und schön, mit ihrem langen silbrig blonden Haar; Kingsley, kahlköpfig, schwarz, breitschultrig; Hagrid mit seinem struppigen Haar und Bart, der gebückt dastand, um mit dem Kopf nicht an die Decke zu stoßen, und Mundungus Fletcher, klein, schmutzig und erbärmlich, mit seinen matten, bassetartigen Hundeaugen und dem verfilzten Haar. Harry ging bei diesem Anblick das Herz auf und ihm wurde ganz warm: Er freute sich unglaublich über sie alle, sogar über Mundungus, den er bei ihrem letzten Zusammentreffen fast erwürgt hätte.

»Kingsley, ich dachte, du bewachst den Premierminister der Muggel?«, rief er quer durch den Raum.

»Der kann eine Nacht lang ohne mich auskommen«, sagte Kingsley.

»Du bist wichtiger.«

»Harry, weißt du was?«, sagte Tonks von ihrem Platz oben auf der Waschmaschine aus und winkte ihm mit ihrer linken Hand zu; ein Ring glitzerte daran.

»Du hast geheiratet?«, japste Harry und blickte von ihr zu Lupin.

»Tut mir leid, dass du nicht dabei sein konntest, war eine traute Runde.«

»Das ist großartig, gratu-«

»Schon gut, schon gut, wir haben später Zeit, das alles gemütlich zu bequatschen!«, brüllte Moody durch den Trubel und in der Küche trat Stille ein. Moody ließ die Säcke vor seine Füße fallen und wandte sich an Harry.

»Dädalus hat dir wahrscheinlich schon gesagt, dass wir Plan A aufgeben mussten. Pius Thicknesse ist übergelaufen, was uns vor ein großes Problem stellt. Er hat es zur strafbaren Handlung erklärt, auf die Gefängnis steht, dieses Haus mit dem Flohnetzwerk zu verbinden, einen Portschlüssel hier abzulegen oder rein- und rauszuapparieren. Alles unter dem Vorwand, dich zu schützen, damit Du-weißt-schon-wer nicht an dich herankommt.

Vollkommen sinnlos, wo doch der Zauber deiner Mutter das schon tut. In Wirklichkeit hat er es fertiggebracht, dass du hier nicht mehr sicher rauskommst. Zweites Problem: Du bist minderjährig, das heißt, du hast immer noch die Spur auf dir.«

»Die was? «

»Die Spur, die Spur!«, sagte Mad-Eye ungeduldig. »Der Zauber, der magische Aktivitäten im Umfeld von unter Siebzehnjährigen aufspürt, mit dem das Ministerium rausfindet, wenn Minderjährige zaubern! Wenn du oder irgendjemand um dich herum einen Zauber ausführt, um hier rauszukommen, dann wird Thicknesse davon erfahren, genauso wie die Todesser.

Wir können nicht warten, bis die Spur sich löst, weil du im Moment, da du siebzehn wirst, sofort allen Schutz verlierst, den deine Mutter dir verliehen hat. Kurz gesagt: Pius Thicknesse glaubt, dass er dich endgültig in die Enge getrieben hat.«

Harry konnte nicht umhin, dem unbekannten Thicknesse Recht zu geben.

»Was werden wir also tun?«

»Wir benutzen die einzigen Transportmittel, die uns bleiben, die einzigen, die von der Spur nicht ermittelt werden können, weil wir keinen Zauber ausüben müssen, um sie zu benutzen: Besen, Thestrale und Hagrids Motorrad.«

Harry konnte einige Schwachstellen an diesem Plan erkennen; allerdings hielt er den Mund, um Mad-Eye die Gelegenheit zu geben, sie selbst anzusprechen.

»Nun, der Zauber deiner Mutter bricht nur unter zwei Bedingungen: wenn du volljährig wirst oder -«, Moody deutete auf die blitzsaubere Küche um ihn herum, »- wenn du diesen Ort nicht mehr dein Zuhause nennst. Du, deine Tante und dein Onkel geht heute Nacht getrennte Wege, vollkommen einig, dass ihr nie wieder zusammenleben werdet, richtig?«

Harry nickte.

»Wenn du also dieses Mal fortgehst, wird es keine Rückkehr geben, und der Zauber wird brechen, sobald du außerhalb seiner Reichweite bist. Wir brechen ihn lieber frühzeitig, denn die Alternative ist, zu warten, bis Du-weißt-schon-wer kommt und dich ergreift, in dem Moment, da du siebzehn wirst.

Der einzige Trumpf, den wir haben, ist, dass Du-weißt-schon-wer nicht weiß, dass wir dich heute Nacht wegbringen.

Wir haben für das Ministerium eine falsche Fährte gelegt: Die glauben, dass du nicht vor dem Dreißigsten abreist. Allerdings haben wir es mit Du-weißt-schon-wem zu tun, das heißt, wir können uns nicht einfach darauf verlassen, dass er das falsche Datum hat; er lässt sicher ein paar Todesser hier in der Gegend am Himmel Patrouille fliegen, nur für den Fall. Deshalb haben wir einem Dutzend verschiedenen Häusern sämtlichen Schutz verliehen, den wir aufbringen können. Sie sehen alle aus, als wären sie der Ort, an dem wir dich verstecken werden, sie haben alle irgendeine Verbindung zum Orden: mein Haus, Kingsleys, das von Mollys Tantchen Muriel – du verstehst schon.«

»Jaah«, sagte Harry, nicht ganz ehrlich, denn er konnte immer noch einen riesigen Haken bei dem Plan erkennen.

»Du gehst zu Tonks' Eltern. Sobald du innerhalb der Grenzen der Schutzzauber bist, die wir über ihr Haus gelegt haben, kannst du einen Portschlüssel zum Fuchsbau nehmen. Noch Fragen?«

»Ähm – ja«, sagte Harry. »Sie werden vielleicht anfangs nicht wissen, zu welchem der zwölf sicheren Häuser ich fliege, aber wird das nicht irgendwie offensichtlich sein, sobald -«, er zählte kurz die Köpfe, »-vierzehn von uns zu Tonks' Eltern aufbrechen?«

»Ah«, sagte Moody, »ich hab den entscheidenden Punkt vergessen. Es werden keine vierzehn von uns zu Tonks' Eltern aufbrechen. Heute Abend werden sieben Harry Potters durch den Himmel fliegen, jeder von ihnen mit einem Begleiter, und jedes Paar auf dem Weg zu einem anderen sicheren Haus.«

Moody zog nun aus seinem Mantel ein Fläschchen mit etwas, das wie Schlamm aussah. Er brauchte gar nicht weiterzureden; Harry begriff den restlichen Plan sofort.

»Nein!«, sagte er laut und seine Stimme schallte durch die Küche.

»Kommt nicht in Frage!«

»Ich habe ihnen gesagt, dass du so reagieren würdest«, meinte Hermine mit einem Hauch von Selbstgefälligkeit.

»Wenn ihr glaubt, ich lasse es zu, dass sechs Leute ihr Leben riskieren -

»- weil es ja für uns alle das erste Mal ist«, sagte Ron.

»Das ist was anderes, so zu tun, als wärt ihr ich -«

»Also, keiner von uns ist wirklich scharf drauf, Harry«, sagte Fred ernst.

»Stell dir vor, es geht was schief, dann stecken wir für immer als picklige dürre Trottel fest.«

Harry lächelte nicht.

»Ihr könnt es nicht tun, wenn ich nicht mitmache; ich muss euch ein paar Haare geben.«

»Tja, damit wäre der Plan im Eimer«, sagte George. »Natürlich haben wir gar keine Chance, ein paar Haare von dir zu kriegen, wenn du nicht mitmachst.«

»Jaah, dreizehn von uns gegen einen Typen, der nicht zaubern darf; das können wir gleich vergessen«, sagte Fred.

»Witzig«, sagte Harry. »Wirklich witzig.«

»Wenn es nicht anders geht, dann eben mit Gewalt«, knurrte Moody, und sein magisches Auge zitterte jetzt ein wenig in seiner Höhle, während er Harry anfunkelte. »Jeder hier ist volljährig, Potter, und es sind alle bereit, das Risiko auf sich zu nehmen.«

Mundungus zuckte die Achseln und verzog das Gesicht; das magische Auge schwenkte seitwärts und starrte ihn böse aus Moodys Schläfe heraus an.

»Jetzt keinen Streit mehr. Die Zeit wird knapp. Ich will ein paar von deinen Haaren, Junge, und zwar sofort.«

»Aber das ist verrückt, es ist überhaupt nicht nötig -«

»Nicht nötig!«, knurrte Moody. »Wo Du-weißt-schon-wer da draußen und das halbe Ministerium auf seiner Seite ist? Potter, wenn wir Glück haben, hat er den falschen Köder geschluckt und plant, dich am Dreißigsten zu überfallen, aber er wäre nicht ganz richtig im Kopf, wenn er nicht ein oder zwei Todesser hätte, die Ausschau halten, das würde ich jedenfalls tun. Sie können an dich und das Haus zwar nicht rankommen, während der Zauber deiner Mutter noch wirkt, aber der schwindet bald, und sie wissen, wo das Haus ungefähr liegt. Unsere einzige Chance ist, Lockvögel zu verwenden. Selbst Du-weißt-schon-wer kann sich nicht in sieben Stücke teilen.«

Harry begegnete Hermines Blick und sah sofort weg.

»Also, Potter – ein paar von deinen Haaren, wenn ich bitten darf.«

Harry sah zu Ron hinüber, der eine Grimasse zog, als ob er etwas wie

»Tu's einfach« sagen wollte.

»Sofort!«, bellte Moody.

Alle Blicke ruhten auf Harry, während er sich oben auf den Kopf fasste, ein Büschel Haare packte und zog.

»Gut«, sagte Moody und kam herangehumpelt, wobei er den Stöpsel aus dem Zaubertrankfläschchen zog. »Direkt hier rein, wenn ich bitten darf.«

Harry ließ die Haare in die schlammartige Flüssigkeit fallen. Als sie auf die Oberfläche trafen, begann der Zaubertrank zu schäumen und zu qualmen, und dann nahm er, mit einem Schlag, eine klare, helle Goldfarbe an.

»Ooh, Harry, du siehst viel leckerer aus als Crabbe und Goyle«, sagte Hermine, ehe sie Rons hochgezogene Augenbrauen erblickte und leicht errötend fortfuhr: »Oh, du weißt, was ich meine – der Trank von Goyle sah wie Popel aus.«

»Also dann, alle falschen Potters bitte hier drüben in einer Reihe aufstellen«, sagte Moody.

Ron, Hermine, Fred, George und Fleur bauten sich vor Tante Petunias glänzender Spüle auf.

»Einer fehlt«, sagte Lupin.

»Hier«, sagte Hagrid barsch, hob Mundungus am Kragen hoch und setzte ihn neben Fleur wieder ab, die ostentativ ihre Nase rümpfte und wegging, um sich stattdessen zwischen Fred und George zu stellen.

»Ich hab dir doch gesagt, ich wär lieber 'n Beschützer«, meinte Mundungus.

»Klappe«, knurrte Moody. »Und wie ich dir schon gesagt habe, du rückgratloser Wurm, wird jeder Todesser, auf den wir stoßen, Potter gefangen nehmen und nicht töten wollen. Dumbledore hat immer behauptet, dass Du-weißt-schon-wer Potter eigenhändig erledigen will. Die Beschützer werden's am schwersten haben, denn die Todesser werden sie umbringen wollen.«

Mundungus wirkte nicht sonderlich beruhigt, doch Moody zog bereits ein halbes Dutzend eierbechergroße Gläschen aus seinem Mantel, verteilte sie und goss in jedes davon ein wenig Vielsaft-Trank.

»Dann alle zusammen ...«

Ron, Hermine, Fred, George, Fleur und Mundungus tranken. Alle keuchten und verzerrten die Gesichter, als der Trank durch ihre Kehlen rann: Augenblicklich begannen ihre Züge Blasen zu werfen und sich wie heißes Wachs zu verziehen. Hermine und Mundungus schossen in die Höhe; Ron, Fred und George schrumpften; ihr Haar wurde dunkel, Hermines und Fleurs Haare schien es nach innen in ihre Köpfe zu ziehen.

Moody löste nun ganz gelassen die Schnüre der großen Säcke, die er mitgebracht hatte: Als er sich wieder aufrichtete, standen sechs Harry Potters keuchend und schnaufend vor ihm.

Fred und George wandten sich einander zu und sagten: »Wow – wir sind absolut gleich!«

»Ich weiß nicht, aber ich glaub, ich seh immer noch besser aus«, sagte Fred, während er sein Spiegelbild im Wasserkessel musterte.

»Bah«, sagte Fleur, die sich in der Klappe der Mikrowelle begutachtete,

»Bill, sieh misch nischt an – isch bin 'ässlisch.«

»Wem seine Klamotten ein wenig zu weit sind – ich hab hier kleinere«, sagte Moody und deutete auf den ersten Sack, »und umgekehrt. Vergesst nicht die Brillen, in der Seitentasche sind sechs Stück. Und wenn ihr angezogen seid, findet ihr in dem anderen Sack Reisegepäck. «

Der echte Harry dachte, dass dies so ziemlich das Seltsamste war, was er je gesehen hatte, und er hatte einige äußerst merkwürdige Dinge gesehen. Er beobachtete, wie seine sechs Doppelgänger in den Säcken herumwühlten, Anziehsachen herauszogen, Brillen aufsetzten, ihre eigene Kleidung wegsteckten. Als sie alle begannen, sich ohne Scham auszuziehen, hätte er sie am liebsten gebeten, seine Intimsphäre ein wenig mehr zu respektieren, denn seinen Körper zu zeigen war für sie offensichtlich viel leichter, als wenn es ihr eigener gewesen wäre.

»Wusste ich's doch, dass Ginny das mit der Tätowierung erfunden hat«, sagte Ron, der auf seine nackte Brust hinunterschaute.

»Harry, deine Augen sind wirklich erbärmlich schlecht«, stellte Hermine fest, als sie die Brille aufsetzte.

Sobald sie angezogen waren, nahmen die falschen Harrys aus dem zweiten Sack Rucksäcke und Eulenkäfige, jeder mit einer ausgestopften Schneeeule darin.

»Gut«, sagte Moody als ihm endlich sieben angekleidete, mit Brille und Gepäck ausgestattete Harrys gegenüberstanden. »Die Paare sehen folgendermaßen aus: Mundungus wird mit mir fliegen, auf dem Besen -«

»Warum bin ich bei dir?«, murrte der Harry, der der Hintertür am nächsten war.

»Weil du derjenige bist, auf den man aufpassen muss«, knurrte Moody, und tatsächlich blieb sein magisches Auge unentwegt auf Mundungus gerichtet, während er fortfuhr. »Arthur und Fred -«

»Ich bin George«, sagte der Zwilling, auf den Moody deutete. »Kannst du uns nicht mal auseinanderhalten, wenn wir Harry sind?«

»Sorry, George -«

»Ich führ dich nur am Zauberstab herum, in Wirklichkeit bin ich Fred -«

»Genug mit dem Blödsinn!«, fauchte Moody. »Der andere – George oder Fred oder wer du auch bist – du gehst mit Remus. Miss Delacour -«

»Ich nehme Fleur auf einem Thestral mit«, sagte Bill. »Sie ist von Besen nicht so begeistert.«

Fleur ging hinüber an seine Seite, wobei sie ihm einen rührseligen, unterwürfigen Blick zuwarf, der, wie Harry von ganzem Herzen hoffte, nie wieder in seinem Gesicht zu sehen sein würde.

»Miss Granger mit Kingsley, auch auf einem Thestral -«

Hermine wirkte beruhigt, als sie Kingsleys Lächeln erwiderte; Harry wusste, dass es auch Hermine auf einem Besen an Selbstvertrauen mangelte.

»Dann bleiben du und ich übrig, Ron!«, sagte Tonks strahlend und stieß einen Becherbaum um, als sie ihm zuwinkte.

Ron wirkte nicht ganz so erfreut wie Hermine.

»Un' du kommst mit mir, Harry. Is' das in Ordnung?«, sagte Hagrid mit leicht besorgter Miene. »Wir nehmen das Motorrad, bin zu schwer für Besen und Thestrale, verstehste. Gibt aber nich viel Platz aufm Sitz mit mir, deshalb bist du im Beiwagen.«

»Das ist prima«, sagte Harry, nicht ganz wahrheitsgetreu.

»Wir glauben, dass die Todesser davon ausgehen, dass du auf einem Besen fliegst«, sagte Moody, der zu erraten schien, was in Harry vorging.

»Snape hatte genug Zeit, denen alles über dich zu erzählen, was er vorher noch nicht erwähnt hat; wenn wir also auf Todesser stoßen, werden sie sich hundertprozentig einen von den Potters vorknöpfen, die so aussehen, als wären sie auf einem Besen zu Hause. Also dann«, fuhr er fort, schnürte den Sack mit den Kleidern für die falschen Potters zu und ging voran zurück zur Tür, »ich schätze, in drei Minuten sollten wir loslegen. Lohnt nicht, die Hintertür abzuschließen, das hält die Todesser nicht draußen, wenn sie nachsehen kommen ... Auf jetzt ...«

Harry eilte in den Flur, um seinen Rucksack, den Feuerblitz und Hedwigs Käfig zu holen, dann trat er zu den anderen in den dunklen Garten hinter dem Haus. Rundum sprangen Besen in Hände; Kingsley hatte Hermine schon auf einen großen schwarzen Thestral geholfen; Bill hatte Fleur auf den anderen gehoben. Hagrid stand neben dem Motorrad bereit, die Schutzbrille aufgesetzt.

»Ist es das? Das Motorrad von Sirius?«

»Genau das isses«, sagte Hagrid und strahlte zu Harry hinunter. »Und 's letzte Mal, als du draufgesessen hast, Harry, könnt ich dich in einer Hand tragen!«

Harry fühlte sich unwillkürlich ein wenig beschämt, als er in den Beiwagen stieg. Er saß nun gut einen Meter tiefer als alle anderen: Ron sah ihn feixend an, während er dahockte wie ein Kind in einem Autoskooter.

Harry verstaute seinen Rucksack und den Besen unten bei seinen Füßen und klemmte sich Hedwigs Käfig zwischen die Knie. Es war furchtbar unbequem.

»Arthur hat 'n bisschen dran rumgebosselt«, sagte Hagrid, dem Harrys Unbehaglichkeit gar nicht auffiel. Er setzte sich rittlings auf das Motorrad, das mit leisem Quietschen etliche Zentimeter in den Boden sank. »Hat jetzt

'n paar hübsche Tricks am Lenker. Das da war meine Idee.«

Er zeigte mit einem dicken Finger auf einen lila Knopf nahe dem Tachometer.

»Bitte sei vorsichtig, Hagrid«, sagte Mr Weasley, der neben ihnen stand, den Besen in der Hand. »Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob das ratsam war, und es darf natürlich nur in Notfällen eingesetzt werden.«

»Na dann – alles klar«, sagte Moody. »Bereitmachen bitte; ich will, dass wir alle genau zur selben Zeit abfliegen, damit der ganze Clou von dem Ablenkungsmanöver nicht verloren geht.«

Sie bestiegen ihre Besen.

»Halt dich jetzt fest, Ron«, sagte Tonks, und Harry sah, wie Ron Lupin verstohlen einen schuldbewussten Blick zuwarf, ehe er seine Hände an ihre Taille legte. Hagrid trat den Kickstarter: Das Motorrad brüllte auf wie ein Drache und der Beiwagen fing an zu vibrieren.

»Viel Glück, allesamt«, schrie Moody. »Wir sehen uns in etwa einer Stunde im Fuchsbau. Ich zähle bis drei. Eins ... zwei ... DREI.«

Das Motorrad dröhnte gewaltig, und Harry spürte, wie es den Beiwagen gefährlich hochriss: Schnell stieg Harry durch die Lüfte empor, seine Augen tränten ein wenig, und das Haar wurde ihm aus dem Gesicht gepeitscht. Um ihn herum schossen Besen ebenfalls in die Höhe: Der lange schwarze Schwanz eines Thestrals schnellte vorbei. Harrys Beine, die neben Hedwigs Käfig und seinem Rucksack in den Beiwagen gequetscht waren, schmerzten bereits und wurden allmählich taub. Es war ihm so unbequem, dass er fast vergaß, einen letzten Blick auf Ligusterweg Nummer vier zu werfen; als er über den Rand des Beiwagens schaute, konnte er nicht mehr erkennen, welches Haus es war. Höher und höher stiegen sie in den Himmel -

Und dann, aus dem Nirgendwo, aus dem Nichts, waren sie umzingelt.

Mindestens dreißig Gestalten mit Kapuzen, in der Luft schwebend, bildeten einen riesigen Kreis, in den die Ordensleute mitten hineingeflogen waren, ahnungslos -

Schreie, grünes Licht blitzte zu allen Seiten auf: Hagrid schrie und das Motorrad kippte herum. Harry verlor jede Orientierung: Straßenlaternen über ihm, Schreie um ihn herum, er klammerte sich in letzter Verzweiflung an dem Beiwagen fest. Hedwigs Käfig, der Feuerblitz und der Rucksack rutschten unter seinen Knien hervor -

»Nein – HEDWIG!«

Der Besen wirbelte in die Tiefe, doch es gelang Harry gerade noch, den Riemen seines Rucksacks und das Dach des Käfigs zu packen, als das Motorrad wieder in die richtige Lage hochschwang. Einen kurzen Augenblick Erleichterung, dann wieder ein grelles grünes Licht. Die Eule kreischte und fiel auf den Käfigboden.

»Nein – NEIN!«

Das Motorrad beschleunigte rasend schnell; Harry nahm kurz wahr, wie vermummte Todesser auseinanderstoben, als Hagrid ihren Kreis durchbrach.

»Hedwig – Hedwig -«

Aber die Eule lag reglos und kläglich wie eine Puppe am Boden ihres Käfigs. Er konnte es nicht begreifen und seine schreckliche Angst um die anderen war übermächtig. Er spähte kurz über seine Schulter und sah eine Menge von Leuten in Bewegung, aufflammendes grünes Licht, zwei Besen mit je zwei Leuten, die in die Ferne davonrasten, konnte aber nicht erkennen, wer es war -

»Hagrid, wir müssen zurück, wir müssen zurück!«, schrie er durch das Donnergrollen des Motors, zückte seinen Zauberstab und rammte Hedwigs Käfig auf den Boden, indes er nicht glauben wollte, dass sie tot war.

»Hagrid, UMDREHEN!«

»'s is' mein Job, dich sicher dort hinzubring'n, Harry!«, brüllte Hagrid und er gab Gas.

»Halt – HALT!«, rief Harry. Doch als er wieder nach hinten sah, schossen zwei grüne Lichtstrahlen an seinem linken Ohr vorbei: Vier Todesser waren aus dem Kreis ausgebrochen und verfolgten sie, Hagrids breiten Rücken im Visier. Hagrid riss das Motorrad herum, aber die Todesser blieben dicht an ihnen dran; weitere Flüche flogen hinter ihnen her, und Harry musste sich tief in den Beiwagen ducken, um ihnen zu entgehen. Dann krümmte er sich nach hinten und schrie: »Stupor!«, und ein roter Lichtblitz schoss aus seinem eigenen Zauberstab und riss eine Lücke zwischen die vier Todesser auf ihren Fersen, da sie auseinanderstoben, um ihm auszuweichen.

»Harry, halt dich fest, das wird ihnen den Rest geben!«, donnerte Hagrid, und als Harry aufblickte, sah er gerade noch, wie Hagrid seinen dicken Finger auf einen grünen Knopf nahe der Tankuhr rammte.

Eine Mauer, eine massive Backsteinmauer, brach aus dem Auspuffrohr hervor. Harry verrenkte sich fast den Hals, während er beobachtete, wie sie sich mitten in der Luft aufbaute. Drei der Todesser schwenkten um und wichen ihr aus, doch der vierte hatte weniger Glück: Er verschwand aus dem Blickfeld und stürzte dann wie ein Felsbrocken hinter der Mauer in die Tiefe, sein Besen in Stücke zerfetzt. Einer seiner Gefährten bremste ab, um ihn zu retten, doch die zwei wurden samt der Mauer in der Luft von der Dunkelheit verschluckt, als sich Hagrid tief über den Lenker legte und Gas gab.

Weitere Todesflüche aus den Zauberstäben der beiden verbliebenen Todesser flogen an Harrys Kopf vorbei; sie zielten auf Hagrid ab. Harry antwortete mit neuen Schockzaubern: Rot und Grün stießen in der Luft zusammen und zerbarsten in einem Schauer vielfarbiger Funken, was Harry verworren an ein Feuerwerk denken ließ und an die Muggel unten, die sicher keine Ahnung hatten, was da passierte -

»Und noch einen drauf, Harry, halt dich fest!«, rief Hagrid und drückte einen zweiten Knopf. Diesmal schnellte ein großes Netz aus dem Motorradauspuff, aber die Todesser waren darauf vorbereitet. Sie wichen aus, um ihm zu entgehen, und der Gefährte, der abgebremst hatte, um ihren bewusstlosen Freund zu retten, hatte sie auch wieder eingeholt: Er brach plötzlich aus der Dunkelheit hervor, und nun verfolgten drei von ihnen das Motorrad und jagten ihm allesamt Flüche hinterher.

»Das wird reinhauen, Harry, halt dich fest!«, schrie Hagrid, und Harry sah, wie er mit der ganzen Hand auf den lila Knopf neben dem Tachometer schlug.

Mit unverkennbarem donnerndem Getöse loderte Drachenfeuer aus dem Auspuff hervor, glühend weiß und blau, und das Motorrad preschte wie eine Kanonenkugel vorwärts, mit einem Lärm von berstendem Metall.

Harry sah, wie die Todesser zur Seite wichen und außer Sicht verschwanden, um dem tödlichen Flammenschweif zu entkommen, und gleichzeitig spürte er, wie der Beiwagen unheilvoll schwankte: Die Kraft der Beschleunigung hatte das Metall, das ihn mit dem Motorrad verband, splittern lassen.

»Alles in Ordnung, Harry!«, brüllte Hagrid, den die steigende Geschwindigkeit nun flach auf den Rücken drückte; das Motorrad war jetzt führerlos, und der Beiwagen schlenkerte wild in seinem Fahrtwind hin und her.

»Ich mach schon, Harry, keine Sorge!«, schrie Hagrid und er zog seinen geblümten rosa Schirm aus der Jackentasche.

»Hagrid! Nein! Lass mich da ran!«

»REPARO!«

Ein ohrenbetäubender Knall war zu hören und der Beiwagen brach endgültig vom Motorrad ab: Harry raste weiter, zunächst noch angetrieben vom Schwung des fliegenden Motorrads, dann begann der Beiwagen an Höhe zu verlieren -

Verzweifelt richtete Harry seinen Zauberstab auf ihn und rief:

»Wingardium Leviosa!«

Der Beiwagen stieg wie ein Korken nach oben, er ließ sich nicht steuern, hielt sich aber immerhin noch in der Luft. Doch Harry hatte nur für den Bruchteil einer Sekunde Ruhe, dann jagten neue Flüche an ihm vorbei: Die drei Todesser kamen näher.

»Ich komm, Harry!«, rief Hagrid aus der Dunkelheit, aber Harry konnte spüren, dass der Beiwagen schon wieder sank. Er kauerte sich, so tief er konnte, nieder, zielte mitten in die heranrasenden Gestalten und schrie:

»Impedimenta!«

Der Zauber traf den mittleren Todesser an der Brust: Einen Moment lang hing der Mann, grotesk alle viere von sich gestreckt, in der Luft, als ob er gegen ein unsichtbares Hindernis geprallt wäre. Einer seiner Gefährten stieß fast mit ihm zusammen -

Dann fing der Beiwagen an ernstlich zu sinken, und der dritte Todesser schoss einen Fluch so knapp an Harry vorbei, dass er sich unter den Rand des Wagens ducken musste und sich an seiner Sitzkante einen Zahn ausschlug -

»Ich komm, Harry, ich komm!«

Eine riesige Hand packte Harry hinten am Umhang und hievte ihn aus dem hinabstürzenden Beiwagen; Harry zerrte seinen Rucksack mit sich, als er sich auf den Motorradsitz wuchtete, und fand sich Rücken an Rücken mit Hagrid. Während sie aufwärtsrasten, fort von den beiden verbliebenen Todessern, spuckte Harry Blut aus dem Mund, deutete mit dem Zauberstab auf den hinabfallenden Beiwagen und schrie: »Confringo!«

Als der Wagen explodierte, verspürte Harry beim Gedanken an Hedwig einen schrecklichen Stich, der an seinen Eingeweiden riss; der Todesser in der Nähe wurde von seinem Besen geschleudert und stürzte außer Sicht; sein Gefährte ließ sich zurückfallen und verschwand.

»Harry, tut mir leid, tut mir leid«, jammerte Hagrid, »ich hätt nich versuchen soll'n, das selbst wieder hinzukrieg'n – du hast keinen Platz -«

»Das ist kein Problem, flieg einfach weiter!«, rief Harry zurück, während zwei neue Todesser aus der Dunkelheit auftauchten und näher rückten.

Als wieder Flüche über die Strecke zwischen ihnen jagten, riss Hagrid das Motorrad herum und flog im Zickzack: Harry wusste, dass Hagrid es nicht wagte, noch einmal den Drachenfeuerknopf zu drücken, solange Harry so unsicher saß. Harry schleuderte ihren Verfolgern Schockzauber um Schockzauber entgegen, doch er konnte sie kaum auf Abstand halten.

Er feuerte noch einen Lähmzauber auf sie: Der nächste Todesser wich ihm mit einem Schwenk aus, seine Kapuze rutschte herunter, und im roten Licht eines weiteren Schockzaubers sah Harry das seltsam ausdruckslose Gesicht von Stanley Shunpike – Stan -

»Expelliarmus!«, schrie Harry.

»Das ist er, er ist es, das ist der echte!«

Der Ruf des kapuzenvermummten Todessers drang sogar über das Donnern des Motorradmotors hinweg zu Harry.

Einen Augenblick später hatten sich beide Verfolger zurückfallen lassen und waren verschwunden.

»Harry, was is' passiert?«, brüllte Hagrid. »Wo sin' sie hin?«

»Ich weiß nicht!«

Aber Harry hatte Angst: Der Todesser mit der Kapuze hatte »das ist der echte« gerufen; woher hatte er das gewusst? Er starrte in die offenbar leere Dunkelheit rundum und spürte ihre Bedrohung. Wo waren sie?

Er kletterte auf seinem Sitz herum, setzte sich mit dem Gesicht nach vorn und hielt sich hinten an Hagrids Jacke fest.

»Hagrid, mach noch mal dieses Drachenfeuerding, wir müssen hier raus!«

»Dann halt dich fest, Harry!«

Erneut war ein ohrenbetäubender gellender Lärm zu hören und die weißblauen Flammen schossen aus dem Auspuff: Harry spürte, wie er auf seinem ohnehin knappen Platz nach hinten rutschte, und Hagrid, der kaum noch den Lenker festhalten konnte, warf es rücklings auf ihn -

»Ich glaub, wir ham sie abgehängt, Harry, ich glaub, wir ham's geschafft!«, rief Hagrid.

Aber Harry war nicht überzeugt: Angst züngelte in ihm hoch, als er links und rechts nach Verfolgern Ausschau hielt, die sicher kommen würden ... Warum hatten sie sich zurückfallen lassen? Einer von ihnen hatte noch immer einen Zauberstab gehabt ...Er ist es, das ist der echte ... Sie hatten es gesagt, gleich nachdem er versucht hatte, Stan zu entwaffnen ...

»Wir sin' bald da, Harry, wir haben's bald geschafft!«, rief Hagrid.

Harry merkte, wie das Motorrad ein wenig absackte, obwohl die Lichter unten auf der Erde immer noch fern wie Sterne wirkten.

Dann begann die Narbe auf seiner Stirn flammend heiß zu brennen: Als je ein Todesser zu beiden Seiten des Motorrads auftauchte, verfehlten zwei Todesflüche, von hinten abgefeuert, Harry nur um Millimeter -

Und dann sah Harry ihn. Voldemort flog wie Rauch auf dem Wind, ohne einen Besen oder Thestral, der ihn trug, sein Schlangengesicht leuchtete aus der Dunkelheit, seine weißen Finger hoben erneut den Zauberstab -

Hagrid stieß einen Angstschrei aus und setzte mit dem Motorrad zu einem Sturzflug an. Harry hielt sich mit letzter Verzweiflung fest und jagte Schockzauber los, die ziellos durch die aufgewirbelte Nacht sausten. Er sah einen Körper an sich vorbeifliegen und wusste, dass er einen von ihnen getroffen hatte, doch dann hörte er einen Knall und sah Funken aus der Maschine sprühen; das Motorrad trudelte durch die Luft, völlig außer Kontrolle -

Wieder schossen grüne Lichtschweife an ihnen vorbei. Harry hatte keine Ahnung, wo oben und wo unten war. Seine Narbe brannte nach wie vor; er meinte, jede Sekunde sterben zu müssen. Eine kapuzenvermummte Gestalt auf einem Besen war nur Meter von ihm entfernt, er sah sie den Arm heben

-

»NEIN!«

Mit einem wütenden Schrei warf sich Hagrid vom Motorrad und auf den Todesser; voller Entsetzen sah Harry, wie Hagrid und der Todesser beide aus dem Blickfeld stürzten, zusammen waren sie zu schwer für den Besen -

Harry klammerte sich, so gut es ging, mit den Knien an das hinabfallende Motorrad, als er Voldemort schreien hörte: »Er gehört mir!«

Es war zu Ende: Er konnte weder sehen noch hören, wo Voldemort war; er erhaschte einen flüchtigen Blick auf einen weiteren Todesser, der mit einem Schwenk auswich, dann hörte er »Avada -«.

Während der Schmerz in Harrys Narbe ihn zwang, die Au gen zu schließen, handelte sein Zauberstab aus eigener Kraft. Harry spürte, wie er seine Hand herumzog wie ein großer Magnet, sah durch seine halb geschlossenen Lider eine Stichflamme aus goldenem Feuer, hörte ein Knacksen und einen Wutschrei. Der verbliebene Todesser rief etwas; Voldemort schrie »Nein!«. Unversehens fand sich Harry mit der Nase nur Zentimeter von dem Drachenfeuerknopf entfernt: Er schlug mit seiner freien Hand darauf, und das Motorrad, das immer noch senkrecht nach unten stürzte, schleuderte erneut Flammen durch die Luft.

»Hagrid!«, rief Harry, der sich verzweifelt an dem Motorrad festklammerte, »Hagrid – accio Hagrid!«

Das Motorrad raste schneller, wurde in die Tiefe gezogen. Das Gesicht auf Lenkerhöhe, konnte Harry nur ferne Lichter sehen, die näher und näher kamen; er würde auf die Erde krachen, und es gab nichts, was er dagegen tun konnte. Hinter ihm war ein weiterer Schrei zu hören -

»Deinen Zauberstab, Selwyn, gib mir deinen Zauberstab!«

Er spürte Voldemort, noch ehe er ihn sah. Er blickte zur Seite und starrte in die roten Augen, und er war sicher, dass sie das Letzte waren, was er je sehen würde: Voldemort, der dabei war, ihm noch einmal einen Fluch auf den Hals zu jagen -

Und dann verschwand Voldemort. Harry spähte hinab und sah Hagrid, alle viere von sich gestreckt, unter sich am Boden liegen. Harry zerrte heftig am Lenker, um nicht auf ihm zu landen, und tastete nach der Bremse, aber mit einem ohrenzerreißenden Krachen, das die Erde beben ließ, knallte er in einen schlammigen Teich.