"Franz Kafka. Die Verwandlung " - читать интересную книгу автора

leichtes Unwohlsein sehr oft aus geschaftlichen Racksichten einfach
aberwinden massen." "Also kann der Herr Prokurist schon zu dir hinein?"
fragte der ungeduldige Vater und klopfte wiederum an die Tar. "Nein", sagte
Gregor. Im Nebenzimmer links trat eine peinliche Stille ein, im Nebenzimmer
rechts begann die Schwester zu schluchzen.
Warum ging denn die Schwester nicht zu den anderen? Sie war wohl erst
jetzt aus dem Bett aufgestanden und hatte noch gar nicht angefangen sich
anzuziehen. Und warum weinte sie denn? Weil er nicht aufstand und den
Prokuristen nicht hereinlieB, weil er in Gefahr war, den Posten zu
verlieren, und weil dann der Chef die Eltern mit den alten Forderungen
wieder verfolgen warde? Das waren doch vorlaufig wohl unnatige Sorgen. Noch
war Gregor hier und dachte nicht im geringsten daran, seine Familie zu
verlassen. Augenblicklich lag er wohl da auf dem Teppich, und niemand, der
seinen Zustand gekannt hatte, hatte im Ernst von ihm verlangt, daB er den
Prokuristen hereinlasse. Aber wegen dieser kleinen Unhaflichkeit, far die
sich ja spater leicht eine passende Ausrede finden warde, konnte Gregor doch
nicht gut sofort weggeschickt werden. Und Gregor schien es, daB es viel
vernanftiger ware, ihn jetzt in Ruhe zu lassen, statt ihn mit Weinen und
Zureden zu staren. Aber es war eben die UngewiBheit, welche die anderen
bedrangte und ihr Benehmen entschuldigte.
"Herr Samsa", rief nun der Prokurist mit erhobener Stimme, "was ist
denn los? Sie verbarrikadieren sich da in Ihrem Zimmer, antworten bloB mit
Ja und Nein, machen Ihren Eltern schwere, unnatige Sorgen und versaumen -
dies nur nebenbei erwahnt Ihre geschaftlichen Pflichten in einer eigentlich
unerharten Weise. Ich spreche hier im Namen Ihrer Eltern und Ihres Chefs und
bitte Sie ganz ernsthaft um eine augenblickliche, deutliche Erklarung. Ich
staune, ich staune. Ich glaubte Sie als einen ruhigen, vernanftigen Menschen
zu kennen, und nun scheinen Sie platzlich anfangen zu wollen, mit
sonderbaren Launen zu paradieren. Der Chef deutete mir zwar heute frah eine
magliche Erklarung far Ihre Versaumnis an - sie betraf das Ihnen seit kurzem
anvertraute Inkasso -, aber ich legte wahrhaftig fast mein Ehrenwort dafar
ein, daB diese Erklarung nicht zutreffen kanne. Nun aber sehe ich hier Ihren
unbegreiflichen Starrsinn und verliere ganz und gar jede Lust, mich auch nur
im geringsten far Sie einzusetzen. Und Ihre Stellung ist durchaus nicht die
festeste. Ich hatte urspranglich die Absicht, Ihnen das alles unter vier
Augen zu sagen, aber da Sie mich hier nutzlos meine Zeit versaumen lassen,
weiB ich nicht, warum es nicht auch Ihre Herren Eltern erfahren sollen. Ihre
Leistungen in der letzten Zeit waren also sehr unbefriedigend; es ist zwar
nicht die Jahreszeit, um besondere Geschafte zu machen, das erkennen wir an;
aber eine Jahreszeit, um keine Geschafte zu machen, gibt es aberhaupt nicht,
Herr Samsa, darf es nicht geben." "Aber Herr Prokurist", rief Gregor auBer
sich und vergaB in der Aufregung alles andere, "ich mache ja sofort,
augenblicklich auf. Ein leichtes Unwohlsein, ein Schwindelanfall, haben mich
verhindert aufzustehen. Ich liege noch jetzt im Bett. Jetzt bin ich aber
schon wieder ganz frisch. Eben steige ich aus dem Bett. Nur einen kleinen
Augenblick Geduld! Es geht noch nicht so gut, wie ich dachte. Es ist mir
aber schon wohl. Wie das nur einen Menschen so aberfallen kann! Noch gestern
abend war mir ganz gut, meine Eltern wissen es ja, oder besser, schon
gestern abend hatte ich eine kleine Vorahnung. Man hatte es mir ansehen
massen. Warum habe ich es nur im Geschaft nicht gemeldet! Aber man denkt