"Die Herren der Tiefe" - читать интересную книгу автора (Хольбайн Вольфганг)

DIE HERREN DER TIEFE

WOLFGANG HOHLBEIN

KAPIT#196;N NEMOS KINDERDIE HERREN DER TIEFE

UEBERREUTER

Die Deutsche Bibliothek – CIP Einheitsaufnahme

Hohlbein, Wolfgang: Kapit#228;n Nemos Kinder/Wolfgang Hohlbein. - Wien: Ueberreuter Die Herren der Tiefe. – 1994 ISBN 3-8000-2387-3 J 2078/1 Alle Rechte vorbehalten Umschlagillustration von Doris Eisenburger Copyright (c) by Verlag

Carl Ueberreuter, Wien Printed in Germany 1357642

Autor:

Wolfgang Hohlbein,geboren in Weimar, lebt heute mit seiner Familie in der N#228;he von D#252;sseldorf. F#252;r sein Erstlingswerk »M#228;rchenmond«, ein phantastischer Roman, den er gemeinsam mit seiner Frau Heike schrieb, erhielt er 1982 den ersten Preis des vom Verlag Ueberreuter veranstalteten Wettbewerbs zum Thema Science Fiction und Phantasie. Au#223;erdem erhielt dieser Titel 1983 den »Phantasie-Preis der Stadt Wetzlar« und den »Preis der Leseratten«.

In der Reihe »Kapit#228;n Nemos Kinder« bisher erschienen:

Die Vergessene Insel

Das M#228;dchen von Atlantis

Die Herren der Tiefe

Im Tal der Giganten Das Meeresfeuer Die Schwarze Bruderschaft Die Stadt unter dem Eis Weitere B#228;nde in Vorbereitung.

Kurzbeschreibung:

Mike wird mit den magischen Kr#228;ften der letzten Prinzessin von Atlantis konfrontiert. Um einen Kampf zu verhindern, mu#223; er die Stadt aus schwarzem Stein betreten, in der ein unheimliches Wesen haust.

Der Anblick war seit einer

Woche immer der gleiche, und trotzdem #228;hnelte kein Augenblick dem anderen. Der Himmel war ein silberner Spiegel, zerbrochen in Millionen und aber Millionen winziger sichelf#246;rmiger Splitter, die in ununterbrochener Bewegung waren, jeder f#252;r sich und doch alle gemeinsam einem gro#223;en, nicht ganz klar erkennbaren Rhythmus folgend.

Mike war in den letzten Tagen oft hierhergekommen, und manchmal stand er lange an dem fast mannsgro#223;en Bullauge und sah in den wogenden Himmel hinauf. Der Anblick erschreckte und faszinierte ihn zugleich. Das Bild war von gro#223;er Sch#246;nheit, aber zugleich sp#252;rte man auch die unvorstellbare zerst#246;rerische Kraft, die hinter diesem vermeintlich sanften Gleiten und Wogen stand; eine Kraft, die alles Vorstellbare #252;berstieg und ihn sich jedes Mal aufs neue klein und verwundbar f#252;hlen lie#223;.

Das Ger#228;usch von Schritten auf der metallenen Treppe, die in den Turm der NAUTILUS hinauff#252;hrte, ri#223; ihn aus seinen Gedanken. Mike drehe sich herum und erkannte Trautman, der geb#252;ckt und mit schleppenden Schritten die Treppe heraufkam. Seine rechte Hand lag dabei fest auf dem Gel#228;nder, und seine Schultern waren weit nach vorne gebeugt. Er sah sehr alt aus. Nein, korrigierte sich Mike in Gedanken – er sah so alt aus, wie erwar.Sie waren jetzt so lange mit Trautman zusammen, und sie hatten so sehr gelernt, sich auf seine Umsicht und St#228;rke zu verlassen, da#223; er manchmal einfach verga#223;, da#223; Trautman sein Gro#223;vater sein k#246;nnte. »Hallo, Mike.« Das L#228;cheln, das auf Trautmans Gesicht erschien, als er Mike ansah, war freundlich und voller W#228;rme. Mike erwiderte es, und dann fiel ihm siedendhei#223; ein, warum Trautman gekommen war. Mike war schon ziemlich lange hier oben. Seine Wache unten im Kontrollraum hatte wahrscheinlich schon l#228;ngst begonnen. »Ich sollte schon im Kontrollraum sein«, sagte er in schuldbewu#223;tem Ton.

Trautman winkte ab. »Das macht nichts«, sagte er. »Deine Wache f#228;llt heute aus. Ich #252;bernehme das Ruder selbst.« Er schwieg einen Augenblick, dann fuhr er mit leiser Stimme fort: »Wir m#252;ssen auftauchen. Unsere Sauerstoffvorr#228;te gehen zur Neige.«

»Aber der Sturm«

»hat vor einer Woche begonnen und nicht mehr aufgeh#246;rt und wird es vermutlich auch so schnell nicht«, unterbrach ihn Trautman. »Jedenfalls hat es keinen Sinn, darauf zu warten. Aber es k#246;nnte ziemlich ungem#252;tlich werden. Ich m#246;chte dich bitten, nach Serena zu sehen, solange wir noch nicht aufgetaucht sind.«

»Jetzt gleich?« fragte Mike.

»Es gibt keinen Grund zu warten«, antwortete Trautman. »Im Gegenteil. Es sieht so aus, als ob der Sturm gerade ein bi#223;chen abflauen w#252;rde.« Mike blickte zur Wasseroberfl#228;che hoch. Das unabl#228;ssige Hin und Her der silbernen Lichtsplitter hatte sich nicht ver#228;ndert. Der Sturm tobte seit nunmehr acht Tagen mit ungebrochener Kraft. Sie hatten den gr#246;#223;ten Teil dieser Zeit unter Wasser zugebracht, um ihm zu entgehen, aber ein paarmal hatten sie eben doch auftauchen m#252;ssen, und Mike wu#223;te nur zu gut, welche Gewalten dort oben herrschten. Er wu#223;te aber nicht, warum. Dies war kein nat#252;rlicher Sturm. Nicht nur, da#223; er die ganze Zeit mit ungebrochener Kraft gew#252;tet hatte – erfolgteihnen. Die NAUTILUS war w#228;hrend der letzten Tage mit H#246;chstgeschwindigkeit gefahren, und das war um einiges schneller, als jedes andere Schiff auf der Welt sich fortzubewegen imstande war, aber der Sturm war nicht hinter ihnen zur#252;ckgeblieben.

An diesem Punkt seiner #220;berlegungen angelangt, zog Mike es vor, den Gedanken nicht weiter zu verfolgen. Er gab sich einen Ruck.

»In Ordnung. Ich gehe gleich zu ihr.«

Trautman und er verlie#223;en hintereinander den Turm und gingen die Treppe hinab, die tiefer in den st#228;hlernen Leib der NAUTILUS hinunterf#252;hrte. Der alte Steuermann und Singh, der sich als erstaunlich geschickter Mechaniker herausgestellt hatte, hatten die Tage, die der Sturm sie unter die Wasseroberfl#228;che getrieben und zur Unt#228;tigkeit verdammt hatte, dazu genutzt, das Schiff gr#252;ndlich durchzuchecken und auf Vordermann zu bringen. Und sie hatten dabei wahre Wunder vollbracht. Wie ein gro#223;es, m#228;chtiges Tier, das allm#228;hlich aus dem Winterschlaf erwachte und die Kontrolle #252;ber seinen K#246;rper langsam zur#252;ckgewann, gewannen die geheimnisvollen Maschinen und Ger#228;te der NAUTILUS immer mehr an neuem Leben.

Mike l#228;chelte, als ihm klar wurde, wie passend dieser Vergleich war. Die NAUTILUS trug nicht nur den Namen eines Meeresbewohners, mit ein bi#223;chen Phantasie betrachtet, #228;hnelte sie ihm auch. Und nicht nur das: Das Schiff war tats#228;chlich vor noch nicht allzu langer Zeit aus einem Schlaf erwacht, der l#228;nger als ein Jahrzehnt gedauert hatte. Und wie immer, wenn Mike daran zur#252;ckdachte, #252;berkam ihn eine Mischung aus Staunen und Ehrfurcht, das gleiche Gef#252;hl, das er auch gehabt hatte, als er die NAUTILUS zum ersten Mal sah, und das er nie mehr verloren hatte.

Es war noch nicht lange her, da war Mike ein ganz normaler Sch#252;ler eines ganz normalen Internats in London gewesen. Aber dann, an jenem schicksalhaften Tag kurz vor dem Weihnachtsfest des Jahres 1913, hatte er erfahren, da#223; er nicht der war, f#252;r den er sich bis zu jenem Tag gehalten hatte. Er hatte erfahren, da#223; sein Vater ihn unter einem falschen Namen und mit einer geschickt gef#228;lschten Lebensgeschichte in jenem Internat in England untergebracht hatte, um seinem Sohn das Schicksal zu ersparen, das sein eigenes Leben bestimmt hatte: das Schicksal des Gejagten, des ewig Gehetzten, der immer auf der Flucht war und nirgendwo auf der Welt wirklich Ruhe zu finden vermochte. Denn Mikes Vater, den er selbst bis zu diesem Zeitpunkt f#252;r einen wohlhabenden indischen F#252;rsten gehalten hatte, der zusammen mit seiner englischen Frau kurz nach Mikes Geburt ums Leben gekommen war, war in Wahrheit niemand anders als der legend#228;re Kapit#228;n Nemo gewesen.

Aber das Schicksal l#228;#223;t sich nicht betr#252;gen. Mike hatte nicht nur das Verm#246;gen und den Titel seines Vaters geerbt, sondern anscheinend auch den Fluch, der auf dessen Leben gelastet hatte. Nach einer Reihe ungew#246;hnlicher und gef#228;hrlicher Abenteuer hatte es ihn und seine Freunde schlie#223;lich auf eine winzige Insel verschlagen, auf der sie das Wrack der NAUTILUS fanden, das vom letzten noch lebenden Freund seines Vaters – Trautman n#228;mlich – bewacht und besch#252;tzt wurde. Und seither befanden sie sich ununterbrochen auf der Flucht. Sie hatten nicht nur Abenteuer erlebt, die er sich vor ein paar Monaten nicht einmal h#228;tte vorstellen k#246;nnen, er hatte auch einen guten Freund verloren, unddieseErinnerung tat weh. Er schob die Gedanken beiseite, denn nun hatte er Serenas Kabine – die vor ein paar Tagen noch seine eigene gewesen war – erreicht.

Er klopfte an, wartete aber nicht, ob jemand antwortete, sondern trat sofort ein. Das war keine Unh#246;flichkeit; der einzige Bewohner, den die Kabine im Moment mit Ausnahme des schlafenden M#228;dchens hatte, konnte ihm nicht antworten. Wenigstens nicht laut.

Mike n#228;herte sich dem M#228;dchen auf dem Bett sehr leise, obwohl er genau wu#223;te, da#223; selbst der gr#246;#223;te L#228;rm Serena nicht geweckt h#228;tte. Aber es war mit diesem M#228;dchen ein bi#223;chen so wie mit dem Schiff: Jedesmal, wenn er sie sah, #252;berkam ihn eine Art…Ehrfurcht.Ein merkw#252;rdiges Gef#252;hl, ein M#228;dchen anzusehen, das weit #252;ber zehntausend Jahre z#228;hlte und au#223;erdem eine leibhaftige Prinzessin war.

Na und? Du bist ein leibhaftiger Prinz. Wo ist der Unterschied? Die paar J#228;hrchen!

Mike fuhr zusammen. Obwohl Astaroth genauso lange wie Serena an Bord war, erschrak Mike noch immer, wenn er unvermittelt dessen Stimme h#246;rte. Es war wirklich nicht jedermanns Sache, eine Stimme direkt in seinem Kopf zu vernehmen. Noch viel weniger, wenn man bedachte, wem diese Stimme geh#246;rte… »Dasistein Unterschied«, sagte er laut. »Ich bin nur

auf dem Papier ein Prinz. Wenn #252;berhaupt noch, dann geh#246;rt

mir ein winziges St#252;ck von Indien. Nicht ganz Atlantis.«

Aber dein K#246;nigreich ist wenigstens nicht mit Mann und Maus im Meer versunken.Astaroth hab den Kopf, blickte Mike einen Moment lang aus seinem einzig sehenden Auge an und g#228;hnte dann ungeniert und sehr ausgiebig. Der schwarze Kater hatte sich neben Serena auf dem Kopfkissen zusammengerollt. Sein buschiger Schwanz lag wie eine Stola um Serenas Hals und bildete so einen deutlichen Kontrast zur Bl#228;sse ihrer Haut. Serenas Gesicht war so bleich, da#223; es sich kaum von dem Kissen abhob, auf dem es lag. Es war die Bl#228;sse eines Menschen, der noch niemals die Sonne gesehen hatte.

Mike ging langsam weiter, setzte sich auf die Bettkante und griff nach Serenas Hand. Astaroths Blick folgte der Bewegung, aber er erhob keine Einw#228;nde. Mike war der einzige an Bord, der Serena ber#252;hren durfte, ohne da#223; der Kater ihn anfauchte oder gleich mit den Krallen nach ihm schlug.

»Wir tauchen bald auf«, sagte Mike. Er ergriff Serenas Hand fester. Ihre Haut f#252;hlte sich so kalt und glatt wie wei#223;es Porzellan an, und Mike #252;berlief ein Schaudern. »Wir m#252;ssen die Sauerstofftanks auff#252;llen.«

Ich wei#223;,antwortete Astaroth auf seine lautlose Art.

Mike blickte den Kater vorwurfsvoll an.

»Du hast schon wieder meine Gedanken gelesen«, sagte er. »Ich hatte dich gebeten, das nicht mehr zu tun.«

Habe ich nicht,behauptete Astaroth.

»L#252;g nicht auch noch!« sagte Mike scharf.

Ich l#252;ge nicht,erwiderte Astaroth beleidigt.Menschen l#252;gen.

Katzen niemals.

»Ja, das Problem ist nur, da#223; du keine Katze bist!« erwiderte Mike. Astaroth hielt seinem Blick noch eine Sekunde lang stand, dann rollte er sich wieder auf dem Kissen zusammen und begann wohlig zu schnurren. Abgesehen von seiner Gr#246;#223;e h#228;tte man ihn so wirklich f#252;r ein harmloses kleines K#228;tzchen halten k#246;nnen, an dem absolut nichts Ungew#246;hnliches war. Aber das stimmt nicht. Er sah zwar aus wie eine Katze, aber er war mehr als das.

»Du liest also doch meine Gedanken!« wiederholte Mike laut.

Nur jetzt,behauptete Astaroth.Vorher nicht.»Ach? Und woher hast du dann gewu#223;t, da#223; wir auftauchen, noch bevor ich es dir gesagt habe?«

Von Trautman,antwortete Astaroth unger#252;hrt.Ich habe seine Gedanken gelesen.

Mike gab auf. Es hatte sehr wenig Sinn, mit einer Katze zu diskutieren. Das war schon bei einer ganz normalen Katze ein fast aussichtsloses Unterfangen. Bei Astaroth bedeutete es reine Zeitverschwendung. Er wandte sich Serena zu.

Das M#228;dchen lag v#246;llig reglos da, so wie es die ganze Zeit #252;ber dagelegen hatte – die Woche, die vergangen war, seit sie sie an Bord der NAUTILUS gebracht hatten, und auch die ungez#228;hlten Jahrhunderte zuvor, die sie schlafend in ihrer Kuppel auf dem Meeresgrund verbracht hatte. Er dachte wieder daran zur#252;ck, wie sie Serena in einem gl#228;sernen Sarg schlafend gefunden hatten, und er fragte sich, ob es wirklich Zufall war, da#223; ihn das Bild so an das M#228;rchen von Dornr#246;schen erinnerte.

Vielleicht ist es genau anders herum,sagte Astaroth.Man sagt doch, da#223; jede Legende einen wahren Kern hat, oder? Denk mal dar#252;ber nach.Dann f#252;gte er hinzu:Entschuldige.

Mike sah den Kater zwar b#246;se an, aber er war wirklich ver#228;rgert. Es dauerte eben eine Weile, bis man sich an die Tatsache gew#246;hnt hatte, in der Gesellschaft eines Wesens zu sein, das jeden Gedanken so deutlich vernahm wie ein laut ausgesprochenes Wort. Mike l#228;chelte dem Kater zu und legte Serenas Hand behutsam auf das Bett zur#252;ck. Sie reagierte auch darauf nicht, nur die Augen hinter den geschlossenen Lidern bewegten sich leicht, wie bei einem Menschen, der einen besonders intensiven Traum hat. Mike fragte sich, ob Serena tr#228;umte? Und wenn ja, was?

Dastut sie,sagte Astaroth.Oder was glaubst du sonst, woher der Sturm kommt, vor dem ihr seit einer Woche davonzurennen versucht?

Das war die Antwort auf eine andere Frage, die sich Mike insgeheim auch schon gestellt hatte, und diese Antwort f#252;hrte zu einem schrecklichen Gedanken:

»Willst du damit sagen, da#223; sie die ganze Zeit #252;ber getr#228;umt hat?« fragte er verst#246;rt. »Die ganzen Jahre? «

Darauf antwortete der Kater nicht. Aber sein Schweigen war Antwort genug, und das tiefe Entsetzen, das von Mike Besitz ergriffen hatte, wurde noch st#228;rker.

Er war erleichtert, als in diesem Moment an der T#252;r geklopft wurde und Singh, der h#252;nenhafte SikhKrieger, die Kabine betrat – #252;brigens ganz wie Mike zuvor, ohne eine Antwort auf sein Klopfen abzuwarten.

»Herr.« Singh machte eine tiefe Verbeugung. »Trautman bittet Euch, zu ihm in den Salon zu kommen.« Er warf einen nerv#246;sen Blick auf das Bett, und Mike war nicht ganz sicher, wem er galt: dem M#228;dchen oder seinem ein#228;ugigen schwarzen Besch#252;tzer. »Ich bleibe so lange hier und vertrete Euch.«

Dasist nicht n#246;tig,sagte Astaroths Stimme in Mikes Gedanken.Ich passe auf sie auf. Sie wird nicht aufwachen.

Mike stand auf. »Ich komme«, sagte er. »Und vergi#223; bitte denHerrn.«Den letzten Satz hatte er rein automatisch hinzugef#252;gt. Seit der Sikh in sein Leben getreten war und sich als sein Leibw#228;chter, Besch#252;tzer und Diener vorgestellt hatte, versuchte Mike ihm sein unterw#252;rfiges Benehmen abzugew#246;hnen; ebenso beharrlich, wie Ghunda Singh all diese Versuche ignorierte.

»Wie Ihr w#252;nscht, Herr«, antwortete Singh mit einer abermaligen Verbeugung. Mike verdrehte die Augen, sparte sich aber jedes weitere Wort, was dieses Thema anging. Statt dessen sagte er: »Du brauchst nicht hierzubleiben. Astaroth pa#223;t schon auf sie auf.«

Singh sagte nichts, aber Mike sah ihm seine Erleichterung deutlich an. Wie allen an Bord – Mike und vielleicht Trautman ausgenommen – waren sowohl der Kater als auch das M#228;dchen Singh ein wenig unheimlich. Wortlos wartete er, bis Mike die Kabine verlassen hatte, und folgte ihm dann.

Sie gingen die Treppe wieder ein kurzes St#252;ck hinauf und wandten sich dann nach rechts, um in den Salon zu gelangen – ein Wort, hinter dem sich weit mehr verbarg als nur ein gem#252;tlicher Aufenthaltsraum. Das war er auch, aber in ihm befanden sich auch das Steuer und die beiden Pulte mit den kompliziert anmutenden Kontrollinstrumenten der NAUTILUS – eine Unzahl von Schaltern, Hebeln, Skalen, Zeigern und allerlei anderen technischen Ger#228;tschaften, bei deren blo#223;em Anblick einem schon schwindlig werden konnte. Unter Trautmans Anleitung hatten Mike und die anderen in den letzten Wochen gelernt, einige dieser Ger#228;te zu bedienen, aber das bedeutete nicht, da#223; sie ihm deshalb weniger unheimlich gewesen w#228;ren.

Der Rest des Raumes wurde von einer Anzahl kleiner Tische und Sessel, behaglicher Sofas und Pulte beherrscht, die den Raum tats#228;chlich zu einem Salon machten, in dem man sich sofort wohl f#252;hlte. Und schlie#223;lich war da das gewaltige, runde Fenster, das fast eine ganze Seite des Raumes einnahm. Jetzt war es durch einen schweren Samtvorhang verschlossen, aber wenn er aufgezogen war, bot sich dem Betrachter ein wahrhaft phantastischer Anblick. Durch das Fenster konnte man direkt ins Meer hinaussehen, in die Tiefen einer Welt, die vor ihnen vielleicht noch keines Menschen Auge erblickt hatte. Mike stand manchmal stundenlang hier und betrachtete das fremde, von vielf#228;ltigen Lebewesen bev#246;lkerte Universum jenseits des zollstarken Glases.

Heute jedoch schenkte er dem Fenster nicht einmal einen fl#252;chtigen Blick. Trautman und die anderen standen hinter den Instrumentenpulten. Auf Trautmans Gesicht lag ein besorgter Ausdruck.

»Was ist los?« fragte Mike. »Sind wir schon aufgetaucht?«

»Nein«, antwortete Trautman, ohne von seinen Instrumenten aufzublicken. »Und ich f#252;rchte, das werden wir so schnell auch nicht.«

Mike durchquerte den Salon mit raschen Schritten und trat neben ihn. Chris, der j#252;ngste seiner vier Freunde, die es zusammen mit ihm auf die NAUTILUS verschlagen hatte, nickte ihm fl#252;chtig zu, w#228;hrend Ben, Juan und Andr#233; keinerlei Notiz von ihm zu nehmen schienen. Sie alle starrten ebenso gebannt wie Trautman auf das Instrumentenpult.

»Was ist los?« fragte Mike noch einmal.

Anstelle einer Antwort deutete Ben mit einer Kopfbewegung auf die runde Glasscheibe, der ihrer aller Aufmerksamkeit galt. Das Bild, das in leuchtenden Gr#252;nt#246;nen darauf zu sehen war, schien im ersten Augenblick keinen Sinn zu ergeben. Mike und die anderen jedoch konnten es entziffern, nachdem Trautman ihnen die Funktion des Ger#228;tes erkl#228;rt hatte – f#252;r das #252;brigens jeder Seefahrer auf der Welt ohne Z#246;gern seine rechte Hand gegeben h#228;tte. Der kreisende Lichtstrahl, der von der Mitte des Schirmes ausging, zeigte die genaue Position und Gr#246;#223;e von allem, was sich im Umkreis mehrerer Meilen um die NAUTILUS befand.

Mike zog #252;berrascht die Augenbrauen hoch, als er den l#228;nglichen Lichtfleck sah, der in regelm#228;#223;igen Abst#228;nden am Rand der Scheibe aufleuchtete und wieder erlosch. Und dann wurde aus seinem Erstaunen j#228;her Schrecken, als er begriff, wiegro#223;das sein mu#223;te, was da als harmloser Lichtpunkt auf dem Schirm erschien. »Und ich dachte, wir w#228;ren ihn endlich los«, seufzte Ben. »Dieser Kerl wird allm#228;hlich wirklich l#228;stig.«

Seine Worte bezogen sich auf Kapit#228;n Winterfeld, den deutschen Kriegsschiffkommandanten, der sie – und vor allem die NAUTILUS – vom ersten Tag an gejagt hatte. Ihr letztes Zusammentreffen mit ihm lag eine gute Woche zur#252;ck, und sie

waren ihm nur mit knapper Not entkommen.

»Du glaubst, das ist Winterfeld?« fragte Mike.

»Wer soll es sonst sein?« Ben schnaubte. Niemand an Bord

mochte Winterfeld. Die meisten hier hatten Angst vor ihm, aber Ben ha#223;te den Deutschen regelrecht. Mike nahm sich nicht zum ersten Mal vor, Ben irgendwann einmal zu fragen, warum er alle Deutschen so sehr verachtete. Aber jetzt war nicht der Moment daf#252;r, und au#223;erdem fuhr Ben bereits fort: »Wir h#228;tten diesen Kerl mitsamt seinem Kahn auf den Meeresgrund schicken sollen, wo er hingeh#246;rt.«

Mike ersparte sich eine Antwort. Der »Kahn«, von dem Ben sprach, war ein Schlachtschiff mit Dutzenden von Gesch#252;tzen und einem Rumpf aus zentimeterdickem Stahl. Selbst f#252;r ein Schiff wie die NAUTILUS ein Gegner, der ein paar Nummern zu gro#223; war.

»Das ist nicht die LEOPOLD«, sagte Trautman ruhig. Er wirkte sehr angespannt.

Ben blickte ihn zweifelnd an. »Was soll es sonst sein? Das Ding erscheint seit einer Woche immer wieder auf dem Schirm. Es folgt uns, eindeutig. Und au#223;er Winterfeld wei#223; auf der ganzen Welt niemand, da#223; es uns #252;berhaupt gibt.«

»Es kann nicht die LEOPOLD sein«, beharrte Trautman. »Es ist gro#223;, aber nicht so gro#223;. Und es ist viel zu schnell. Die LEOPOLD w#252;rde nicht einmal die H#228;lfte dieser Geschwindigkeit erreichen.«

»Soll das hei#223;en, da#223; es uns einholen kann?« fragte Juan. Trautman sah immer noch nicht auf. »Ich f#252;rchte«, sagte er. Er z#246;ger

te, und als er weitersprach, lag in seiner Stimme ein besorgter

Ton. »Ich wei#223; nicht, was es ist, aber es ist schneller als wir. Viel schneller.« Er atmete h#246;rbar ein, hob nun den Blick und sah Mike und die vier anderen der Reihe nach an.

»Und es kommt genau auf uns zu.«

Trautman hatte errechnet, da#223; der Verfolger ungef#228;hr drei Stunden ben#246;tigen w#252;rde, um die NAUTILUS einzuholen. Sie hatten einen Teil dieser Zeit mit Mutma#223;ungen zugebracht, um was es sich bei ihrem unheimlichen Verfolger wohl handeln mochte: angefangen von einem Tier bis zu einem anderen Unterseeboot, mit dem Winterfeld sie jagte – aber h#228;tte er ein solches gehabt, w#252;rde er kaum mehr versuchen, die NAUTILUS in seine Gewalt zu bringen. Schlie#223;lich hatten sie es aufgegeben.

Nun war die Zeit beinahe um. Mike und die anderen hatten sich vor dem gro#223;en Fenster versammelt und blickten gebannt hinaus. Die NAUTILUS war h#246;her gestiegen und befand sich jetzt nur noch f#252;nf oder sechs Meter unter dem Meeresspiegel, hoch genug, da#223; das Wasser rings um sie herum von blauem Licht durchdrungen war und sie ihren Verfolger wenigstens sehen konnten, wenn er heran war, aber gerade noch tief genug, um nicht von der Gewalt des Sturmes durchgesch#252;ttelt zu werden, der das Meer #252;ber ihnen immer noch aufpeitschte.

»Seltsam«, murmelte Andr#233;. »Wir m#252;#223;ten ihn doch schon sehen.« Er wandte sich zu Trautman um, der hinter den Kontrollinstrumenten stand.

Der wei#223;haarige Steuermann der NAUTILUS zuckte mit den Schultern. »Es ist jedenfalls ganz nahe. Aber ich kann nicht genau feststellen,wienahe.« Er runzelte die Stirn. »Das ist merkw#252;rdig.«

»Was ist merkw#252;rdig?« fragten Juan und Mike wie aus einem Mund. Sie drehten sich zugleich zu Trautman herum.

»Es… bewegt sich«, antwortete Trautman z#246;gernd.

»Was f#252;r eine scharfsinnige Feststellung«, sagte Ben sp#246;ttisch. »T#228;te es das nicht, k#246;nnte es uns kaum einholen.«

»Das meine ich nicht«, antwortete Trautman ernst. »Es scheint sich… in sich zu bewegen, fast als…« Er brach ab, sch#252;ttelte den Kopf und lachte nerv#246;s. »Das ist Unsinn.«

Mike wollte ihn gerade fragen, was er damit meinte, doch in diesem Moment stie#223; Ben einen #252;berraschten Schrei aus, und Mike wandte sich schnell zum Fenster. Nat#252;rlich glaubte er, Ben h#228;tte ihren Verfolger entdeckt, doch der Schrei des Engl#228;nders hatte einen anderen Grund. Sein ausgestreckter Arm wies zur Meeresoberfl#228;che hinauf, und als Mikes Blick ihm folgte, da gelang es auch ihm nicht, einen #252;berraschten Laut zu unterdr#252;cken.

Der Sturm hatte aufgeh#246;rt. Noch vor wenigen Sekunden hatte das Meer #252;ber ihnen gekocht, aber jetzt lag die Wasseroberfl#228;che so glatt wie ein silberner Spiegel #252;ber ihnen. Man konnte sogar den Umri#223; der NAUTILUS erkennen, der sich darauf spiegelte.

»Aber das ist doch unm#246;glich!« sagte Juan. »So schnellkannsich ein Sturm doch gar nicht legen…« Er fuhr mit einer hastigen Bewegung zu Trautman herum. »Wo ist er?«

»Ich wei#223; es nicht«, gestand Trautman. Er machte eine hilflose Geste. »Das Ger#228;t mu#223; defekt sein. Wenn das hier stimmt, dann h#228;tte er uns bereits erreicht. Aber dort drau#223;en ist nichts.«

Mike blickte mit wachsender Furcht aus dem Fenster. Das Wasser war glasklar, und sie konnten sicher zwei-oder auch dreihundert Meter weit sehen. Er glaubte nicht, da#223; das Ger#228;t kaputt war – die NAUTILUS war eine phantastische Maschine, die ihren Dienst seit Tausenden von Jahren tat. Da#223; ein so wichtiger Teil ausgerechnet jetzt ausfallen sollte, war mehr als unwahrscheinlich.

»Seht mal«, sagte Ben pl#246;tzlich. Er deutete wieder nach drau#223;en. Mike blickte angestrengt in dieselbe Richtung, aber das Meer war noch immer leer. »Ich sehe nichts«, sagte er. »Eben«, antwortete Ben. »Da drau#223;en ist gar nichts. Kein einziger Fisch.«

Mike schauderte. Das Meer, durch das sie glitten, war leer. Vollkommen leer. Es ist, dachte er, als h#228;tte irgend etwas jegliches Leben in weitem Umkreis vertrieben… Er sah nach rechts, nach links und dann noch einmal zur Wasseroberfl#228;che hinauf, und als er das tat, wurde aus seiner Furcht schieres Entsetzen, das sich wie eine eiskalte Hand um sein Herz legte und es zusammenzupressen begann.

»Trautman«, sagte er. Er hatte M#252;he, #252;berhaupt zu sprechen. Trotzdem klang seine Stimme ruhig. »Ja?«

»Wo ist es jetzt?«

»Ich habe keine Ahnung«, antwortete Trautman und sah auf.

»Wenn die Anzeige hier recht h#228;tte, dann m#252;#223;te es #252;berall um

uns herum…«

Er sprach nicht weiter. Seine letzten Worte wurden zu einem erstickten Keuchen, als er in die gleiche Richtung sah wie Mike und die anderen.

Auf der Unterseite des Meeresspiegels war noch immer deutlich der Umri#223; der NAUTILUS zu erkennen. Aber nicht nur das: Ein ungeheuerlicher, formloser Schatten griff wie die Hand eines Riesen aus den Tiefen des Meeres empor und begann das Schiff zu verschlingen.

Die Maschinen der NAUTILUS liefen mit voller Kraft. Aus dem Wimmern war ein dumpfes Dr#246;hnen geworden, so laut, da#223; sie schreien mu#223;ten, um sich #252;ber den L#228;rm hinweg zu verst#228;ndigen. Das ganze Schiff vibrierte und #228;chzte, und manchmal flakkerte das Licht, weil die elektrischen Motoren jedes bi#223;chen Strom brauchten, den das Schiff aufbringen konnte.

»Das hat keinen Sinn mehr!« schrie Trautman #252;ber den tosenden L#228;rm hinweg. »Die Maschinen arbeiten fast mit dem Doppelten ihrer normalen Leistung! Ich schalte ab, ehe sie uns um die Ohren fliegen!« Die Motoren der NAUTILUS k#228;mpften seit zehn Minuten mit aller Kraft gegen die unheimliche Macht, die das Schiff gepackt hatte, ohne da#223; sie auch nur einen Zentimeter von der Stelle gekommen w#228;ren. Alles was sie erreichen konnten, wenn sie weiter versuchten, sich mit Gewalt zu befreien, war wahrscheinlich, die NAUTILUS ernsthaft zu besch#228;digen. Die NAUTILUS war eine phantastische, sehr robuste Maschine, aber sie war nicht unzerst#246;rbar. Das Dr#246;hnen und Rumoren wurde leiser, sank binnen weniger Augenblicke zu einem Tuckern herab und erlosch dann ganz. Trautman hatte die Motoren abgeschaltet.

Mike drehte sich wieder zum Fenster herum. Der Anblick war seit zehn Minuten der gleiche, aber er hatte trotzdem nichts von seinem Schrecken verloren. Der lichtdurchflutete blaue Ozean war verschwunden und hatte einer unheimlichen, wei#223;en Masse Platz gemacht, die das gesamte Fenster bedeckte. Keiner von ihnen wu#223;te, was es war – das Zeug war nicht ganz glatt, sondern von unregelm#228;#223;igen Streifen in verschiedenen Wei#223;-und Graut#246;nen durchzogen, und hier und da gewahrte er kleine, durchsichtige Blasen, die mit irgendeiner Fl#252;ssigkeit gef#252;llt zu sein schienen. Manchmal bewegte sich die wei#223;e Mauer vor dem Fenster; auf eine gleitende, z#228;he Art, als best#252;nde sie aus Gummi.

»Was ist das blo#223;?« murmelte Ben kopfsch#252;ttelnd. Er verzog das Gesicht. »Es sieht… fast lebendig aus. Und ziemlich ekelhaft.«

Mike konnte ihm nur zustimmen. Und noch etwas: Er hatte das Gef#252;hl, eigentlich genau zu wissen, was er da sah. »Warten wir, bis Singh und Juan zur#252;ck sind«, sagte er. »Vielleicht haben sie etwas herausgefunden.« Juan und der Inder hatten den Salon verlassen, um die NAUTILUS gr#252;ndlich zu inspizieren.

Wie auf ein Stichwort hin tauchten die beiden in diesem Moment unter der T#252;r auf. Juans Gesicht war so finster, da#223; Mike sich die Frage sparte, ob es von irgendeinem Bullauge aus etwas anderes zu sehen gab als von hier. Singh wirkte v#246;llig unbewegt, aber das hie#223; gar nichts. Singh h#228;tte auch dann noch

vollkommen unger#252;hrt dreingesehen, wenn ihm der Himmel

auf den Kopf gefallen w#228;re.

»Nun?« fragte Trautman.

»Nichts«, antwortete Juan mit einem #228;rgerlichen Stirnrunzeln. »Ich war oben im Turm, aber da sieht es genauso aus wie hier. Ich f#252;rchte, das Zeug ist um das gesamte Schiff herum.«

Trautmans Mine verd#252;sterte sich noch mehr. Er wandte sich an Singh.

»Unten ist es dasselbe«, sagte Singh in einem Ton, als h#228;tte man ihn gefragt, wie das Wetter sei. »Die Bodenschleuse l#228;#223;t sich zwar noch #246;ffnen, aber drau#223;en ist kein Wasser, sondern nur noch diese Masse.« Er hob die Hand. »Ich habe etwas davon mitgebracht, hier. Es ist ziemlich z#228;h. Ich hatte M#252;he, es mit dem Messer herauszuschneiden.«

Mike verzog das Gesicht, als er den widerw#228;rtigen Geruch versp#252;rte, der von dem wei#223;en Zeug in Singhs Hand ausging. Trotzdem trat auch er wie alle anderen neugierig n#228;her, w#228;hrend Singh es zum Tisch trug und darauf ablegte.

Es sah tats#228;chlich wie eine Art Fleischklumpen aus, der ziemlich grob aus einem gr#246;#223;eren St#252;ck herausgeschnitten worden war. Er war wei#223;, fast durchsichtig, und aus den Schnittfl#228;chen sickerte eine farblose, z#228;he Fl#252;ssigkeit, die aber auch kein Wasser war. Der Gestank, den das St#252;ck verst#246;mte, war wahrhaft atemberaubend.

»Es h#252;llt die ganze NAUTILUS ein«, erkl#228;rte Singh weiter. »Bis jetzt ist es nirgendwo eingedrungen, aber es scheint auch keinen Weg hinaus zu geben.«

Mike mu#223;te daran denken, wie sich der Schatten #252;ber den der NAUTILUS gelegt hatte. Es hatte tats#228;chlich so ausgesehen, als ob irgend etwas die NAUTILUS verschlang.

»Was ist das nur?« fragte Ben kopfsch#252;ttelnd. Er nahm ein Messer vom Tisch und ber#252;hrte den wei#223;en Brocken mit seiner Spitze. Er zuckte leicht, als w#228;re noch immer Leben in ihm. Ben zog eine Grimasse und trat wieder einen Schritt vom Tisch zur#252;ck. »So etwas habe ich noch nie gesehen.«

»Doch«, widersprach Mike. »Das hast du.« Pl#246;tzlich wu#223;te er, wieso ihm dieses sonderbare Etwas drau#223;en vor dem Bullauge bekannt vorgekommen war, trotz allem. Ben und die anderen blickten ihn erstaunt an.

»Wir alle haben es schon einmal gesehen. Nur gr#246;#223;er.« Mike machte eine Kopfbewegung auf die wei#223;e Masse auf dem Tisch. »Das da ist ein St#252;ck von einer Qualle.« Ben, Juan und die beiden anderen Jungen rissen erstaunt die Augen auf, w#228;hrend Trautman die Hand hob, als ob er sich damit vor die Stirn schlagen wollte.

»Eine Qualle von der Gr#246;#223;e der NAUTILUS?« Ben versuchte seiner Stimme einen sp#246;ttischen Klang zu verleihen, aber es gelang ihm nicht ganz. »L#228;cherlich.«

»Nat#252;rlich«, sagte Trautman kopfsch#252;ttelnd. »Wieso bin ich nicht schon l#228;ngst darauf gekommen?«

»Weil es v#246;llig verr#252;ckt ist!« sagte Ben aufgebracht. »Eine hundert Meter gro#223;e Qualle! Das ist… l#228;cherlich.«

Mike deutete auf das Fenster und sagte: »Sieh doch mal dorthin. Und dann lach weiter.«

Ben funkelte ihn an, aber Trautman unterbrach den drohenden Streit mit einer energischen Geste. »H#246;rt auf, ihr beiden«,

sagte er. »Das f#252;hrt zu nichts. La#223;t uns lieber gemeinsam dar#252;ber nachdenken, was wir tun k#246;nnen.«

»Aber wenn es doch nur eine Qualle ist, dann kann sie uns doch gar nichts tun, oder?« fragte Chris. »Ich meine, eine Qualle ist doch nicht gef#228;hrlich, oder?«

»Ich habe keine Ahnung, wie gef#228;hrlich eine Qualle von dieser Gr#246;#223;e ist«, antwortete Trautman. »Ich glaube nicht, da#223; sie die NAUTILUS ernsthaft besch#228;digen k#246;nnte, wenn du das meinst.«

»Ich verstehe #252;berhaupt nicht, warum es uns angreift«, sagte Ben nachdenklich. »Ob es uns f#252;r… f#252;r eine ArtBeuteh#228;lt?«

»Das ist durchaus m#246;glich«, antwortete Trautman.

»F#252;r ein Gesch#246;pf dieser enormen Gr#246;#223;e k#246;nnten wir wohl eine lohnende Beute darstellen.« Er seufzte.»Es ist vollkommen sinnlos, #252;ber die Gr#252;nde f#252;r diesen #220;berfall zu diskutieren. Das k#246;nnen wir tun, wenn wir es irgendwie losgeworden sind.«

»Und wie?« fragte Mike. »So wie ich die Sache sehe, sind wir blind, taub und gel#228;hmt. Wir k#246;nnen uns ja nicht einmal von der Stelle r#252;hren.« Er blickte nerv#246;s zum Fenster. Jetzt, wo er zu wissen glaubte, was diese unheimliche wei#223;e Masse war, machte sie ihm noch mehr angst.

Und wie sich schon in der n#228;chsten Sekunde zeigen sollte, zu Recht.

Ein harter Ruck ging durch die NAUTILUS. Hastig griffen Mike und die anderen nach einem festen Halt oder k#228;mpften mit rudernden Armen um ihr Gleichgewicht.

Ein unheimliches Knistern und Knirschen erscholl, gefolgt von einer Reihe dumpfer, lang nachhallender Schl#228;ge, die

durch den Rumpf des Bootes liefen, und dann konnten sie sp#252;

ren, wie sich das Schiff langsam zuerst auf die eine, dann auf die andere Seite legte und sein Bug schlie#223;lich nach vorne kippte.

»Was ist denn jetzt?« begann Trautman, fuhr dann mitten im Satz herum und war mit ein paar Schritten wieder bei den Kontrollinstrumenten. Mike konnte sehen, wie er vor Schrecken bla#223; wurde. »Wir sinken!« sagte er. »Es zieht uns mit nach unten!« Mike geriet in Panik. Auch die anderen waren zutiefst erschrocken und riefen wild durcheinander, und selbst Singh verlor etwas von seiner unersch#252;tterlichen Ruhe. Und dann h#246;rte Mike ein Ger#228;usch, das ihm schier das Blut in den Adern gerinnen lie#223;: ein helles Knistern, irgendwo hinter ihm. Erschrocken fuhr er herum – und stie#223; einen halblauten, entsetzten Schrei aus. Das Fenster hatte einen Ri#223; bekommen. Nicht viel l#228;nger als Mikes Hand, aber noch w#228;hrend er hinsah, h#246;rte er ein lautes Knacken, und der Ri#223; wuchs um ein gutes St#252;ck weiter nach unten.

»Nein!« keuchte Ben entsetzt. Sein ausgestreckter Arm wies auf das Fenster. Auch er hatte die furchtbare Gefahr bemerkt. »Seht doch! Die Scheibe!« »Es zerquetscht uns!« f#252;gte Juan mit fast #252;berschnappender Stimme hinzu.

Mike fuhr mit einer heftigen Bewegung zu Trautman herum. »Tun Sie etwas!« schrie er. »Schnell!« In diesem Moment erscholl von drau#223;en, dort, wo die Treppe zur unteren Etage mit Serenas Kabine lag, ein gellender Schrei.

Obwohl sie alle zugleich losgelaufen waren, erreichte Mike die Kabine vor den anderen. Er stie#223; die T#252;r auf, st#252;rzte in den kleinen Raum – und blieb wie vom Donner ger#252;hrt stehen.

Serena war nicht mehr da. Das Bett war zerw#252;hlt, Laken und Kissen heruntergerissen, aber das blonde M#228;dchen war verschwunden.

Ein weiterer Schlag lie#223; die NAUTILUS bis in die letzte Schwei#223;naht erzittern. Mike ri#223; es nach vorne, er stolperte #252;ber etwas Weiches und fiel auf das leere Bett. W#228;hrend er sich wieder aufrappelte, dr#228;ngten sich Ben, Juan, Andr#233; und Chris vor der Kabinent#252;r. Hinter den Jungen war die hochgewachsene Gestalt Singhs zu erkennen.

Jetzt bemerkte Mike, da#223; er #252;ber Serena gestolpert war. Offensichtlich hatten die Ersch#252;tterungen des Schiffes sie aus dem Bett geworfen, und sie lag nun auf dem nackten Metallboden.

Der Anblick versetzte Mike einen j#228;hen Schrecken. Mit einem einzigen Satz war er aus dem Bett und kniete neben dem M#228;dchen nieder. Serenas Augen waren noch immer geschlossen, aber sie lag nicht mehr still, sondern bewegte unruhig die H#228;nde, und manchmal h#246;rte Mike ein leises, qualvolles Wimmern, obwohl sich ihre Lippen nicht bewegten. Mike wollte nach ihren H#228;nden greifen, um sie festzuhalten, aber sie ri#223; sich mit erstaunlicher Kraft immer wieder los. »Was ist passiert?« fragte er. »Warum hat sie geschrien?« Die Frage galt Astaroth, der sie auch unverz#252;glich beantwortete: Daswei#223; ich nicht. Sie ist pl#246;tzlich aufgewacht und hat zu schreien begonnen.

»Sie ist aufgewacht?« wiederholte Mike #252;berrascht. Die anderen sahen abwechselnd ihn und den ein#228;ugigen Kater erschrocken an. Sie wu#223;ten alle, da#223; Mike und der Kater auf eine geheimnisvolle Weise miteinander zu reden imstande waren, auch wenn es dem einen oder anderen ein wenig unheimlich sein mochte.

Nur einen Moment,best#228;tigte der Kater.Ich wollte sie zur#252;ckhalten, aber sie hat mich weggesto#223;en.

»Und dann?« fragte Mike, als der Kater nicht weitersprach, sondern sich zu Serena herumdrehte und unter lautstarkem Schnurren ihr Gesicht abzulecken begann.Nichts und. Sie hat geschrien, und dann ist sie aus dem Bett gefallen,antwortete der Kater.

Mike erkl#228;rte hastig, was der Kater gesagt hatte. »Was hat sie geschrien?« fragte Juan.

Das habe ich nicht verstanden,antwortete Astaroth.Das hei#223;t: verstanden schon, aber ich wei#223; nicht, was es bedeuten soll.

»Was war es?« fragte Mike ungeduldig. »Verdammt, la#223; dir nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen!«Niemand wird meine Nase be –

»Astaroth!« sagte Mike scharf.Schon gut,antwortete Astaroth kleinlaut.Sie hat geschrien: Die Alten. Das war alles.

»Die Alten?« wiederholte Mike verwirrt. »Aber was soll das bedeuten?«Keine Ahnung,sagte Astaroth. Mike erkl#228;rte erneut, aber auch von den anderen konnte sich keiner einen Reim darauf machen. Sie

diskutierten einige Augenblicke lang heftig, dann beendete Mike das Gespr#228;ch mit

einer entschiedenen Handbewegung. »Das spielt jetzt keine Rol le«, sagte er. »Helft mir, sie wieder aufs Bett zu legen.« Ben kam herein, beugte sich hinunter und streckte die Arme aus – und zog die H#228;nde hastig wieder

zur#252;ck, als Astaroth mit den Krallen nach ihm schlug.Der nicht!erklang die Stimme des Katers in Mikes Kopf.Ich will nicht, da#223; er sie anfa#223;t!

Mike sparte sich die M#252;he, das den anderen zu sagen. Astaroth k#246;nne Ben ebensowenig leiden wie Ben umgekehrt den Kater. Jedermann an Bord der NAUTILUS wu#223;te das. Ben zog sich mi#223;gelaunt zur#252;ck, w#228;hrend Mike ebenso ungeschickt wie verbissen versuchte, Serena allein wieder auf das Bett zur#252;ckzuheben. Schlie#223;lich dr#228;ngte sich Singh wortlos an den vier Jungen vorbei und hob Serena ohne sichtbare M#252;he aufs Bett. Astaroth lie#223; es widerspruchslos geschehen.

»Wie geht es ihr jetzt?« fragte Mike. »Schl#228;ft sie wieder? Tr#228;umt sie noch?«Ja,antwortete der Kater z#246;gernd.Aber ihre Tr#228;ume sind… anders.»Was soll das hei#223;en, anders?« fragte Mike.Anders eben,antwortete der Kater m#252;rrisch.Sie… machen mir angst.

Das wiederum machte Mike angst. Pl#246;tzlich fiel ihm wieder etwas ein, was er beobachtet, aber in der Aufregung der letzten Minuten einfach vergessen hatte: Der Sturm hatte aufgeh#246;rt, und zwar im gleichen Moment, in dem die Riesenqualle das Schiff angegriffen hatte. Zum ersten Mal kam Mike der Verdacht, da#223; dieses Monster dort drau#223;en m#246;glicherweise mehr war als ein hirnloses Meeresungeheuer, das die NAUTILUS mit einem fetten Fisch verwechselt hatte.

»Jedenfalls scheint sie jetzt wieder zu schlafen«, sagte Ben nerv#246;s. »La#223;t uns in den Salon zur#252;ckgehen. M#246;glicherweise braucht Trautman unsere Hilfe.«

Das war sicher richtig. Die Sache mit Serena hatte die Tatsache, da#223; sie sich noch immer in einer lebensgef#228;hrlichen Situation befanden, in den Hintergrund gedr#228;ngt. Es war gut m#246;glich, da#223; sie sich schon in ganz naher Zukunft keine Gedanken mehr darum zu machen brauchten, ob Serena tr#228;umte oder nicht. Um alles andere #252;brigens auch nicht. Trotzdem war ihm nicht wohl dabei, das M#228;dchen allein zu lassen.

Geht ruhig,sagte Astaroth.Ich passe schon auf sie auf.

Mike war noch immer nicht beruhigt, aber er wandte sich trotzdem zur T#252;r und gab den anderen einen Wink, ihm zu folgen. Astaroth hatte recht. Wenn es jemand an Bord des Schiffes gab, der dazu in der Lage war, #252;ber Serena zu wachen, dann er. Schlie#223;lich erf#252;llte er diese Aufgabe seit gut und gerne zehntausend Jahren.

Trautman h#246;rte in Ruhe an, was Mike zu berichten hatte, aber er gab keinen Kommentar dazu ab. Sein Gesichtsausdruck wurde immer besorgter, und das tiefe Seufzen, mit dem er sich wieder in seinen Stuhl zur#252;cksinken lie#223;, sprach f#252;r sich. Mike vermutete wohl nicht zu Unrecht, da#223; ihn das Geh#246;rte weit mehr erschreckte, als er eigentlich zugeben wollte.

»Hier sieht es leider auch nicht sehr viel besser aus«, sagte Trautman schlie#223;lich. Er wies auf das Fenster. »Wie ihr seht, sind wir noch immer in der Gewalt des Ungeheuers.«

»Dann… dann sind wir verloren«, murmelte Chris. »Es wird

uns zerquetschen, oder wir werden ersticken, wenn unser

Sauerstoff aufgebraucht ist.«

»So schnell geht es nun auch wieder nicht«, antwortete Trautman. »Nicht einmal ein Wesen dieser Gr#246;#223;e kann die NAUTILUS so einfach zerquetschen. Und unsere Luft reicht noch eine ganze Weile. Vielleicht wird es bald ein bi#223;chen ungem#252;tlich hier drinnen, aber ersticken werden wir so schnell nicht, keine Angst.«

»Irgendwann wird dieses Ding schon kapieren, da#223; die NAUTILUS unverdaulich ist«, f#252;gte Andr#233; hinzu, wie Trautman ganz offensichtlich darum bem#252;ht, Chris zu beruhigen – und genauso offensichtlich wie er nicht #252;berzeugt von dem, was er sagte. »Sp#228;testens dann wird es uns wieder loslassen.«

»Falls wir dann noch am Leben sind«, f#252;gte Ben hinzu. »Und falls es bis dahin nicht so tief getaucht ist, da#223; uns der Wasserdruck einfach zerdr#252;ckt.«

Trautman verdrehte die Augen, und Mike warf Ben einen mordl#252;sternen Blick zu. Er hatte einmal geh#246;rt, da#223; Diplomatie eine Erfindung der Engl#228;nder war. Wenn das stimmte, dann stellte Ben wohl die ber#252;hmte Ausnahme dar, die die Regel bestimmte.

»Geht jetzt in eure Kabinen«, sagte Trautman befehlend, offenbar um einem eventuell ausbrechenden Streit vorzubeugen. »Ich sage auch sofort Bescheid, wenn es etwas Neues gibt.«

Chris gehorchte sofort, w#228;hrend Ben Trautman stirnrunzelnd ansah, sich aber dann achselzuckend abwandte und ebenfalls zur T#252;r ging. Auch Mike war verbl#252;fft. Eigentlich war es nicht Trautmans Art, sie wie kleine Kinder ins Bett zu schicken, wenn es ihm beliebte. Im Gegenteil: Seit dem ersten Tag, an dem sie zusammen waren, hatte Trautman sie stets wie Gleichberechtigte behandelt. Sie hatten alle Probleme gemeinsam besprochen und gel#246;st. Niemals hatte er den Erwachsenen herausgekehrt. Das war auch einer der Gr#252;nde, aus denen der alte Mann den Jungen so ans Herz gewachsen war. Um so mehr #252;berraschte Mike jetzt Trautmans Verhalten.

Aber Trautman wiederholte seine auffordernde Geste, und schlie#223;lich trollte sich auch Juan und der Franzose. Als Mike sich jedoch ebenfalls umdrehen und gehen wollte, hielt Trautman ihn mit einem Wink zur#252;ck. Gleichzeitig deutete er ihm, still zu sein. Mike warf einen Blick zur offenen T#252;r, durch die Juan und Andr#233; gerade verschwunden waren. Ganz offensichtlich wollte Trautman nicht, da#223; die anderen merkten, da#223; er noch etwas mit ihm zu besprechen hatte, und auch das war ungew#246;hnlich. Sie hatten keine Geheimnisse voreinander.

»Was… gibt es denn noch?« fragte er z#246;gernd. Trautman ging an ihm vorbei und schlo#223; die T#252;r, ehe er antwortete. »Entschuldige die Geheimnistuerei«, sagte er, »aber ich wollte die anderen nicht unn#246;tig beunruhigen.«

Mike sagte nichts, aber er schluckte. Zumindest ihn hatte Trautman mit diesen Worten noch mehr beunruhigt. »Serena hat wirklich nur das gesagt?« vergewisserte sich Trautman. »Die Alten?« »Soviel ich wei#223;, ja«, antwortete Mike. »Astaroth hat mich noch nie belogen. Warum?« Trautman antwortete nicht darauf, aber er tauschte einen

Blick mit Singh, der als einziger zur#252;ckgeblieben war.

»Sie wissen, was dieses Wort bedeutet«, vermutete Mike.

»Dein Vater hat es ein paarmal erw#228;hnt«, sagte Trautman. »Er hat mir nie gesagt, wer diese Alten sind. Aber jedesmal, wenn er dieses Wort aussprach, war er sehr ernst. So, als spr#228;che er #252;ber etwas, was ihm furchtbare Angst macht.«

Mike sp#252;rte ein eisiges Fr#246;steln. Astaroths Worte fielen ihm wieder ein:Ihre Tr#228;ume machen mir angst.

Trautman ging zu dem gro#223;en Tisch in der Mitte des Salons, zog eine Schublade auf und nahm eine zusammengerollte Karte heraus, die er auf dem Tisch ausbreitete. Als Mike neben ihn trat, erkannte er, da#223; es sich um eine Karte des Atlantik handelte.

»Wir sind ungef#228;hr hier«, sagte Trautman und deutete auf einen Punkt irgendwo zwischen der Halbinsel Florida und den Bermuda-Inseln. »Ich nehme nicht an, da#223; dir das etwas sagt?«

Mike verneinte. »Sollte es das?«

»Nur, wenn du dich f#252;r Seefahrt interessierst«, sagte Trautman. »Dieses Gebiet ist bei allen Seefahrern bekannt – und gef#252;rchtet. Seit es Menschen gibt, die zur See fahren, verschwinden hier immer wieder Schiffe.« »Verschwinden? Sie meinen: sinken?«

»Die meisten sicher«, antwortete Trautman. »Aber einige verschwinden auch einfach. Wenn ein Schiffsinkt, findet man fast immer irgend etwas: #220;berlebende, ein leeres Rettungsboot, Wrackteile, Tr#252;mmer… Aber hier nicht. In diesem Seegebiet verschwinden immer wieder Schiffe einfach spurlos, und niemand hat eine Erkl#228;rung daf#252;r.«

»Bis jetzt«, murmelte Mike. »Sie meinen, es… es ist die Riesenqualle?« »Die Vermutung liegt zumindest auf der Hand«, sagte Trautman. »Und was hat das mit den Alten zu tun?« fragte Mike. »Das wei#223; ich nicht«, antwortete Trautman.

»Aber dieses Schiff stammt aus Atlantis. Dein Vater wu#223;te das. Er wu#223;te viel #252;ber das untergegangene Volk der Atlanter, wahrscheinlich mehr als irgendein anderer Mensch auf der Welt. Und jetzt haben wir eine echte Atlanterin an Bord. Auch sie hat von den Alten gesprochen, im gleichen Moment, in dem wir von diesem …Dingangegriffen worden sind. Das kann kein Zufall mehr sein.«

»Und jetzt m#246;chten Sie, da#223; ich sie wecke und sie frage, wer die Alten sind«, vermutete Mike. Trautman nickte ernst. »Es ist vielleicht unsere einzige Chance.« »Sie wissen, was passiert ist, als wir sie das letzte Mal geweckt haben«, sagte Mike.

»Das war etwas anderes«, behauptete Trautman. »Erstens habenwirsie nicht geweckt, und zweitens wurde sie angegriffen und glaubte sich verteidigen zu m#252;ssen. Au#223;erdem – schlimmer kann es kaum noch kommen.«

»Wieso?« fragte Mike.

Trautman z#246;gerte kurz. »Ich habe nicht ganz die Wahrheit gesagt«, gestand er schlie#223;lich. »Unsere Lage ist weitaus schlimmer, als die anderen ahnen.«

»Und wieso?« fragte Mike. Sein Herz begann heftiger zu klopfen.

»Der Sauerstoff«, sagte Trautman. »Unsere Luftvorr#228;te reichen noch f#252;r eine Stunde. Danach werden wir langsam ersticken.«Nein!sagte Astaroth energisch.Kommt #252;berhaupt nicht in Frage!

»Astaroth, bitte, sei nicht stur!« flehte Mike.Wieso?fragte Astaroth. Nat#252;rlich hatte er die Antwort l#228;ngst in Mikes Gedanken gelesen, aber es machte ihm offensichtlich Spa#223;, Mike jedes Wort laut aussprechen zu lassen.

»Es ist wichtig! Wir werden alle sterben, wenn wir hier nicht herauskommen!« Er mu#223;te sich m#252;hsam

beherrschen, um den Kater nicht anzuschreien. »Das wei#223;t du ganz genau!« Soschnell stirbt es sich nicht,antwortete der Kater.Au#223;erdem: Schrei mich nicht an, ja?»Ich schreie nicht!« antwortete Mike.

Aber du wolltest es.

Mike mu#223;te den Impuls unterdr#252;cken, den Kater zu packen und so lange zu sch#252;tteln, bis er Vernunft annahm. Astaroth, der dieses Bild nat#252;rlich in seinen Gedanken sah, wich ein St#252;ck vor ihm zur#252;ck und fauchte drohend.

Komm mir blo#223; nicht so,sagte er.Ich bin schon mit ganz anderen Gegnern fertig geworden.

Mike fragte sich, welche Gegner au#223;er der Langeweile der Kater wohl in der hermetisch abgeriegelten Kuppel auf dem Meeresgrund bek#228;mpft haben mochte, in der er die vergangenen Jahrtausende zugebracht hatte, aber er sparte es sich, diesen Gedanken laut auszusprechen, nicht nur, weil Astaroth ihn sowieso las. Die Lage war ernst genug, er konnte nicht kostbare Zeit damit vertr#246;deln, mit einer Katze zu streiten.

Warum tust du es dann?fragte Astaroth.

»Weil –« Nein! Er w#252;rde sich nicht von Astaroth dazu bringen lassen, endlos #252;ber etwas zu reden, wor#252;ber er nicht reden wollte! »Bitte sei vern#252;nftig, Astaroth«, sagte er, so ruhig er konnte. »Es geht umLeben und Tod. #220;brigens auch um deines und das Serenas.«

F#252;r einen Moment sah es tats#228;chlich so aus, als ob dieses Argument wirkte. Astaroth h#246;rte auf, die Z#228;hne zu fletschen und zu fauchen und blickte ihn erschrocken an. Aber dann sch#252;ttelte er den Kopf. Es war ein fast bizarrer Anblick, dieses menschliche Verhalten an einem Tier zu sehen, aber das #228;nderte nichts an der Endg#252;ltigkeit.

Ich werde sie nicht wecken,sagte er. Etwas kleinlauter f#252;gte er hinzu: Daskann ich nicht.

»Versuch es wenigstens!« flehte Mike.

Glaubst du denn wirklich, da#223; ich das nicht l#228;ngst getan h#228;tte?gab Astaroth zur#252;ck.Ein Dutzend Mal mindestens.

»Dann sag du mir, was du #252;ber die Alten wei#223;t«, verlangte Mike. Er war der Verzweiflung nahe. Wenn es ihnen nicht gelang, irgendeinen Ausweg zu finden, dann waren sie in einer Stunde alle tot.

Ich wei#223;,sagte Astaroth traurig.Aber glaub mir – ich wei#223; nicht, wer die Alten sind. Ich habe dieses Wort noch nie geh#246;rt.

»Aber das… das kann doch nicht sein!« protestierte Mike.

»Du stammst aus der gleichen Welt wie Serena. Und wenn sie solche Angst vor diesen Wesen hat –«

Vergi#223; nicht, da#223; ich ein ganz normales Tier war, bevor mich der Priester einfing und zu Serenas W#228;chter machte,antwortete Astaroth.Ich wei#223; wenig mehr #252;ber die Menschen von Atlantis als du und deine Freunde.

»Aber du bist dort geboren!« protestierte Mike.

Ich kann dir eine Menge #252;ber die W#228;lder von Atlantis erz#228;hlen,antwortete Astaroth.Und seine Tiere. Aber mehr nicht.Obwohl seine Stimme v#246;llig lautlos war und direkt in Mikes Kopf erklang, glaubte er ehrlich empfundenes Bedauern darin zu h#246;ren.Glaub mir, Mike. Der Priester hat… etwas mit mir getan, was mich zu dem gemacht hat, was ich jetzt bin. Vielleicht wirklich zu etwas wie einem Menschen… aber er hat mir nicht die Erinnerungen eines Menschen gegeben.

Mike resignierte. Von allen Eingest#228;ndnissen, die der Kater bisher gemacht hatte, #252;berzeugte ihn dies am meisten. Normalerweise sprang Astaroth jedem mit allen Krallen zusammen ins Gesicht, der es auch nur wagte, ihn mit einem menschlichen Wesen zu vergleichen. »Du warst unsere letzte Hoffnung«, sagte er traurig.

Ich wei#223;,antwortete Astaroth.Und ich w#252;rde euch helfen, wenn ich k#246;nnte. Wei#223;t du, ich h#228;nge genauso am Leben wie ihr.

»Auch wenn du neun St#252;ck davon hast?« murmelte Mike. Er l#228;chelte m#252;de.

Ich f#252;rchte, das eine oder andere habe ich wohl schon verbraucht,gab der Kater in sanftem Tonfall zur#252;ck.

Mike sah ihn traurig an, dann stand er auf und ging zur T#252;r.

Aber bevor er die Kabine verlie#223;, blieb er noch einmal stehen und blickte zu Serena zur#252;ck. Sie lag wieder mit geschlossenen Augen auf dem Bett und schlief, so wie sie die ganze vergangene Woche dagelegen hatte, und trotzdem kam ihm das Bild vollkommen ver#228;ndert vor. Der Unterschied war nicht wirklich greifbar. Vielleicht gab es auch gar keinen, und er sah Serena jetzt nur mit anderen Augen. Sie kam ihm viel verwundbarer vor als bisher, viel zarter, wie sie so dalag, in ihrem wei#223;en Kleid, mit ihren lockigen blonden Haaren und dem Gesicht, das so wei#223; und weich war wie frisch gefallener Schnee.

He, an dir ist ein Dichter verlorengegangen!sp#246;ttelte Astaroth.Du hast dich doch nicht etwa in sie verliebt?

»Bl#246;dsinn!« antwortete Mike heftig.

Du solltest nicht versuchen, jemanden zu bel#252;gen, der deine Gedanken liest,sagte Astaroth.Und wenn du einen guten Rat von mir willst –

»Will ich nicht«, sagte Mike.

dann gib dich keiner falschen Hoffnung hin,fuhr Astaroth unbeeindruckt fort.Sie kann Jungs nicht ausstehen.

Mike spie#223;te den Kater mit seinen Blicken regelrecht auf, aber Astaroth reagierte darauf nur mit seinem unversch#228;mten Katergrinsen, zu dem von allen Katzen auf der Welt wahrscheinlich nur er f#228;hig war. Mike verbrachte einige Sekunden damit, sich alle m#246;glichen unangenehmen Dinge vorzustellen, die er dem Kater antun konnte, aber diesmal funktionierte der Trick nicht. Astaroth grinste nur noch breiter, und schlie#223;lich fuhr Mike w#252;tend auf dem Absatz herum und st#252;rmte hinaus.

Und Adelige schon gar nicht,f#252;gte Astaroths lautlose Stimme

in seinem Kopf noch hinzu.

Es war unheimlich still geworden. Nach dem gequ#228;lten Heulen der Maschinen waren nach und nach auch fast alle anderen Ger#228;usche verstummt, nachdem Trautman die meisten elektrisch betriebenen Ger#228;te abgestellt hatte, um Luft zu sparen. Sie selbst verbrauchten zwar keinen Sauerstoff, wohl aber die Generatoren, die den Strom erzeugten.

Trotzdem war die Luft bereits sp#252;rbar schlechter geworden. Mike redete sich das nicht nur ein, obwohl er es gerne geglaubt h#228;tte. Aber es war wirklich stickig im Salon der NAUTILUS, und jedesmal, wenn er einatmete, sp#252;rte er ein leises Kratzen im Hals, so als k#252;ndigte sich eine Erk#228;ltung an. Sie sprachen sehr wenig. Trautman hatte ihnen nicht verboten zu reden, aber sie wu#223;ten alle, da#223; sie damit nur Sauerstoff vergeuden w#252;rden. Aber schlie#223;lich hielt Mike das Schweigen einfach nicht mehr aus.

»Wie tief sind wir?« fragte er.

Trautman hob die Schultern. Er warf einen Blick auf seine Instrumente und seufzte tief. Die Ger#228;te waren nutzlos. Die riesige Qualle h#252;llte das Schiff vollkommen ein, so da#223; sie sozusagen blind und taub waren; ganz wie Mike es vorhin ausgedr#252;ckt hatte. Trotzdem antwortete Trautman nach einer Weile: »Ich wei#223; es nicht. Aber ich denke, sehr tief. Einige tausend Meter d#252;rften es wohl sein.«

»Wie kommen Sie darauf?« wollte Ben wissen.

»Weil die Vermutung auf der Hand liegt«, antwortete Trautman. »Sie wird bestimmt in ihre angestammte Umgebung zur#252;ckkehren, sobald sie Beute gemacht hat. Und nach allem, was ich wei#223;, leben Tiere dieser Gr#246;#223;e normalerweise nur sehr tief unten im Meer.«

»Wenn das alles nur ein schreckliches Mi#223;verst#228;ndnis ist«, sagte Ben kampflustig, »dann erkl#228;r mir doch mal einer, wieso dieses Ding uns eine Woche lang beharrlich verfolgt hat.«

Genau das hatte sich Mike auch schon gefragt, ohne zu einer befriedigenden Antwort zu gelangen. Er glaubte nicht, da#223; das Wesen durch einen reinen Zufall ausgerechnet jetzt aufgetaucht war.

Es fiel ihm jetzt immer schwerer zu denken. Der Sauerstoffmangel begann sich deutlich bemerkbar zu machen. Ihm war schwindelig, und jede Bewegung fiel ihm schwer. Und wenn er auch nur halb so schlimm aussah wie die anderen, dann mu#223;te er wirklichschlimmaussehen: Juans Augen waren ger#246;tet und dunkel unterlaufen, und sein Gesicht war kreidebleich. Und auch die anderen boten keinen sehr viel erfreulicheren Anblick.

Vielleicht war es dieses Bild, das ihm endg#252;ltig vor Augen f#252;hrte, wie ernst ihre Situation war. Wenn kein Wunder geschah, dann w#252;rden sie sterben. Nicht irgendwann und irgendwo, sondernhierundjetzt.

»Die Taucheranz#252;ge!« sagte Andr#233; pl#246;tzlich. »Wenn wir in die Anz#252;ge steigen, haben wir noch Luft aus den Flaschen!«

»Die reichen nur f#252;r eine Stunde«, sagte Trautman.

»Aber wenn wir die NAUTILUS verlassen und mit den Anz#252;

gen zur Oberfl#228;che hinaufschwimmen?«

»Das geht nicht«, antwortete Trautman traurig. »Dazu sind wir zu tief. Der Aufstieg zur Oberfl#228;che w#252;rde Stunden dauern. Ganz davon abgesehen, da#223; uns der Druckausgleich umbringen w#252;rde. Au#223;erdem haben wir gar nicht genug Anz#252;ge. Zwei von uns m#252;#223;ten zur#252;ckbleiben.«

Damit endete die Diskussion, die ohnehin sinnlos gewesen war. Trautman hatte Mike schon vor l#228;ngerer Zeit einmal erkl#228;rt, da#223; ein Mensch in einem Taucheranzug nicht nach Belieben ins Meer hinab- und wieder hinaufsteigen konnte. Der menschliche K#246;rper brauchte eine gewisse Zeit, um sich an den ver#228;nderten Druck in gro#223;en Wassertiefen zu gew#246;hnen; und ebenso umgekehrt. Der Aufstieg aus einigen hundert Metern Tiefe konnte Stunden dauern, und der aus einigentausendentsprechend Tage, wenn nicht Wochen. Au#223;erdem hatte Trautman nat#252;rlich auch mit seinem zweiten Argument recht. Sie hatten zwei Taucheranz#252;ge zuwenig. Wer von ihnen w#252;rde wohl in dem Bewu#223;tsein in einen dieser Anz#252;ge steigen wollen, damit einen der anderen zum sicheren Tode zu verurteilen?

Mikes Sinne begannen sich langsam zu verwirren. Er hatte ein Gef#252;hl wie Fieber, und nach und nach schien er in einen dumpfen Traum abzudriften, hinter dem etwas Dunkles, Tiefes zu lauern schien, eine bodenlose Klippe, auf die er langsam zuschwebte, ohne da#223; er etwas dagegen tun konnte. Wenn das der Tod ist, dachte er, dann ist er sehr angenehm. Er hatte es sich qualvoller vorgestellt, langsam zu ersticken.

Jemand r#252;ttelte an seiner Schulter. Die Bewegung setzte sich bis in seinen Traum hinein fort und st#246;rte den Frieden, der ihn ergriffen hatte. Mike versuchte die Hand abzusch#252;tteln, die da so roh in seine Tr#228;ume drang, aber es gelang ihm nicht. Im Gegenteil: Das R#252;tteln wurde st#228;rker, und dann h#246;rte er eine Stimme, die in fast verzweifeltem Tonfall seinen Namen rief.

»Mike, wach auf! Mike!Mike!«

»Verschwinde«, murmelte Mike. »Ich willsterben.«

»Gerne«, antwortete die Stimme, die er jetzt als die Trautmans identifizierte. »In sechzig oder siebzig

Jahren. Jetzt machst du gef#228;lligst die Augen auf und kommst mit. Oder soll ich alter Mann dich jungen

Spund etwa tragen?« Mike #246;ffnete widerwillig die Augen. Trautman stand #252;ber ihn gebeugt da. Er r#252;ttelte noch immer an seiner Schulter. Und – die NAUTILUS lag nicht mehr still. Das Schiff schwankte leicht hin und her. Und das konnte nur eines bedeuten …

»Sind wir aufgetaucht?« »So k#246;nnte man es nennen«, antwortete Trautman ausweichend. »Was soll das hei#223;en?« fragte Mike. »Ich denke, es ist besser, wenn du es dir selbst ansiehst«, sagte Trautman. »Komm. Die anderen sind

schon alle oben.« Mehr von Trautman gezogen als aus eigener Kraft, stemmte sich Mike aus dem Sessel. Mit einem Gef#252;hl

leiser Verwunderung registrierte er, wie leicht ihm die Bewegung fiel. Und erst in diesem Augenblick fiel es ihm auf: ein k#252;hler Lufthauch streifte sein Gesicht. Der Luftzug wurde st#228;rker, und als sie sich auf der Treppe nach oben befanden, war es ein regelrechter

Wind, der ihnen in die Gesichter schlug; k#246;stliche, saubere Luft, so kalt und rein,

da#223; Mike gar nicht genug davon bekommen konnte und so ha stig ein- und ausatmete, da#223; ihm wieder schwindelig wurde. Durch die weit offenstehende Turmluke fiel helles Licht zu ihnen herein. Mike konnte die Schritte der

anderen oben auf dem Deck h#246;ren und einen Moment sp#228;ter ihre Stimmen. Die Worte waren nicht zu

verstehen, aber sie klangen ziemlich erregt. Sie waren tats#228;chlich aufgetaucht! Aber irgend etwas stimmte nicht. Es hatte mit dem Licht zu tun. Es war nicht so, wie Tageslicht sein sollte. Dicht vor Trautman stieg er die eiserne Luke zum Turm hinauf und trat schlie#223;lich ins Freie.

Vollkommen fassungslos blieb er stehen. Die NAUTILUS trieb auf dem Wasser eines riesigen, halbkreisf#246;rmig angelegten Hafenbeckens. Die

Kaimauern erhoben sich erstaunlich hoch #252;ber die Wasseroberfl#228;che, und die dahinter liegenden Geb#228;ude kamen Mike irgendwie… sonderbar vor, ohne da#223; er genau h#228;tte sagen k#246;nnen, warum. Sie waren auch zu weit entfernt, um sie genau zu erkennen. Was er hingegen ganz genau sehen konnte, waren die Schiffe, die an der Kaimauer vert#228;ut waren oder in

kleinen Gruppen aneinandergebunden davor auf dem Wasser trieben. Es mu#223;ten an die hundert sein. Die meisten waren uralt und zum Gro#223;teil verfallen und vermodert, und es waren alle nur vorstellbaren Schifftstypen darunter – spanische Galeonen, die aussahen, als w#228;ren sie einem Buch mit historischen Illustrationen entsprungen, ebenso wie ganz moderne Dampfschiffe, kleine

Ruderboote ohne Segel genauso wie gewaltige f#252;nfmastige Kriegsschiffe. Schlanke Wikingerboote waren an plumpen Lastk#228;hnen vert#228;ut. Es waren Schiffe darunter, wie Mike sie noch nie zuvor gesehen hatte, aber auch ganz moderne, die er kannte.

»Unglaublich«, fl#252;sterte Mike.

»Wenn dir das schon unglaublich erscheint, dann schau doch bitte mal nach oben«, sagte Ben.

Mike gehorchte – und ri#223; zum zweiten Mal binnen k#252;rzester Zeit ungl#228;ubig die Augen auf.

Der Anblick des Hafens war bizarr gewesen, aber der des Himmels war… absurd. Es war n#228;mlich keiner.

#220;ber dem Hafen spannte sich eine gewaltige, halbrunde Kuppel aus – Wasser!

»Aber das ist doch vollkommenunm#246;glich!«kr#228;chzte Mike.

»Du bist genau der f#252;nfte, der das sagt«, erkl#228;rte Ben mit einem s#228;uerlichen Grinsen. »#220;brigens auch mit derselben Betonung. Wer wei#223; – vielleicht sind wir ja l#228;ngst tot, und das hier ist die H#246;lle?«

»La#223; das!« sagte Trautman streng. »Mit so etwas scherzt man nicht.«

»Es war auch nicht als Scherz gemeint«, antwortete Ben.

Mike h#246;rte nicht mehr hin. M#252;hsam l#246;ste er den Blick von der gigantischen Wasserkuppel und sah zum Heck der NAUTILUS hin. Der halbrunde Himmel setzte sich auch dort fort, bis er in einer Entfernung von mindestens drei oder vier Meilen mit dem Wasser des Hafens verschmolz. Hinter ihnen befanden sich keine Schiffe mehr, aber irgend etwas trieb auf dem Wasser. Auf den ersten Blick sah es aus wie Fetzen von wei#223;em Segeltuch, aber dazu war es zu gro#223;, und es setzte sich zu weit unter Wasser fort. Es war die Qualle. Sie hatte die NAUTILUS zwar freigegeben, aber sie befand sich noch immer in ihrer unmittelbaren N#228;he; vielleicht, um sofort zugreifen zu k#246;nnen, sollten sie einen Fluchtversuch wagen. Mike versp#252;rte ein eisiges Fr#246;steln, als er sah, wie gewaltig die Qualle wirklich war. Viel gr#246;#223;er, als sie alle geglaubt hatten. Selbst die NAUTILUS mu#223;te dagegen wie ein Zwerg erscheinen.

Mike drehte sich wieder zu den Schiffen herum. »Ob sie… wohl alle auf die gleiche Weise hierhergekommen sind?« fragte er stockend.

Trautman hob die Schultern. »Die Vermutung liegt nahe«, gab er zur#252;ck. »Und jetzt frag mich blo#223; nicht, warum.«

Das tat Mike auch nicht. Und er ersparte sich auch die andere Frage, die ihm auf der Zunge lag – n#228;mlich, was mit den Besatzungen all dieser Schiffe geschehen war. Er kannte die Antwort. Sie hatten den Angriff der Qualle mit M#252;h und Not #252;berlebt, aber nur, weil sie sich in einem Unterseeboot befanden, einem Schiff, das dazu gebaut war, in gro#223;e Wassertiefen vorzusto#223;en. Die M#228;nner und Frauen auf all diesen Schiffen hier mu#223;ten j#228;mmerlich ertrunken sein.

»Ich denke, wir werden uns diesen sonderbaren Hafen einmal ein wenig genauer ansehen«, sagte Trautman. »Ihr bleibt hier oben. Haltet die Augen offen.« Er ging in den Turm zur#252;ck, in dem sich ein zweites Steuerruder befand, so da#223; er die NAUTILUS im Notfall auch von hier aus steuern konnte. Es verging nur ein Moment, bis sie h#246;ren konnten, wie die Motoren des Schiffes wieder ansprangen. Die NAUTILUS setzte sich in Bewegung.

Mike kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, w#228;hrend die NAUTILUS zwischen den miteinander vert#228;uten Schiffen hindurchglitt. Beim N#228;herkommen konnten sie sehen, da#223; sich die meisten Schiffe in einem sehr viel schlechteren Zustand befanden, als es von weitem den Anschein gehabt hatte. Spieren und Ruder waren geknickt und zersplittert, Masten gebrochen, und in dem einen oder anderen Rumpf g#228;hnten gewaltige L#246;cher. Dicke Krusten aus Muscheln und Algen hatten das Holz #252;berwuchert, es roch nach F#228;ulnis und Schimmel.

Pl#246;tzlich fuhr Juan zusammen.

»Was hast du?« fragte Mike alarmiert.

Juan starrte aus eng zusammengekniffenen Augen zur Reling eines riesigen Viermasters empor, dem sich die NAUTILUS n#228;herte.

»Ich… dachte, ich h#228;tte etwas gesehen«, antwortete er z#246;gernd. »Aber ich mu#223; mich wohl get#228;uscht haben.« Trotzdem lie#223; er das Schiff nicht aus den Augen, und auch Mike musterte das Kriegsschiff genauer. Flaggen und Segel waren l#228;ngst weggefault, aber Mike erkannte den Schiffstyp jetzt wieder: Es handelte sich um ein spanisches Kriegsschiff aus dem sechzehnten Jahrhundert, eines jener gewaltigen Schiffe, denen die spanische Krone damals ihren Rang als Weltmacht verdankt hatte.

»Das gef#228;llt mir nicht«, sagte Juan. »Irgend etwas stimmt hier nicht.«

»Hier lebt niemand mehr«, antwortete Ben – in einem Ton, dem man anh#246;rte, da#223; er diese Worte nur sagte, um sich selbst zu beruhigen.

»So?« fragte Juan. »Und wer hat dann die Schiffe aneinandergebunden? Und die Stadt gebaut? Etwa die Qualle?« Darauf antwortete Ben nicht. Aber auch er wurde deutlich nerv#246;ser.

Die NAUTILUS glitt weiter auf das Kriegsschiff zu. Es war mittels eines dicken Seiles mit einem kleineren, aber immer noch gro#223;en Schiff vert#228;ut, so da#223; die verbleibende Durchfahrt gerade f#252;r die NAUTILUS reichte. F#252;r eine Sekunde glaubte Mike, eine Bewegung hinter den offenstehenden Gesch#252;tzluken des Linienschiffes zu erkennen. Aber als er genauer hinsah, war alles leer.

Einen Moment sp#228;ter sah er eine Gestalt, und dann ging alles so schnell, da#223; keinem von ihnen noch Zeit blieb, irgend etwas zu tun. Hinter der Reling der beiden Schiffe, zwischen denen sie hindurchfuhren, erschien pl#246;tzlich mehr als ein Dutzend zerlumpter, waffenschwingender M#228;nner. Ein gewaltiges Gebr#252;ll hob pl#246;tzlich an, und ehe Mike und die anderen wirklich begriffen, was vor sich ging, waren die Angreifer bereits dabei, die NAUTILUS zu entern. Sie sprangen von den h#246;her liegenden Decks der Schiffe herunter, schwangen sich an Seilen herab und turnten mit affenartiger Geschicklichkeit an den Tauen entlang, zwei oder drei von ihnen verfehlten das Schiff und landeten mit einem gewaltigen Platsch im Wasser, aber die meisten setzten mit erstaunlichem Geschick auf dem schl#252;pfrigen Deck der NAUTILUS auf und fielen #252;ber deren vollkommen verbl#252;ffte Besatzung her.

Mike wurde gepackt und auf den R#252;cken geworfen. Eine wild aussehende Gestalt mit struppigem Bart und langem, verfilztem Haar kniete auf seiner Brust und hielt seine Handgelenke umklammert. Mike b#228;umte sich mit verzweifelter Kraft auf, aber er bekam keine Luft, denn der andere war mindestens doppelt so stark wie er und fast doppelt so schwer.

Gerade als er glaubte, in der n#228;chsten Sekunde das Bewu#223;tsein zu verlieren, wurde der Bursche von ihm herunter und in hohem Bogen ins Wasser geschleudert. An seiner Stelle tauchte Singh #252;ber Mike auf. In der einen Hand schwang er einen schartigen S#228;bel, den er offensichtlich von einem der Angreifer erbeutet hatte, die andere streckte er nach Mike aus, um ihm auf die Beine zu helfen.

Zwei weitere Angreifer st#252;rmten auf sie los, diesmal mit gez#252;ckten Schwertern. Singh wehrte sie mit ein paar geschickten Hieben ab, durch die der eine seine Waffe verlor und der andere r#252;cklings ins Wasser st#252;rzte. Gleichzeitig ri#223; er Mike in die H#246;he und versetzte ihm einen Sto#223;, der ihn auf die offenstehende Luke zutaumeln lie#223;. Irgendwie schaffte es Mike, auf den Beinen zu bleiben, aber wie er die Treppe hinuntergelangte, ohne sich den Hals zu brechen, war ihm ein R#228;tsel. Hinter ihm klirrte Metall, dann h#246;rte er einen gellenden Schrei, und einen Moment sp#228;ter landete Singh mit einem federnden Satz neben ihm. Er trug jetzt zwei Schwerter in der Hand.

»Trautman! Weg hier! Tauchen Sie!«

Aber es war zu sp#228;t. Hinter Singh dr#228;ngten sich einige der zerlumpten Gestalten die Treppe herunter.Zwar gelang es dem Sikh, sie aufzuhalten, aber nicht, sie zur#252;ckzudr#228;ngen; dazu war die #220;bermacht zu gro#223;. Und solange die Luke offenstand, konnten sie nicht tauchen.

»Flieht!« schrie Singh. »Ich halte sie auf!«

Trautman ergriff Mike am Arm und zerrte ihn mit sich, hinunter in den Rumpf der NAUTILUS. »In den Salon!« keuchte er. »Schnell! Vielleicht kommen wir von dort aus weiter!«

Mike begriff sofort, was Trautmans Plan war. Der Salon verf#252;gte #252;ber die mit Abstand massivste T#252;r von allen R#228;umen an Bord der NAUTILUS. Auch sie w#252;rde den Angreifern nicht ewig standhalten, aber vielleicht verschaffte sie ihnen die Frist, die sie brauchten, um einen Plan zu fassen. Alles war so unheimlich schnell gegangen, da#223; Mike immer noch nicht richtig mitbekommen hatte, wie ihnen #252;berhaupt geschah. Die zerlumpte Bande, die so j#228;hlings #252;ber sie hergefallen war, machte ganz den Eindruck von Piraten. Aber Mike weigerte sich, das zu glauben. Piraten, im zwanzigsten Jahrhundert, und hier, etliche tausend Meter unter dem Meer? L#228;cherlich!

Sie hatten das Ende der Treppe erreicht.

Mit weit ausgreifenden Schritten st#252;rmten Trautman und Mike in den Salon und bem#252;hten sich mit vereinten Kr#228;ften, die schwere Stahlt#252;r zu schlie#223;en. Es gelang ihnen im buchst#228;blich allerletzten Moment. Der schwere Riegel war kaum eingerastet, da erzitterte die T#252;r auch schon unter einer Reihe heftiger Schl#228;ge, die ihre andere Seite trafen und lang durch den gesamten Rumpf des Schiffes nachhallten.

»Jetzt sind wir eine Weile sicher vor ihnen«, sagte Trautman, w#228;hrend er mit erleichtertem Aufatmen zur#252;cktrat. »Und was ist mit Singh?« fragte Mike. Er konnte den Inder unm#246;glich dieser Bande drau#223;en #252;berlassen. Trautman machte eine beruhigende Handbewegung. »Wenn er klug ist, gibt er auf, sobald er merkt, da#223; wir in Sicherheit sind«, sagte er. »Ich glaube nicht, da#223; sie ihm etwas antun.«

»Nein. Sie sind sicher nur gekommen, um uns einen H#246;flichkeitsbesuch abzustatten«, antwortete Mike sarkastisch. »Auch wenn ich finde, da#223; sie eine etwas merkw#252;rdige Art haben, hallo zu sagen.«

»Sie wollen bestimmt nicht unseren Tod«, beharrte Trautman. »Erinnere dich – keiner von ihnen hat seine Waffe gezogen, um dich und die anderen zu #252;berw#228;ltigen.«

»Aber was wollen sie dann?«

Trautman hob die Schultern. »Ich habe keine Ahnung«, gestand er. »Piraten! Da#223; ich das noch erleben mu#223;. Ich w#252;nschte, ich w#228;re zwanzig Jahre j#252;nger.«

»Das klingt, als w#228;ren Sie schon einmal mit Piraten zusammengetroffen.«

»Einmal?« Trautman lachte. »Dein Vater und ich haben sie quer #252;ber die Weltmeere gejagt. Fr#252;her war der Ozean voll von diesem Gesindel. Dein Vater hat sie geha#223;t wie die Pest. Wir m#252;ssen zwei oder drei Dutzend von ihnen versenkt haben!«

Mike fr#246;stelte pl#246;tzlich. Wor#252;ber Trautman da sprach, das klang im ersten Moment wie eine spannende Geschichte. Aber in Wahrheit redete er #252;ber den Tod von Menschen. Von vielen Menschen. M#246;glicherweise, dachte Mike, gab es da doch noch das eine oder andere Detail aus dem Leben seines Vaters, das er nicht kannte. Und auch nicht kennen wollte.

Wieder erzitterte die T#252;r unter einer Folge harter, lang nachhallender Schl#228;ge. Trautman fuhr erschrocken zusammen und deutete auf den hinteren Ausgang des Salons. »Schnell jetzt!« rief

er. »Ehe sie auch von dort kommen!«

In panischer Hast verlie#223;en sie den Salon. Aber sie schafften es trotzdem nicht. Einige Piraten mu#223;ten in der oberen Etage schon weiter zum Heck der NAUTILUS vorgedrungen sein, denn vor ihnen klapperten pl#246;tzlich Schritte auf dem Metall des Gangbodens, und sie h#246;rten aufgeregte, wild durcheinanderrufende Stimmen – und dann tauchten hintereinander vier, f#252;nf, sechs der Piraten vor ihnen auf, die triumphierend zu br#252;llen begannen, als sie Trautman und Mike erblickten. Unverz#252;glich st#252;rzten sie sich auf sie.

Trautman stellte sich sch#252;tzend vor Mike und wehrte sich heftig, wurde aber binnen Sekunden #252;berw#228;ltigt und zu Boden gezwungen. Dabei vermieden sie jede Brutalit#228;t. Keiner von ihnen schlug oder trat gar nach dem alten Mann – Trautman wurde einfach an den Armen gepackt und niedergehalten.

Zwei der Piraten versuchten nun dasselbe mit Mike. Obwohl er wu#223;te, da#223; es vollkommen sinnlos war, setzte er sich mit erbitterter Kraft zur Wehr. Blitzschnell duckte er sich unter einer zupackenden Hand hinweg, versetzte dem Mann einen derben Sto#223;, der ihn zur#252;cktaumeln lie#223;, und trat dem anderen Piraten so kr#228;ftig vor das Schienbein, da#223; dieser aufheulte und auf einem Bein zur Seite sprang.

Auf diese Weise verschaffte er sich f#252;r eine Sekunde Luft. Nicht, da#223; es ihm etwas nutzte.

Die Piraten r#252;ckten nun gemeinsam gegen ihn vor, und Mike wich Schritt f#252;r Schritt vor ihnen zur#252;ck, wobei er sich wild nach irgendeinem Versteck oder einem Fluchtweg umsah.

In diesem Moment ging die T#252;r zu seiner ehemaligen Kabine auf, und ein schwarzes, ein#228;ugiges Ungeheuer flog heraus und fiel fauchend und mit den Klauen um sich schlagend #252;ber die Piraten her. Einer der Burschen st#252;rzte kreischend zu Boden und schlug beide H#228;nde vor das Gesicht, und noch bevor seine Kameraden #252;berhaupt begriffen, wie ihnen geschah, sprang Astaroth bereits einen zweiten an, bi#223; ihm kr#228;ftig in die Unterlippe und benutzte anschlie#223;end sein Gesicht als Sprungschanze, um #252;ber einen dritten herzufallen.

Aber der Mann war vorbereitet. Als der Kater ihn ansprang, ri#223; er sch#252;tzend den Unterarm vor das Gesicht. Als Quittung verpa#223;te Astaroth ihm vier lange, blutige Kratzer vom Ellbogen bis zur Handwurzel, doch der Pirat nutzte die Chance, seinen S#228;bel zu ziehen. Mike stie#223; einen entsetzten Schrei aus, als die schartige Klinge aufblitzte, und reagierte ganz instinktiv.

Er sprang den Piraten an und umklammerte den S#228;bel mit beiden H#228;nden.

Sein Angriff verbl#252;ffte den Piraten so sehr, da#223; dieser zur#252;cktaumelte und seine Waffe loslie#223;. Der S#228;bel fiel klappernd zu Boden, und Mike blieb sogar noch eine kurze Gnadenfrist, in der er triumphierend aufschrie.

Dann explodierte ein Schmerz in seinen H#228;nden, der so grausam war, da#223; er nicht einmal mehr schreien konnte. Mike wurde schwarz vor den Augen. Er wankte, fiel auf die Knie herab und pre#223;te die Handfl#228;chen gegen die Brust. Warmes Blut tr#228;nkte sein Hemd. Und der Schmerz wurde immer schlimmer. Mike kr#252;mmte sich wimmernd, k#228;mpfte mit aller Macht gegen die Bewu#223;tlosigkeit, die nach seinen Gedanken griff, und sah wie durch einen roten Nebel, da#223; der Pirat den Kater zu Boden warf und ihm einen Tritt verpa#223;te, der ihn wie einen lebenden Ball quer #252;ber den Gang und an die gegen#252;berliegende Wand schleuderte. Astaroth kreischte schrill und blieb liegen.

Wieder kamen die Piraten auf ihn zu. Mike hatte weder die Kraft noch den Willen, sich zu wehren. Ihm war #252;bel, und er h#228;tte alles gegeben, h#228;tte das grausame Brennen und Stechen in seinen H#228;nden nur nachgelassen.

Und dann geschah etwas, womit keiner von ihnen gerechnet hatte – Mike am allerwenigsten.

Unter der T#252;r seiner Kabine erschien eine blondhaarige, in ein wei#223;es Gewand gekleidete Gestalt. Serenas Gesicht war so bleich, wie er es in Erinnerung hatte, und ihr Blick war benommen wie der eines Menschen, der j#228;h aus dem tiefsten Schlaf gerissen worden ist und noch nicht genau wei#223;, wo er sich #252;berhaupt befindet. Einige Sekunden lang sah sie sich mit offenkundiger Verwirrung um, dann blieb ihr Blick an Mike h#228;ngen. Sie blinzelte und musterte dann der Reihe nach die Piraten, die bei ihrem Erscheinen ebenfalls erstarrt waren und das M#228;dchen anblickten.

»Was um alles in der Welt bedeutet dieser L#228;rm?« fragte Serena in ungeduldigem Tonfall. »Wer seid ihr #252;berhaupt? Und was habt ihr auf meinem Schiff zu suchen?« Mike ri#223; ungl#228;ubig die Augen auf, aber wenn er gedacht hatte, da#223; es nichts mehr gab, was ihn jetzt noch #252;berraschen konnte, dann wurde er in der n#228;chsten Sekunde eines Besseren belehrt.

Die Piraten reagierten jetzt auf Serenas Erscheinen – aber auf eine vollkommen andere Art und Weise, als Mike sich selbst im Traum h#228;tte vorstellen k#246;nnen. Die M#228;nner griffen sie nicht etwa an. Im Gegenteil.

Mike wurde #252;bel, und er sp#252;rte, wie er endg#252;ltig in Ohnmacht fiel. Aber bevor ihm die Sinne g#228;nzlich schwanden, sah er noch, wie die Piraten einer nach dem anderen vor Serena auf die Knie sanken und dem#252;tig das Haupt senkten …

Die letzte Empfindung vor seiner Bewu#223;tlosigkeit und die erste nach seinem Erwachen waren gleich: eine grenzenlose Verbl#252;ffung und ein heftiger, brennender Schmerz in beiden H#228;nden, der ihm die Tr#228;nen in die Augen trieb. Mike #246;ffnete sie st#246;hnend und wollte die Arme heben – das hie#223;, er versuchte es nur. Seine H#228;nde waren festgebunden. Sein K#246;rper ebenfalls, aber das nahm er gar nicht wahr, denn das, was er erblickte, als er blinzelnd den Kopf wandte, war zu #252;berraschend.

Er befand sich nicht an Bord der NAUTILUS, daran bestand gar kein Zweifel. Und Trautman und er waren nicht allein. Mike lag auf einer schmalen, sehr harten Pritsche, die in einem gro#223;en, hellen Raum stand, der nichts, aber auch gar nichts mit der NAUTILUS gemein hatte. Der Boden bestand aus festgestampftem Lehm oder Erdreich, und W#228;nde und Decke schienen aus einer Art Bast gefertigt zu sein, die zahllose Ritzen und Spalten aufwies. Das Licht fiel nicht durch ein Fenster oder eine T#252;r herein, sondern sickerte durch die Bastw#228;nde, und es war ein sehr seltsames Licht – heller als das der Sonne, aber zugleich auch weicher und eher wei#223; als gelb. Die sp#228;rliche Einrichtung, die Mike auf den ersten Blick erkennen konnte, war aus einer Art Bambus grob zusammengezimmert und bestand nur aus ein paar St#252;hlen, einigen sehr unbequem aussehenden Betten und etwas, was man mit viel Phantasie als Tisch bezeichnen konnte. Juan, Chris und Trautman hockten auf drei dieser St#252;hle, und als Mike den Kopf wandte, erblickte er auf der anderen Seite auch Ben, Andr#233; und schlie#223;lich Singh. Der Inder sah etwas mitgenommen aus und hatte einen frischen Verband um die Stirn, der wie eine Verl#228;ngerung seines Turbans ausgesehen h#228;tte, w#228;re er nicht mit einem gro#223;en Blutfleck verunziert worden, schien aber ansonsten unverletzt zu sein. Von Astaroth oder gar Serena konnte er keine Spur entdecken.

»Er ist wach!« rief Chris pl#246;tzlich. Die gemurmelten Gespr#228;che verstummten abrupt, und aller Aufmerksamkeit wandte sich Mike zu. Singh erhob sich unverz#252;glich von seinem Platz und eilte zu ihm.

Mike versuchte erneut, die H#228;nde zu bewegen, und jetzt erst bemerkte er, da#223; er wie ein Weihnachtspaket verschn#252;rt war.

»Wartet, Herr!« sagte Singh hastig. »Ich binde Euch los.« Mike fa#223;te sich in Geduld, bis der Inder die breiten Stoffstreifen gel#246;st hatte, die ihn hielten, und nutzte die Zeit, seinen K#246;rper einer kurzen Inspektion zu unterziehen. Seine H#228;nde waren so dick verbunden, da#223; es aussah, als tr#252;ge er wei#223;e F#228;ustlinge, und sie taten erb#228;rmlich weh, aber ansonsten schien er ebenso unversehrt wie die anderen zu sein.

Damit war die Erinnerung an die letzten Augenblicke vor seiner Ohnmacht endg#252;ltig geweckt. »Trautman!« murmelte er.

»Was ist mit –«

»Mir fehlt nichts«, unterbrach ihn Trautman rasch. »Keine Sorge. Mir geht es gut. Wesentlich besser jedenfalls als dir. Wie f#252;hlst du dich?«

»Meinen Sie diese Frage ernst?« knurrte Mike. Singh hatte endlich die letzte Fessel gel#246;st und trat von seinem Lager zur#252;ck, und Mike richtete sich etwas auf. Ihm war ein bi#223;chen schwindelig, und er f#252;hlte sich sehr schwach.

»Durchaus«, antwortete Trautman. Er sch#252;ttelte den Kopf und ma#223; Mike mit einem Blick, der ihm selbst angesichts seiner Heldentat an Bord der NAUTILUS nicht halb so bewundernd vorkam, wie es angemessen gewesen w#228;re. »Was du getan hast, war ziemlich tapfer –« Mike l#228;chelte geschmeichelt, und Trautman f#252;gte im gleichen Tonfall hinzu: »– aber auch ziemlich dumm.«

»So?« sagte Mike kleinlaut.

»Wenn du das n#228;chste Mal k#228;mpfen willst«, schlug Ben vor, »vergi#223; nicht wieder, ein Schwert zu benutzen.« Trautman brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Im Ernst«, fuhr er fort. »F#252;hlst du dich gut?«

»Ja«, antwortete Mike etwas ungeduldig. »Meine H#228;nde tun weh, aber das ist auch alles.«

»Sei froh, da#223; du noch H#228;nde hast, die dir weh tun k#246;nnen«, sagte Trautman ernst. »Eine Weile hatten wir ziemliche Angst um dich.«

»Habt ihr mich deshalb festgebunden?« fragte Mike. »Du hast geschrien und um dich geschlagen«, erkl#228;rte Trautman. »Und du hast immer wieder versucht, die Verb#228;nde herunterzurei#223;en, so

da#223; wir dich schlie#223;lich fesseln mu#223;ten. Du hattest ziemlich

hohes Fieber.«

»Wie?« machte Mike verst#228;ndnislos. Er kramte vergeblich in seinem Ged#228;chtnis. Wenn er all das getan h#228;tte, dann m#252;#223;te er sich doch erinnern. Au#223;erdem konnte er doch gar nicht so lange bewu#223;tlos gewesen sein. Als h#228;tte er seine Gedanken gelesen, sagte Trautman in diesem Moment: »Du warst fast zwei Tage lang bewu#223;tlos.«

»Zwei Tage?!« Mike richtete sich erschrocken auf und fiel sofort wieder zur#252;ck, denn das Schwindelgef#252;hl hinter seiner Stirn wurde prompt heftiger. Zwei Tage! Kein Wunder, da#223; er sich so schlapp f#252;hlte. Sehr viel vorsichtiger richtete er sich ein zweites Mal auf und sah erst Trautman, dann die anderen an.

»Was ist passiert?« fragte er. »Wo sind wir, und wo ist Serena?«

»Was passiert ist, wei#223;t du ja selbst am besten«, antwortete Trautman. Er setzte sich auf die Kante von Mikes Bett und wartete, bis die anderen ebenfalls Platz genommen hatten. »Und wo wir sind, kann ich dir leider nicht sagen. Auch Das Volk wei#223; nichts #252;ber diesen Ort.«

»Das Volk?«

»Die Leute, die uns gefangengenommen haben«, antwortete Trautman. »Sie nennen sich selbst Das Volk. Sie sagen, sie brauchen keinen anderen Namen. Und eigentlich haben sie auch recht damit. Schlie#223;lich sind sie die einzigen hier unten… wenigstens die einzigen Menschen.«

Der letzte Satz weckte Mikes Neugier, aber Trautman sprach bereits weiter. »Serena ist bei ihnen. Keine Sorge, es geht ihr gut.«

Und da erinnerte sich Mike an den allerletzten Augenblick, bevor ihm die Sinne geschwunden waren. »Moment mal!« sagte er. »Wieso… wieso sind wir gefangen? Serena ist doch… ich meine, sie haben sie doch –«

Trautman unterbrach ihn. »Die Geschichte ist nicht ganz einfach, f#252;rchte ich. Willst du etwas zu trinken? «

Mike war sehr durstig, und so nickte er. Singh reichte ihm eine h#246;lzerne Schale mit etwas, was er f#252;r Wasser hielt, sich aber als eine Art klarer Fruchtsaft herausstellte, der nicht nur ausgezeichnet schmeckte, sondern auch den Durst viel besser l#246;schte, als Wasser dies getan h#228;tte. Trotzdem leerte er auch noch eine zweite Schale, ehe er sie an Singh zur#252;ckgab und Trautman mit einem entsprechenden Blick aufforderte, weiterzusprechen.

»Das beste wird wohl sein, wenn ich dir der Reihe nach erz#228;hle, was wir in den letzten beiden Tagen in Erfahrung gebracht haben«, sagte Trautman. »Kannst du aufstehen?«

Mike versuchte es. Er war noch ein bi#223;chen wackelig auf den Beinen, so da#223; Singh ihm helfen mu#223;te, aber schon nach ein paar Schritten kehrten seine Kr#228;fte zur#252;ck, und er konnte – wenn auch m#252;hsam – allein gehen. Trautman und die anderen eilten voraus, und Chris #246;ffnete eine T#252;r, die aus dem gleichen Material wie ihre gesamte Behausung bestand und sich knarrend in Angeln bewegte, die aus groben Stricken geflochten waren.

Mike war erstaunt. »Ich denke, wir sind Gefangene?« fragte er.

»Nicht wirklich«, antwortete Ben. »Du wirst gleich erfahren, warum.«

Das erste, was Mike sah, als sie das Haus verlie#223;en, war der Hafen. Die Basth#252;tte lag auf einer etwa drei#223;ig oder vierzig Meter hohen Klippe, die unmittelbar an das Wasser des halbrunden Hafenbeckens grenzen mu#223;te, denn er konnte tief unter sich die sonderbare Flotte erkennen, die sie beim Auftauchen erblickt hatten. Er sah jetzt, da#223; sie in Wahrheit noch viel gr#246;#223;er war, als sie auf den ersten Blick angenommen hatten – es mu#223;ten buchst#228;blich Hunderte von Schiffen sein. Und unter all diesen zum Teil vertrauten, zum Teil vollkommen fremdartigen Konstruktionen erblickte er auch die NAUTILUS. Sie war mit einem gewaltigen Seil am Heck des spanischen Kriegsschiffes vert#228;ut, von dessen Deck aus die Piraten sie angegriffen hatten, und sah aus wie ein gefangener, st#228;hlerner Riesenfisch. Dieser Anblick gab Mike einen tiefen, schmerzhaften Stich, und offensichtlich spiegelten sich seine Empfindungen deutlich auf seinem Gesicht wider, denn Trautman sagte:

»Es ist nicht so schlimm, wie du vielleicht glaubst. Was dir passiert ist, war ein Unfall. Und das gleiche gilt f#252;r Singh. Es tut ihnen auch sehr leid. Aber das wird Denholm dir sicher noch selbst sagen.«

»Denholm?«

»Der Anf#252;hrer des Volkes«, erkl#228;rte Trautman. »Du hast ihn bereits kennengelernt. Er war derjenige, den du… #228;hm… entwaffnet hast. Im Grunde sind es sehr freundliche Menschen.«

»Das habe ich gemerkt«, bemerkte Mike bissig.

Trautman l#228;chelte. »Ich kann dich verstehen«, behauptete er. »Wir alle haben im ersten Moment so gedacht wie du – und das ist ja auch nicht weiter erstaunlich, nicht wahr? Aber sie haben es uns erkl#228;rt. Sie leben schon sehr lange hier unten, wei#223;t du, und diese Art, Neuank#246;mmlinge zu empfangen, hat sich nun einmal als die beste herausgestellt.«

»Sie zu#252;berfallen?«fragte Mike ungl#228;ubig.

»Es war kein richtiger #220;berfall«, antwortete Trautman. »Ist dir nicht aufgefallen, da#223; sie versucht haben, keinen von uns zu verletzen?« Er machte eine erkl#228;rende Handbewegung zum Hafen hinunter. »Siehst du, all diese Schiffe sind auf die gleiche Weise wie wir hier heruntergekommen – sie wurden von der Qualle #252;berfallen und hierhergebracht. Wir haben es nicht gemerkt, weil wir sowieso in einem luftdicht abgeschlossenen Schiff waren, aber das Tier h#252;llt seine Beute vollkommen ein, so da#223; die Menschen an Bord vor dem Wasser gesch#252;tzt sind und nicht ertrinken m#252;ssen. Aber du kannst dir vorstellen, da#223; sie vollkommen ver#228;ngstigt und zutiefst verst#246;rt sind, wenn sie hier ankommen. Es kam immer wieder vor, da#223; sie aus reiner Panik Denholms M#228;nner angegriffen haben – weil sie glaubten, sie w#228;ren mit dem Ungeheuer im Bunde, das ihr Schiff verschlungen hatte. Es gab auf beiden Seiten Verletzte, manchmal auch Tote. Also haben sie beschlossen, alle Neuank#246;mmlinge sofort und mit m#246;glichst wenig Gewaltanwendung zu #252;berw#228;ltigen und erst einmal auf diese Klippe zu bringen. Anscheinend funktioniert dieses System hervorragend – auf jeden Fall gibt es seit Jahren keine unn#246;tigen Verluste an Menschenleben mehr.«

»Ach?« sagte Mike #252;bellaunig. »Und dann?«

»Sp#228;ter nehmen wir sie in unsere Gemeinschaft auf. Sobald sie Zeit genug gehabt haben, sich an ihre neue Situation zu gew#246;hnen.«

Es war nicht Trautmans Stimme, die das sagte, sondern eine fremde, und Mike drehte sich hastig herum. Sie waren nicht mehr allein. Hinter Trautman und den anderen waren drei der zerlumpten Gestalten aufgetaucht. Zwei davon waren Mike vollkommen fremd, w#228;hrend ihm das Gesicht des dritten bekannt vorzukommen schien.

»Sie m#252;ssen dieser Denholm sein«, sagte er in unfreundlichem Ton.

»Stimmt«, antwortete der Fremde. »Aber es hei#223;t:Dumu#223;t Denholm sein. Wir duzen uns hier unten alle. Und du bist Mike.«

Mike verzichtete auf eine Antwort, sondern blickte Denholm feindselig an. Denholm war ein sehr gro#223;er, hagerer Mann, dessen Gesicht von der gleichen, fast unnat#252;rlichen Bl#228;sse war wie das seiner beiden Begleiter, und er war in die hier offenbar #252;blichen Fetzen geh#252;llt, die kaum mehr als Kleidung zu erkennen waren. Sein Gesicht war scharf geschnitten und hatte einen sehr energischen Zug, und seinen dunklen, eng beieinanderstehenden Augen schien nicht die winzigste Kleinigkeit zu entgehen. Obwohl er sehr hager war, hatte er ungemein kr#228;ftige H#228;nde. Und trotz allem wirkte er nicht unsympathisch.

Denholm lie#223; Mike Zeit, ihn in aller Ruhe zu mustern, und fuhr schlie#223;lich fort: »Um deine Frage vollends zu beantworten: Manche brauchen lange, um sich an den Gedanken zu gew#246;hnen, da#223; sie nie wieder von hier weg k#246;nnen. Aber fr#252;her oder sp#228;ter akzeptieren sie es alle, und dann gibt es in unserer Stadt f#252;r jeden eine offene T#252;r. Oder auch einen Platz, um sich ein eigenes Heim zu errichten, falls sie das wollen.«

Mike war nicht sicher, ob er wirklich verstanden hatte, was Denholm ihm damit sagen wollte – und wenn, ob er es wirklich verstehen wollte. Im Augenblick jedenfalls hatte er keine Lust, n#228;her darauf einzugehen.

»Was habt ihr mit Serena gemacht?« fragte er schroff. »Wo ist sie?«

Trautman sah ihn erschrocken an, aber Denholm schien ihm seinen aggressiven Ton nicht #252;belzunehmen. Er l#228;chelte. »Du meinst die Atlanterin? Keine Angst – sie ist in Sicherheit.« »Das glaube ich erst, wenn ich sie sehe«, antwortete Mike. »Das wirst du«, erwiderte Denholm. »Deshalb bin ich hier – unter anderem.« Aber statt diese Andeutung

zu erkl#228;ren, drehte er sich zu Trautman herum. »Ihr k#246;nnt uns jetzt begleiten, wenn ihr wollt. Ihr k#246;nnt

euch die Stadt ansehen.« »Gerne«, antworteten Ben und Andr#233; gleichzeitig. Chris schwieg, wie meistens, und Trautman warf einen fragenden Blick in Mikes Richtung.

»Ich f#252;rchte, dein hitzk#246;pfiger junger Freund mu#223; noch ein wenig hierbleiben«, sagte Denholm l#228;chelnd. »Wenigstens, bis er sich ganz erholt hat – und seine Wunden einigerma#223;en verheilt sind.«

»Ich werde bei Euch bleiben, Herr«, sagte Singh. »Und ich auch – wenn du es m#246;chtest«, f#252;gte Trautman hinzu. Mike h#228;tte seinen Vorschlag nur zu gerne angenommen. Schon der Gedanke, nach allem, was er geh#246;rt hatte, allein hier zur#252;ckbleiben zu sollen, trieb ihm den Angstschwei#223; auf die Stirn. Aber er sp#252;rte auch, wie gerne Trautman und die anderen Denholms Angebot angenommen h#228;tten, und letztendlich

wollte er auch nicht als Feigling dastehen. Also sch#252;ttelte er den Kopf. »Geht ruhig«, sagte er. »Denholm hat recht – ich f#252;hle mich noch nicht sehr wohl. Und ich bin ja auch

nicht allein. Singh wird schon auf mich aufpassen.« Trautman warf ihm einen dankbaren Blick zu. »Es wird bestimmt nicht sehr lange dauern«, versprach er. »Wir beeilen uns. Einverstanden?« »Jaja«, murmelte Mike. »Schon in Ordnung. Nun geht schon, ehe ich es mir doch noch anders #252;berlege.« Singh und er kehrten in die H#252;tte zur#252;ck, nachdem Trautman und die anderen in Denholms Begleitung

gegangen waren. Mike hatte nicht einmal #252;bertrieben, wie er selbst geglaubt hatte: Er f#252;hlte sich tats#228;chlich noch sehr schwach, und seine H#228;nde begannen immer heftiger zu schmerzen, so da#223; er sich schon nach einigen Minuten wieder auf sein unbequemes Lager sinken lie#223;. Singh nahm auf einem Hocker neben ihm Platz, und nachdem er sich umst#228;ndlich und mehrmals nach seinem Befinden erkundigt hatte und danach, ob er irgend etwas f#252;r ihn tun konnte, begann er Mike den Rest der Geschichte zu erz#228;hlen, die er und die anderen von Denholm erfahren hatten. Sie war nicht sehr lang – aber so phantastisch, da#223; es Mike schwerfiel, sie zu glauben – obwohl er den Beweis f#252;r ihre Wahrheit ja mit eigenen Augen gesehen hatte.

Das Volk lebte seit Urzeiten hier unten. Singh konnte nicht sagen, wie viele sie waren – auf diese Frage hatte Denholm beharrlich geschwiegen –, aber aus gewissen Andeutungen hatte Trautman wohl geschlossen, da#223; sie allerh#246;chstens nach Hunderten z#228;hlten, nicht nach Tausenden, und es handelte sich ausnahmslos um Nachkommen der Seefahrer, die mit ihren Schiffen hierher verschleppt worden waren. Niemand vermochte zu sagen, wann der erste Mensch in dieser unterseeischen Welt angekommen war, und niemand wu#223;te,warum.Obwohl Denholms Vorfahren jahrhundertelang verbissen versucht hatten, dieses Geheimnis zu l#246;sen, ebensowenig, wie sie sagen konnten, wer diese unglaubliche Stadt erschaffen hatte und zu welchem Zweck. Sie hatten sich eingerichtet, so gut es eben ging, und da es an Bord der Schiffe auch immer wieder Frauen gegeben hatte, war hier, auf dem Grund des Meeres, eine richtige kleine Gesellschaft entstanden, die nach ihren eigenen Regeln funktionierte und offensichtlich #252;berlebensf#228;hig war.

An diesem Punkt endete Singhs Geschichte auch schon wieder, und sie lie#223; Mike alles andere als befriedigt zur#252;ck. Was der Inder ihm erz#228;hlt hatte, hatte viel mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet, und es hatte auch nicht dazu beigetragen, ihn zu beruhigen. Ganz im Gegenteil. Je l#228;nger er zuh#246;rte, desto mehr machte sich eine neue, nagende Furcht in ihm breit. »Hat Trautman schon einen Plan?« fragte er, als Singh geendet hatte.

»Einen Plan?« wiederholte der Inder. »Ich f#252;rchte, ich verstehe nicht…«

»Einen Plan, wie wir hier wieder herauskommen«, antwortete Mike ungeduldig. Er richtete sich wieder auf und sah den Inder erschrocken an. »Du willst mir doch nicht erz#228;hlen, da#223; ihr

euch damit abgefunden habt, hierzubleiben, oder?« »Ich… wei#223; es nicht, Herr«, antwortete Singh ausweichend. »Wir haben bisher nicht dar#252;ber gesprochen.«

Mike setzte zu einer scharfen Antwort an, aber in diesem Moment h#246;rten sie ein Ger#228;usch von der T#252;r her, und Mike fand gerade noch Zeit, sich herumzudrehen, da huschte auch schon ein struppiger schwarzer Blitz herein, war mit einem einzigen Satz auf dem Bett und sprang Mike so ungest#252;m an, da#223; dieser wieder zur#252;ckfiel und sich erst einmal sekundenlang des Katers zu erwehren versuchte, der auf seiner Brust hockte und ihm wie ein liebestoller Hund mit seiner rauhen Zunge das Gesicht abschleckte.

Mike! Mein dummer, kleiner Menschenfreund! Du lebst und bist gesund! Poseidon sei Dank!

Mike rang nach Atem, packte den Kater mit beiden H#228;nden und schob ihn ein St#252;ck weit von sich fort. »Was ist denn in dich gefahren?« keuchte er. »H#228;ltst du dich f#252;r einen Dackel?«Ich wollte mich nur bedanken,antwortete Astaroth.Und was ist ein Dackel?

Ehe Mike es verhindern konnte, erschien das Bild dieses Tieres in seinen Gedanken, und Astaroth zog beleidigt die Nase kraus und l#246;ste sich aus seinem Griff.Typisch Mensch,maulte er.Da l#228;#223;t man sich

einmal herab und will freundlich sein, und er dankt es einem mit einer Beleidigung

.»So war das nicht gemeint«, sagte Mike hastig. Pl#246;tzlich lachte er. »Ach, verdammt, ich bin genauso froh, dich zu sehen. Ich hatte schon Angst, da#223; es um dich geschehen ist.«

W#228;re es auch fast,erwiderte Astaroth.Wenn du nicht eingegriffen h#228;ttest… Das war unbeschreiblich tapfer von dir – wenigstens f#252;r einen Menschen –

»Danke«, sagte Mike strahlend.

aber auch unbeschreiblich d#228;mlich,fuhr Astaroth fort.Seit wann greift man mit blo#223;en H#228;nden nach einem scharfen Messer?Mike seufzte. Was hatte er eigentlich erwartet?

Aber ich bin nicht nur gekommen, um mich von dir beschimpfen zu lassen,erkl#228;rte Astaroth gro#223;z#252;gig. »Sondern?« fragte Mike.

Ich soll dir das Erscheinen einer hochgestellten Pers#246;nlichkeit ank#252;ndigen,antwortete der Kater. Er hob mit einer durch und durch menschlich anmutenden Geste die rechte Vorderpfote und deutete zur T#252;r.

Prinzessin Serena, die rechtm#228;#223;ige Herrscherin von Atlantis.

Mike sah zur T#252;r – und hielt die Luft an, als das M#228;dchen den Raum betrat. Und vermutlich h#228;tte er das auch ohne Astaroths bombastischer Ank#252;ndigung getan, denn Serena bot einen wahrhaft atemberaubenden Anblick. Sie trug noch immer das einfache wei#223;e Kleid, in dem er sie das erste Malgesehen hatte, und ihr Gesicht war noch immer so bleich wie zuvor, aber damit h#246;rte die #196;hnlichkeit mit der Serena, die er kannte, auch schon auf. Statt krank und leidend sah ihr Gesicht jetzt unglaublich lebendig aus. In ihren Augen gl#228;nzte ein Feuer, wie Mike es noch nie zuvor in denen eines Menschen erblickt hatte, und das blonde Haar umflo#223; ihr Gesicht und ihre Schultern wie eine L#246;wenm#228;hne; es schien elektrisch geladen zu sein und funkelte, wenn das Sonnenlicht darauf fiel. Ihre Bewegungen waren so elegant und grazil wie die einer Katze. Serena strahlte eine Lebendigkeit und St#228;rke aus, die Mike schaudern lie#223;. Er hatte niemals zuvor einen Menschen gesehen, der mehr Kraft zu haben schien; auf eine Weise, die nichts mit k#246;rperlicher St#228;rke zu tun hatte.

Und so ganz nebenbei – dersch#246;nergewesen w#228;re.

»Danke f#252;r das Kompliment«, sagte Serena. »Aber du hast meine Mutter nicht gekannt. Gegen sie w#228;re ich eine h#228;#223;liche Kr#246;te. Und au#223;erdem mag ich keine Schmeicheleien.«

Mikes Unterkiefer klappte herunter. »Du… liest meine Gedanken?« keuchte er.

»Selbstverst#228;ndlich tue ich das«, antwortete Serena. Sie machte ein fragendes Gesicht, dann fuhr sie fort: »Oh, entschuldige – ich habe ganz vergessen, da#223; ihr das ja nicht m#246;gt. Ihr seid ein seltsames Volk.«

Mike starrte sie aus ungl#228;ubig aufgerissenen Augen an, dann ri#223; er seinen Blick m#252;hsam von ihr los und sah den Kater vorwurfsvoll an. »Davon hast du mir nichts gesagt!«

Astaroth grinste unversch#228;mt.Du hast mich nie gefragt,antwortete er.Au#223;erdem liebe ich #220;berraschungen.»Soll das hei#223;en, da#223;… da#223;alleAtlanter Gedanken lesen k#246;nnen?« fragte Mike fassungslos.

»Das soll es hei#223;en«, antwortete Serena an Astaroths Stelle. Ihre Stimme klang ein wenig ungeduldig. »Aber was willst du eigentlich – dich mit dem Kater unterhalten oder mit mir?«

»Mit dir selbstverst#228;ndlich«, antwortete Mike hastig. »Entschuldige. Es ist so –« »Jaja, schon gut.« Serena machte eine ungeduldige Geste. Sie

kam n#228;her. Der Stuhl, auf dem Singh sa#223;, stand ihr im Weg, aber sie machte keinerlei Anstalten, ihm auszuweichen, und so sprang der Inder im letzten Augenblick hoch und trat beiseite. Der Blick, mit dem er Serena dabei ma#223;, war alles andere als freundlich. Seine Gedanken wohl auch nicht, denn Serena blieb schlie#223;lich doch stehen und sah den Sikh mit gerunzelter Stirn an. Sie sagte nichts, sondern wandte sich wieder Mike zu. Aber die Art, auf die sie dies tat, gefiel ihm nicht. Er hatte das Gef#252;hl, da#223; Serena es einfach nicht der M#252;he wert fand, sich mit Singh abzugeben.

»Astaroth hat mir erz#228;hlt, was du f#252;r mich getan hast«, sagte sie. »Und f#252;r ihn. Ich bin hergekommen, um mich daf#252;r zu bedanken – und meine Schulden zu begleichen.«

Mike h#246;rte die Worte kaum. Er starrte Serena unverwandt an. Je n#228;her sie ihm kam, desto sch#246;ner erschien sie ihm. Er blickte in ihr Gesicht, und er konnte sich an dem, was er sah, einfach nicht satt sehen.

Serenas Stirnrunzeln vertiefte sich. »Wenn du noch ein bi#223;chen weiter in die Richtung denkst, in die du gerade denkst, handelst du dir eine saftige Ohrfeige ein«, sagte sie. »Zeig mir deine H#228;nde!«

Mike fuhr schuldbewu#223;t zusammen, streckte aber gehorsam die H#228;nde aus. Er wu#223;te selbst nicht genau, woran er gerade gedacht hatte – hinter seiner Stirn purzelten die Gedanken wild durcheinander, und er hatte das Gef#252;hl, da#223; er nur Unsinn reden w#252;rde, wenn er jetzt den Mund aufmachte.

»Nicht nur, wenn du den Mund aufmachst«, sagte Serena in leicht ver#228;rgertem Ton. Sie begann die Verb#228;nde von Mikes H#228;nden zu l#246;sen, sehr schnell, aber alles andere als zartf#252;hlend. Nach ein paar Sekunden schon dachte Mike nicht mehr an die Sch#246;nheit Serenas, sondern raffte all seine Selbstbeherrschung zusammen, um nicht vor Schmerz aufzust#246;hnen.

»Was tust du da eigentlich?« stie#223; er zwischen zusammengebissenen Z#228;hnen hervor.

»Halt still, und du siehst es gleich«, antwortete Serena. Sie sch#252;ttelte den Kopf. »Ihr seid ein ziemlich weinerliches Volk, wie?«

Mike #228;chzte – wenn auch jetzt eher vor Verbl#252;ffung als vor Schmerz.Weinerlich?Jetzt, wo die Verb#228;nde nicht mehr da waren, konnte er sehen, da#223; die Schnittwunden in seinen Handfl#228;chen bis auf die Knochen hinunterreichten. Kein Wunder, da#223; er um ein Haar gestorben w#228;re. Und Serena bezeichnete ihn alsweinerlich,weil er Schmerzen versp#252;rte?!

»Schmerz ist etwas, was man abschalten kann, wenn es l#228;stig wird«, belehrte ihn Serena. »Man mu#223; es nur wollen.«

Mike erwiderte vorsichtshalber nichts darauf. Die Unterschiede zwischen den Menschen und den Bewohnern des untergegangenen Atlantis schienen wohl gr#246;#223;er zu sein, als er bisher angenommen hatte.

»Halt still!« sagte Serena noch einmal. »Es h#246;rt gleich auf.«

Und dann geschah etwas ganz und gar Unheimliches. Der Schmerz in Mikes H#228;nden erlosch auf einmal, und an seiner Stelle machte sich ein Gef#252;hl wohltuender W#228;rme breit. Mike versp#252;rte ein sachtes Kribbeln, als liefen hundert Ameisen in Samtpantoffeln #252;ber seine Handfl#228;chen – und als Serena die Finger zur#252;ckzog und seine H#228;nde freigab, waren die Wunden

verschwunden. Nur zwei d#252;nne, rote Linien zeigten, wo sie vor einer Sekunde gewesen waren.

Fassungslos hob Mike die H#228;nde vor das Gesicht. Auch die d#252;nnen Narben verbla#223;ten, und es vergingen nur noch Sekunden, und seine H#228;nde sahen so unverletzt und gesund aus, als w#228;ren sie niemals zerschnitten gewesen.

»Aber das ist doch… unm#246;glich!« fl#252;sterte er. »Das ist Zauberei!«

Serena verzog geringsch#228;tzig die Lippen. »Das ist gar nichts«, sagte sie. »So etwas kann bei uns jedes Kind. Bei euch etwa nicht?«

Mike sch#252;ttelte den Kopf. Er war viel zu perplex, um den #252;berheblichen Ton in Serenas Stimme wahrzunehmen. »Wie hast du das gemacht?« fl#252;sterte er. »Also das kann ich dir wirklich nicht erkl#228;ren«, antwortete Serena, und ihr Blick schien hinzuzuf#252;gen:Und du w#252;rdest es sowieso nicht verstehen.

»Aber du… du…« stammelte Mike, blickte auf seine auf so wunderbare Weise geheilten H#228;nde hinunter und dann in Serenas Gesicht. Seit er vor nun mittlerweile mehr als einem halben Jahr England verlassen hatte, hatte er eine Menge Dinge erlebt, die er zuvor nicht einmal im Traum f#252;r m#246;glich gehalten h#228;tte. Aber das hier, das war… ein Wunder. Ein anderes Wort daf#252;r gab es einfach nicht.

»Was f#252;r ein Unsinn«, sagte Serena ver#228;chtlich. »Fehlt dir sonst noch etwas?«

»Nein«, sagte Mike und dachte daran, wie miserabel er sich noch immer f#252;hlte – sein Kopf tat weh, und er war so schwach und m#252;de wie selten zuvor im Leben. Serena zog seufzend die Augenbrauen zusammen, streckte den Arm aus und legte die flache Hand auf seine Stirn. Das Gef#252;hl war unbeschreiblich. Serenas Hand war so k#252;hl, und schon ihre erste, fl#252;chtige Ber#252;hrung reichte, um das taube Gef#252;hl und den Schmerz hinter seiner Stirn zu vertreiben. Nur einen Moment sp#228;ter konnte er regelrecht sp#252;ren, wie ein Strom neuer, pulsierender Kraft durch seinen K#246;rper flo#223;. Alle M#252;digkeit war verschwunden, und er f#252;hlte sich von einer Sekunde auf die andere so kr#228;ftig und frisch, als h#228;tte er wochenlang geschlafen.

Ihm blieb nicht einmal die Zeit, sein Erstaunen dar#252;ber zu #228;u#223;ern, da richtete sich Serena wieder auf, blickte noch kurz mit einem sonderbaren Ausdruck auf ihn herunter und drehte sich dann ohne ein weiteres Wort herum und ging zur T#252;r. Erst als sie die H#252;tte schon beinahe verlassen hatte, #252;berwandMike seine #220;berraschung soweit, um sich mit einem Ruck aufzurichten und sie zur#252;ckzurufen. »Serena!«

Sie blieb tats#228;chlich stehen und drehte sich noch einmal um. Aber sie tat es widerwillig, und auf ihrem Gesicht erschien ein sehr ungeduldiger, beinahe schon #228;rgerlicher Ausdruck. »Was ist denn noch?« fragte sie.

»Ich… ich dachte, du…« stammelte Mike. Serenas Verhalten verwirrte ihn. »Warum willst du denn schon gehen?« fragte er.

»Ich habe getan, wozu ich gekommen bin«, antwortete Serena. »Du hast mir geholfen, und ich habe dir jetzt geholfen. Ich denke, wir sind quitt – oder?«

»Nat#252;rlich«, antwortete Mike hastig. »Ich dachte nur… ich meine…« »Ja?« fragte Serena. Ihre Ungeduld war nun nicht mehr zu

#252;bersehen.

»Ich dachte, wir k#246;nnten miteinander reden«, murmelte Mike.

»Reden? Aber wor#252;ber denn?« Serena sch#252;rzte geringsch#228;tzig die Lippen und sch#252;ttelte heftig den Kopf. »Es tut mir leid, aber daf#252;r habe ich jetzt wirklich keine Zeit. Wir sehen uns bestimmt sp#228;ter.«

Und damit ging sie, rasch und ohne ein weiteres Wort. Mike blieb vollkommen verwirrt zur#252;ck. Er starrte die T#252;r an, und f#252;r einen Moment mu#223;te er mit aller Macht gegen die Tr#228;nen ank#228;mpfen, die ihm in die Augen steigen wollten. Er war… ja, was eigentlich? Entt#228;uscht?

Es gelang Mike nicht, die Gef#252;hle wirklich in Worte zu kleiden, die in ihm tobten. Es war nicht nur Entt#228;uschung. Es war etwas, wof#252;r er einfach keine Bezeichnung fand, vielleicht, weil es sich um etwas handelte, was ihm bisher vollkommen fremd gewesen war. Wie lange hatte er diesen Moment herbeigesehnt, in dem Serena endlich aus ihrem todes#228;hnlichen Schlaf erwachen und ihn das erste Mal bewu#223;t aus ihren sch#246;nen Augen ansehen w#252;rde, den Augenblick, in dem er das erste Mal ihre Stimme h#246;ren w#252;rde? Und wie vollkommen anders war dieser Augenblick dann gewesen.

Nein, er war nicht nur entt#228;uscht. Was Mike in diesem Moment empfand, das ging viel tiefer, und es tat viel heftiger weh, als blo#223;e Entt#228;uschung es gekonnt h#228;tte.

Es vergingen mehr als zwei Stunden, bis Trautman und die anderen zur#252;ckkehrten. Mike hatte die ganze Zeit auf seinem Bett zugebracht und die Decke #252;ber sich angestarrt. Vergeblich hatte er versucht, eine Erkl#228;rung f#252;r Serenas sonderbares Verhalten zu finden. Er nahm sich vor, Serena bei n#228;chster Gelegenheit geradeheraus zu fragen, womit er sich ihren Zorn zugezogen hatte. Sicher war es nur ein Mi#223;verst#228;ndnis.

Es konnte die aufgeregten Stimmen der anderen h#246;ren, bevor sie die H#252;tte betraten, und auch wenn er die Worte nicht verstand, so verriet ihm doch ihr Klang, da#223; sie in ausgezeichneter Stimmung waren. Was immer Denholm ihnen gezeigt hatte, es konnte nichts Unangenehmes gewesen sein. Wer wei#223; – vielleicht hatten sie ja bereits einen Weg gefunden, um wieder aus dieser merkw#252;rdigen Stadt herauszukommen. Er stand auf und zwang ein m#246;glichst unbefangenes L#228;cheln auf sein Gesicht.

Trautman und die vier anderen staunten nicht schlecht, als sie die H#252;tte betraten und Mike, der noch vor wenigen Stunden todkrank und ersch#246;pft auf seinem Bett gelegen hatte, ihnen fr#246;hlich entgegenspaziert kam. Aber der Moment, auf den Mike sich am meisten gefreut hatte – n#228;mlich der, in dem er ihnen seine vollkommen verheilten H#228;nde pr#228;sentierte und sie eigentlich fassungslos Mund und Augen h#228;tte aufrei#223;en sollen, kam nicht. Trautman betrachtete seine H#228;nde nur mit wenig Interesse, und Ben sagte ruhig: »Sie war also schon da.«

Mike begriff. Offensichtlich waren Serenas unheimliche Kr#228;fte nur f#252;r ihn noch ein Geheimnis gewesen

– aber schlie#223;lich hatten die anderen ja schon zwei Tage l#228;nger Gelegenheit gehabt, mit der Atlanterin zu sprechen und sie kennenzulernen. Wahrscheinlich war es genau umgekehrt gewesen, und Trautman und seine Freunde hatten ihm absichtlich nichts von Serenas F#228;higkeiten erz#228;hlt, um ihn zu #252;berraschen. Trotzdem war er ein wenig entt#228;uscht.

»Und?« fragte Ben, nachdem Mike eine Weile geschwiegen hatte. »Was h#228;ltst du von ihr? Jetzt, wo du das Vergn#252;gen hattest, sie richtig kennenzulernen.«

Die Art, auf die Ben diese Frage stellte, gefiel Mike nicht. Er mu#223;te sich beherrschen, um den jungen Engl#228;nder nicht anzufahren. »Sie ist… ein bi#223;chen sonderbar«, antwortete er ausweichend. Ben legte die Stirn in Falten, und Juan und Trautman warfen sich einen vielsagenden Blick zu.

»Sonderbar, so«, wiederholte Ben. »Na, so kann man es auch nennen.«

»Sie ist bestimmt genauso verwirrt und durcheinander wie wir alle«, sagte Mike. »Immerhin hat sie jahrtausendelang geschlafen. F#252;r sie mu#223; das alles hier noch viel fremder und erschreckender sein als f#252;r uns.«

»Sie ist eine eingebildete Kuh«, sagte Ben ruhig.

Eine Sekunde lang starrte Mike Ben nur fassungslos an, aber dann brodelte hei#223;er Zorn in ihm empor. »Das nimmst du zur#252;ck!« sagte er. »Du wei#223;t ja nicht, was du da redest!«

»Okay, die Kuh nehme ich zur#252;ck«, sagte Ben grinsend. »#220;berhebliche Zimtzicke trifft es sowieso besser.«

Mike mu#223;te sich beherrschen, um sich nicht auf der Stelle auf Ben zu st#252;rzen und so lange auf ihn einzupr#252;geln, bis er diese Beleidigung zur#252;cknahm. Ohne da#223; er es merkte, ballten sich seine H#228;nde zu F#228;usten, und er sah im wahrsten Sinne des Wortes rot.

»He, ihr beiden – aufgeh#246;rt!« sagte Trautman scharf. »Rei#223;t euch gef#228;lligst zusammen!«

»Ich will, da#223; er das zur#252;cknimmt!« sagte Mike. Seine Stimme zitterte. »Serena ist –«

»Wir wissen, was Serena ist«, unterbrach ihn Trautman in scharfem Ton. »Sie ist ein bi#223;chen seltsam, wie du es bezeichnet hast.« Er kam auf Mike zu, ergriff ihn am Arm und schob ihn ein paar Schritte zur Seite. »Nimm es ihnen nicht #252;bel, Mike«, fuhr Trautman fort. War es wirklich nur Zufall, da#223; er pl#246;tzlich so leise sprach, da#223; die anderen seine Worte kaum verstehen konnten? »Serena ist wirklich ein bi#223;chen – #228;h… schwierig. Und es macht uns alle nerv#246;s, da#223; sie unsere Gedanken lesen kann.«

»Das tut Astaroth auch«, antwortete Mike. Er wu#223;te selbst, wie albern dieser Vergleich war, und Trautman antwortete auch prompt:

»Das ist ein Unterschied, meinst du nicht?«

»Warum? Weil er ein Tier ist?«

»Weil er nicht ganz so r#252;cksichtslos ist wie seine Herrin«, erwiderte Trautman. »Und weil er Geheimnisse besser f#252;r sich behalten kann. Und jetzt schlage ich vor, da#223; wir das Thema wechseln, einverstanden? Fr#252;her oder sp#228;ter werden wir uns schon an Serena gew#246;hnen.« Er machte eine Handbewegung, mit der er das Thema endg#252;ltig f#252;r beendet erkl#228;rte, und Mike akzeptierte dies. Er hatte das Gef#252;hl, da#223; es im Moment vielleicht nicht gut war, zu sehr in Trautman zu dringen. Vielleicht w#252;rde ihm das, was Trautman tats#228;chlich von Serena dachte, nicht gefallen.

»Wie war es in der Stadt?« fragte er einsilbig.

»Interessant«, antwortete Trautman, und Ben sagte im gleichen Augenblick: »Stadt? Da#223; ich nicht lache!«

Trautman #252;berging den Einwurf. »Sie ist anders, als du sie dir wahrscheinlich vorstellst«, sagte er. »Morgen fr#252;h gehen wir wieder hinunter, und Denholm hat mir versprochen, da#223; du uns dann begleiten darfst. Ich bin sicher, sie wird dir gefallen. Vor allem ihre Menschen. Sie sind ein sehr freundliches Volk.«

»Ja«, maulte Ben. »Vor allem ein sehrgastfreundlichesVolk. Sie lieben G#228;ste so sehr, da#223; sie sie gar nicht wieder weglassen wollen.«

»Ben, das reicht«, sagte Trautman. »Was ist eigentlich in dich gefahren? Vor einer halben Stunde warst du noch bester Laune, und jetzt…«

»Da dachte ich auch noch, man k#246;nnte vern#252;nftig mit diesem verliebten Gockel reden«, antwortete Ben patzig und wies auf Mike. »Aber das war wohl ein Irrtum.« Mike wollte auffahren, aber Trautman trat mit einem raschen Schritt zwischen ihn und Ben, ergriff Mike am Arm und zog ihn mit mehr oder weniger sanfter Gewalt mit sich. Erst als sie die H#252;tte verlassen hatten, lie#223; er ihn wieder los.

»Bitte, nimm es Ben nicht #252;bel«, sagte er. »Er ist sehr entt#228;uscht, wei#223;t du? Und das ist eben seine Art, damit fertig zu werden. Du kennst ihn ja.«

»Entt#228;uscht?« wiederholte Mike fragend. »Wieso?«

Trautman schwieg einen Moment. Schlie#223;lich drehte er sich herum und sah auf den Hafen herab. Sein Blick suchte die NAUTILUS, und ein trauriger Ausdruck erschien auf seinem Gesicht.

»Du hast mit Serena gesprochen?« fragte er. »Ich meine, #252;ber unsere Lage hier?« »Nein«, gestand Mike.

Trautman l#228;chelte bitter. »Ja, das habe ich mir gedacht. Sie wollte nicht mit dir reden, stimmt’s?«

»Sie haben es auch gesagt«, antwortete Mike beinahe verzweifelt. »Sie braucht bestimmt noch eine Weile, um sich hier zurechtzufinden.«

Trautman warf ihm einen kurzen Blick zu und sah dann wieder auf den Hafen und die gefangene NAUTILUS hinab. »Hat sie dir erz#228;hlt, da#223; einige sie hier wie eine G#246;ttin verehren?« fragte er.

»Nein«, antwortete Mike. Er erinnerte sich, wie die Piraten an Bord der NAUTILUS vor dem M#228;dchen auf die Knie gesunken waren.

»Sie tun es«, best#228;tigte Trautman, ohne ihn anzusehen. »Nicht alle, aber viele. Denholm geh#246;rt #252;brigens nicht zu ihnen. Morgen, wenn wir die Stadt besuchen, wirst du verstehen, warum das so ist.«

»Und was hat das mit BensEntt#228;uschungzu tun?« fragte Mike.

»Na ja, da gibt es etwas #252;ber Serena, was du noch nicht wei#223;t«, sagte Trautman. Mike sp#252;rte, wie schwer es ihm fiel, weiterzusprechen. »Erinnerst du dich, was sie als erstes gesagt hat, nachdem sie aufgewacht war?«

Mike schwieg. Er blickte Trautman an, und pl#246;tzlich hatte er ein sehr, sehr ungutes Gef#252;hl.

»Was macht ihr auf meinem Schiff«, sagte Trautman. »Das war es doch, nicht?«

»Ich… glaube schon«, antwortete Mike z#246;gernd. »Das hat sie nicht nur so dahingesagt«, sagte Trautman leise. »Siehst du, das Problem ist, da#223; es nur einen einzigen Weg gibt, von hier jemals

wieder wegzukommen – und das ist die NAUTILUS.«

»Und wo ist das Problem?« fragte Mike. »Die Riesenqualle?«

»Nein«, antwortete Trautman. »Ich denke, mit der w#252;rden wir schon irgendwie fertig. Das Problem ist Serena. So, wie es aussieht, scheint die NAUTILUS tats#228;chlich irgendwann einmalihrgeh#246;rt zu haben. Und sie ist wohl der Meinung, da#223; das noch so ist.«

»Was soll das hei#223;en?« fragte Mike alarmiert.

»Das soll hei#223;en, da#223; sie nicht daran denkt, uns die NAUTILUS zu #252;berlassen«, antwortete Trautman. »Ich habe sie gefragt. Sie hat mich schlicht ausgelacht.«

»Aber das w#252;rde ja bedeuten, da#223; –« begann Mike und verstummte, ehe er den Satz zu Ende bringen konnte. Er hatte einfach nicht den Mut, die letzten Worte auszusprechen.

Trautman hatte ihn. »Du warst so etwas wie unsere letzte Hoffnung, Mike«, sagte er. »Wir haben gehofft, da#223; Serena mitdirreden w#252;rde, wenn schon nicht mit uns. Aber wenn sie das nicht tut, dann sind wir gefangen wie alle anderen. Ohne die NAUTILUS kommen wir nie wieder von hier weg.«

Es war die erste Nacht, die Mike erlebte, die im Grunde gar keine war. Neben allen anderen #220;berraschungen hielt die seltsame Welt auf dem Meeresgrund noch eine f#252;r ihn bereit, auf die er eigentlich gefa#223;t h#228;tte sein m#252;ssen, die ihn aber trotzdem im ersten Moment mehr als alles andere verbl#252;ffte: der Unterschied zwischen Tag und Nacht. Das milde wei#223;e Licht, das aus dem Nirgendwo kam, war ja nicht das einer Sonne, die am Morgen auf- und am Abend wieder unterging, und so fiel es ihm sehr schwer, am »Abend« wie alle anderen zu Bett zu gehen und zu schlafen.

Doch dies war nicht der einzige Grund, aus dem er sich noch stundenlang auf seinem Lager herumw#228;lzte und vergeblich darauf wartete, da#223; sich der Schlaf einstellte. Die Kraft, die ihm Serena gespendet hatte, hielt ihn nachhaltig wach, und selbst wenn es nicht so gewesen w#228;re, h#228;tten es wohl die Gedanken getan, die sich hinter seiner Stirn im Kreise drehten. Er wollte das, was Trautman ihm erz#228;hlt hatte, nicht begreifen. Er weigerte sich einfach, den Gedanken zu akzeptieren, da#223; sie f#252;r den Rest ihres Lebens hier unten festsitzen sollten.

Irgendwann fand er schlie#223;lich doch in einen unruhigen, von Tr#228;umen geplagten Schlaf, aus dem ihn Singh schlie#223;lich am n#228;chsten Morgen mit besorgtem Gesichtsausdruck weckte.

Das Fr#252;hst#252;ck, das sie allesamt in gedr#252;ckter Stimmung einnahmen, bestand aus Fr#252;chten, Fisch und dem gleichen wohlschmeckenden Saft, den er schon gestern bekommen hatte. Und sie hatten kaum fertig gegessen, da erschienen Denholm und seine beiden Begleiter wieder, um sie zu dem Besuch in der Stadt abzuholen, von dem Trautman am vergangenen Abend gesprochen hatte.

Trotz allem war Mike sehr aufgeregt. Trautmans Andeutungen hatten ihm ja so gut wie nichts #252;ber die Stadt verraten, aber er hatte ihren phantastischen Anblick nicht vergessen. Von der Klippe aus war sie nicht zu sehen, aber das lag wohl daran, da#223; sie auf der anderen Seite des H#252;gels lag, auf dem sich ihr neues

Zuhause erhob. Mike brannte darauf, sie endlich kennenzulernen.

Au#223;erdem w#252;rde er Serena Wiedersehen. Er war mittlerweile ganz sicher, da#223; ihr eigent#252;mliches Verhalten von gestern nur ein Mi#223;verst#228;ndnis gewesen sein konnte. Es w#252;rde sich bestimmt aufkl#228;ren. Serena w#252;rde sie ganz bestimmt nicht dazu verurteilen, den Rest ihres Lebens als Gefangene auf dem Meeresgrund zu verbringen.

Er sollte entt#228;uscht werden – und das in jeder Beziehung.

Sie sahen die merkw#252;rdige Riesenstadt wieder, als sie die H#252;tte umrundet hatten und den H#252;gel auf der gegen#252;berliegenden Seite hinunterzugehen begannen. Aus der N#228;he betrachtet, wirkte sie noch unheimlicher und fremdartiger als vor drei Tagen, obwohl er noch immer keine Einzelheiten erkennen konnte. Die bizarren T#252;rme und Geb#228;ude blieben auch in der N#228;he, was sie von weitem gewesen waren:verschwommene Schatten von sonderbar beunruhigendem #196;u#223;erem, die hinter einer Art Nebel verborgen zu sein schienen, der sich jedem direkten Blick entzog. Es war einfach so, da#223; das, was man ansehen wollte, immer gerade ein St#252;ck hinter der Grenze des eben noch klar Erkennbaren zu liegen schien. Alles, was er wirklich erfassen konnte, war ein vager Eindruck von Gr#246;#223;e, von gigantischen Mauern und noch gigantischeren T#252;rmen und Geb#228;uden.

Und diese Stadt war eindeutignichtihr Ziel.

Mike begriff es erst, als sie schon fast die halbe Strecke zur#252;ckgelegt hatten. Der Weg wand sich in engen Kehren und Schleifen den Hang hinab, und allm#228;hlich gerieten die T#252;rme und Mauern der Riesenstadt au#223;er Sicht. Anfangs war er auch noch viel zu sehr damit besch#228;ftigt, ihre fremdartige Umgebung zu mustern: Was er gestern f#252;r Gras und ganz normale B#252;sche gehalten hatte, das entpuppte sich bei n#228;herem Hinsehen als eine Vegetation, wie es sie nirgendwo sonst auf der Erde zu geben schien

– zumindest hatte Mike niemals davon geh#246;rt. Was wie Gras aussah, das erwies sich als weicher, dicht gewebter Teppich aus einer Art Algen, auf dem sich sehr angenehm gehen lie#223;, der sich aber auch immer ein wenig feucht anf#252;hlte und der bei jedem Schritt merklich unter ihrem Gewicht federte. Die B#252;sche waren gro#223;e, in bunten Farben leuchtende Korallengew#228;chse, und das gleiche galt f#252;r die B#228;ume: Es waren keine B#228;ume, sondern riesige Seeanemonen und -rosen, die in dichten Gruppen beieinanderstanden und eine Art Wald bildeten, der einen Gro#223;teil des H#252;gels bedeckte.

An seinem Fu#223; schl#228;ngelte sich ein schmaler, sehr schnell flie#223;ender Bach entlang, #252;ber den eine gemauerte Br#252;cke f#252;hrte. Als Denholm und seine Begleiter sie betraten, blieb Mike stehen und deutete dorthin, wo sich die T#252;rme der Riesenstadt #252;ber die Wipfel des Korallenwaldes erhoben. Der Weg, der an die Br#252;cke anschlo#223;, f#252;hrte genau in die entgegengesetzte Richtung.

»Wieso gehen wir nicht dort entlang?« fragte er.

Auch die anderen blieben stehen. Ein #252;berraschter Ausdruck erschien auf Denholms Gesicht, als er erst ihn, dann Trautman ansah. »Du hast es ihm nicht erz#228;hlt?« fragte er.

»Es hat sich noch keine g#252;nstige Gelegenheit dazu ergeben«, antwortete Trautman ausweichend.

Denholm sah nicht besonders begeistert drein. Aber er ging nicht auf das ein, was Trautman gesagt hatte, sondern wandte sich direkt an Mike.

»Nein, wir gehen nicht dorthin«, sagte er. »Das ist dieAlte Stadt.Wir betreten sie nie, wenn es nicht unbedingt n#246;tig ist. Es ist gef#228;hrlich.«

»Gef#228;hrlich?«

»Die Fischmenschen leben dort«, erkl#228;rte Denholm. »Sie sind unsere Feinde. Aber keine Angst«, f#252;gte er schnell hinzu. »Sie kommen nur sehr selten hierher. DieAlte Stadtliegt auf der anderen Seite der Bucht, und der Weg ist sehr weit.«

»Eure Feinde, so«, murmelte Mike, als sie weitergingen. »Gibt es da vielleicht noch ein paar Kleinigkeiten, die Sie mir noch nicht erz#228;hlt haben, Trautman?«

»Ja«, gestand Trautman, ohne ihn anzusehen. »Aber du wirst gleich alles selbst sehen. Das ist viel einfacher, als es dir zu erkl#228;ren.«

Das war nicht das, was Mike h#246;ren wollte – aber er kannte Trautman auch gut genug, um zu wissen, da#223; es das einzige war, war er jetzt h#246;renw#252;rde,und so fa#223;te er sich in Geduld, so schwer es ihm auch fiel.

Der Weg war nicht mehr sehr weit. Auf einer Strecke von f#252;nf oder sechs Minuten wurde der seltsame Korallenwald noch einmal so dicht, da#223; sie schlie#223;lich am Grunde eines in den leuchtendsten Farben schimmernden Tunnels entlangzugehen schienen, dann traten die B#228;ume wieder auseinander, und vor ihnen breitete sich eine gut zwei Meilen messende, kreisrunde Lichtung aus, auf der Denholms Stadt lag.

Um ein Haar h#228;tte Mike vor Entt#228;uschung laut aufgest#246;hnt.

Was Denholm in einem Anfall von Gr#246;#223;enwahn alsStadtbezeichnet hatte, das war eine Ansammlung #228;rmlicher, primitiver H#252;tten, die aus Holz, Korallen, gr#252;nen Bl#228;ttergew#228;chsen, Treibholz und einer Menge anderer nur vorstellbarer abenteuerlicher Materialien zusammengesetzt war. Keine derBehausungen glich der anderen, keine war h#246;her als ein Stockwerk, und keine hatte auch nur #196;hnlichkeit mit etwas, was Mike mit gutem Gewissen alsHausbezeichnet h#228;tte.

»Das ist… eure Stadt?« fragte er z#246;gernd.

»UnsereStadt«, korrigierte ihn Denholm. »Auch ihr werdet hier leben – wenn ihr es wollt. Nat#252;rlich k#246;nnt ihr euch auch woanders ansiedeln, aber die meisten ziehen es vor, sich einen Platz hier in der Stadt zu suchen. Unsere Gemeinschaft legt gro#223;en Wert auf Zusammenhalt, mu#223;t du wissen. Aber wir zwingen niemanden.«

»Wie beruhigend«, murmelte Mike. Er wu#223;te nicht, ob er in Tr#228;nen oder in schallendes Gel#228;chter ausbrechen sollte. Aber er verstand jetzt, warum ihm Trautman bisher nichts von dieserStadterz#228;hlt hatte.

Offenbar hatte er sich nicht so gut in der Gewalt, wie er selbst glaubte, denn Denholm fuhr in entschuldigendem Tonfall fort: »Ich wei#223;, auf den ersten Blick sieht sie klein aus und ein wenig einfach. Aber du darfst dich nicht vom #228;u#223;eren Anschein t#228;uschen lassen. Wir haben hier alles, was wir brauchen

– Wasser, ausreichend Nahrung und einen sicheren Platz f#252;r jeden. Und der Wald bietet uns einen besseren Schutz vor den Fischmenschen, als jede k#252;nstliche Festung es k#246;nnte. Du kannst dir alles in Ruhe ansehen und sp#228;ter entscheiden. Wir haben Zeit genug.«

Als sie weitergingen, erkannte Mike mehr Einzelheiten – aber wenig davon war dazu angetan, seine Stimmung zu heben. Die Stadt im Korallenwald bestand nach wie vor aus bauf#228;lligen H#252;tten, in denen #228;rmlich aussehende Menschen in zerlumpten Kleidern hausten. Das einzige, was nicht zu diesem Eindruck zu passen schien, war die fast #252;bersch#228;umende Fr#246;hlichkeit der Menschen hier: Wohin Mike auch blickte, sah er in lachende oder zumindest l#228;chelnde Gesichter, sah er spielende Kinder und Erwachsene, die beieinander standen und sich gutgelaunt unterhielten oder ihnen fr#246;hlich zuwinkten. Scherzworte wurden Denholm zugerufen, und aus vielen H#252;tten drangen fr#246;hliche Stimmen und Gel#228;chter. Vielleicht war es gerade der krasse Unterschied zwischen der #228;u#223;eren Armseligkeit des Anblickes, den die Stadt bot, und dem fr#246;hlichen Wesen ihrer Bewohner, der ihn so verwirrte. Auf jeden Fall behielt er das, was ihm eigentlich auf der Zunge lag, als Denholm ihn nach einer Weile fragte, wie ihm denn die Stadt nun gefiele, erst einmal f#252;r sich und rettete sich in ein verlegenes L#228;cheln und ein Achselzukken. Das war zwar eindeutig nicht die Art von Antwort, die Denholm hatte h#246;ren wollen, aber der Anf#252;hrer des Volkes lies sich seine Entt#228;uschung nicht anmerken und fuhr fort, Mike und die anderen herumzuf#252;hren und ihnen dies oder das zu erkl#228;ren.

Es gab vier oder f#252;nf Dutzend H#228;user, in denen alles in allem nicht einmal dreihundert Menschen leben konnten. Und der Bach, den sie vorhin #252;berquert hatten, flo#223; am jenseitigen Ende der Lichtung dahin und versorgte die Menschen mit Frischwasser, und im umliegenden Korallenwald gab es Nahrung im#220;berflu#223;. Die sonderbaren B#228;ume trugen fremdartige, aber #228;u#223;erst wohlschmeckende Fr#252;chte in solchen Mengen, da#223; davon auch noch die dreifache Anzahl von Menschen satt geworden w#228;re, und wem dies noch nicht reichte, der konnte zum Hafen hinuntergehen und dort fischen. Da es weder Jahreszeiten noch so etwas wie schlechtes Wetter gab, bestand auch keine Notwendigkeit, die Geb#228;ude fester zu bauen, als sie es getan hatten.

Mikes Ungeduld wuchs von Minute zu Minute, und es fiel ihm immer schwerer, Denholm zuzuh#246;ren. Es war nicht so, da#223; ihn das, was dieser ihm sagte, nicht interessiert h#228;tte. Aber das alles war nicht die Antwort auf die Fragen, die ihm auf der Seele brannten. Und schlie#223;lich unterbrach er den Redeflu#223; ihres F#252;hrers und stellte die Frage, die ihn am meisten bewegte: »Wo ist Serena? Du hast gesagt, ich w#252;rde sie Wiedersehen.«

Strenggenommen hatte Denholm das nicht, und er schien auch nicht bereit zu sein, #252;ber Serenas Aufenthaltsort Auskunft zu geben. »Ich wei#223; nicht, ob wir sie jetzt st#246;ren sollten«, sagte er ausweichend.

»St#246;ren?« fragte Mike. »Wobei?«

Denholm wich seinem Blick aus. »Trautman hat mir bereits erz#228;hlt, da#223; du eine… sagen wir: besondere Verbindung zu ihr hast«, meinte er vorsichtig. »Aber wei#223;t du, f#252;r uns ist sie auch etwas Besonderes. EtwasganzBesonderes sogar.«

»Wieso?« fragte Mike.

»Komm mit«, sagte Denholm. »Am besten, du siehst es dir selbst an.« Er wandte sich um und ging auf einen runden, halb aus Holz und Korallengew#228;chsen, zum Teil aber auch aus Stein errichteten Bau am s#252;dlichen Ende der Lichtung zu. Das Geb#228;ude war Mike bereits aufgefallen, aber er hatte noch keine entsprechende Frage gestellt, denn er hatte angenommen, da#223; Denholm ihm schon noch von sich aus erz#228;hlen w#252;rde, welche Bewandtnis es damit hatte.

Trautman, Singh und Ben folgten ihnen, w#228;hrend Andre, Juan und auch Chris sich in die entgegengesetzte Richtung aufmachten. Mike warf ihnen einen fragenden Blick nach, den Trautman l#228;chelnd beantwortete: »Wir treffen sie sp#228;ter wieder. Sie gehen sicher zu Malcolm und seiner Familie.«

»Malcolm?«

Diesmal war es Denholm, der antwortete, und zwar in h#246;rbar stolzem Ton: »Deine Kameraden haben bereits Freunde hier bei uns gefunden. Ich bin sicher, da#223; es dir bald ebenso ergeht.«

Mike teilte diese Zuversicht nicht im mindesten. All diese lachenden Gesichter, die fr#246;hlich spielenden Kinder, die freundlichen Erwachsenen… das alles war ihm beinahe schonzuviel. Aber vielleicht bin ich auch ungerecht, dachte er. Ich sollte diesen Leuten hier wenigstens eine Chance geben, meine Sympathie zu erringen.

Als sie das Geb#228;ude betraten, konnte er im ersten Moment so gut wie gar nichts sehen. Das Dach war so weit wie alle anderen hier davon entfernt, dicht zu sein, so da#223; das k#252;nstliche Licht der unterseeischen Welt durch zahllose Ritzen und Spalten hereindrang, aber diese Beleuchtung hatte einen sehr sonderbaren Nebeneffekt: Das Licht, das in d#252;nnen Streifen und Bahnen von der Decke str#246;mte, zerschnitt den Raum in ein ungleichm#228;#223;iges Schachbrettmuster aus Hell und Dunkel, in dem Mike im ersten Moment #252;berhaupt nichts erkannte. Erst als Denholm an ihm vorbeiging und ihn mit einer Geste aufforderte, ihm zu folgen, begann aus den Schatten Umrisse zu werden. Es war kein Wohnhaus, kein Geb#228;ude f#252;rMenschen,sondern wohl viel mehr eine Art Lager. Mike erkannte eine Anzahl gro#223;er Kisten und Schr#228;nke, und an der Wand neben der T#252;r stand sogar eine uralte Glasvitrine, die wohl wie das meiste hier aus einem der gestrandeten Schiffe stammen mu#223;te.

»Dies hier ist unser…« Denholm z#246;gerte, und ehe er weitersprach, stahl sich ein fl#252;chtiges L#228;cheln auf seine Lippen.»Museum,wenn du so willst. Wir haben in diesem Raum alles zusammengetragen, worauf sich unser Wissen #252;ber die urspr#252;nglichen Bewohner dieser Welt st#252;tzt.«

Die Worte weckten Mikes Neugier, und so trat er an die gl#228;serne Vitrine heran und betrachtete ihren Inhalt. Es war eine Entt#228;uschung. Was dort sorgsam auf kleinen blauen und roten Samtkissen ausgelegt war, das kam ihm auf den ersten Blick wie ein sinnloses Sammelsurium aus Stein-und Metallsplittern, aus verbogenen Tr#252;mmern und mit sinnlosem Gekrakel bedeckten Papierfetzen vor.

»Es ist nicht viel«, sagte Denholm. »Die ersten Menschen, die hier herunterkamen, fanden diese Welt fast so vor, wie du sie auch heute noch siehst. Vor uns m#252;ssen andere hiergewesen sein, aber sie haben nicht viel hinterlassen. Das da ist alles, was wir im Laufe der Jahrhunderte von ihnen gefunden haben.« Er machte eine ausholende Geste, die die Vitrine und das halbe Dutzend Truhen und Kisten einschlo#223;, und Mike trat von dem Glasschrank zur#252;ck und begutachtete der Reihe nach auch den Inhalt der anderen Beh#228;ltnisse. Es gab etwas, was an einen verbeulten und fast bis zur Unkenntlichkeit verrosteten Taucherhelm erinnerte, wie sie sie auch an Bord der NAUTILUS hatten, ein paar Fetzen eines seltsam metallisch schimmernden Stoffes und noch das eine oder andere, das ihm vage bekannt vorkam. Das allermeiste jedoch ergab f#252;r ihn weder einen Sinn, noch schien es in irgendeiner Weise interessant – und wirkte schon gar nicht wie die Hinterlassenschaft eines Volkes, das m#228;chtig genug gewesen sein mu#223;te, diese k#252;nstliche Welt am Grunde des Meeres zu schaffen.

»Und was«, begann er z#246;gernd, »hat das alles mit Serena zu tun?«

Denholm l#228;chelte. Er wies auf die hintere Wand des Geb#228;udes, die einzige, die aus gemauertem Stein bestand. Der Vorhang aus Licht und Schatten entzog sie noch immer Mikes Blicken, aber auf Denholms Aufforderung hin trat er langsam darauf zu.

Jetzt erlebte er wirklich eine #220;berraschung. Was ihm auf den ersten Blick wie die willk#252;rlichen Unebenheiten der steinernen Oberfl#228;che vorgekommen war, das entpuppte sich bei n#228;herem Hinsehen als ein gewaltiges, mit gro#223;er Kunstfertigkeit in die zwei Meter hohe und sicherlich dreimal so breite Wand hineingemei#223;eltes Relief. Er sah Bilder von Menschen und Tieren, einige davon vertraut, andere aber so fremdartig und erschrekkend, da#223; er sich weigerte zu glauben, da#223; es irgendwo auf dieser Welt Wesen wie die hier abgebildeten geben konnte, Bilder von St#228;dten und Geb#228;uden, von Maschinen und Fahrzeugen, von Schiffen. Und dieses gewaltige Relief war mehr als nur ein beeindruckendes Kunstwerk. Es erz#228;hlte eine Geschichte. Und

auch, wenn er sie nicht wirklich zu verstehen imstande war, so

begriff er doch ihre Bedeutung.

Vielleicht, weil er vieles von dem, was er da vor sich hatte, kannte. Er hatte nichts davon jemals wirklich gesehen, und trotzdem war ihm das allerwenigste fremd.

Der Gedanke war so verwirrend, da#223; ihm im ersten Moment schwindelte. Wie konnte er sich an etwas erinnern, was er niemals gesehen hatte? Und als w#228;re dieser Gedanke ein Ausl#246;ser gewesen, begriff er pl#246;tzlich, da#223; das nicht stimmte. Erhattediese Dinge schon einmal gesehen, nicht mit seinen eigenen Augen, aber in den Visionen, die ihn geplagt hatten, als er im Fieber lag und Astaroths Tr#228;ume teilte. Was das Bild zeigte, das #228;hnelte verbl#252;ffend dem, was ihm der Geist des Katers #252;ber das versunkene Atlantis gezeigt hatte.

Zwei Dinge erregten seine besondere Aufmerksamkeit. Das eine war etwas, was er zuerst f#252;r die ungeschickte Abbildung eines gro#223;en Fisches hielt, bis es ihm wie Schuppen von den Augen fiel und ihm klar wurde, wieso ihm die schlanken Linien, die m#228;chtige, kantige Schwanzflosse und der gezackte Speer an seinem vorderen Ende so vertraut vorkamen. Das Bild zeigte die NAUTILUS; oder zumindest ein Schiff, das ihr zum Verwechseln #228;hnlich sah. Aber noch ehe er aus dem Erstaunen heraus war, gewahrte er eine zweite Darstellung, die ihm noch viel vertrauter vorkam und bei deren Anblick er erschrocken zusammenfuhr.

Eine der menschlichen Figuren war #252;bergro#223;. Sie befand sich genau in der Mitte des Bildes, und sie zeigte eine schlanke Frauengestalt in einem langen, flie#223;enden Gewand und mit schulterlangem, gelocktem Haar – und mit Serenas Gesicht!

»Aber das ist doch nicht m#246;glich!« murmelte er.

»Dieser gro#223;e Stein stand bereits hier, als die ersten unserer Vorfahren eintrafen«, sagte Denholm. Er hatte die Stimme zu einem fast ehrf#252;rchtig klingenden Fl#252;stern gesenkt. »Niemand wei#223;, wer ihn hier aufgestellt hat und warum. Aber die Geschichte, dieererz#228;hlt, ist die des Volkes, das all das hier erschaffen hat.«

Mike starrte immer noch fassungslos die gemei#223;elte Gestalt an. Es war nicht Serena, das erkannte er jetzt. Das Bild zeigte eine erwachsene Frau, kein M#228;dchen von nicht ganz f#252;nfzehn Jahren – und trotzdem trug sie so zweifelsfrei Serenas Z#252;ge, als h#228;tte die atlantische Prinzessin dem unbekannten K#252;nstler dieses Bildes Modell gestanden.

»Das… das ist phantastisch«, fl#252;sterte Mike, und obwohl es ihm immer noch nicht gelang, den Blick von dem Relief zu l#246;sen, sah er doch aus den Augenwinkeln, wie Denholm den Kopf sch#252;ttelte.

»Es ist mehr als das«, sagte er. »Es ist vielleicht der Grund, aus dem wir hier leben k#246;nnen.«

Mike ri#223; sich von dem Bild los und sah Denholm verst#228;ndnislos an. »Wie meinst du das?«

Denholm blickte ihn, dann die anderen, die ihnen gefolgt, jedoch vor der T#252;r stehengeblieben waren, sehr ernst und eindringlich an. »Glaubt bitte nicht, da#223; ich nicht wei#223;, wie ihr euch f#252;hlt«, sagte er. »Ihr seid sehr tapfer und versucht, es euch nicht anmerken zu lassen, doch in Wahrheit seid ihr zutiefst verzweifelt. Ich wei#223; es, weil es jedem so ergeht, der hier herunterkommt. Niemand kann je wieder von hier fort,wi#223;t ihr? Diese Welt bietet uns alles, was wir zum #220;berleben brauchen, aber sie ist auch ein Gef#228;ngnis. Und es ergeht allen, die hierherkommen, so wie euch.«

Mike wollte widersprechen, doch Denholm brachte ihn mit einer energischen Geste zum Verstummen. »Ich habe die Welt, aus der ihr stammt, nie selbst gesehen«, sagte er, »denn ich bin hier unten geboren worden. Doch ich kenne sie aus den Erz#228;hlungen derer, die vor euch kamen, gut genug, um zu wissen, wie euch das alles hier erscheinen mu#223;. Doch ihr findet hier andere Menschen vor, Menschen, die euch helfen. Aber die allerersten unserer Vorfahren, die hierher gelangten, waren allein. Sie hatten niemanden, der ihnen half, niemanden, der sie aufnahm und ihr Freund sein wollte. Sie fanden sich gestrandet und eingesperrt an einem Ort, aus dem kein Weg wieder herausf#252;hrt. Vielleicht h#228;tten sie es nicht geschafft, zu #252;berleben und all dies hier zu errichten, ohne dies.« Er wies auf das Bild, und Mikes Blick folgte der Geste. Erneut nahm ihn das Relief und vor allem die weibliche Gestalt in seiner Mitte sofort gefangen.

»Es ist die Geschichte, die dieses Bild erz#228;hlt, die uns Kraft gab«, fuhr Denholm fort. »Die Geschichte eines Volkes wie wir, das hierherkam und all diese Wunder erschuf und das wieder verschwand, lange bevor der erste von uns diesen Boden betrat. Aber wir haben immer gewu#223;t, da#223; sie eines Tages zur#252;ckkehren w#252;rden. Es war dieses Wissen, das unseren Vorfahren die Kraft gab, zu #252;berleben.«

Es fiel Mike schwer, Denholms Worten zu folgen. Er blickte die Frau mit Serenas Gesicht an, und ihm schossen Hunderte von m#246;glichen Erkl#228;rungen f#252;r das eigentlich Unm#246;gliche durch den Kopf, eine phantastischer als die andere. Und er erinnerte sich wieder daran, wie die M#228;nner an Bord der NAUTILUS vor Serena auf die Knie gesunken waren, und als er begriff, warum sie es getan hatten, da #252;berlief ihn ein eisiges Fr#246;steln. »Du meinst, deine Leute…« Er hatte Hemmungen, die Worte auszusprechen. »… deine LeutebetenSerena an?«

Denholm l#228;chelte. »Nein«, sagte er. »Das sicher nicht. Doch wir haben stets gehofft, da#223; die, die diese Welt einst erschaffen haben, eines Tages zur#252;ckkehren w#252;rden. Einige von uns glauben, da#223; dieser Tag nun gekommen ist. Und damit das Ende unserer Gefangenschaft.«

Die besondere Formulierung entging Mike nicht. »Einige?« wiederholte er. »Du nicht?«

Denholm antwortete nicht gleich, und als er es tat, da sah er nicht Mike, sondern das Bild an. »Ich wei#223; es nicht«, gestand er. »Ich habe nie wirklich dar#252;ber nachgedacht, wei#223;t du? Vielleicht… vielleicht weil ich Angst vor der Antwort habe.«

Mike konnte das sehr gut verstehen. Er glaubte Denholm, wenn er sagte, da#223; dieses Bild und die Hoffnung, die es versinnbildlichte, den Menschen hier unten #252;ber ungez#228;hlte Jahrhunderte hinweg Kraft gegeben hatten. Aber ein Symbol, so m#228;chtig es auch war, vermochte nur Kraft zu spenden, solange es ein Symbol blieb. Die Kraft der Tr#228;ume erlosch, wenn sie wahr wurden. Wovor Denholm Angst hatte, das war der Zweifel. Solange dieses Bild ein Bild und die Geschichte, die es erz#228;hlte, nichts als eine Geschichte gewesen war, hatte es den Menschen hier immer wieder neue Kraft und Hoffnung gegeben. Nun aber

war das in Stein gemei#223;elte Versprechen wahr geworden. Und

damit verwundbar.

Von drau#223;en drangen pl#246;tzlich aufgeregte Rufe herein. Denholm fuhr erschrocken zusammen und drehte sich herum, und auch Mike wandte den Kopf und sah zur T#252;r. Die Stimmen wurden lauter, und einen Moment sp#228;ter st#252;rzte ein Mann herein. Er mu#223;te #252;ber eine weite Strecke gerannt sein, denn sein Atem ging so schnell, da#223; er M#252;he hatte, #252;berhaupt zu sprechen. »Schnell!« keuchte er. »Die Fischmenschen! Sie waren unten am Strand und haben die M#228;nner #252;berfallen, die zum Angeln gehen wollten!«

Mike und die anderen folgten Denholm, als dieser aus dem Haus st#252;rmte und mit weit ausgreifenden Schritten den Platz zu #252;berqueren begann. Sie hatten das Dorf jedoch noch nicht hinter sich zur#252;ckgelassen, als ihnen vom Waldrand her eine Gruppe von sechs, sieben M#228;nnern entgegenkam. Sie waren sehr aufgeregt, und einige schienen verletzt zu sein, wenn auch nicht sehr schwer, denn sie konnten aus eigener Kraft laufen. Zwei von ihnen zerrten eine sich heftig wehrende, hochgewachsene Gestalt zwischen sich mit, bei deren Anblick Mike ein eisiger Schauer #252;ber den R#252;cken lief. »Das mu#223; einer von diesen Fischmenschen sein!« sagte Ben aufgeregt. »Kommt – das sehen wir uns genauer an!«

Aber daraus wurde nichts. Denholm hatte Bens Worte geh#246;rt und machte pl#246;tzlich eine rasche, befehlende Geste, und wie aus dem Nichts erschienen vier, f#252;nf Mitglieder des Volkes, die Mike und den anderen den Weg vertraten. Ben wollte mit seinem #252;blichen Ungest#252;m einfach weiterlaufen, aber einer der M#228;nner ergriff ihn am Arm und hielt ihn mit sanfter, aber nachdr#252;cklicher Gewalt zur#252;ck.

»He, was soll das?« protestierte Ben. »Bleibt zur#252;ck«, erwiderte Denholm. »Die Fischmenschen sind sehr gef#228;hrlich.«

Das glaubte ihm Mike aufs Wort. Sie waren noch gut zwanzig Meter von der Gruppe entfernt, die aus dem Wald herausgekommen war, und auf dem St#252;ck dazwischen dr#228;ngten sich immer mehr M#228;nner und Frauen, so da#223; Mike den Fischmenschen nicht in allen Einzelheiten erkennen konnte. Aber was er sah, das reichte vollkommen, um ihn mit einem Gef#252;hl erschrockener Ehrfurcht zu erf#252;llen.

Denholm hatte die Fischmenschen ja schon vorher erw#228;hnt, doch Mike hatte gar nicht weiter #252;ber diese Worte nachgedacht, sondern es einfach f#252;r einen Namen gehalten, so wie sich Denholms Leute das »Volk« nannten. Aber das stimmte nicht. Der Fischmensch war tats#228;chlich nur zum Teil ein menschliches Wesen. Er war sehr gro#223;, sicher zwei Meter, wenn nicht mehr, dabei aber von so zartem Wuchs, da#223; er schon wieder zerbrechlich wirkte, und seine Haut bestand aus kleinen, in einem sonderbar metallischen Gr#252;n gl#228;nzenden Schuppen, tats#228;chlich wie die eines Fisches. Er hatte kein Haar und keine sichtbare Nase, daf#252;r aber einen #252;bergro#223;en Mund mit dicken, wulstigen Lippen und kinderfaustgro#223;e Augen, deren Blick hinter durchsichtigen Lidern hervor angstvoll #252;ber die drohend gestikulierenden Gestalten tastete, die ihn umgaben. In der Mitte seiner Stirn begann ein h#228;ndbreiter Zackenkamm, der sich #252;ber seinen Sch#228;del bis in den Nacken herab und weiter #252;ber seinen R#252;cken hinunter zog. Mike konnte seine H#228;nde nicht erkennen, aber er war ziemlich sicher, da#223; er Schwimmh#228;ute zwischen den Fingern hatte.

»Was f#252;r ein Ungeheuer!« sagte Ben. Seine Stimme bebte, und sowohl darin als auch in seinem Blick war etwas, was Mike nicht gefiel. Auch er sp#252;rte ein unbehagliches Fr#246;steln beim Anblick des bizarren Wesens, aber ihm kam es nicht wie ein Ungeheuer vor. Nur sehr fremd und sehr ver#228;ngstigt. Trotz der Entfernung konnte er die Furcht, die das Wesen erf#252;llte, deutlich sp#252;ren. Er versuchte sich vorzustellen, wie es umgekehrt gewesen w#228;re – h#228;tte er sich an der Stelle dieses Gesch#246;pfes befunden und w#228;re von einem Dutzend erschreckend aussehender Kreaturen verschleppt worden.

»Was habt ihr mit ihm vor?« fragte Trautman.

»Nichts. Keine Sorge.« Denholm drehte sich herum und ging auf die M#228;nner zu, die die schuppige Gestalt in ihrer Mitte hielten. »Was ist passiert?« fragte er.

»Wir waren unten am Strand, um zu angeln«, antwortete der Mann. »Fisch f#252;r das gro#223;e Fest heute Abend. Sie tauchten pl#246;tzlich auf. Zwei oder drei aus dem Wald und zwei direkt aus dem Wasser.«

»Sie haben euch angegriffen?« fragte Denholm.

Der Mann z#246;gerte mit seiner Antwort; gerade lange genug, um seinen Worten so viel von ihrer Glaubw#252;rdigkeit zu nehmen, da#223; Mike – und wohl auch Denholm – mi#223;trauisch blieben.

»Wir h#228;tten keine Chance gegen sie gehabt, w#228;ren die anderen nicht aufgetaucht«, sagte er und deutete auf eine zweite, etwas kleinere Gruppe von M#228;nnern, die hinter der ersten aus dem Wald herausgetreten war. »Als sie sie sahen, haben sie die Flucht ergriffen. Aber diesen einen hier konnten wir #252;berw#228;ltigen.«

Das war nicht unbedingt eine Antwort auf Denholms Frage, fand Mike. Denholm schien das wohl ebenso zu sehen, denn sein Gesicht verd#252;sterte sich noch mehr. Aber er beharrte nicht weiter auf diesem Punkt, sondern sah den Fischmenschen sehr nachdenklich an. Schlie#223;lich sch#252;ttelte er den Kopf und seufzte tief. »Das gefallt mir nicht«, sagte er. »Ihr h#228;ttet ihn nicht herbringen d#252;rfen. Schafft ihn ins Museum. Und bewacht ihn gut. Ich werde entscheiden, was wir mit ihm machen.«

W#228;hrend die M#228;nner den Gefangenen fortbrachten und sich der Rest der Menge rasch zu zerstreuen begann, trat Mike auf Denholm zu. »Was bedeutet das alles?« fragte er. »Was ist das f#252;r ein Gesch#246;pf?«

Denholm machte eine abwehrende Handbewegung. »Dazu ist jetzt keine Zeit«, sagte er. »Das k#246;nnen dir deine Freunde erz#228;hlen. Jetzt habe ich Wichtigeres zu tun.« Er wandte sich an Trautman. »Geht zu Malcolm und seiner Familie, dort wird man sich um euch k#252;mmern. Ich komme sp#228;ter nach. Sobald wir entschieden haben, was jetzt zu tun ist.«

Mike wollte protestieren, aber Denholm wandte sich um und ging mit raschen Schritten davon. Mike blickte ihm entt#228;uscht hinterher. Denholm hatte ihm versprochen, all seine Fragen zu beantworten, aber der bisherige Verlauf des Tages hatte wesentlich mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Und er hatte ihm etwas gezeigt, was ihn sehr erschreckte, auch wenn er es bereits geahnt hatte. Denholms Welt war nicht das kleine, aber sichere Paradies, als das dieser es ihm zu beschreiben versucht hatte.

»Gehen wir zu Malcolm«, sagte Trautman nerv#246;s. »Andr#233; und Chris warten sicher schon auf uns.«

Mike hatte im Grunde wenig Lust, jetzt einen H#246;flichkeitsbesuch zu machen. Aber in Trautmans Stimme war auch ein dr#228;ngender Ton gewesen, der ihm klarmachte, da#223; dies nicht der Moment f#252;r lange Diskussionen war, also folgte er ihm und den drei anderen wortlos.

Ihr Ziel war ein Haus ganz in der N#228;he des Museums, das nun zu einem Gef#228;ngnis umfunktioniert worden war, wie die beiden grimmig dreinblickenden und mit langen Kn#252;ppeln bewaffneten M#228;nner eindeutig bewiesen, die rechts und links der T#252;r Aufstellung genommen hatten. Das Haus war ein wenig gr#246;#223;er als die meisten anderen Geb#228;ude, und es sah nicht ganz so heruntergekommen und primitiv aus wie diese. So hatte es zum Beispiel eine richtige T#252;r, kein aus Schilfrohr und Korallen improvisiertes Etwas, die offensichtlich von einem der Schiffe unten im Hafen stammte und sich knarrend in groben, aus Holz geschnitzten Angeln bewegte. Trautman #246;ffnete sie, ohne anzuklopfen, und sie betraten einen kleinen, aber behaglichen Raum, der anders als das Museum ein festes Dach und sogar ein richtiges Fenster hatte, so da#223; das Licht direkt hereinfiel. Wie die Haust#252;r stammten die M#246;belst#252;cke im Inneren des Hauses ganz offensichtlich von einem Schiff; besser gesagt von mehreren, wie die unterschiedlichen Stilrichtungen und das sichtbar unter

schiedliche Alter der einzelnen St#252;cke bewiesen.

Andr#233; und Chris sa#223;en zusammen mit einem vielleicht zw#246;lfj#228;hrigen blonden M#228;dchen an einem gro#223;en Tisch unter dem Fenster, auf dem eine reichhaltige Mahlzeit aufgetragen worden war, w#228;hrend Malcolm und seine Frau, wahrscheinlich angelockt durch das Ger#228;usch der T#252;r, gerade in diesem Moment aus einem angrenzenden Raum herauskamen.

Malcolms Gesicht zeigte die gleiche Bl#228;sse wie das aller Menschen hier unten, aber er war ordentlich frisiert und trug einen streng ausrasierten, kurzgeschnittenen Vollbart. Und er war auch nicht in Lumpen gekleidet, sondern trug eine dunkelblaue Kapit#228;nsuniform, die zwar schon sehr alt sein mu#223;te, sich aber in tadellosem Zustand befand.

Malcolm begr#252;#223;te Trautman, Singh und die beiden anderen Jungen mit einem fl#252;chtigen, aber sehr warmen L#228;cheln, ehe er auf Mike zutrat und ihm die Hand entgegenstreckte.

»Du bist also Mike«, sagte Malcolm. »Deine Freunde haben mir schon eine Menge #252;ber dich erz#228;hlt. Ich freue mich, dich selbst kennenzulernen.«

Malcolms H#228;ndedruck war kr#228;ftig und warm und sein L#228;cheln offen und freundlich. »Das ist meine Frau Jennifer, und dort dr#252;ben am Tisch sitzt meine Tochter Sarah«, fuhr Malcolm mit einer entsprechenden Geste fort. »Warum gehst du nicht hin und begr#252;#223;t sie? Sie brennt schon darauf, sich mit dir zu unterhalten.«

Vor einem Augenblick noch hatte Malcolm Mike gesagt, wie sehr er sich freute, ihn zu sehen, und nun schickte er ihn praktisch fort – und der Blick, den er dabei mit Trautman tauschte, war beredt genug, um Mike klarzumachen, da#223; er und der Steuermann der NAUTILUS wohl etwas zu besprechen hatten, wasvielleicht nicht f#252;r seine Ohren bestimmt war. In Mike wuchs die #220;berzeugung, da#223; Trautman und die anderen ihm irgend etwas sehr Wesentliches verschwiegen. Er nahm sich vor, Trautman bei n#228;chster Gelegenheit zur Rede zu stellen. Jetzt wandte er sich um und ging gehorsam zu dem Tisch am Fenster. W#228;hrend er es tat, verschwanden Malcolm, Trautman und einen kurzen Augenblick sp#228;ter auch Singh im angrenzenden Zimmer.

Malcolms Tochter sah ihm mit einem herzlichen L#228;cheln entgegen. Sie hatte gro#223;e #196;hnlichkeit mit ihrer Mutter, und so wie diese und auch ihr Vater war sie nicht auf die hier unten anscheinend allgemein #252;bliche Weise gekleidet, sondern trug ein r#252;schenbesetztes Kleid, dem man ansah, da#223; es urspr#252;nglich f#252;r einen Erwachsenen gedacht und m#252;hsam (und nicht besonders geschickt) auf die passende Gr#246;#223;e zurechtgestutzt worden war.

»Ihr glaubt nicht, was gerade drau#223;en passiert ist«, begann Ben aufgeregt, w#228;hrend Mike sich einen Stuhl heranzog und setzte.

Andr#233; wies mit der Hand zum Fenster. »Wir haben alles gesehen«, sagte er. Ben blinzelte. »Auch das Ungeheuer?«

»Wenn du den Fischmenschen meinst – ja«, erwiderte Sarah. Sie l#228;chelte noch immer, aber der tadelnde Ton, in dem sie diese Worte sagte, war nicht zu #252;berh#246;ren. Ben legte die Stirn in Falten, ging aber nicht weiter darauf ein.

»Es scheint euch ja nicht besonders zu interessieren.«

»Mein Vater wird sp#228;ter mit Denholm sprechen«, erwiderte Sarah. »Er war sehr zornig, aber er meint, es w#228;re besser, ein wenig zu warten.« Sie drehte den Kopf und sah aus dem Fenster, und Mike folgte ihrem Blick. Man konnte von hier aus nicht nur den gesamten Platz, sondern auch das Geb#228;ude sehen, in dem der Gefangene untergebracht war. Zu den beiden Wachen vor der T#252;r hatten sich zwei weitere M#228;nner gesellt, und es begannen jetzt immer mehr Menschen herbeizustr#246;men. Sie waren zu weit entfernt, als da#223; Mike ihre Gesichter erkennen oder gar verstehen konnte, was sie sagten, aber er sp#252;rte deutlich, da#223; von der vorhin noch so fr#246;hlichen Stimmung nichts mehr geblieben war. Die Menge wirkte erregt, ja fast aufgebracht.

»Diese Fischmenschen«, fragte er, »was sind das f#252;r Gesch#246;pfe? Woher kommen sie, und was wollen sie von euch?«

»Niemand wei#223; wirklich, wer die Fischmenschen sind«, antwortete Sarah. »Sie leben dr#252;ben in der Alten Stadt, aber auch unten im Meer.«

»Und sie sind eure Feinde?« fragte Mike. Sarah z#246;gerte mit der Antwort. »Ich glaube, ja«, sagte sie schlie#223;lich. »Duglaubst?«

Das M#228;dchen hob die Schultern. Pl#246;tzlich wirkte sie merkw#252;rdig hilflos. »Sie sind schon so lange hier, wie dieser Ort besteht. Manche glauben, da#223; sie schon vor den Menschen hier waren. Wir treffen sie selten. Manchmal tauchen sie unten im Hafen auf und versuchen, eines der Schiffe zu pl#252;ndern, aber im allgemeinen gehen sie uns aus dem Weg, so wie wir ihnen. Es hei#223;t, da#223; es einmal einen Krieg zwischen uns und ihnen gegeben haben soll, aber niemand wei#223; heute noch, ob das stimmt.«

»Aber die M#228;nner erz#228;hlten, da#223; sie vorhin unten am Strand

gewe –« begann Mike, aber Sarah unterbrach ihn, indem sie die Hand hob und ein paarmal den Kopf sch#252;ttelte.

»Das fragst du am besten meinen Vater«, sagte sie. »In den letzten Tagen ist… einiges geschehen. Vieles hat sich ge#228;ndert.«Und nicht unbedingt zum Guten,f#252;gte ihr Blick hinzu. Dann zwang sie sich zu einem L#228;cheln und wechselte das Thema. »Aber jetzt bist du dran, zu antworten. Andr#233; hat mir schon so viel von dir erz#228;hlt, da#223; ich es kaum noch abwarten konnte, dich kennenzulernen. Das Schiff, mit dem ihr gekommen seid – kann es tats#228;chlich unter Wasser fahren?«

Ohne eine Sonne, die sich am Himmel bewegte, war es schwer, das Verstreichen der Zeit zu messen, aber Mike sch#228;tzte, da#223; sie l#228;nger als zwei Stunden dasa#223;en und redeten. Sarah erwies sich als sehr ungeduldige Zuh#246;rerin, denn sie stellte unentwegt neue Fragen und lie#223; ihm kaum Zeit, sie zu beantworten, ehe sie ihn auch schon wieder unterbrach und etwas anderes wissen wollte. Am Anfang ging Mike dies auf die Nerven – eigentlich war er hierher gekommen, um Fragen zu stellen, nicht um welche zu beantworten. Aber er begriff bald, da#223; das, was er zu erz#228;hlen hatte, f#252;r das M#228;dchen ungleich faszinierender sein mu#223;te als das, was er bisher von ihrer Welt gesehen hatte. Er fand kaum Gelegenheit, selbst eine Frage zu stellen, aber er erfuhr immerhin, da#223; Sarah – ebenso wie ihre Eltern – nicht mit einem Schiff hierhergekommen, sondern hier unten geboren war. Sie hatte zeit ihres Lebens niemals etwas anderes gesehen als diesen Ort, den Korallenwald und den schmalen, h#252;geligen Streifen, der diese H#228;lfte der unterseeischen Welt von der trennte, in der die Alte Stadt lag und die den Fischmenschen geh#246;rte.

Sie hatte niemals mehr als diese wenigen Dutzend Menschen getroffen, und sie hatte niemals den Himmel gesehen. Sie wu#223;te weder, was das Wort »Nacht« bedeutete, noch was Wolken waren, Regen, Schnee oder K#228;lte. Und so mu#223;te jedes Wort, das Mike erz#228;hlte, v#246;llig neu und faszinierend f#252;r sie sein.

Obwohl sie das allermeiste von dem, was er von der Welt #252;ber dem Meer und ihren Bewohnern zu berichten hatte, sicher schon von Andr#233; und den anderen geh#246;rt hatte, hingen ihre Blicke wie gebannt an seinen Lippen, und er konnte regelrecht sp#252;ren, wie sie jedes Wort wie einen kostbaren Schatz aufnahm, um ihn tief in sich f#252;r den Rest ihres Lebens zu bewahren.

Sosehr es Mike auch freute, mit dem M#228;dchen zu reden und ihre schier unstillbare Neugier zu befriedigen, erf#252;llte ihn das Gespr#228;ch doch bald mit Unbehagen und schlie#223;lich mit Trauer. Denn obwohl Sarah es nicht sagte – und ihm auch kaum Gelegenheit gab, selbst eine entsprechende Frage zu stellen –, wurde ihm wieder deutlich, was all diese Menschen hier unten waren: nichts anderes als Gefangene. Denholm – und seltsamerweise auch Trautman – hatte versucht, diese Welt unter dem Meer als so etwas wie ein kleines Paradies darzustellen, dessen Bewohner in Frieden und sorglos leben konnten. Aber diese Behauptung hatte ja nicht einmal Mikes erstem, noch fl#252;chtigem Hinsehen standgehalten.

Schlie#223;lich h#246;rte Mike auf, zu erz#228;hlen, und obwohl er Sarah deutlich ansehen konnte, wie sehr sie dies bedauerte, versuchte sie nicht, ihn zum Weiterreden zu bewegen, sondern kuschelte sich nur eng an Andres Schulter und schlo#223; f#252;r einen Moment die Augen. Auf Andres Gesicht breitete sich ein leises, aber sehr warmes L#228;cheln aus. Mit einer ganz selbstverst#228;ndlichen Bewegung legte er den Arm um die Schulter des M#228;dchens und hielt sie fest, und erst in diesem Moment begriff Mike wirklich, was Malcolm gemeint hatte, als er sagte, Andr#233; k#246;nne ja schon einmal zu seinen Freunden gehen.

Andr#233; war von allen Besatzungsmitgliedern der NAUTILUS – sah man einmal von Singh ab, der ohnehin nur sprach, wenn es unumg#228;nglich war – vielleicht das schweigsamste. Mike hatte sich dar#252;ber niemals Gedanken gemacht, sondern es als ganz selbstverst#228;ndlich hingenommen, aber nun fragte er sich, ob Andr#233; eigentlich wirklich gl#252;cklich gewesen war w#228;hrend all der Monate, die sie sich an Bord der NAUTILUS befanden. Jetzt war er es, das h#228;tte selbst ein Blinder gesehen. Und Sarah auch. Die beiden mu#223;ten sich sehr gerne haben.

Der Gedanke gab Mike einen tiefen, schmerzhaften Stich. Es war nicht etwa Eifersucht oder Neid – er g#246;nnte den beiden ihr Gl#252;ck, und er freute sich f#252;r Andr#233;, der sich in Sarahs N#228;he so offensichtlich wohl f#252;hlte. Aber zugleich dachte er auch an Serena, f#252;r die er dasselbe empfand wie Andr#233; f#252;r Malcolms Tochter, auch wenn er sich das bisher nicht hatte eingestehen wollen, und pl#246;tzlich war es ihm fast unertr#228;glich, die beiden weiter anzusehen. Mit einem pl#246;tzlichen Ruck stand er auf und fragte in ungeduldigem Ton: »Wie lange wollen wir eigentlich noch hier herumsitzen und die Zeit vertr#246;deln? Ich will jetzt zu Serena.«

»Das geht nicht«, antwortete Juan. »Malcolm will –«

»– sowieso zu ihr«, ert#246;nte Malcolms Stimme von der T#252;r her. »Ich mu#223; mit Denholm reden, und wahrscheinlich ist er wieder bei ihr.«

Malcolm, Trautman und dann auch Singh betraten das Zimmer. Mike drehte sich zu ihnen herum.

»Dann begleite ich dich«, sagte er zu Malcolm.

»Das ist vielleicht keine so gute Idee«, sagte Trautman, aber Malcolm unterbrach ihn mit einem Kopfsch#252;tteln. »Warum nicht? Ich habe nichts dagegen. Ihr k#246;nnte alle mitkommen, wenn ihr m#246;chtet.«

»Nein«, sagte Trautman. »Ich bin… ein wenig m#252;de.

Ich w#252;rde am liebsten zur#252;ck ins Haus auf der Klippe gehen. Was ist mit euch?«

Die Frage galt Juan, Ben und Chris, die einhellig nickten. Nur Andr#233; f#252;gte hinzu: »Ich bleibe noch hier, wenn ich darf. Ich komme dann sp#228;ter zusammen mit Mike nach.«

»Ihr m#252;#223;t nicht zur#252;ck dorthin«, sagte Malcolm. »Das Haus ist nur f#252;r Neuank#246;mmlinge gedacht. Ihr k#246;nnt hier in der Stadt bleiben, gleich jetzt, wenn ihr wollt.« »Vielleicht… sp#228;ter«, antwortete Trautman. »Morgen oder #252;bermorgen. Aber wir brauchen noch ein paar Tage, denke ich.«

Malcolm wirkte entt#228;uscht, versuchte aber nicht noch einmal, Trautman und die anderen zum Bleiben zu #252;berreden. Auch Mike war #252;berrascht – so gem#252;tlich war die zugige H#252;tte auf der Klippe nun wieder nicht, da#223; er besonders wild darauf gewesen w#228;re, noch eine oder zwei weitere N#228;chte dort zu verbringen. Erneut hatte er das Gef#252;hl, da#223; mit Trautman und den anderen irgend etwas nicht stimmte. Da#223; sie ihm etwas verheimlichten. Aber er schob den Gedanken auch diesmal beiseite. Allein die Aussicht, nun endlich mit Serena sprechen zu k#246;nnen, hob seine Laune bereits wieder merklich. Er war sicher, nun mit ein paar Worten das Mi#223;verst#228;ndnis von gestern aus der Welt schaffen zu k#246;nnen.

Mike hatte ganz automatisch damit gerechnet, da#223; Singh ihm folgen w#252;rde, denn der Inder lie#223; ihn normalerweise keinen Schritt tun, ohne ihn zu begleiten – was Mike manchmal ziemlich auf die Nerven ging, aber der Sikh nahm seine Aufgabe als Leibw#228;chter nun einmal ernst. Aber zu seiner #220;berraschung blieb auch Singh bei Trautman und den anderen zur#252;ck. Mike war es allerdings nur recht. Was er mit Serena zu besprechen hatte, das ging auch den Inder nichts an. Aber er wunderte sich doch ein bi#223;chen #252;ber den pl#246;tzlichen Sinneswandel seines Leibw#228;chters.

Serena bewohnte eines der gr#246;#223;ten Geb#228;ude der Stadt, das sich nahe des Waldrandes am gegen#252;berliegenden Rand der Lichtung erhob. Zwei mit altert#252;mlichen Vorderladern bewaffnete M#228;nner hielten vor der T#252;r Wache, traten aber beiseite, als Malcolm und Mike sich n#228;herten. Dabei z#246;gerten sie einen winzigen Moment, gerade lange genug, um Mike merken zu lassen, da#223; sie nicht ganz sicher waren, ob sie sie nun passieren lassen sollten oder nicht.

Im Inneren des Geb#228;udes war es so dunkel, da#223; er im ersten Moment kaum etwas sah. Daf#252;r h#246;rte er sofort die aufgeregten Stimmen von zwei oder drei M#228;nnern, die offenbar miteinander stritten. Bevor er jedoch auch nur ein Wort verstehen konnte, flitzte ein schwarzer Schatten auf ihn zu und sprang ihn mit solcher Wucht an, da#223; er r#252;ckw#228;rts taumelte und wahrscheinlich gest#252;rzt w#228;re, h#228;tte Malcolm nicht schnell die Hand ausgestreckt und ihn gehalten. Mike griff instinktiv zu und hielt das schwarze Fellb#252;ndel fest, das sich mit spitzen Klauen in seine Brust gekrallt hatte – und schnurrend den Kopf an seinem Gesicht rieb.

»Astaroth!« keuchte er. »W#252;rdest du… freundlicherweise… die Krallen… aus meiner Haut nehmen?«

Der Kater gehorchte allerdings nicht sofort, und er machte auch keine Anstalten, von Mikes Arm herunterzuspringen, sondern kuschelte sich ganz im Gegenteil gem#228;chlich in seiner Armbeuge zusammen.

Sch#246;n, dich endlich wiederzusehen,sagte Astaroths lautlose Stimme in Mikes Gedanken.Ich habe schon

gedacht, du kommst gar nicht mehr.

Mike war ziemlich #252;berrascht. Da#223; Astaroth ihn mochte, war kein Geheimnis – aber der Kater war normalerweise viel zu stolz, um sich seine Gef#252;hle – noch dazu f#252;r einen Menschen! – so deutlich anmerken zu lassen.

»Stimmt irgendwas nicht?« fragte Mike.

Astaroth blickte ihn aus seinem einzigen Auge scharf an.Da freut man sich, dich wiederzusehen, und du witterst gleich wieder Lug und Trug,sagte er beleidigt.Typisch Mensch! Aber was habe ich eigentlich erwartet?

Mike grinste fl#252;chtig. Er war wohl doch etwas zu mi#223;trauisch gewesen. Das war ganz der alte, knurrige Astaroth, wie er ihn kannte und mochte. Mit einem Unterschied: Der Kater machte auch jetzt keine Anstalten, wieder zu Boden zu springen, sondern drehte sich auf den R#252;cken und begann wohlig zu schnurren, so da#223; Mike ihn wie ein Baby in der Armbeuge trug, als er Malcolm folgte, der mittlerweile weitergegangen war.

Er kam jedoch nur einen Schritt weit, denn er gewahrte abermals eine Bewegung aus den Augenwinkeln und blieb wieder stehen.

Mike ri#223; #252;berrascht die Augen auf, als er sah, was da vor ihm aufgetaucht war.

Es war eine Katze, ein wenig kleiner als Astaroth und von viel schlankerem Wuchs. Ihr Fell war etwas l#228;nger als das einer normalen Katze und so flauschig, da#223; sich in ihrer Ahnenreihe wohl irgendwo eine Angorakatze verbergen mu#223;te. Sie war schwarzwei#223; gemustert, und ihr Gesicht erinnerte an das eines Harlekins: wei#223; mit schwarz umrandeten Augen und einem schwarzen Fleck auf dem Kinn. Sie schien von Mikes Anblick ebenso #252;berrascht zu sein wie er von ihrem, denn sie blieb mitten in der Bewegung stehen und wich dann einen Schritt zur#252;ck. Ihr Schwanz bewegte sich nerv#246;s.

»Hallo!« sagte Mike #252;berrascht. »Wer bist du denn?« Er lie#223; sich in die Hocke sinken und streckte die freie Hand nach der Katze aus, aber diese wich einen weiteren Schritt vor ihm zur#252;ck. Der Blick ihrer gro#223;en, leuchtendgr#252;nen Augen verfolgte mi#223;trauisch jede von Mikes Bewegungen.

Jedenfalls war es das, was er im ersten Moment glaubte – bis ihm klar wurde, da#223; die Katze in Wahrheit wohl eher Astaroth anstarrte, nicht ihn. »Ihr beide habt euch wohl schon angefreundet, wie?« fragte er l#228;chelnd. »Du brauchst keine Angst vor mir zu haben, Kleine. Astaroth und ich sind Freunde, wei#223;t du?«

Er streckte wieder die Hand nach der Katze aus, aber sie reagierte darauf nur mit einem warnenden Fauchen.

»He!« sagte Mike. »Was ist los? Du f#252;rchtest dich doch nicht etwa vor mir?«

Sag mal – sehe ich das richtig, da#223; du dich gerade mit einer Katze unterh#228;ltst?fragte Astaroth sp#246;ttisch.Anscheinend hast du doch mehr abbekommen, als ich dachte.

Mike warf dem Kater, den er auf dem Arm hatte und der sich dar#252;ber mokierte, da#223; er sich mit einer Katze unterhielt, einen #228;rgerlichen Blick zu, stand aber hastig auf und ging weiter. Er sah aus den

Augenwinkeln, da#223; die schwarzwei#223;e Katze ihm folgte, konzentrierte sich aber wieder auf die Stimmen, die aus dem Raum vor ihm drangen. Sie hatten bei Malcolms Eintreten nur einen Moment gestockt, sprachen aber jetzt noch lauter weiter. Und was Mike sah, als er ebenfalls den Raum betrat, das lie#223; ihn jeden Gedanken an den Kater auf der Stelle vergessen. Denholm, Malcolm und zwei weitere M#228;nner standen sich wie Kampfh#228;hne gegen#252;ber. Es sah aus, als w#252;rden sie sich jeden Moment aufeinanderst#252;rzen wollen.

»… v#246;llig verr#252;ckt!« sagte Denholm gerade. »Die Fischmenschen sind unsere Feinde! Das sind sie schon immer gewesen, solange es Menschen hier gibt! Man kann nicht mit ihnen reden!«

»Und woher willst du das wissen?« fragte Malcolm in kaum weniger scharfem Ton. »Bisher hat es niemand versucht, oder?«

Er sch#252;ttelte heftig den Kopf. »Das einzig verr#252;ckte hier ist, den Fischmenschen dazubehalten! Wir m#252;ssen ihn freilassen, und zwar auf der Stelle!«

»Damit er mit seinen Br#252;dern und Schwestern zur#252;ckkommt und sie uns angreifen?« gab Denholm zornig zur#252;ck. »Das heute morgen am Strand –«

»War eine riesige Dummheit«, unterbrach ihn Malcolm. Er deutete auf einen der M#228;nner, die neben Denholm standen. »Du solltestihnbestrafen! Wir leben seit Jahren in Frieden mit den Fischmenschen. Das wird sich jetzt vielleicht #228;ndern, nur weil dieser Hitzkopf geglaubt hat, den Helden spielen zu m#252;ssen!«

»Wir haben uns nur gewehrt!« verteidigte sich der Mann.

»Gewehrt?« Malcolm lachte. »Wer soll das glauben? Zw#246;lf M#228;nner gegen drei Fischmenschen, das nenne ich nicht gewehrt! Sie haben euch ja nicht einmal angegriffen!«

»Nat#252;rlich haben sie das!« protestierte der andere. »Sie sind pl#246;tzlich aus dem Meer aufgetaucht –«

»– und sofort mit Kriegsgeheul #252;ber euch hergefallen, wie? Immer einer gegen drei von euch, nehme ich an.« Malcolms Stimme troff vor Hohn. »Willst du das wirklich behaupten?«

Diesmal z#246;gerte der andere einen Moment, zu antworten. Als er es tat, wich er Malcolms Blick aus, und seine H#228;nde spielten nerv#246;s mit dem zerfransten Strick, den er anstelle eines G#252;rtels um die H#252;ften trug. »Nicht direkt«, gestand er, f#252;gte aber nach einer Sekunde in fast trotzigem Ton hinzu: »Aber warum sollten sie sonst gekommen sein? Sie wissen genau, da#223; diese Seite der Bucht uns geh#246;rt, und kommen normalerweise nie hierher!«

»Eben!« sagte Malcolm zornig. »Ist dir vielleicht der Gedanke gekommen, da#223; sie sich m#246;glicherweise nur verirrt haben oder Hilfe brauchten?« Er wartete die Antwort des anderen nicht ab, sondern fuhr in bitterem Ton fort: »Du Narr hast vielleicht unseren Untergang heraufbeschworen! Wenn sie ihn vorher nicht hatten – jetzt haben sie einen Grund, uns anzugreifen!« »Das gen#252;gt!« unterbrach ihn eine scharfe, helle M#228;dchenstimme. Eine Gestalt l#246;ste sich aus dem Schatten im Hintergrund des Raumes, und Mike erkannte Serena, die bisher offenbar wortlos dabeigestanden und dem Streit zugeh#246;rt hatte.

Der Anblick verschlug Mike schier die Sprache. Serena trug nicht mehr das einfache, wei#223;e Gewand, sondern ein prachtvolles, mit goldenen und silbernen Stickereien verziertes Kleid, das aussah, als w#228;re es f#252;r eine K#246;nigin gemacht worden und das wahrscheinlich von einem der Schiffe unten im Hafen stammte. Dazu hatte sie ein prachtvolles Kollier um den Hals, das ihr etwas Majest#228;tisches verlieh. Er hatte niemals, in seinem ganzen Leben nicht, ein sch#246;neres M#228;dchen gesehen. Soetwas solltest du nicht zu laut denken,warnte ihn Astaroth.Sie mag das nicht besonders.Mike dachte an seine letzte Begegnung mit Serena zur#252;ck und nahm sich vor, die Warnung des Katers zu beherzigen. Aber Serena war wohl im Moment ohnehin viel zu sehr damit besch#228;ftigt, sich in den Streit zwischen Denholm und Malcolm einzumischen, als da#223; sie seine Gedanken h#228;tte lesen wollen.

»Ich habe mir das jetzt lange genug mit angeh#246;rt!« sagte sie. »Wie k#246;nnt ihr in meiner Gegenwart einen solchen Ton anschlagen?«

Malcolm fuhr zusammen, sagte aber nichts, w#228;hrend sich Denholm mit einem Ruck zu dem M#228;dchen herumdrehte. In seinem Gesicht tobte ein lautloser Kampf. Aber nach einer Sekunde senkte er dem#252;tig das Haupt und fl#252;sterte: »Verzeiht, Herrin.«

Herrin?dachte Mike #252;berrascht.Was geht hier vor?

»Nein, ich verzeihe nicht!« sagte Serena hochm#252;tig. Ihre Augen blitzten. »Niemand wagt es, in meiner Gegenwart so zu reden!« Sie wandte sich Malcolm zu, und ihr Gesicht verd#252;sterte sich vor Zorn. »Und du? Was f#228;llt dir ein, diese tapferen M#228;nner anzugreifen? Sie haben genau das Richtige getan! Sollten sie etwa abwarten, bis diese Ungeheuer hierherkommen und uns #252;berfallen?«

Mike sah eine Bewegung aus den Augenwinkeln und drehte sich halb herum, aber es war nur die schwarzwei#223;e Katze, die hinter ihm den Raum betreten hatte und Astaroth und ihn aufmerksam ansah. Der Kater regte sich auf seinem Arm, aber nicht, um zu Boden zu springen. Statt dessen kletterte er mit einer raschen Bewegung (unter Zuhilfenahme s#228;mtlicher Krallen) auf Mikes Schulter hinauf und begann es sich dort bequem zu machen. Da er gute zehn oder zw#246;lf Pfund wiegen mu#223;te, war dies f#252;r Mike allerdings alles andere als angenehm.

»Verzeiht, Sere –«, begann Malcolm, bi#223; sich auf die Unterlippe und setzte noch einmal neu an: »Verzeiht, Herrin, aber ich glaube nicht, da#223; Ihr wirklich versteht, worum es geht. Wir leben seit Jahrhunderten mit den Fischmenschen in Frieden, und –«

»Unsinn!« unterbrach ihn Serena. »Mit diesen Kreaturen kann man nicht in Frieden leben. Vielleicht haben sie euch bisher nicht angegriffen, aber dann nur, weil der Moment nicht g#252;nstig war. Oder sie glaubten, euch nicht f#252;rchten zu m#252;ssen. Aber das wird sich nun #228;ndern.« Sie sch#252;ttelte seufzend den Kopf. »Ich glaube, es war wirklich an der Zeit, da#223; ich hergekommen bin.«

»Ihr irrt Euch, Herrin«, antwortete Malcolm – in einem Ton, der dem Wort der Herrin seinen Sinn nahm. Denholm warf ihm einen warnenden Blick zu, aber Malcolm ignorierte ihn und fuhr fort: »Ich will Euch nicht zu nahe treten, aber wir leben seit Jahrhunderten hier unten, w#228;hrend Ihr erst seit wenigen Tagen hier seid und nicht wissen k#246;nnt –«

»Ich wei#223; genug«, unterbrach ihn Serena. »Auf jeden Fall genug, um zu begreifen, da#223; ihr nichts als eine Bande von Feiglingen seid. Ihr habt euch mit den Fischmenschen arrangiert, scheint mir. Aber damit ist es nun vorbei.«

Es fiel Malcolm sichtbar schwer, die Beherrschung zu bewahren. Mike wunderte sich, da#223; es ihm noch gelang – die Situation erschien ihm geradezu absurd. Malcolm war ein erwachsener Mann, und Serena sprach in einem Ton mit ihm, als w#228;re er ihr Sklave. »Ja, wir haben uns arrangiert«, sagte er. »Es war das einzige, was uns blieb, m#252;#223;t Ihr wissen. Am Anfang f#252;hrten wir Krieg mit ihnen. Viele von uns sind dabei gestorben und viele von ihnen auch. Aber wir haben begriffen, da#223; das nur zu unserem Untergang f#252;hren konnte. Und sie wohl auch. Diese Welt ist gro#223; genug f#252;r uns beide. Sie leben auf ihrer Seite der Bucht und wir auf unserer. Aber wenn wir den Gefangenen nicht freilassen, dann wird die alte Feindschaft wieder aufflammen.«

»Und wenn!« antwortete Serena. »La#223;t sie nur kommen! Wir werden sie schlagen, und wenn es sein mu#223;, dann werde ich es sogar ganz allein tun! Ihr seid doch nichts als erb#228;rmliche Feiglinge!«

Malcolm wurde bla#223;. Er sagte nichts, aber das war auch nicht notwendig. Seine Gedanken blieben Serena nicht verborgen.

Ihre Augen weiteten sich, und ihr Gesicht verlor jede Farbe. »Was… was erdreistest du dich?« keuchte sie. »Wei#223;t du #252;berhaupt, wer ich bin? Wei#223;t du, was ich bin?« Sie machte eine weit ausholende Handbewegung und trat herausfordernd auf den viel gr#246;#223;eren und weit #228;lteren Mann zu.

»Das alles hier geh#246;rtmir!«sagte sie. »Diese Stadt und dieser Hafen wurden vonmeinenVorfahren erbaut! Meine Mutter war die K#246;nigin dieses Landes, und mein Vater sein K#246;nig!«

»Das mag sein«, antwortete Malcolm ruhig. »Aber es ist lange her, und –«

»Zu lange, scheint mir!« fiel ihm Serena ins Wort. »Ihr scheint vergessen zu haben, da#223; ihr nichts als G#228;ste hier seid!Ichbin die rechtm#228;#223;ige Herrscherin #252;ber diese Stadt, und ihr habt meinen Befehlen zu gehorchen! Und ich sage euch, da#223; wir mit diesen Ungeheuern aufr#228;umen werden!«

»Serena!« sagte Mike. Eine innere Stimme warnte ihn, da#223; es vielleicht besser war, sich nicht einzumischen, aber er war viel zu #252;berrascht und viel zu entsetzt #252;ber das, was er erlebt hatte, um sich zur#252;ckzuhalten.

Serena fuhr mit einem Ruck zu ihm herum. In ihren Augen blitzte es zornig, aber ihre Stimme klang eher belustigt, als sie antwortete: »Ach, unser kleiner Held ist ja auch da.« Ihr Blick lie#223; den Mikes los und fixierte den Kater auf seiner Schulter. »Und du?« fragte sie. »Habe ich dir nicht gesagt, du sollst in meiner N#228;he bleiben? Komm sofort hierher!«

Astaroth sprang tats#228;chlich gehorsam von Mikes Schulter herunter und trottete zu Serena hin#252;ber, aber Mike hatte das Gef#252;hl, da#223; er es sehr unwillig tat. Die schwarzwei#223;e Katze lief an ihm vorbei und versuchte Astaroth zu folgen, aber Serena verscheuchte sie mit einer Handbewegung, ehe sie sich wieder zu Denholm und den anderen herumdrehte.

»Der Gefangene bleibt, wo er ist«, sagte sie entschieden. »Ich werde bis morgen fr#252;h beschlie#223;en, was mit ihm zu geschehen hat.«

Malcolm versuchte ein letztes Mal, an Serenas Vernunft zu apellieren. »Bitte, tu das nicht!« sagte er beschw#246;rend. »Die Folgen k#246;nnten unabsehbar –« »Das reicht!« unterbrach ihn Serena. »Du wagst es, dich meinen Befehlen zu widersetzen? Gut, du hast es nicht anders gewollt! Nehmt ihn gefangen, und schafft ihn weg!«

Die Worte galten Denholm und seinen Begleitern. Aber die M#228;nner z#246;gerten, dem Befehl zu gehorchen. Erst als Denholm – wenn auch mit sichtlichem Widerwillen – nickte, traten sie neben Malcolm und ergriffen ihn an den Armen.

Malcolm ri#223; sich mit einer Armbewegung los. »Das ist nicht n#246;tig«, sagte er zornig. »Ich begleite euch freiwillig. Und ich bin euch auch nicht b#246;se. Schlie#223;lich gehorcht ihr nur den Befehlen eurer Herrin.«

»Ja, das tun sie«, sagte Serena. »Anders als du, du Dummkopf. Und #252;ber das, was du gerade gedacht hast«, f#252;gte sie hinzu, »reden wir sp#228;ter.«

Mike beobachtete vollkommen fassungslos, was sich vor seinen Augen abspielte. Denholm wandte sich wieder an Serena.

»Verzeiht, Herrin«, sagte er. »Es ist nicht so, da#223; ich Eure Befehle anzweifle, aber Malcolm ist einer der unseren. Er ist sehr angesehen, und er hat viele Freunde. Vielleicht ist es nicht so klug –«

»Was klug ist und was nicht, entscheide ich«, unterbrach ihn Serena. »Willst du dich mir vielleicht widersetzen?«

Wenn Mike den Ausdruck auf Denholms Gesicht richtig deutete, dann stand er tats#228;chlich kurz davor, ganz genau das zu tun. Aber schlie#223;lich belie#223; er es bei einem angedeuteten Kopfsch#252;tteln und gab den beiden M#228;nnern mit einer Geste zu verstehen, da#223; sie gehorchen sollten. Sie taten es, aber sie ergriffen Malcolm nicht wieder, sondern warteten ab, bis er ihnen aus freien St#252;cken folgte.

»Gut«, sagte Serena. »Dann geh jetzt auch, und k#252;mmere dich darum, da#223; der Gefangene gut bewacht wird. Ich werde sp#228;ter mit ihm reden. Und du?« Sie wandte sich zu Mike um und sah ihn mit Erstaunen an. »Was willst du noch hier?«

»Ich… ich wollte… mit dir reden«, stotterte Mike. Serenas linke Augenbraue rutschte ein St#252;ck nach oben. »Reden?« wiederholte sie. »Ich w#252;#223;te nicht, was wir noch Wichtiges zu bereden h#228;tten.«

»Aber ich –«

»Ich habe im Moment wirklich keine Zeit, um mich mit dir abzugeben«, unterbrach ihn Serena k#252;hl. Sie machte eine ungeduldige Bewegung mit der Hand. »Geh zu deinen Freunden zur#252;ck.

Ihr werdet doch sicher die eine oder andere n#252;tzliche Besch#228;fti

gung finden, bis ich entschieden habe, was mit euch geschieht, oder?«

Du solltest besser tun, was sie sagt,sagte Astaroths lautlose Stimme in seinen Gedanken. Serena war das nicht entgangen. Sie blickte den Kater #228;rgerlich an, und Astaroth hatte es pl#246;tzlich sehr eilig, sich in irgendeinem Winkel zu verkriechen. Mike registrierte beil#228;ufig, da#223; die schwarzwei#223;e Katze neugierig in Astaroths Richtung sah, es aber nicht wagte, sich ihm zu n#228;hern – vielleicht, weil sie dazu dicht an Serena vor#252;bermu#223;te, die offenbar wenig f#252;r Katzen #252;brig hatte, nicht f#252;r ihre eigene, geschweige denn f#252;r eine fremde.

»Worauf wartest du noch?« fragte Serena. »Soll ich dich erst hinauswerfen lassen?«

Mike mu#223;te pl#246;tzlich mit aller Macht gegen die Tr#228;nen ank#228;mpfen, die ihm in die Augen steigen wollten. Eine Sekunde lang blickte er Serena traurig an, dann drehte er sich mit einem Ruck herum und lief so schnell aus dem Haus, da#223; es schon einer Flucht gleichkam.

Mike war so sehr mit seinen eigenen Gedanken und Gr#252;beleien besch#228;ftigt, da#223; er ganz verga#223;, zu Malcolms Haus zur#252;ckzugehen, wo er ja mit Andr#233; verabredet war. Lange irrte er durch den Ort und den umliegenden Wald, und es war wohl am Ende nichts weiter als Zufall, der seine Schritte wieder zur#252;ck zu dem Haus auf der Klippe lenkte, in dem Trautman und die anderen bereits auf ihn warteten.

Was er bei seinem Eintreten sah, das hob seine Laune auch nicht. Trautman, Ben, Chris, Juan und Singh sa#223;en an dem niedrigen Tisch beisammen und redeten, aber als sie ihm bemerkten, verstummten sie abrupt. Trautman und Singh lie#223;en sich nichts anmerken, aber Chris senkte betreten den Blick, und auch Juan sah ihn nicht an. Einzig Ben blickte ihm entgegen, aber nicht auf seine sonst so direkte Art. Die drei Jungen schienen das verk#246;rperte schlechte Gewissen zu sein.

Mike hatte nun keine Lust mehr, dar#252;ber hinwegzugehen. Was er mit Serena erlebt hatte, war schlimm genug. Er w#252;rde es nun nicht mehr hinnehmen, da#223; ihn auch seine Freunde hintergingen. Aber bevor er eine entsprechende Frage stellen konnte, kam ihm Ben zuvor.

»Nun?« sagte er in fast fr#246;hlichem Ton. »Wie war dein Rendezvous mit unserer kleinen Prinzessin?«

Mike antwortete nicht. Bens Ton #228;rgerte ihn, aber die Frage

versetzte ihm auch einen tiefen, k#246;rperlich schmerzenden

Stich. »Nicht besonders erfreulich, wie?« fuhr Ben fort. Er

lachte. »Ja, ja, sie ist ein richtiges Herzchen, nicht wahr?« Allm#228;hlich reichte es Mike. »Sprich nicht so #252;ber sie!« sagte er scharf. »Sie ist –« »– nicht das, was du erwartet hast«, unterbrach ihn Trautman. Mike drehte sich mit einem Ruck zu ihm herum. F#252;r eine Sekunde brodelte hei#223;er Zorn in ihm empor, und er war nahe

daran, Trautman anzuschreien – aber dann sah er etwas in dessen Augen, was ihn allen Zorn auf der Stelle vergessen und sich seiner eigenen Unbeherrschtheit sch#228;men lie#223;: ein tiefes, ehrlich empfundenes Mitgef#252;hl, das frei von jedem Spott und jeglicher Schadenfreude war. Pl#246;tzlich begriff er, da#223; er nahe daran gewesen war, sich nicht anders zu benehmen als Serena vorhin Denholm gegen#252;ber.

»Ich… wei#223; nicht«, gestand er unsicher. »Sie ist… so v#246;llig anders, als ich dachte.«

»Ich kann verstehen, was du f#252;hlst«, sagte Trautman. »Uns allen erging es nicht anders, auch wenn wir nicht so von Serena fasziniert waren wie du. Und vielleicht waren wir auch alle ein bi#223;chen zu naiv. Immerhin ist sie die Tochter eines K#246;nigs, der unvorstellbar m#228;chtig gewesen sein mu#223;.«

»Deswegen braucht sie sich nicht so anma#223;end aufzuf#252;hren«, knurrte Ben. Trautman l#228;chelte verzeihend.

»Ich bin sicher, sie meint es nicht so«, sagte er. Er machte eine weit ausholende Handbewegung. »Denkt daran, da#223; ihre Vorfahren all das hier erschaffen haben. Und vielleicht noch viel mehr. Wir wissen nicht viel #252;ber das Volk der Atlanter, aber ich komme mehr und mehr zu der #220;berzeugung, da#223; sie weiter entwickelt waren als wir.«

»Etwas wie die NAUTILUS k#246;nnen wir jedenfalls bis heute nicht bauen«, pflichtete ihm Juan bei, aber Ben schnaubte nur abf#228;llig.

»Das ist doch immer noch kein Grund, sich so zu benehmen«, sagte er.

»Nat#252;rlich nicht«, sagte Trautman. »Aber ich glaube nicht, da#223; sie es b#246;se meint. Ich glaube, da#223; sie nicht einmal wei#223;, wie ihr Benehmen auf andere wirkt. F#252;r sie ist das wahrscheinlich alles ganz selbstverst#228;ndlich.«

»Was?« fragte Ben. »Vorlaut, unh#246;flich und herrschs#252;chtig zu sein?«

»Sich wie jemand zu geb#228;rden, der die absolute Macht besitzt«, verbesserte ihn Trautman. »Sie ist so erzogen worden, verstehst du, Ben? Ihre Eltern waren absolute Herrscher, die von ihren Untertanen wahrscheinlich wie G#246;tter verehrt wurden. Vermutlich ist ihr vom ersten Tag an jeder Wunsch von den Augen abgelesen worden. Sie wei#223; gar nicht, was es bedeutet, Widerspruch zu h#246;ren oder die Entscheidung eines anderen zu akzeptieren.«

»Dann wird es Zeit, da#223; sie es lernt«, stellte Ben fest. Sein Tonfall begann Mike nun doch wieder zu #228;rgern, aber er beherrschte sich und f#252;gte mit einem Nicken hinzu: »Vielleicht sollte man es ihr wirklich erkl#228;ren. Sie braucht m#246;glicherweise mehr Zeit, um sich in unserer Welt zurechtzufinden.«

Trautman l#228;chelte. »Das ist das Problem an der Sache, Mike. Strenggenommen ist das hier nicht unsere Welt, sondern vielmehr ihre. Und ich f#252;rchte, sie glaubt tats#228;chlich, da#223; sie ihr geh#246;rt.«

Mike dachte an die h#228;#223;liche Szene zur#252;ck, deren Zeuge er geworden war. Trautman war mit seiner Vermutung der Wahrheit n#228;hergekommen, als er selbst ahnte. »Denholm und die anderen werden das nicht hinnehmen«, sagte er. »Fr#252;her oder sp#228;ter wird sie lernen m#252;ssen, da#223; sie keine K#246;nigin mehr ist.«

»Nein, das denke ich nicht«, sagte Trautman.

»Wieso?« fragte Mike beunruhigt.

»Nun, du hast erlebt, wie schnell sie deine Verletzungen geheilt hat«, antwortete Trautman. »Und erinnere dich, was sie auf der LEOPOLD getan hat. Serena verf#252;gt #252;ber magische Kr#228;fte.«

»Ich wei#223;«, antwortete Mike. »Und?« Er ri#223; ungl#228;ubig die Augen auf. »Sie glauben doch nicht, da#223; sie sie gegen diese Leute hier einsetzen w#252;rde?«

»Ich f#252;rchte doch«, sagte Trautman in ernstem Ton. »Ich f#252;rchte sogar, sie hat es schon getan. Nat#252;rlich nicht so dramatisch wie auf der LEOPOLD, aber eindringlich genug, um zu demonstrieren, da#223; es nicht viel Sinn h#228;tte, sich gegen sie zu stellen.«

»Das glaube ich nicht!« sagte Mike #252;berzeugt. Trautman w#252;rde ihn nie bel#252;gen, aber er weigerte sich, zu glauben, was er h#246;rte. Serena mochte ein wenig eigensinnig sein, aber sie w#252;rde doch niemals diesen Menschen hier etwas zuleide tun!

Er setzte dazu an, Trautman zu antworten, doch bevor er auch nur ein Wort herausbekam, h#246;rte er einen so gellenden Hilfeschrei, da#223; er erschrocken in die H#246;he sprang. Trautman und die anderen blickten alarmiert auf.

»Was ist los?« fragte Trautman. »Was hast du?«

»Was ich habe?« Mike starrte Trautman ungl#228;ubig an. »Aber… aber habt ihr es denn nicht geh#246;rt?« »Was?« fragte Ben. »Den Schrei!« antwortete Mike. »Jemand hat um Hilfe gerufen!«

Niemand antwortete, aber das war auch nicht n#246;tig – ein

einziger Blick in die Gesichter der anderen machte Mike sofort

klar, da#223; er der einzige war, der den Hilferuf geh#246;rt hatte.

Genau in diesem Moment h#246;rte er ihn wieder. Und jetzt begriff er, da#223; dieser Schrei nirgendwo anders als direkt in seinem Kopf ert#246;nte!

»Astaroth!« keuchte er. »Das ist Astaroth!« Ehe einer der anderen reagieren konnte, fuhr er schon herum und rannte auf die T#252;r zu.

Es war eine fast getreuliche Wiederholung der Szene von vorhin. Astaroth raste durch die T#252;r herein, kurz bevor Mike sie erreichte, stie#223; sich mit einem gewaltigen Satz ab und prallte so heftig gegen Mike, da#223; dieser r#252;ckw#228;rts taumelte und nun wirklich auf dem Hosenboden landete, den diesmal war niemand da, der ihn auffangen konnte. Der Kater krallte sich auch jetzt genauso heftig in Mikes Brust, kletterte unverz#252;glich an ihm empor und sprang schlie#223;lich auf seine Schultern.Hilf mir!schrie seine Stimme in Mikes Gedanken.Rette mich vor dieser Verr#252;ckten!

Einen Moment sp#228;ter erschien der Verfolger, vor dem Astaroth sich so wild in Mikes Arme gefl#252;chtet hatte, unter der T#252;r – und es war niemand anders als die schwarzwei#223;e Katze. Sie wich auch jetzt erschrocken zur#252;ck, als sie Mike erkannte, aber dann kam sie langsam, aber deutlich mutiger geworden n#228;her.

Astaroth fauchte warnend. Die Katze blieb stehen, musterte erst ihn und dann Mike aus ihren gro#223;en, sch#246;nen Augen und setzte ihren Weg dann fort.

Jag sie weg!kreischte Astaroth, der einer Panik nahe schien.

Scheuch dieses Ungeheuer fort!

Mike tat ihm tats#228;chlich den Gefallen, wenn auch nicht mit besonders viel Nachdruck. Er wedelte mit der Hand, und die Katze machte zwei Schritte r#252;ckw#228;rts, blieb aber dann wieder stehen.

Jag sie weg!lamentierte Astaroth.Ich denke, du bist mein Freund! Dann hilf mir auch!

Allm#228;hlich wurde Mike die Sache zu dumm. Mit mehr oder weniger sanfter Gewalt bugsierte er Astaroth von seiner Schulter herunter und setzte ihn vor sich auf den Boden. »Was zum Teufel ist hier #252;berhaupt los?« fragte er scharf.

Was los ist?antwortete Astaroth in schon fast hysterischem Ton. Dasfragst du noch? Sieh doch hin, dann siehst du, was los ist! Diese Verr#252;ckte verfolgt mich, seit wir hierhergekommen sind!

Und erst jetzt begriff Mike wirklich. Das »Ungeheuer«, das Astaroth verfolgte, war nichts anderes als eine rollige Katze, die dem Kater nachstellte. Da#223; Astaroth kein normales Tier war, konnte die arme kleine Katze schlie#223;lich nicht wissen.

Sie versuchte auch jetzt wieder, sich Astaroth zu n#228;hern, und sie schien wirklich gro#223;es Interesse an dem Kater zu haben, denn als Mike diesmal versuchte, sie mit einer Handbewegung zu verscheuchen, schlug sie blitzartig mit den Krallen nach ihm, so da#223; er sich einen blutigen Kratzer quer #252;ber den Handr#252;cken einhandelte. Mike zog mit einem Fluch die Hand zur#252;ck, und Trautman griff rasch nach der Katze, nahm sie auf den Scho#223; und hielt sie mit einer Hand fest, w#228;hrend er sie mit der anderen zwischen den Ohren zu kraulen begann. In seinen Augen stand ein schwaches L#228;cheln. Offensichtlich hatte er die

Situation viel schneller begriffen als Mike, ohne da#223; er dazu

eigens mit dem Kater reden mu#223;te.

Ben ebenso offensichtlich nicht, denn er fragte in v#246;llig verst#228;ndnislosem Ton: »K#246;nnte mir jemand erkl#228;ren, was hier los ist?«

»Nichts«, sagte Trautman rasch. »Astaroth hat nur mit den T#252;cken der Natur zu k#228;mpfen.«

Den T#252;cken der Natur?keifte Astaroths lautlose Gedankenstimme in Mikes Kopf.Diese Bekloppte nennt er die T#252;cken der Natur? Menschen!

»Ist ja gut«, sagte Mike, der nun ebenfalls ein Lachen kaum noch unterdr#252;cken konnte. »Wir werden dich vor dieser blutr#252;nstigen Bestie besch#252;tzen, keine Angst.«

Keine Angst, keine Angst!wiederholte Astaroth w#252;tend.Du hast gut reden! Schlie#223;lich wirst du auch nicht von einer Verr#252;ckten verfolgt. Aber du bist wahrscheinlich genauso verr#252;ckt wie sie.

Mike begriff sehr gut, was Astaroth damit meinte, und seine Laune sank schlagartig wieder. Aber er beherrschte sich. »Was machst du #252;berhaupt hier?« fragte er. »Ich dachte, Serena h#228;tte dir verboten, mit mir zu reden.«

Hat sie auch,antwortete Astaroth.Wenn sie w#252;#223;te, da#223; ich hier bin, w#252;rde sie explodieren.

»Aber sie wei#223; es nicht«, vermutete Mike.Sie hat im Moment Besseres zu tun, als auf ihr Scho#223;tier zu achten,antwortete Astaroth. Seine Stimme klang bitter, und Mike begann zu ahnen, wie es in dem Kater wirklich aussah. Der kurze Anflug von Schadenfreude, den er gerade versp#252;rt hatte, tat ihm sofort wieder leid. Er erinnerte sich ja noch gut daran, wie entt#228;uscht er von seiner ersten Begegnung mit Serena gewesen war, und er hatte sie erst wenige Tage gekannt – wie mu#223;te es da Astaroth ergehen, der das M#228;dchen jahrtausendelang bewacht hatte?

»Entschuldige bitte«, sagte er.

Schon gut,knurrte der Kater.Ich nehme es dir nicht #252;bel. Schlie#223;lich bist du nur ein Mensch, da darf man nicht zuviel verlangen.

»Wor#252;ber redet ihr?« fragte Trautman. Bisher hatten er und die anderen Mikes Unterhaltung schweigend verfolgt, aber immer nur die eine H#228;lfte des Gespr#228;ches mitbekommen.

»#220;ber nichts Besonderes«, sagte Mike ausweichend. Trautmans Blick machte deutlich, was er von dieser Antwort hielt. Aber er ging nicht weiter darauf ein, sondern sagte: »Frag ihn, wie es in der Stadt aussieht.«Auch nicht anders als vorhin,antwortete Astaroth, ehe Mike die Worte wiederholen konnte.Sie streitet wieder mit Denholm. Aber ich f#252;rchte, ihre Geduld wird bald am Ende sein, und dann m#246;chte ich nicht in Denholms Haut stecken.

Mike #252;bersetzte, und Trautman machte ein besorgtes Gesicht. »Und was ist mit Andr#233; – und vor allem Malcolm? Sie haben ihn doch nicht tats#228;chlich festgenommen, oder?«

Nein,antwortete Astaroth.Deswegen ist sie ja so w#252;tend. Ewern Freund geht es gut. Er wollte noch ein bi#223;chen bei dem Menschenjungen bleiben.

Mike #252;bersetzte wieder, wobei er den Begriff »Menschenjunges« aber vorsichtshalber durch das Wort »M#228;dchen« ersetzte.

»Ich f#252;rchte, da#223; Ganze wird b#246;se enden«, sagte Trautman kopfsch#252;ttelnd. »Und es gibt nichts, was wir tun k#246;nnen.« »Vielleicht doch«, sagte Mike. »Ich werde noch einmal mit ihr reden. Vielleicht nimmt sie doch noch Vernunft an.«

Kaum, sagteAstaroth traurig.Dein Freund hat recht. Es wird ein b#246;ses Ende nehmen. Sie glaubt, da#223; das alles hier ihr geh#246;rt. Und glaube mir, sie ist durchaus in der Lage, ihren Willen durchzusetzen.Er lie#223; einen Laut h#246;ren, der fast wie ein menschliches Seufzen klang.Deswegen bin ich auch hier,fuhr er fort.Ich mag nicht mehr bei ihr sein. Au#223;erdem braucht sie mich nicht mehr. K#246;nntest du… deine Freunde fragen, ob sie mich mitnehmen?

Mike verstand im ersten Moment nicht, wovon der Kater sprach. »Du meinst, du willst nicht mehr bei ihr bleiben?« vergewisserte er sich.

Wozu? Meine Aufgabe ist erf#252;llt. Ich glaube, sie wird es nicht einmal merken, wenn ich weg bin.

Und erst jetzt verstand Mike den letzten Satz, den der Kater gesagt hatte. Eine Sekunde lang starrte er Astaroth an, dann hob er mit einem Ruck den Kopf und wandte sich wieder Trautman und den anderen zu.

»Was ist?« fragte Trautman. »Wieso siehst du so erschrocken drein? Was hat Astaroth gesagt?« »Er hat mich gebeten, euch zu fragen, ob ihr ihn mitnehmt«, antwortete Mike langsam. »Was soll das hei#223;en?«

Trautman fuhr zusammen, und Juan und Ben senkten betreten den Blick.

»Also doch«, sagte Mike. »Ihr verschweigt mir etwas. Was ist es?«

Trautman sagte noch immer nichts, aber das war auch nicht n#246;tig. Ganz pl#246;tzlich war alles klar – so klar, da#223; Mike sich verbl#252;fft fragte, wieso er eigentlich nicht schon l#228;ngst von sich aus darauf gekommen war. »Ihr wollt fliehen«, sagte er. »Ihr habt vor, die Nautilus zu nehmen und von hier zu verschwinden, nicht wahr?«

»So… ungef#228;hr«, sagte Trautman z#246;gernd. »Aber –«

»Und ihr hattet vor, mich hier zur#252;ckzulassen!« unterbrach ihn Mike. »Deshalb die ganze Geheimnistuerei, stimmt’s? Ihr wolltet nicht, da#223; ich es erfahre!«

»Selbstverst#228;ndlich stimmt das nicht«, antwortete Trautman gekr#228;nkt. »Wir h#228;tten es dir gesagt, aber noch nicht jetzt.«

»Ach – und warum nicht? Hattet ihr Angst, ich w#252;rde euch verraten?« Er konnte sehen, wie sehr seine Worte Trautman schmerzten, aber das war ihm in diesem Moment vollkommen egal.

»Ganz genau«, antwortete Ben ruhig. »Deshalb haben wir dir nichts gesagt. Aber keine Sorge – wir h#228;tten dich schon mitgenommen. Obwohl ich mich zu fragen beginne, ob es sich #252;berhaupt lohnt.«

Trautman warf dem jungen Engl#228;nder einen warnenden Blick zu und wandte sich dann an Mike. »Das ist Unsinn, Mike. Wir wissen, da#223; du uns niemals verraten w#252;rdest. Was Ben meint, ist, da#223; du es nicht wissen durftest, damit Serena es nicht erf#228;hrt.«

»Glauben Sie, ich h#228;tte euch –«

»Sie h#228;tte es in deinen Gedanken gelesen«, unterbrach ihn Trautman. »Im gleichen Augenblick, in dem du ihr gegen#252;bergestanden h#228;ttest.Deshalbdurftest du es nicht wissen, aus keinem anderen Grund.«

Pl#246;tzlich kam sich Mike sch#228;big und gemein vor. Der Verdacht, den er ausgesprochen hatte, war so ungeheuerlich, da#223; er sich pl#246;tzlich seiner eigenen Gedanken sch#228;mte. Er wu#223;te, da#223; Trautman die Wahrheit sagte. Und das war wohl auch der Grund, aus dem er und die anderen Serena unten in der Stadt aus dem Weg gegangen waren. Verlegen senkte er den Blick.

»Es tut mir leid«, murmelte er.

»Schon gut.« Trautman winkte ab. »Ich kann dich verstehen. Mir selbst war auch nicht wohl dabei, dich zu hintergehen, aber wir hatten keine andere Wahl. Es ist schwer, ein Geheimnis zu wahren, wenn es jemanden gibt, der deine Gedanken lesen kann.«

»Aber ihr… ihr k#246;nnt die Leute hier doch nicht einfach im Stich lassen!« sagte Mike. »Ich meine, irgend etwas mu#223; man doch f#252;r sie tun!«

Nein,antwortete Astaroth an Trautmans Stelle.Er hat recht, glaub mir. Ihr k#246;nnt nichts tun. Sie wird nicht zulassen, da#223; irgend jemand ihr die Macht hier streitig macht. Und sie wei#223;, wie gef#228;hrlich ihr f#252;r sie seid. Sie hat vor, euer Schiff zu zerst#246;ren.

»Stimmt das?« fragte Mike laut. »Astaroth sagt, da#223; sie die NAUTILUS zerst#246;ren will?«

»Ja«, antwortete Trautman traurig. »Sie hat Denholms Leuten befohlen, das Schiff auseinanderzubauen. Vielleicht ahnt sie, was wir vorhaben. Sie haben noch nicht damit begonnen, aber wenn sie es erst einmal tun, gibt es keinen Weg mehr hier heraus.« Seine Stimme wurde leiser, aber auch eindringlicher.

»Wir m#252;ssen hier weg, Mike. Vielleicht… vielleicht k#246;nnen

wir sp#228;ter noch einmal zur#252;ckkommen, aber im Augenblick ist unsere einzige Chance, mit der NAUTILUS von hier zu verschwinden. Ohne sie kommen wir nie wieder nach oben.«

»Und wann?« fragte Mike. »Habt ihr schon einen Plan?« »Soweit man es so nennen kann«, antwortete Trautman. »Wir hatten vor, noch zwei oder drei Tage zu warten, aber ich f#252;rchte, soviel Zeit bleibt uns nicht mehr. Ich war gestern auf der NAUTILUS und habe mich umgesehen. Sie hat ein paar kleinere Sch#228;den abbekommen, aber im gro#223;en und ganzen ist sie in Ordnung. Mit ein bi#223;chen Gl#252;ck schaffen wir es bis zur Meeresoberfl#228;che hinauf.«

»Und die Qualle?« fragte Mike.

Trautman zuckte mit den Schultern. »Wir m#252;ssen es eben versuchen. Vielleicht schaffen wir es irgendwie, ihr zu entkommen. Es ist gef#228;hrlich, ich wei#223;, aber wir sind fest entschlossen, es zu riskieren.«

Mike schwieg. Die Vorstellung, einfach wegzugehen und Denholm und die anderen ihrem Schicksal – und Serena! – zu lassen, war ihm unertr#228;glich. Es kam ihm so feige vor.

Mut am falschen Platz ist manchmal Dummheit,sagte Astaroth. »Also gut«, sagte Mike schweren Herzens. »Wann brechen wir auf?« Trautman schwieg noch eine Sekunde. Dann sagte er: »Heute Abend!«

Das Volk wollte an diesem Abend ein Fest feiern, erkl#228;rte Trautman, und das wollten sie ausnutzen, sich an Bord der NAUTILUS schleichen und versuchen zu fliehen. Bis zum Beginn dieses Festes w#252;rden noch gute zwei Stunden vergehen, und Trautman wollte so lange abwarten, um auch wirklich sicher zu sein, da#223; sie keiner Wache oder einem versp#228;teten Besucher des Festes in die H#228;nde liefen, wenn sie sich auf den Weg zum Hafen machten. Da Mike es nun nicht mehr riskieren konnte, ins Dorf zur#252;ckzugehen, hatte sich Astaroth angeboten, Andr#233; zu holen, und alle hatten zugestimmt. Trautman hatte dem Kater einen Zettel ins Maul gesteckt, auf dem er Andr#233; mit wenigen und bewu#223;t vage gehaltenen Worten bat, zum Strand hinunterzukommen, wo sie sich treffen wollten. Selbst wenn dieser Zettel Serena oder einem Angeh#246;rigen des Volkes in die H#228;nde fallen sollte, w#252;rden sie nichts damit anfangen k#246;nnen, denn sie konnten die heutige Schrift ja nicht lesen.

Endlich war es soweit, und sie verlie#223;en die H#252;tte auf der Klippe und machten sich wieder auf den Weg zum Korallenwald. W#228;hrend sie den Hang hinuntergingen, blieb Mikes Blick wieder an den bizarren T#252;rmen und Mauern der Alten Stadt h#228;ngen, die sich auf der anderen Seite der Bucht erhob. Der Anblick war noch unheimlicher als das erste Mal, jetzt, wo er wu#223;te, welche Wesen diese Stadt bewohnten. Vielleicht war es Einbildung, aber er glaubte zu sp#252;ren, da#223; von dieser Stadt etwas Ungutes ausging, als w#228;re dort dr#252;ben irgend etwas, was lauerte und wartete, etwas Uraltes und M#228;chtiges, das einen unsichtbaren Schatten #252;ber die Bucht warf.

Sie waren nun am Fu#223;e des H#252;gels und am Flu#223; angekommen, #252;berschritten aber nicht die Br#252;cke, sondern wandten sich nach rechts und folgten einem schmalen Weg, der durch den Korallenwald f#252;hrte und schon nach wenigen Minuten am Strand endete.

Trautman deutete ihnen mit einer Geste, zur#252;ckzubleiben, und lief zusammen mit Singh los, um die Umgebung zu #252;berpr#252;fen. Trautman selbst kam schon nach ein paar Minuten zur#252;ck. Er sah nicht mehr so besorgt drein, blieb aber trotzdem angespannt und ermahnte auch die Jungen, sich ruhig zu verhalten und genau zu tun, was er ihnen sagte.

Mike beunruhigte dieses Verhalten mehr, als er im ersten Augenblick zugeben wollte. Der Strand lag zwar ruhig und menschenleer vor ihnen, aber das mu#223;te ja nicht bedeuten, da#223; sich niemand im Korallenwald versteckt hatte. Doch sie erreichten unbehelligt das Wasser und stiegen in ein kleines Ruderboot, das dort auf sie wartete. Trautman hatte ihre Flucht offensichtlich gr#252;ndlich vorbereitet.

Die NAUTILUS lag noch immer an der gleichen Stelle, an der sie sie nach dem #220;berfall am ersten Tag zur#252;ckgelassen hatten, so da#223; sie ein gutes St#252;ck rudern mu#223;ten. Mike wurde immer nerv#246;ser. Nirgendwo in ihrer N#228;he zeigte sich auch nur eine Spur von Leben; die Schiffswracks, an denen sie vor#252;berkamen, waren leer, und auch das Wasser lag vollkommen ruhig da. Von der Riesenqualle war keine Spur mehr zu sehen. Wahrscheinlich war sie wieder ins offene Meer hinausgeschwommen. Mikes Beunruhigung wuchs. Erst als sie die NAUTILUS erreichten und das Boot mit einem h#246;rbaren Ger#228;usch gegen den metallenen Rumpf des Unterseebootes stie#223;, begann er allm#228;hlich Hoffnung zu sch#246;pfen.

Hintereinander kletterten sie auf die NAUTILUS hinauf und betraten kurz darauf den Turm. Einzig Singh begleitete sie nicht, sondern ruderte sofort zur#252;ck, um am Strand auf Andr#233; und den Kater zu warten. Mike sah ihm mit gemischten Gef#252;hlen nach. Er fragte sich, ob es wirklich richtig war, Singh immer die gef#228;hrlichsten Missionen ausf#252;hren zu lassen.

»Also los jetzt!« rief Trautman, w#228;hrend er mit raschen Schritten die Treppe hinunterzugehen begann. »Wir haben eine Menge zu tun. Wenn Andr#233; kommt, m#252;ssen wir bereit zum Ablegen sein.« Auch wenn er es nicht laut aussprach, so glaubte Mike doch in diesen Worten einen leichten Unterton von Besorgnis zu h#246;ren. Offensichtlich rechnete auch Trautman nicht damit, da#223; weiter alles so gut ging wie bisher.

Sie erreichten den Salon, der zugleich der Steuerraum des Tauchbootes war, und Trautman machte sich zusammen mit Juan und Ben sofort daran, das Schiff startbereit zu machen. So phantastisch und weit entwickelt die Maschinen der NAUTILUS auch waren, es waren auch ungeheuer komplizierte Maschinen, die in der richtigen Reihenfolge gestartet werden mu#223;ten und ihre Zeit brauchten, um zum Leben zu erwachen.

Doch selbst wenn ihre Flucht gelang, stand ihnen das gr#246;#223;te Problem ja noch bevor – die Riesenqualle, die zweifellos sofort wieder Jagd auf sie machen w#252;rde. Mikes Zutrauen in Trautmans F#228;higkeiten war zwar nahezu unersch#252;tterlich, aber er fragte sich trotzdem, wie siedamitfertig werden sollten. Das Tier hatte ja schon hinl#228;nglich bewiesen, da#223; es sowohl schneller als auch st#228;rker war als die NAUTILUS.

Die Zeit schien stehengeblieben zu sein. Mike ertappte sich immer #246;fter dabei, wie er ungeduldig auf die Uhr an der Wand neben dem Eingang blickte, deren Zeiger sich einfach nicht von der Stelle bewegen wollten. Trautman mu#223;te die NAUTILUS l#228;ngst angeworfen haben, aber noch r#252;hrten sich die m#228;chtigen Maschinen des Schiffes nicht.

Schlie#223;lich h#246;rte er ein dumpfes Ger#228;usch, das lang durch den gesamten Rumpf der NAUTILUS hallte. Im ersten Moment konnte er es sich nicht erkl#228;ren, doch dann vernahm er Schritte, die auf dem st#228;hlernen Deck #252;ber ihren K#246;pfen polterten. Was er geh#246;rt hatte, war das Anlegen des Bootes. Singh kam mit Astaroth und Andr#233; zur#252;ck. Endlich. Erleichtert wandte sich Mike zu Trautman um.

Aber es war dem wei#223;haarigen Steuermann immer noch nicht gelungen, die Motoren des Schiffes zu starten. Er versuchte zwar, sich seine Nervosit#228;t nicht anmerken zu lassen, aber weder Mike noch den anderen Jungen entging es, da#223; seine Bewegungen immer fahriger wurden und seine Blicke, mit denen er die Instrumente auf dem Pult vor sich musterte, immer verzweifelter.

»Stimmt etwas nicht?« fragte Mike.

Trautman zuckte mit den Schultern. »Ich… verstehe das nicht«, sagte er. »Alles ist in Ordnung. Den Instrumenten zufolge mu#223;ten die Maschinen l#228;ngst laufen.

Ich kenne dieses Schiff fast mein ganzes Leben lang. Die Maschinenm#252;ssenanspringen! Ich verstehe das nicht!« »Vielleicht fehlt Ihnen etwas Wichtiges«, sagte eine Stimme von der T#252;r her. Trautman sah auf – und fuhr wie elektrisiert zusammen. Mi

ke drehte sich herum.

Er konnte sp#252;ren, wie das Blut aus seinem Gesicht wich.

Er hatte sich nicht get#228;uscht – die Ger#228;usche, die er geh#246;rt hatte, waren die des anlegenden Bootes und seiner Insassen gewesen, die auf die NAUTILUS #252;bergesetzt hatten. Aber es waren nicht Singh und Andr#233;, die gekommen waren.

Unter der T#252;r stand Serena.

Sie l#228;chelte, aber es war ein L#228;cheln, das Mike einen eisigen Schauer #252;ber den R#252;cken laufen lie#223;. In der rechten Hand, die sie in Trautmans Richtung ausgestreckt hatte, hielt sie etwas Kleines, Schimmerndes.

»Was… was willst du denn hier?« fragte Ben #252;berrascht.

Serena ignorierte ihn und kam langsam n#228;her. »Ich habe euch doch gesagt, da#223; das hier einmalmeinSchiff war«, sagte sie sp#246;ttisch. »Und ich kenne mein Eigentum. Ohne diesen Steuerkristall f#228;hrt das Schiff nirgendwohin, wu#223;tet ihr das etwa nicht?«

Mike erkannte nun, was Serena in der Hand hielt. Es war tats#228;chlich eine Art Kristall, wenn auch von sehr sonderbarer Form. In seinem Inneren pulsierte ein schwaches, bl#228;uliches Licht. Es sah fast aus, als hielte Serena ein winziges, schlagendes Herz in der Hand.

»Nein«, antwortete Ben. Seine Stimme klang jetzt trotzig. »Aber vielen Dank, da#223; du es uns vorbeibringst.«

Er trat von seinem Platz neben Trautman herunter und ging mit energischen Schritten auf Serena zu. Das M#228;dchen blieb stehen und blickte ihn eisig an, und Ben stockte pl#246;tzlich im Schritt.

»Ihr wolltet also fliehen«, sagte Serena. In ihrer Stimme lag ein harter Klang. »Habt ihr wirklich gedacht, ich merke es nicht? Ihr m#252;#223;t noch d#252;mmer sein, als ich geglaubt habe!«

»Nicht ann#228;hernd so dumm wie du«, grollte Ben. Er gab sich einen sichtlichen Ruck und trat herausfordernd auf Serena zu. »Gib den Kristall her. Vielleicht lassen wir dich dann sogar laufen.« »Ben!« sagte Trautman scharf.

Aber seine Warnung kam zu sp#228;t. Serena schlo#223; die Faust um den Kristall, als Ben danach greifen wollte, und im gleichen Augenblick wurde Ben Wie von einer unsichtbaren Hand ergriffen und mit solcher Wucht quer durch den Salon geschleudert, da#223; er gegen die Wand prallte und hilflos zu Boden sackte. Serena w#252;rdigte ihn nicht einmal eines Blickes, sondern ging auf Trautman zu. Ihre Augen schienen zu brennen.

»Ihr Narren«, fuhr sie fort. »Dabei h#228;ttet ihr vielleicht sogar wirklich eine Chance gehabt, h#228;ttet ihr diese dumme Katze nicht zur#252;ckgeschickt.«

Also hatte Astaroth sie doch verraten, dachte Mike. Er war sehr entt#228;uscht. Er hatte dem Kater getraut.

Serena blieb stehen und wandte ihre Aufmerksamkeit nun ihm zu. Ein sp#246;ttisches L#228;cheln erschien auf ihren Lippen. »Du begreifst anscheinend noch schwerer, als ich dachte«, sagte sie. »Wenn es dich beruhigt – Astaroth h#228;tte sich eher das Fell abziehen lassen, ehe er euch verraten h#228;tte. Ich habe einfach seine Gedanken gelesen, wei#223;t du?«

Mike starrte sie betroffen an. Nat#252;rlich, dachte er. Warum kamen sie eigentlich immer erst zum Schlu#223; auf das N#228;chstliegende? Serena konnte Astaroths Gedanken ebenso m#252;helos lesen wie ihre. Er tat dem Kater im stillen Abbitte daf#252;r, da#223; er ihn verd#228;chtigt hatte, und Serena mu#223;te wohl auch diesen Gedanken lesen, denn der Ausdruck auf ihrem Gesicht wurde noch geringsch#228;tziger.

»Genug jetzt«, sagte sie. »Mit diesem verr#228;terischen Katzenvieh besch#228;ftige ich mich sp#228;ter. Jetzt zu euch.« Sie warf einen kalten Blick in die Runde. »Kommt ihr freiwillig mit zur#252;ck, oder mu#223; ich euch zwingen?« Einen Moment lang war Mike ernsthaft in Versuchung, es auf eine Kraftprobe ankommen zu lassen. Immerhin waren sie zu f#252;nft, w#228;hrend Serena allein gekommen zu sein schien, soweit er erkennen konnte. Aber dann blickte er zu Ben hin#252;ber, der sich st#246;hnend wieder aufrichtete, unverletzt, aber benommen, und er begriff, wie sinnlos es war.

»Stimmt«, sagte Serena abf#228;llig. »Ebenso sinnlos wie diese Flucht. Was habt ihr eigentlich gedacht, wie weit ihr kommt?«

»Was hast du mit Andr#233; und Singh gemacht?« fragte Mike anstelle einer Antwort.

»Keine Angst«, antwortete Serena. »Sie sind an einem Ort, an dem sie keinen Schaden mehr anrichten k#246;nnen. Aber ihnen ist nichts geschehen. Das k#246;nnte sich allerdings #228;ndern, wenn ihr weiter so unvern#252;nftig seid. Also?«

»Geh zum Teufel!« st#246;hnte Ben. »Lieber schwimme ich nach Hause, ehe ich mich dir ergebe!« »Gar keine schlechte Idee«, antwortete Serena. »Du –« »Genug!« unterbrach sie Trautman. »Wir kommen mit zur#252;ck. Du hast gewonnen.«

Wie sich zeigte, hatte Serena wohl doch nicht ausschlie#223;lich auf ihre magischen Kr#228;fte vertraut, denn sie war nicht allein gekommen. Drau#223;en auf dem Gang warteten vier Bewaffnete, und ein weiteres halbes Dutzend M#228;nner hatte auf dem Deck der NAUTILUS Aufstellung genommen und geleitete sie zu dem Ruderboot, das neben dem Schiff angelegt hatte. Keiner von ihnen sprach, w#228;hrend sie die Strickleiter hinunterkletterten und sich im Heck des Bootes versammelten, aber Mike sp#252;rte auch so, wie wenig den M#228;nnern das gefiel, was sie tun mu#223;ten. Serena gebot vielleicht im Moment #252;ber eine kleine Armee, aber es war keine, die ihrgernegehorchte. Trautman hatte recht – fr#252;her oder sp#228;ter w#252;rde sie begreifen m#252;ssen, da#223; sie diesem Volk nicht einfach ihren Willen aufzwingen konnte. Aber Mike begann zu f#252;rchten, da#223; es dann vielleicht zu sp#228;t war. Irgend etwas Schreckliches w#252;rde geschehen, das sp#252;rte er einfach.

Und seine d#252;stere Vorahnung sollte sich nur zu schnell erf#252;llen…

Sie erreichten den Strand und gingen noch immer wortlos von Bord. Die M#228;nner, die Serena begleiteten, hielten einen fast respektvollen Abstand zu ihnen, und Mike war pl#246;tzlich auch beinahe sicher, da#223; sie sie nicht gewaltsam hindern w#252;rden, abermals zu fliehen. Aber welchen Sinn h#228;tte das schon? Serena besa#223; noch immer den Kristall, der offensichtlich so etwas wie den Z#252;ndschl#252;ssel der NAUTILUS darstellte, und ohne das Schiff hatte eine Flucht keinen Sinn – es gab nichts, wohin sie fliehen konnten.

»Ganz recht«, sagte Serena sp#246;ttisch. »Schade, da#223; du das erst jetzt einsiehst. Du h#228;ttest ein n#252;tzliches Mitglied unserer Gemeinschaft werden k#246;nnen.« Mike sah sie traurig an. Serenas Worte machten ihn nicht w#252;tend, er empfand pl#246;tzlich etwas wie Mitleid mit dem M#228;dchen, das offensichtlich gar nicht begriff, was es sagte und was es mit seinen Worten und Taten anrichtete.

Serena mu#223;te wohl auch diesen Gedanken gelesen haben, denn sie sah f#252;r einen Moment sehr betroffendrein. Dann blitzte es zornig in ihren Augen auf. Aber sie sagte zu Mikes #220;berraschung nichts mehr, sondern drehte sich mit einem Ruck um und ging weiter.

Sie waren gerade wieder einige Schritte gegangen, als pl#246;tzlich am Kopf der kleinen Kolonne Aufregung entstand: Ein Mann war zwischen den Korallenb#228;umen aufgetaucht und rannte heftig gestikulierend und lautstark Serenas Namen rufend auf sie zu. Mike registrierte erschrocken, da#223; er aus einer frischen Platzwunde im Gesicht blutete.

»Da stimmt etwas nicht!« sagte Trautman besorgt. »Verdammt, ich wu#223;te, da#223; etwas passiert!«

Ohne darauf zu achten, ob Serena dies gefiel oder nicht, liefen sie dem Mann entgegen. Mike erkannte ihn jetzt – er hatte zu denen geh#246;rt, die den Fischmenschen ins Dorf gebracht hatten. Und er war so ersch#246;pft und au#223;er Atem, da#223; er keuchend vor Serena auf die Knie niedersank und sekundenlang nach Luft rang, ehe er #252;berhaupt ein verst#228;ndliches Wort herausbekam.

»… angegriffen«, stammelte er. »Sie haben uns… #252;berfallen, gleich nachdem… Ihr fort wart, Herrin!«

»Was?« Serena machte eine ungeduldige Geste. »Sprich deutlich, Kerl! Was ist passiert?!«

Der arme Bursche duckte sich wie unter einem Hieb und sah Serena angstvoll an. Aber er ri#223; sich zusammen und begann – zwar noch immer stockend, aber jetzt klar verst#228;ndlich zu erz#228;hlen: »Die Fischmenschen, Herrin! Sie… sie haben die Stadt angegriffen, kurz nachdem Ihr weggegangen seid. Wirhaben uns gewehrt, so gut wir konnten, aber es waren zu viele, und die #220;berraschung war auf ihrer Seite! Viele von uns sind… verletzt.«

»Die Fischmenschen?!« entfuhr es Serena. »Was haben sie getan? Was wollten sie?«

»Sie haben den Gefangenen befreit«, antwortete der Mann. »Sie kamen von allen Seiten! Es waren bestimmt f#252;nfzig, und sie waren bewaffnet. Wir haben tapfer gek#228;mpft, aber sie –«

»Und ihr habt sie wieder gehen lassen?« unterbrach ihn Serena. »F#252;nfzig von diesen… diesen Tieren gegen euch alle! Ihr seid mehr als zweihundert! Was seid ihr nur f#252;r erb#228;rmliche Feiglinge!«

»Wir konnten nichts tun!« verteidigte sich der Mann. Seine Stimme zitterte noch immer, aber jetzt mehr vor Angst als aus Schw#228;che. »Sie sind schreckliche Krieger! Jeder von ihnen k#228;mpft mit der Kraft von f#252;nf M#228;nnern. Wir haben es versucht, aber Ihr… Ihr m#252;#223;t mir glauben, da#223; wir es nicht konnten. Sie haben den Gefangenen befreit und…«

»Ja?« fragte Serena lauernd, als er nicht weitersprach.

Der Mann senkte den Blick. Die Furcht vor dem, was er berichten mu#223;te, war ihm deutlich anzusehen. »Das ist nicht das Schlimmste«, murmelte er schlie#223;lich. »Sie… sie haben Malcolms Tochter Sarah mitgenommen. Und den fremden Jungen vom Schiff.«

Die Stadt bot einen chaotischen Anblick. Schon als sie aus dem Wald heraustraten, konnte Mike erkennen, da#223; die meisten der armseligen Behausungen vollends zerst#246;rt waren: Die D#228;cher waren eingebrochen, bei einigen gar die W#228;nde zerst#246;rt, als w#228;re eine tollw#252;tige Elefantenherde quer #252;ber die Lichtung gestampft.

Und auch den Bewohnern des Ortes war es schlecht ergangen. Mike erschrak bis ins Mark, als er sah, wie viele der M#228;nner und Frauen verwundet waren – sie hockten am Boden und hielten sich die K#246;pfe, manche trugen blutige Verb#228;nde um Arme, Beine oder Sch#228;del, und es gab kaum ein Haus, aus dem nicht zornige Stimmen oder Wehklagen zu ihnen herausdrangen.

Mit weit ausgreifenden Schritten, so da#223; Trautman und die anderen M#252;he hatten, mit ihm mitzuhalten, rannte Mike quer #252;ber die Lichtung auf Malcolms Haus zu. Der Anblick, den es bot, lie#223; sein Herz einen erschrockenen Sprung in seiner Brust machen, denn es war zweifelsfrei klar, da#223; hier das Zentrum der Schlacht gewesen sein mu#223;te. Das Geb#228;ude, das noch am ehesten an ein richtiges Haus erinnert hatte, war v#246;llig verw#252;stet. Drei oder vier W#228;nde waren niedergebrochen, und zwischen den Tr#252;mmern sahendie traurigen #220;berreste der zerst#246;rten Einrichtung hervor. Malcolms Frau stand mit leerem Gesicht dort, wo einmal die T#252;r gewesen war, und hielt die Scherben eines Tonkrugs in den H#228;nden, und Malcolm selbst stand zusammen mit Denholm und einigen anderen M#228;nnern nur ein paar Schritte abseits. Einige von ihnen trugen Gewehre und Schwerter bei sich, andere nur Kn#252;ppel oder rostige Messer, aber alle waren bewaffnet. Und fast alle waren verletzt.

»Malcolm!« rief Mike schon von weitem. »Was ist hier geschehen? Wo ist Andr#233;?«

Der Angesprochene drehte sich mit einer m#252;de wirkenden Bewegung zu ihm herum. Trauer, Schmerz und verhaltener Zorn standen in seinem Gesicht geschrieben, aber er gab Mike keine Antwort.

Im n#228;chsten Augenblick erschien Serena an Mikes Seite und fragte in befehlendem Ton: »Stimmt es, da#223; die Fischmenschen deine Tochter entf#252;hrt haben?«

Malcolm schwieg noch immer, so da#223; Denholm schlie#223;lich an seiner Stelle antwortete: »Ja, Serena. Sie sind aufgetaucht, kaum da#223; du gegangen bist. Wir konnten nichts gegen sie ausrichten.«

Serena wurde bla#223;, sei es, da#223; ihr die respektlose Anrede aufgefallen war, die Denholm pl#246;tzlich benutzte, sei es, da#223; ihr erst jetzt richtig bewu#223;t wurde, wie vernichtend die Niederlage des Volkes gewesen war. Mike konnte sehen, wie sie dazu ansetzte, Denholm eine scharfe Erwiderung zu geben, doch dieser kam ihr zuvor. »Ich glaube, sie haben im Wald versteckt abgewartet, bis du fort warst. Oder der Gefangene hat sie auf irgendeine Weise verst#228;ndigt. Der Angriff war zu gut vorbereitet, als da#223; es Zufall gewesen sein kann.« Er schlo#223; die Augen und seufzte tief. »Wir hatten keine Chance. Sie waren #252;ber uns, ehe wir auch nur richtig begriffen, was geschah.«

»Hat es… Tote gegeben?« fragte Juan leise.

Denholm verneinte. »Aber viele sind verletzt, und es ist alles zerst#246;rt.« Seine Stimme schwankte, und f#252;r einen Moment schien er mit den Tr#228;nen zu k#228;mpfen.

F#252;r diese Menschen hier, begriff Mike, waren die H#252;tten, die mehr Ruinen glichen, ihr Zuhause. Und geradeweilsie so wenig besa#223;en, mu#223;te dieses wenige f#252;r sie ungleich kostbarer sein, als er auch nur ermessen konnte.

»Wir h#228;tten ihn niemals hierbehalten d#252;rfen«, sagte Malcolm d#252;ster. »Ich wu#223;te, da#223; es in einer Katastrophe endet!«

In Serenas Augen blitzte es zornig auf. »Ihr h#228;ttet es niemals dazu kommen lassen d#252;rfen!« widersprach sie. Sie machte eine weit ausholende Geste. »Das alles hier ist eure eigene Schuld! Ihr lebt seit Jahrhunderten hier, und in all der Zeit habt ihr geduldet, da#223; sie st#228;rker und st#228;rker wurden.«

Malcolm sah sie nur traurig an, aber Denholm widersprach. »Aber wir leben seit Generationen in Frieden mit ihnen. So etwas ist noch nie geschehen!«

»Weil sie auf eine g#252;nstige Gelegenheit gewartet haben, du Narr!« fuhr ihn Serena an.

»Ja – oder weil sie vorher keinen Grund hatten, diese Menschen hier anzugreifen«, sagte Ben. Und offensichtlich war das, was er aussprach, nicht alles, was er dabeidachte,denn Serena fuhr pl#246;tzlich wie von der Tarantel gestochen herum und funkelte ihn an.

»Was meinst du damit?« schnappte sie. Ben l#228;chelte geringsch#228;tzig. Seine Haltung war pl#246;tzlich ein wenig angespannt – schlie#223;lich war es noch nicht lange her, da#223; er am eigenen Leibe gesp#252;rt hatte, wie wenig ratsam es war, Serena zu sehr zu reizen. Aber entweder war er mutiger, als Mike bisher angenommen hatte, oder zu zornig, um sich noch zu beherrschen. »Das wei#223;t du doch genau, oder?« fragte er. »Aber ich kann es auch gerne laut aussprechen, wenn Euer Gnaden darauf bestehen!«

»Ben!« sagte Trautman warnend, aber diesmal ignorierte Ben seine Ermahnung.

»Die Fischmenschen und Denholms Leute leben seit Jahrhunderten in Frieden miteinander, nicht wahr?« fuhr er in herausforderndem Ton fort. »Und im gleichen Moment, in dem du hier auftauchst, endet dieser Frieden. Ich frage mich, ob das wirklich noch Zufall ist.«

Mike hielt erschrocken den Atem an. Er sah Ben in Gedanken bereits quer #252;ber die Lichtung fliegen oder bewu#223;tlos zu Boden st#252;rzen, aber zu seiner Verbl#252;ffung reagierte Serena vollkommen anders als erwartet auf Bens Worte. Sie sah den jungen Engl#228;nder nur sehr nachdenklich an, und dann nickte sie.

»Vielleicht hast du sogar recht«, sagte sie. »Vielleicht haben sie sich bisher sicher genug gef#252;hlt, um der Meinung zu sein, da#223; es nicht n#246;tig ist, eure Stadt anzugreifen. Aber nun wissen sie, da#223; ihr Ende gekommen ist.«

»Wie?« fragte Trautman alarmiert.

»Ja«, fuhr Serena fort, »ich denke, das ist die Erkl#228;rung. Sie sind zwar nur dumme Tiere, aber sie haben scharfe Instinkte. Sie sp#252;ren, da#223; ihr Ende naht, und versuchen sich nat#252;rlich zu wehren.« Sie legte eine kurze und – dessen war sich Mike sicher – ganz genau bemessene Pause ein, ehe sie mit leicht erhobener Stimme fortfuhr: »Aber ich werde das nicht hinneh

men. Sie werden f#252;r diesen Angriff bezahlen.«

»Was meinst du damit?« fragte Mike. Er wu#223;te nur zu gut, was Serenas Worte bedeuteten, aber er weigerte sich noch, es zu glauben.

Serena ma#223; ihn mit einem sp#246;ttischen Blick. »Wir werden sie angreifen«, sagte sie. »Wir werden nachholen, was diese gutgl#228;ubigen Narren hier schon vor Jahrhunderten h#228;tten tun sollen, in die Alte Stadt gehen und diese Brut ausrotten.«

Nicht nur Mike fuhr erschrocken zusammen. Denholms Augen weiteten sich vor Schrecken, und in der Menge ringsum erhob sich ein ungl#228;ubiges, erschrockenes Raunen und Murmeln. Nur Malcolm sah das M#228;dchen vollkommen ausdruckslos an. Vielleicht hatte er geahnt, was Serena vorhatte.

»Aber das… das geht nicht!« entgegnete Denholm. »Es ist verboten, in die Alte Stadt zu gehen! Keiner, der es gewagt hat, ist von dort zur#252;ckgekehrt!«

»Weil ihr nie den Mut hattet, euch ihnen zu stellen, ja«, antwortete Serena. »Was wollt ihr? Weiter in Angst und Schrecken leben, jeden Tag darauf gefa#223;t, da#223; sie kommen und euch endg#252;ltig vernichten?« Sie hob die Stimme, so da#223; nun alle in weitem Umkreis ihre Worte h#246;ren konnten. »Seht euch um! Sie sind hierhergekommen und haben eure Stadt zerst#246;rt! Alles, wof#252;r ihr gearbeitet und gelebt habt, liegt in Tr#252;mmern! Und sie werden wiederkommen, nun, da sie wissen, da#223; ihr schwach und hilflos seid und Angst vor ihnen habt! Wollt ihr das wirklich?« Sie lachte. »Ich zwinge euch nicht. Wenn es sein mu#223;, gehe ich ganz allein hin#252;ber und l#246;sche diese Brut aus! Es ist eure Entscheidung.«

Mike starrte Serena entsetzt an. Das M#228;dchen sprach #252;ber die Fischmenschen… wie #252;berDinge,nicht wie #252;ber lebende Wesen. Und das war vielleicht nicht einmal das Schlimmste. Das Schlimmste war, da#223; er genau sp#252;rte, da#223; Serenas Worte nicht ungeh#246;rt verhallten. Es war absurd – vor ihm stand ein nicht einmal f#252;nfzehnj#228;hriges M#228;dchen und rief ein Volk, das seit Jahrhunderten mit seinen Nachbarn in Frieden lebte, zumKriegauf – und er sp#252;rte, da#223; die Menschen ringsum nur allzu bereit waren, diesem Aufruf auch zu folgen!

»Serena!« fl#252;sterte er. »Das kannst du nicht ernst meinen! Es… es wird Tote geben, und –«

»Kaum«, unterbrach ihn Serena hochm#252;tig. »Ich kenne diese Kreaturen. Mein Volk hat schon Jagd auf sie gemacht, ehe es das eure auch nur gab. Sie sind nicht mehr als Tiere.« Sie wandte sich wieder Denholm zu.

»Nun?«

»Wir… wir sind keine Krieger«, murmelte Denholm ausweichend. »Sie waren nicht einmal halb so viele wie wir, und wir hatten keine Chance. Sie –«

» – haben euch #252;berrascht, und ich war nicht bei euch«, unterbrach ihn Serena. »Das wird nicht noch einmal geschehen.«

Denholm schwieg. Serena wartete einige Sekunden lang vergeblich auf eine Antwort, dann drehte sie sich zu Malcolm um, der die ganze Zeit #252;ber kein Wort gesagt hatte. »Und du?« fragte sie. Offensichtlich hatte auch sie l#228;ngst gemerkt, da#223; Malcolms Wort in der Stadt fast ebensoviel galt wie das Denholms.

»Denholm hat recht«, sagte Malcolm. »Wir sind keine Krieger.

Aber sie haben meine Tochter.«

Mike fuhr erschrocken zusammen. »Malcolm!« keuchte er. »Das kannst du nicht ernst meinen!«

»Sie haben Sarah entf#252;hrt«, wiederholte Malcolm, nun an ihn gewandt. »Ich werde sie zur#252;ckholen, ganz gleich, ob allein oder zusammen mit den anderen. Und wenn sie ihr etwas angetan haben, dann werde ich nicht eher ruhen, als bis auch der letzte von ihnen tot ist, das schw#246;re ich!«

Und das war die Entscheidung. Niemand sagte etwas, aber Mike sp#252;rte regelrecht, wie die Stimmung umschlug. Die Menschen, die sie umstanden, hatten noch immer Angst, aber Furcht und Zorn liegen eng beisammen, und Serenas – und wohl vor allem Malcolms – Worte hatten diese Grenze verwischt.

»Also gut!« sagte Serena, nun wieder mit lauter, weithin h#246;rbarer Stimme. »Dann macht euch bereit. Holt eure Waffen und st#228;rkt euch noch einmal! Wir brechen in zwei Stunden auf. Sie sollen keine Gelegenheit haben, ihre Kr#228;fte neu zu sammeln!«

Mike widersprach nicht mehr. Es war sinnlos. Er drehte sich herum und ging zu Juan und den beiden anderen Jungen zur#252;ck. Serena machte eine rasche, befehlende Geste, und einige von Denholms bewaffneten Begleitern bildeten einen Kreis um sie.

»Was soll das?« fragte Mike.

Die M#228;nner gaben sich redliche M#252;he, grimmig dreinzuschauen, doch sahen sie in Wahrheit mehr verlegen aus. Sie antworteten nicht, aber Serena sagte: »Nichts. Nur eine Vorsichtsma#223;nahme – f#252;r alle F#228;lle.«

»EineVorsichtsma#223;nahme?«wiederholte Mike. »Wie soll ich das verstehen?«

»Dir und deinen Freunden passiert nichts, keine Angst«, sagte Serena sp#246;ttisch. »Ich m#246;chte nur verhindern, da#223; ihr euch im Wald verirrt und vielleicht rein zuf#228;llig wieder zum Strand hinunterlauft, w#228;hrend wir weg sind, wei#223;t du?«

Mike sp#252;rte, wie ihm die Zornesr#246;te ins Gesicht stieg. »Du meinst, wir sind deine Gefangenen?« vergewisserte er sich.

»Wenn du so willst – ja«, antwortete Serena kalt. »Aber keine Sorge – nur, bis wir zur#252;ck sind. Es wird nicht sehr lange dauern.« Sie machte eine befehlende Geste.

»Bringt sie weg!«

Sie wurden in das einzige nicht zerst#246;rte Geb#228;ude der Stadt gebracht – in das »Museum«, das zuvor schon als Gef#228;ngnis f#252;r den Fischmenschen gedient hatte, und dort trafen sie auch Singh wieder. Der Inder hockte zusammengekauert neben dem steinernen Relief und trug einen blutgetr#228;nkten Verband um die Stirn. Als er Mike und die anderen gewahrte, sprang er hastig auf und eilte ihnen entgegen, und Mike sah, da#223; auch seine linke Hand dick verbunden war und er leicht humpelte. Der Anblick erf#252;llte Mike nicht nur mit Sorge um den Sikh-Krieger, sondern weckte auch sein schlechtes Gewissen. W#228;hrend der ganzen Zeit, die sie drau#223;en mit Serena gesprochen hatten, hatte er nicht einmal daran gedacht, wie esSingh bei dem #220;berfall wohl ergangen war!

»Singh!« sagte er erschrocken. »Du bist verletzt! Ist es schlimm?«

Der Sikh machte eine wegwerfende Geste mit der unverletzten Hand. »Das ist nichts«, behauptete er. »Ein paar Schrammen, die rasch verheilen werden. Aber ich habe versagt, Herr. Es… es tut mir leid.«

Im ersten Moment verstand Mike nicht, was Singh meinte. Dann sch#252;ttelte er verbl#252;fft den Kopf. »Versagt? Du hast –«

»Es ist mir nicht gelungen, Andr#233; zu besch#252;tzen«, unterbrach ihn Singh, ruhig und mit fast tonloser Stimme.

»Red nicht solch einen Unsinn!« erwiderte Mike scharf. »Was h#228;ttest du tun sollen! Sie ganz allein aufhalten?«

Singh nickte. »Ich habe es versucht«, sagte er. »Aber es waren zu viele. Und sie k#228;mpfen gut.«

»Du bist noch am Leben, und das allein z#228;hlt«, sagte Mike entschieden. »Bist du schwer verletzt? Und was ist mit Andr#233;? Was haben sie mit ihm gemacht?«

»Er hat versucht, das M#228;dchen zu besch#252;tzen«, sagte Singh. »Er hat tapfer gek#228;mpft und sich heftiger gewehrt als die meisten hier. Aber am Schlu#223; wurde er niedergerungen, genau wie ich. Sie haben ihn mitgenommen, aber ich glaube nicht, da#223; er schwer verletzt wurde.«

»Mitgenommen?« Trautman runzelte die Stirn. »Warum?«

»Er hat das M#228;dchen nicht losgelassen«, antwortete Singh. »Selbst als er das Bewu#223;tsein verlor, hat er sich noch mit aller Macht an sie geklammert, so da#223; sie seinen Griff nicht l#246;sen konnten, nicht einmal mit Gewalt.«

»Dann stellt sich nur noch die Frage, warum sie Sarah mitgenommen haben«, sagte Ben. »Ich meine: Haben sie sonst noch jemanden entf#252;hrt?«

»Au#223;er dem M#228;dchen?« Singh dachte einen Moment nach, dann sch#252;ttelte er z#246;gernd den Kopf. »Ich bin nicht sicher, aber ich habe jedenfalls nichts gesehen.«

»Das ist seltsam«, sagte Juan. »Wenn sie gekommen sind, um ihren Mann zu befreien, warum haben sie dann das M#228;dchen mitgenommen? Und niemanden au#223;er ihr?«

Weil sie Sarah verwechselt haben,sagte eine leise Stimme in Mikes Kopf.

Mike fuhr erschrocken zusammen. Er h#246;rte ein Ger#228;usch hinter sich und drehte sich herum. Nach einigen Sekunden gelang es ihm, mehr als nur die dunklen Schatten jenseits des steinernen Reliefs zu erkennen. Etwas bewegte sich darin.

»Astaroth?« fragte er laut. »Bist du das?«

Kennst du noch jemanden, der so dumm w#228;re, nach allem, was passiert ist, immer noch zu euch zu halten?fuhr die lautlose Stimme fort. Zugleich trat Astaroth mit gemessenen Schritten aus dem Schatten hervor. Mikes Augen weiteten sich erstaunt, als er sah, da#223; der Kater nicht allein war. Die kleine schwarzwei#223;e Katze begleitete ihn, und nicht nur das – sie strich mit freundlich aufgestelltem Schwanz um ihn herum, rieb ihren Kopf an seiner Flanke und seinem Hals und schnurrte dabei lautstark. Astaroth lie#223; diese entw#252;rdigende Behandlung ohne irgendein #228;u#223;eres Anzeichen von Unruhe #252;ber sich ergehen, aber seine lautlose Stimme fuhr fort:

Ein einziger falscher Gedanke, und ich kratze dir die Augen aus.

Mike unterdr#252;ckte im letzten Moment ein sp#246;ttisches L#228;cheln, und es gelang ihm sogar, die entsprechenden Gedanken

zu unterdr#252;cken, wenn auch nur mit #228;u#223;erster M#252;he.

»Wie meinst du das: Sie haben Sarah verwechselt?« fragte er, laut, damit die anderen der Unterhaltung wenigstens teilweise folgen konnten.

So, wie ich es sage,antwortete Astaroth.Mu#223; man denn immer alles dreimal erkl#228;ren? Menschen!

»Astaroth, bitte!« sagte Mike. »Das ist nicht der Zeitpunkt f#252;r deine #252;blichen Scherze.«

Ich mache auch keine Scherze,antwortete Astaroth beleidigt.Nicht mit Zweibeinern. Ihr seid ja so schwer von Begriff – aber bitte: Sie hatten den Auftrag, ein blondes Menschenjunges zu holen, daszusammen mit einigen Fremden neu hier angekommen ist. Und dank eures Freundes, der sich wie einVerr#252;ckter gewehrt hat, haben sie das falsche erwischt.

Mike blickte den Kater, dann das in Stein gemei#223;elte Ebenbild Serenas auf dem Relief an – und pl#246;tzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. »Du… du meinst, sie wolltenSerena?«sagte er verbl#252;fft. »Sie sind hergekommen, um sie zu entf#252;hren, und sie haben Sarah mit ihr verwechselt?«

Ganz genau,antwortete der Kater.Ich habe ihre Gedanken gelesen. Vor einer Stunde h#228;tte ich es noch nicht f#252;r m#246;glich gehalten, aber sie sind tats#228;chlich noch begriffsstutziger als ihr. Sie haben sich einfach vertan.

»Moment mal«, mischte sich Juan ein. »Verstehe ich das richtig? Er meint, sie h#228;tten Serena entf#252;hren wollen und nur aus Versehen an ihrer Stelle Sarah erwischt?«

»Ich glaube ja«, antwortete Mike. »Auch wenn es mir etwas komisch vorkommt.«

»Aber warum nicht?« meinte Trautman. »Wenn man nicht zu genau hinsieht, dann sieht sie ihr tats#228;chlich ein wenig #228;hnlich. Die Fischmenschen leben auf der anderen Seite der Bucht, verge#223;t das nicht. Sie kennen die Menschen nicht genau.«

»Sie k#246;nnen ja auch nicht wissen, wie Serena aussieht!« warf Juan ein.

»Vielleicht doch«, murmelte Mike. Die anderen sahen ihn erstaunt an, aber er machte keine Anstalten, seine Worte zu erkl#228;ren, sondern trat n#228;her an das gewaltige Steinbildnis heran und betrachtete es. Genau wie beim ersten Mal hatte er das Gef#252;hl, mehr als einem Kunstwerk gegen#252;berzustehen. Dieses Bild erz#228;hlte eine Geschichte – und sie war viel komplizierter und viel #228;lter, als er bisher angenommen hatte. Es war ein unheimliches Gef#252;hl – und ein sehr unangenehmes. Er war sicher, die Antworten auf all ihre Fragen zum Greifen nahe vor sich zu haben, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Er mu#223;te eigentlich nur hinsehen.

Aber es gelang ihm nicht. Es war, als h#228;tte er alle Teile eines gewaltigen Puzzles vor sich, ohne das Gesamtbild zu kennen und ohne es richtig zusammensetzen zu k#246;nnen. Es war zum Verr#252;cktwerden!

»Nat#252;rlich!« sagte Trautman pl#246;tzlich. Er hob die Hand, als wolle er sich damit vor die Stirn schlagen, f#252;hrte die Bewegung aber nicht zu Ende, sondern deutete auf das Relief. »Erinnert euch – Denholm hat es uns selbst erz#228;hlt! Dieser Stein war schon hier, als die ersten Menschen hierherkamen. Und das hei#223;t, da#223; nicht sie, sondern andere ihn geschaffen haben.«

»Stimmt«, sagte Mike verst#228;ndnislos. »Und?«

»Und welche anderen au#223;er dem Volk gibt es hier noch?«

fragte Trautman. Diesmal war es an Mike, ungl#228;ubig die Augen aufzurei#223;en. »Die… die Fischmenschen!« murmelte er.

»Genau!« antwortete Trautman. Er deutete aufgeregt auf das steinerne Bild. »Und das bedeutet, da#223;siedieses Relief erschaffen haben. Sie haben gewu#223;t, da#223; Serena kommen wird – oder jemand wie sie. Wahrscheinlich haben sie es einfach gesp#252;rt!«

»Und sind gekommen, um sie zu holen«, fl#252;sterte Juan schaudernd. »Weil sie ihr Feind ist.«

»Vielleicht«, sagte Trautman. »Ich mu#223; die ganze Zeit #252;ber an etwas denken. Erinnert ihr euch, wie wir vor dem Sturm geflohen sind? Serena hatte diese Alptr#228;ume – und sie ist schreiend daraus aufgewacht und hat gesagt: dieAlten.Auch dein Vater hat dieseAltenerw#228;hnt. Ich konnte mir nie einen Reim darauf machen, aber vielleicht…« Er seufzte. Ein Ausdruck von tiefer Sorge breitete sich auf seinem Gesicht aus. »DieseAlten…vielleicht waren es die Feinde der alten Atlanter.

Und m#246;glicherweise sind sie nichts anderes als das, was Denholm und die anderen hier die Fischmenschen nennen.«

Mike wandete sich an Astaroth. »Stimmt das?« fragte er.

Vielleicht,antwortete Astaroth. Er versuchte ein menschliches Schulterzucken nachzuahmen. Das Ergebnis sah allerdings einigerma#223;en albern aus.Ich wei#223; sowenig wie ihr. Aber f#252;r einen Menschen ist dieser Gedanke ziemlich scharfsinnig.

»Seht mal!« sagte Chris pl#246;tzlich. Er war dichter an das Relief herangetreten und deutete mit dem ausgestreckten Finger auf eine kleine Zeichnung in der unteren linken Ecke. »Was ist denn das hier?«

Mike beugte sich neugierig vor. Das Bild war so klein, da#223; er es bisher nicht bemerkt hatte. Als er es genauer ansah, konnte er ein eisiges Schaudern nicht mehr ganz unterdr#252;cken. Das Bild zeigte ein Ungeheuer, das wie eine bizarrre Kreuzung zwischen einem Menschen, einer Krake und einem h#228;#223;lichen Vogel aussah. Etwas D#252;steres und ungemein Drohendes schien von dieser Abbildung auszugehen, obwohl sie viel kleiner als die meisten anderen auf dem Bild und offensichtlich und mit nicht sehr viel Geschick in den Stein hineingekratzt worden war.

»Irgendein Unsinn«, sagte Ben. »Auf solchen Bildern wimmelt es doch immer von D#228;monen und Geistern.«

Irgendwie sp#252;rte Mike, da#223; es nicht die Wahrheit war – und eine Sekunde sp#228;ter bekam er den Beweis f#252;r dieses Gef#252;hl.

Auch Astaroth war neugierig herangekommen, um einen Blick auf das steinerne Relief zu werfen, und die kleine Schwarzwei#223;e war keinen Schritt von seiner Seite gewichen. Im gleichen Moment jedoch, in dem ihr Blick auf das Bild des unheimlichen Krakenwesens fiel, stie#223; sie ein erschrockenes Fauchen aus und wich ein St#252;ck zur#252;ck.

Mike sah das Tier #252;berrascht an. Die Augen der Katze funkelten. Ihr Fell hatte sich gestr#228;ubt, und sie hatte drohend die Z#228;hne gebleckt und die Krallen ausgefahren. Ein tiefes, warnendes Knurren drang aus ihrer Brust.

»Was hat sie?« fragte Mike. Die Frage galt Astaroth, der ebenfalls den Kopf gedreht hatte und die Schwarzwei#223;e aus seinem einzelnen Auge durchdringend ansah.

Woher soll ich das wissen?antwortete Astaroth.

Mikes Geduld mit dem Kater neigte sich allm#228;hlich dem Ende zu. »Kannst du nun Gedanken lesen oder nicht?« fragte er unwillig.

Sie ist ein Tier!antwortete Astaroth beleidigt.Du willst mir doch nicht zumuten, die Gedanken eines Tieres zu lesen?

Mike packte blitzschnell zu, ergriff den Kater im Nacken und sch#252;ttelte ihn so derb, da#223; Astaroth ein erschrockenes Kreischen ausstie#223; und nach ihm schlug. Aber Mike hatte damit gerechnet und wich den Krallen des Katers ohne M#252;he aus. »Ich mute dir gleich noch etwas ganz anderes zu!« sagte er drohend. »Spar dir deine Scherze f#252;r einen besseren Moment auf, Astaroth! Vielleicht steht das Leben jedes einzelnen Menschen in dieser Stadt auf dem Spiel!«

Ist ja schon gut!sagte Astaroth.Ich versuche es! Aber la#223; mich gef#228;lligst herunter!

Mike gehorchte. Der Kater entfernte sich vorsichtshalber einige Schritte von ihm und ma#223; ihn dabei mit einem Blick, der nichts Gutes verhie#223;. Aber schlie#223;lich blieb er wieder stehen und begann die schwarzwei#223;e Katze zu fixieren. Seine Haltung verriet gro#223;e Konzentration.

Eine ganze Weile verging, dann entspannte sich der Kater wieder und sch#252;ttelte sich. »Nun?« fragte Mike ungeduldig.

Daswar nicht leicht,sagte Astaroth.Du hast ja keine Ahnung, wie schwer es ist, mit Wesen von geistig niedrigerem Stand Kontakt aufzunehmen. Schon bei euch –

»Astaroth!« sagte Mike warnend.Schon gut, schon gut!antwortete Astaroth hastig.Du hattest recht. Sie hat Angst.

»Das ist mir auch aufgefallen!« sagte Mike. »Aber wovor?«

Vor dem Bild. Genauer gesagt vor dem, was es zeigt. Ich konnte nicht viel erkennen, aber ich glaube, sie…sie hat ein Wesen wie dieses schon einmal gesehen.

»Du meinst, in Wirklichkeit?« vergewisserte sich Mike – obwohl Astaroth im Grunde nur das aussprach, was er schon l#228;ngst vermutet hatte. »Dieses Gesch#246;pf… lebt es irgendwo?«

Ja. Sie ist ihm schon einmal begegnet.

Mike berichtete rasch, was er von Astaroth erfahren hatte, und Trautmans Gesichtsausdruck wurde noch besorgter. »Wenn dieses Wesen wirklich das ist, was ich glaube, dann ist die Lage noch viel schlimmer, als ich bisher bef#252;rchtet habe«, sagte er.

»Wieso?« erkundigte sich Mike.

Trautman deutete auf die ungeschickte Steinzeichnung. »Ich nehme an, das ist einer der Alten«, sagte er. »Und wenn er tats#228;chlich noch hier unten irgendwo lebt, dann sind Serena und die anderen in t#246;dlicher Gefahr. Ihr k#246;nnt euch vorstellen, wo er lebt.«

»In der Alten Stadt«, murmelte Juan betroffen. Trautman nickte. »Ja«, sagte er d#252;ster.

»Und?« Ben verzog das Gesicht. »Ich glaube nicht, da#223; die Fischmenschen ihr gef#228;hrlich werden k#246;nnen. Immerhin habe ich am eigenen Leibe erfahren, wozu sie f#228;hig ist.«

»Du warst allein«, erinnerte Juan. »Sie sind viele. Vielleicht Hunderte.« Ben lachte trocken. »Na, dann denk doch bitte einmal daran, was sie mit der LEOPOLD angestellt hat. Es h#228;tte nicht viel ge

fehlt, und sie h#228;tte das Schiff mit Mann und Maus versenkt.«

»Du verstehst offenbar immer noch nicht«, sagte Trautman ernst. »Ich wei#223; nichts #252;ber dieAlten,aber wenn sie tats#228;chlich die Feinde der Atlanter waren, dann m#252;ssen sie so m#228;chtig gewesen sein wie sie. Serena war halb verr#252;ckt vor Angst, als sie aufwachte. Ich bin sicher, da#223; dieses Gesch#246;pf gef#228;hrlich ist. Viel gef#228;hrlicher, als wir vielleicht ahnen.«

»Aber dann m#252;ssen wir sie warnen!« sagte Mike.

Trautmann sch#252;ttelte traurig den Kopf. »Das w#252;rde nichts nutzen«, sagte er. »Sie wei#223;, was sie erwartet.« Er deutete wieder auf das Bild. »Sie kennt dieses Bild ebenfalls und viel besser als wir.« Er schlo#223; f#252;r einen Moment die Augen, und als er weitersprach, klang seine Stimme niedergeschlagen und vollkommen mutlos. »Ich glaube, sie hatte es von Anfang an gewu#223;t.«

Die Bedeutung dieser Worte wurde Mike erst nach einigen Sekunden v#246;llig bewu#223;t. »Sie… Sie meinen, sie hat…« »…von der ersten Sekunde an vorgehabt, in die Alte Stadt zu gehen und ihre Beherrscher zumKampf zu stellen, ja«, f#252;hrte Trautman den Satz zu Ende. »Der #220;berfall heute war wahrscheinlich nur ein willkommener Anla#223; f#252;r sie.«

»Das glaube ich nicht!« sagte Mike impulsiv. »Das… das w#252;rde sie niemals tun!«

»Ich f#252;rchte, doch«, sagte Trautman leise. »Sie sieht vielleicht aus wie ein ganz normales M#228;dchen, aber das ist sie nicht. Sie stammt aus einer Welt, die von der unseren vollkommen verschieden ist. Diese Wesen waren ihre Erzfeinde, und das vielleicht seit Jahrtausenden. Wer wei#223; – vielleicht sind sie sogar letzten Endes Schuld am Untergang ihres Volkes gewesen. Sie

hat gar keine andere Wahl, als dorthin zu gehen und es zu ver

nichten. Jedenfalls glaubt sie das.«

»Aber das kann ihr Tod sein!« sagte Mike entsetzt.

»Und nicht nur ihrer«, murmelte Trautman. »Alle k#246;nnen dabei ums Leben kommen. Gro#223;er Gott, wenn dieses Gesch#246;pf #252;ber die gleichen Kr#228;fte verf#252;gt wie Serena, dann kann diese ganze Welt vernichtet werden!«

»Und es gibt nichts, was wir dagegen tun k#246;nnen?« fragte Ben.

»Wir k#246;nnten Denholm und die anderen warnen«, schlug Chris vor. »Wenn sie erfahren, was ihnen bevorsteht, werden sie Serena niemals folgen.«

»Dann w#252;rde sie allein gehen«, sagte Trautman. »Und das Ergebnis w#228;re vermutlich dasselbe. Au#223;erdem wird sie niemals zulassen, da#223; wir den anderen die Wahrheit sagen. Nein – ich f#252;rchte, wir k#246;nnen wirklich nichts anderes tun als hierbleiben und beten.«

Wir k#246;nnen fliehen,sagte Astaroth.

Mike blickte ihn an, und eine wilde, fast verzweifelte Hoffnung machte sich in ihm breit. Dann sch#252;ttelte er den Kopf. »Nein, Astaroth«, sagte er, »das k#246;nnen wir nicht. Ich w#252;rde Andr#233; niemals im Stich lassen.«

Lieber stirbst du?fragte Astaroth.

Darauf antwortete Mike nicht. Vielleicht weil er Angst hatte, sich dieser Frage wirklich zu stellen. Gro#223;e Worte von Freundschaft bis in den Tod sprachen sich leicht, aber es war etwas ganz anderes, sie einl#246;sen zu m#252;ssen. Und vielleicht nur, um sich selbst zu beruhigen, fuhr er nach einem Augenblick fort: »Und selbst, wenn wir es wollten – wir k#246;nnten gar nicht weg. Serena hat die NAUTILUS unbrauchbar gemacht.«

Sie hat den Steuerkristall ausgebaut, ich wei#223;,sagte Astaroth leichthin.Und wer sagt dir, da#223; es nur diesen einen gibt?

Mike blinzelte. Wollte Astaroth damit etwa andeuten, da#223; es einen zweiten Steuerkristall gab?

Glaubst du wirklich, da#223; es f#252;r ein so wichtiges Teil an Bord des Schiffes keinen Ersatz g#228;be?fragte Astaroth in fast mitleidigem Ton.

»Ein zweiter Steuerkristall?« murmelte Mike ungl#228;ubig. Trautman fuhr wie von der Tarantel gestochen herum und starrte ihn an, und auch die anderen waren wie vom Donner ger#252;hrt. Aber keiner von ihnen unterbrach sein stummes Zwiegespr#228;ch mit dem Kater.

Selbstverst#228;ndlich,sagte Astaroth.

»Und du wei#223;t, wo er ist?«

Selbstverst#228;ndlich,sagte Astaroth noch einmal.In einem sicheren Versteck an Bord des Schiffes. Ich kenne es.Er lachte leise.Ich habe es in Serenas Gedanken gelesen, wei#223;t du? Sie h#228;lt mich f#252;r ein dummes Tier, und deshalb ist sie gar nicht auf die Idee gekommen, da#223; ich ihre Gedanken ebenso deutlich lesen kann wie sie meine. Das ist wieder einmal typisch f#252;r euch Menschen. Ihr neigt dazu, andere immer f#252;r genauso dumm –

»Wo?!« unterbrach ihn Mike laut. Er streckte die Hand nach Astaroth aus. Der Kater wich hastig einen Schritt zur#252;ck und funkelte ihn mi#223;trauisch an.

Ist ja schon gut,sagte er.Ich zeige es euch. Sobald wir an Bord des Schiffes sind.

»Es gibt einen zweiten Steuerkristall!« sagte Mike aufgeregt. »Astaroth wei#223;, wo er ist.« »Dann k#246;nnen wir fliehen?« fragte Ben. »Wir m#252;ssen nur warten, bis alle weg sind, und k#246;nnen –«

»So lange k#246;nnen wir nicht warten«, unterbrach ihn Trautman. Er sch#252;ttelte verbl#252;fft den Kopf. »Warum bin ich nicht gleich darauf gekommen? Nat#252;rlich! Es gibt f#252;r alles und jedes an Bord der NAUTILUS Ersatz. Bei etwas so Wichtigem werden sie es kaum vergessen haben! Vielleicht haben wir doch noch eine Chance! Aber wir m#252;ssen uns beeilen.« Er deutete auf Chris. »Chris, geh zur T#252;r und pa#223; auf, da#223; niemand kommt. Und ihr anderen helft mir. Wir m#252;ssen irgendwie hier heraus – am besten durch die Wand dort.« Er deutete auf eine der beiden W#228;nde, die nicht aus massivem Stein bestanden. Wahrscheinlich war es wirklich kein gro#223;es Problem, dort einen gewaltsamen Ausgang zu schaffen.

Aber Mike – und auch Ben und Juan – z#246;gerten, Trautmans Befehl nachzukommen. »Wozu diese Eile?« fragte Ben. »Es ist noch #252;ber eine Stunde Zeit, bis sie aufbrechen.«

»Wenn wir vorher fliehen, laufen wir nur Gefahr, wieder eingefangen zu werden«, f#252;gte Juan hinzu.

»Das m#252;ssen wir riskieren«, erwiderte Trautman. »Sie w#252;rde sofort wissen, was wir planen, wenn sie noch einmal hierherkommt. Und ich bin fast sicher, da#223; sie das tut. Nein.« Er sch#252;ttelte entschlossen den Kopf und deutete erneut auf die Wand. »Wenn wir fliehen, dann jetzt sofort, ohne noch eine Sekunde zu verlieren. Au#223;erdem glaube ich nicht, da#223; sie uns verfolgen

l#228;#223;t. Sie hat im Moment anderes zu tun. Schnell jetzt – helft

mir!«

Das Material der W#228;nde erwies sich als weitaus z#228;her, als Mike geglaubt hatte. Was wie br#252;chiges Holzaussah, entpuppte sich als steinharte #196;ste der Korallengew#228;chse, aus denen der Wald drau#223;en bestand.Sie ben#246;tigten ihre ganze Kraft, um eine #214;ffnung hineinzubrechen, durch die sie sich hindurchquetschen konnten – und die Aktion verursachte einen L#228;rm, da#223; sich Mike wunderte, da#223; nicht der halbe Ort zusammengelaufen kam, um nach seiner Ursache zu sehen. Aber schlie#223;lich hatten sie es geschafft, und Singh kroch als erster ins Freie, um sich umzusehen. Schon nach einem Augenblick streckte er den Armwieder durch die #214;ffnung herein und winkte.

»Es ist alles ruhig«, sagte er. »Kommt.«

Nacheinander krochen sie durch die #214;ffnung ins Freie. Mike sah sich mit klopfendem Herzen um. Sie befanden sich auf der R#252;ckseite des Hauses. Von den Bewohnern der Stadt war keine Spur zu entdecken, und der Waldrand war nur wenige Schritte entfernt. Es schien, als meinte es das Schicksal ausnahmsweise einmal gut mit ihnen.

Trotzdem klopfte sein Herz bis zum Zerrei#223;en, als er Trautman und den anderen geduckt zum Waldrand folgte, und er wagte es erst, stehenzubleiben, als sie sich ein gutes St#252;ck weit zwischen den sonderbaren, an B#228;ume erinnernden Korallengew#228;chsen befanden. Jeden Moment rechnete er damit, einen warnenden Ruf zu h#246;ren oder gleich eine Horde bewaffneter Verfolger hinter sich auftauchen zu sehen. Aber weder das eine noch das andere geschah. Unbehelligt entfernten sie sich wei

ter von der Stadt und schlugen nach einer Weile wieder den direkten Weg zum Strand ein.

Sie erreichten ihn schon nach wenigen Minuten – und sie hatten ein zweites Mal Gl#252;ck. Das Boot, mit dem sie zur#252;ckgebracht worden waren, lag noch da, wo sie es verlassen hatten. Im Laufschritt eilten sie darauf zu, und Trautman ging als erster an Bord, dicht gefolgt von Singh.

Mike, der den Abschlu#223; bildete, wurde immer langsamer. Sein Blick suchte forschend den Waldrand ab, l#246;ste sich schlie#223;lich davon und blieb an den d#252;steren Umrissen der Alten Stadt auf der anderen Seite der Bucht h#228;ngen.

Und schlie#223;lich blieb er stehen. Er sp#252;rte wieder das Fremde, Unheimliche, das von den bizarren Mauern und T#252;rmen ausging, aber jetzt war da noch mehr. Andr#233; war dort dr#252;ben und Sarah auch. Und pl#246;tzlich wu#223;te er, da#223; der Kater unrecht gehabt hatte. Ganz egal, was geschah, er w#252;rde seinen Freund niemals im Stich lassen.

»Worauf wartest du?« rief Ben vom Boot aus. Er hatte eines der gro#223;en Ruder ergriffen und stemmte es bereits in den Sand, um das Boot ins freie Wasser zu sto#223;en.

»Fahrt schon vor«, antwortete Mike. »Ich komme nach, sobald ich kann.«

»Was soll das hei#223;en?« Ben lie#223; das Ruder wieder sinken, und auch Juan und Singh sahen Mike erschrocken an. Einzig Trautman wirkte nicht #252;berrascht. »Wir haben keine Zeit f#252;r irgendwelchen Unsinn!«

»Ich gehe und hole Andr#233;«, antwortete Mike entschlossen. Er deutete auf die Alte Stadt. »Macht die NAUTILUS seet#252;chtig.

Ihr k#246;nnt Andr#233; und mich dort dr#252;ben abholen. Ich werde euch

schon finden.« »Bist du verr#252;ckt geworden?« entfuhr es Ben. »Du wei#223;t ja nicht einmal, ob er #252;berhaupt noch am Leben ist!«

»Das werde ich schon herausfinden«, antwortete Mike. Er wandte sich um, lief aber noch nicht los, sondern tauschte einen Blick mit Trautman. Der wei#223;haarige alte Mann sah sehr besorgt drein, aber Mike las in seinen Augen, da#223; er nicht versuchen w#252;rde, ihn zur#252;ckzuhalten. Vielleicht war er der einzige, der sp#252;rte, da#223; Mike tat, was er tun mu#223;te. Er w#252;rde es sich nie verzeihen k#246;nnen, wenn sie Andr#233; jetzt einfach hier zur#252;cklie#223;en.

»Ich sch#228;tze, ich brauche eine Stunde, um die Stadt zu erreichen«, fuhr er fort. »Gebt mir eine weitere Stunde. Wenn ich bis dahin nicht dort dr#252;ben bin, braucht ihr nicht mehr auf mich zu warten.«

Und damit lief er los, so schnell, da#223; weder Ben noch einem der anderen die Zeit blieb, ihn noch einmal zur#252;ckzurufen.

Er kam besser voran, als er gedacht hatte, so da#223; die Stunde, von der er gesprochen hatte, noch nicht einmal ann#228;hernd vor#252;ber war, als er sich der Alten Stadt n#228;herte. Der Weg war zwar weit, aber er blieb auf dem Strand, und er war ein ausdauernder L#228;ufer, so da#223; er allm#228;hlich die Hoffnung zu fassen begann, vielleicht doch noch vor Serena und ihrer Armee anzukommen, um…

Ja, was eigentlich zu tun?

Mike hatte sich die Frage bis zu diesem Zeitpunkt ganz bewu#223;t nicht gestellt, vielleicht, weil er gesp#252;rt hatte, da#223; er die Antwort darauf nicht so einfach finden w#252;rde. Aber nun, wo er sich den gewaltigen, einw#228;rts geneigten Mauern der zyklopischen Stadt n#228;herte, mu#223;te er es, ob er wollte oder nicht.

Mikes Mut sank, w#228;hrend er sich vorsichtig an eine der zahllosen L#252;cken in der Stadtmauer heranschob und hindurchsp#228;hte. Von weitem hatte er sie f#252;r eine Art Festung gehalten, wuchtig und kompakt, aber nicht viel gr#246;#223;er als die Stadt, in der Denholm und das Volk lebten. Aber das stimmte nicht. Die riesige Wand, die sich vor ihm scheinbar bis in den Himmel erhob, war eine Stadtmauer, hinter der sich ein wahres Labyrinth von H#228;usern, T#252;rmen und sonderbaren, ineinanderverschachtelten Geb#228;uden erstreckte. Ihr Alter mu#223;te unvorstellbar sein, und die Zeit hatte ihre Spuren darin hinterlassen: Hier g#228;hnte eine#214;ffnung, durch die die NAUTILUS h#228;tte hindurchfahren k#246;nnen, da ein Ri#223;, der von weitem nur wie eine d#252;nne Linie ausgesehen hatte, aber reichte, ihn bequem passieren zu lassen, dort war ein Loch hineingebrochen, als h#228;tte jemand mit einem gigantischen Hammer auf die Wand eingeschlagen. In die Stadthineinzukommen war nicht das Problem.

Aber wie um alles in der Welt sollte er Andr#233; in diesem Irrgarten finden? Wenigstens war von den unheimlichen Bewohnern der Stadt nichts zu sehen – die schwarzen Stra#223;en lagen wie ausgestorben vor ihm, nirgends war Bewegung, nirgends Leben. Trotzdem hatte er das Gef#252;hl, beobachtet zu werden.

Einen Moment sp#228;ter wurde aus diesem Gef#252;hl Gewi#223;heit,

denn er h#246;rte ein leises Rascheln, und dann tauchte ein schwar

zer, struppiger Schatten neben ihm auf.

»Astaroth!« murmelte Mike #252;berrascht. »Was machst du denn hier?«

Das frage ich mich auch,antwortete der Kater sp#246;ttisch.Wahrscheinlich das, was ich in letzter Zeit andauernd tun mu#223; – ich helfe dir aus der Patsche.

Die Situation war zu ernst, als da#223; Mike Zeit damit verschwendet h#228;tte, auf Astaroths herablassenden Ton einzugehen. Er war erleichtert wie selten zuvor, den Kater zu sehen. »Was ist mit der NAUTILUS?« fragte er. »Haben sie sie flottbekommen?«

Selbstverst#228;ndlich,antwortete Astaroth.Mit dem Ersatzkristall war es gar kein Problem. Ich soll dirsagen, da#223; sie in genau einer Stunde hier sind. Serena wird vor Wut explodieren, wenn sie ihr Schiffdavonfahren sieht. Schade, da#223; ich nicht dabeisein kann, um den Anblick zu genie#223;en.

Mike wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Stadt zu, und erneut machte sich ein Gef#252;hl von Mutlosigkeit in ihm breit. Die Stadt schien jedesmal gr#246;#223;er zu werden, wenn er hinsah. Mike sch#228;tzte, da#223; sich in diesem Labyrinth einige zehntausend Menschen verstecken konnten, ohne da#223; er eine Chance h#228;tte, sie zu finden.

Stimmt,sagte Astaroth in fast fr#246;hlichem Ton.Wenn du mich nicht h#228;ttest, w#228;rst du aufgeschmissen – aber das kennen wir ja schon.

»Soll das hei#223;en, du wei#223;t, wo er ist?« fragte Mike.Nein,antwortete Astaroth.Aber ich wei#223;, wo der Alte ist. Ich

habe die Gedanken der Beklop… na, du wei#223;t schon, gelesen. Und ich verwette mein linkes Auge, da#223; Andr#233; und das blonde Menschenjunge auch dort sind.

Astaroth hatte kein linkes Auge, was seinen Worten nicht gerade viel #220;berzeugungskraft gab, aber Mike war von sich aus schon zu dem gleichen Schlu#223; gekommen wie der Kater. »Und wo?« fragte er.

Es gibt ein gro#223;es Geb#228;ude genau im Zentrum der Stadt,erwiderte Astaroth.Es sieht aus wie eine Pyramide. Dort drinnen ist er.Er huschte zwischen Mikes Beinen hindurch und trat durch die #214;ffnung in der Stadtmauer.Kommst du mit, oder ziehst du es vor, mich allein die ganze Arbeit tun zu lassen?

Mike h#228;tte das in diesem Moment tats#228;chlich liebend gerne getan. Alles in ihm str#228;ubte sich dagegen, dem Kater zu folgen. Die blo#223;e N#228;he der Stadt erf#252;llte ihn mit Unbehagen, und der Gedanke, sie zubetreten,mit purer Angst. Von weitem hatte die Stadt unheimlich und d#252;ster gewirkt, aber aus der N#228;he war sie ein zu Stein gewordener Alptraum. Die vorherrschende Farbe war Schwarz, aber es war ein Schwarz von einer Tiefe, die etwas in ihm zu ber#252;hren und zum Absterben zu bringen schien.

Die Architektur war fremd und furchteinfl#246;#223;end. Manche der Geb#228;ude, an denen sie vor#252;berkamen, sahen beinahe normal aus, andere wiederum waren kaum als H#228;user zu erkennen, sondern schienen vielmehr etwasLebendigeszu sein. Die Welt, durch die sie sich bewegten, folgte auch nicht der gewohnten Geometrie. Alle Linien und Winkel stimmten irgendwie nicht, und jeder Fu#223;breit Boden strahlte ein Gef#252;hl der Fremdartigkeit aus, das Mike schaudern lie#223;. Diese Stadt war nicht von Menschen errichtet worden, und vor allem: Sie war nichtf#252;rMenschen errichtet worden. Mike begriff pl#246;tzlich, warum Denholm und die anderen so weit von ihr entfernt auf der anderen Seite der Bucht lebten. Es h#228;tte gar nichts mit den Fischmenschen zu tun. Sie h#228;tten hier gar nicht leben k#246;nnen, selbst wenn es ihre unheimlichen Bewohner nicht gegeben h#228;tte.

Irgend etwas ist hier. Es macht mir angst.

Pl#246;tzlich blieb Mike stehen. Er hatte eine Bewegung aus den Augenwinkeln wahrgenommen, aber als er sich umdrehte und genauer hinsah, war da nichts.

Was ist?fragte Astaroth alarmiert.

»Nichts«, antwortete Mike. »Ich mu#223; mich… get#228;uscht haben. Ich dachte, ich h#228;tte etwas gesehen.« »Aber das h#228;ttest du ja gesp#252;rt, oder?«

Zu seiner nicht geringen Beunruhigung antwortete Astaroth nicht, sondern begann sich nur ebenfalls mi#223;trauisch umzublikken, so da#223; Mike schlie#223;lich weiterging. Nach ein paar Schritten blieb er wieder stehen und hob die Hand. »Dort!« sagte er. »Das mu#223; die Pyramide sein, von der du gesprochen hast.«

Er deutete auf ein schwarzes, gewaltiges Bauwerk, das sich #252;ber den D#228;chern der H#228;user vor ihnen erhobund eigentlich nur eine entfernte #196;hnlichkeit mit einer Pyramide hatte. Aber obwohl Astaroth nicht auf seine Worte reagierte, wu#223;te Mike, da#223; dies ihr Ziel war. Das Geb#228;ude strahlte die gleiche Fremdartigkeit und K#228;lte aus wie die gesamt Stadt, nur viel intensiver. Es bereitete Mike schon Unbehagen, es nur anzusehen.

Das Gef#252;hl wurde st#228;rker, je weiter sie sich der Pyramide und damit dem Zentrum der Stadt n#228;herten. Der Gedanke an sich mochte zwar vollkommen absurd sein, aber Mike war tief in sich immer mehr davon #252;berzeugt, da#223; diese ganze Stadt irgendwie lebendig und die schwarze Pyramide im Zentrum so etwas wie ihr Herz war.

»Wo sind sie alle?« fragte er nach einer Weile.

Wer?erwiderte Astaroth.

»Die Fischmenschen«, antwortete Mike. »Sieh dich doch um. Diese Stadt ist gro#223; genug f#252;r Zehntausende von ihnen. Wo um alles in der Welt sind sie?«

Es hatte nicht damit gerechnet, aber nach ein paar Sekunden antwortete Astaroth:Auf jeden Fall weit weg. W#228;ren sie in der N#228;he, w#252;rde ich ihre Gedanken sp#252;ren. Vielleicht sind sie Serena entgegengegangen.

Mike fuhr erschrocken zusammen. AufdiesenGedanken war er noch gar nicht gekommen – obwohl er an sich nahe lag. Er wollte nicht daran denken, was das bedeuten w#252;rde – die Vorstellung, da#223; vielleicht alles, was Astaroth und er taten, schon vergebens sein k#246;nnte, war einfach zu schrecklich.

Noch ein paarmal glaubte Mike, eine Bewegung zu gewahren, und zumindest einmal war er vollkommen sicher, einen Schatten davonhuschen zu sehen, aber sie erreichten die schwarze Pyramide im Zentrum der Stadt unbehelligt, und schlie#223;lich lag der Eingang zu dem unheimlichen Geb#228;ude vor ihnen.

Mike z#246;gerte, es zu betreten. Es gab keine W#228;chter, kein Tor, nicht das mindeste Hindernis – aber schon der blo#223;e Gedanke, einen Fu#223; in den verzerrten, von Schatten erf#252;llten Korridor jenseits der T#252;r zusetzen, erf#252;llte ihn mit fast k#246;rperlicher #220;belkeit. Er sp#252;rte, da#223; diese Pyramide so sehr Teil einer fremden, nicht f#252;r Menschen geschaffenen Welt war, da#223; er darin nicht w#252;rde existieren k#246;nnen; wenigstens nicht lange, und nicht, ohne einen Preis daf#252;r zu zahlen.

Willst du umkehren?fl#252;sterte Astaroths Stimme in seinen Gedanken.Ich k#246;nnte es verstehen. Mir ist auch nicht besonders wohl bei der Vorstellung, dort hineinzugehen.

Einen Moment lang war Mike tats#228;chlich versucht, genau das zu tun – umzukehren und so weit und so schnell zu laufen, wie er nur konnte. Aber Andr#233; war dort drinnen, und wenn er schon hier drau#223;en halb verr#252;ckt vor Angst und Entsetzen wurde, wie mu#223;te es dann erst seinem Kameraden ergehen, der irgendwo in diesem Alptraum aus Stein und Schw#228;rze gefangengehalten wurde?

Statt zu antworten, trat er mit einem entschlossenen Schritt durch die T#252;r hindurch. Astaroth folgte ihm, wenn auch z#246;gernd.

Langsam bewegten sie sich durch den Gang, der sich hinter der T#252;r erstreckte. Mikes Herz klopfte zum Zerspringen. Alle seine Sinne schienen verr#252;ckt zu spielen – ihm war gleichzeitig hei#223; und kalt. Seine Augen schmerzten, und es war ihm unm#246;glich, irgendeinen Punkt in seiner Umgebung l#228;nger als eine Sekunde zu fixieren. Der Gang erstreckte sich vollkommen gerade vor ihnen, und trotzdem behauptete sein Gleichgewichtssinn, da#223; er bergauf ging; dann wieder hatte er das irrsinnige Gef#252;hl, kopfunter an der Decke entlangzumarschieren… Er durfte nicht zu lange hier drinnen bleiben, das wu#223;te er, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, tats#228;chlich den Verstand zu verlieren.

Auch sein Zeitgef#252;hl verlie#223; ihn. Seine Logik behauptete, da#223; sie erst wenige Augenblicke hier drinnen sein konnten, allerh#246;chstens ein paar Minuten, aber ihm kam es vor, als w#228;ren Stunden vergangen, als sie endlich das Ende des Korridores erreichten. Vor ihnen lag eine m#228;chtige T#252;r aus schwarzem Stein, in die bizarre Bilder und Muster eingraviert waren, deren Anblick Mike schwindeln lie#223;. Das gr#246;#223;te Problem aber war, da#223; sich der Gang vor dieser T#252;r gabelte und sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite nach wenigen Schritten vor einer weiteren, ebenso m#228;chtigen T#252;r endete. Und Mike wagte es nicht, auf gut Gl#252;ck loszugehen – wenn sie sich hier drinnen verirrten, w#252;rden sie nie wieder herausfinden.

»Kannst du sie sp#252;ren?« fragte er.

Astaroth sah sich unsicher nach beiden Seiten um, machte einen Schritt nach rechts, dann nach links und kehrte schlie#223;lich wieder zu Mike zur#252;ck.Dort.Er wies mit einer Kopfbewegung auf die erste T#252;r.Er ist dort. Das M#228;dchen auch.

Mike #252;berwand seine Furcht, trat dicht an das Portal heran und legte die Hand auf den schwarzen Stein. Er war darauf gefa#223;t, mit aller Gewalt dr#252;cken zu m#252;ssen, denn jeder der beiden gewaltigen Torfl#252;gel mu#223;te Tonnen wiegen, aber er hatte sie kaum ber#252;hrt, da schwangen sie vollkommen lautlos und wie von Geisterhand bewegt zur Seite.

Dahinter lag eine riesige, finstere Halle, die gro#223; genug schien, Denholms gesamte Stadt aufzunehmen. Sie war vollkommen leer. Die W#228;nde waren schwarz und glatt, schienen aber trotzdem auf unheimliche Weise zu leben; es war, als bewegten sie sich. Genau in der Mitte des Saales befand sich ein runder, bestimmt drei#223;ig Meter durchmessender Schacht, aus dessen Tiefe ein unheimliches, bla#223;gr#252;nes Leuchten heraufdrang. Und auf der anderen Seite dieses Schachtes, dicht an seinem Rand, befanden sich Andr#233; und das M#228;dchen.

»Andr#233;!« Mike rannte mit einem gellenden Schrei los.

Andr#233; hob m#252;hsam den Kopf und sah ihm entgegen. Er sa#223; auf dem Boden und hatte Sarahs Kopf in seinen Scho#223; gebettet. Das M#228;dchen wies keine #228;u#223;erlichen Verletzungen auf, aber es schien besinnungslos zu sein.

Andres linke Hand strich immer wieder #252;ber ihre Stirn, ohne da#223; er sich der Bewegung selbst bewu#223;t zu sein schien.

»Andr#233;! Was ist passiert?« Mike langte schweratmend bei dem Jungen an, fiel vor ihm auf die Knie und ber#252;hrte ihn an den Schultern. »Bist du verletzt?«

Andr#233; sch#252;ttelte schwach den Kopf. Sein Gesicht war kreidebleich, und seine Stimme so d#252;nn und ausdruckslos, da#223; Mike M#252;he hatte, die Worte #252;berhaupt zu verstehen, als er antwortete.

»Nein. Er hat mir nichts getan. Aber Sarah. Er hat sie ber#252;hrt, und… und seitdem ist sie so.«

»Er?«Mike sah Andr#233; fragend an, dann beugte er sich zu Sarah hinab. Das M#228;dchen war am Leben, aber noch bleicher als Andr#233;, und sein Atem war flach und kaum noch wahrnehmbar. »Wen meinst du mit er? «

Statt einer Antwort deutete Andr#233; auf den Schacht, und Mike drehte sich herum und warf einen Blick in die Tiefe. Der Anblick lie#223; ihn schwindeln. Er wu#223;te nicht, was Wirklichkeit und was ein weiteres Trugbild war, aber zumindest im ersten Moment glaubte er, in einen Abgrund von mindestens einer Meile Tiefe zu blicken. Seine W#228;nde schienen zu pulsieren, und an seinem Grund brodelte ein See aus

kochendem Wasser, das von einem unheimlichen gr#252;nen Licht durchdrungen war.

»Ich kann sie nicht wachbekommen«, murmelte Andr#233;. Seine Stimme zitterte. »Ich wei#223; nicht, was er mit ihr gemacht hat. Sie… sie wacht einfach nicht auf.« Mike streckte die H#228;nde nach dem M#228;dchen aus, aber dann wagte er es doch nicht, es zu ber#252;hren. Sarah

lag tats#228;chlich wie eine Tote in Andres Scho#223;, unbeschadet des Umstandes, da#223; sie noch atmete. Mike f#252;hlte sich hilflos wie nie zuvor im Leben. Schlie#223;lich wandte er sich an Astaroth.

»Was ist mit ihr?« fragte er. »Kannst du etwas erkennen?« Der Kater bewegte sich auf das M#228;dchen zu, sprang nach einem kurzen Z#246;gern auf seine Brust und begann ihr Gesicht abzulecken. Er schnurrte leise, aber es war kein zufriedener Laut, sondern eher ein Ger#228;usch, das Furcht auszudr#252;cken schien.

Sie lebt,sagte er schlie#223;lich.Aber etwas ist mit ihr geschehen. Sie ist… ver#228;ndert.»Ver#228;ndert?« fragte Mike.Irgend etwas ist nicht mehr da,antwortete Astaroth.Ich wei#223; nicht, was, aber jetzt… ist sie wie ihr.»Wie wir?« wiederholte Mike. »Was meinst du damit? War sie denn vorher anders?«Ja,antwortete

Astaroth.Viele hier sind anders. Mehr wie Serena als wie ihr.»Mehr wie Serena als wir…« Die Worte schienen irgend etwas in Mike zu bewirken. F#252;r einen Moment hatte er das Gef#252;hl, ihre Bedeutung zu erkennen, aber dann entschl#252;pfte ihm der Gedanke wieder. Mit

einem entschlossenen Ruck richtete er sich wieder auf und streckte Andr#233; die Hand entgegen. »Komm!« sagte er. »Wir m#252;ssen hier raus. Schnell. Trautman wartet drau#223;en mit der NAUTILUS auf uns!« Andr#233; r#252;hrte sich nicht. Kurz entschlossen b#252;ckte sich Mike und hob Sarah auf die Arme. Das M#228;dchen

war erstaunlich leicht, und es reagierte auf die Ber#252;hrung und begann leise zu st#246;hnen, wachte aber nicht auf. »Schnell jetzt!« keuchte Mike. »Nichts wie raus hier!«

Er fuhr herum – und im gleichen Moment wu#223;te er, da#223; es zu sp#228;t war. Mike sp#252;rte es, eine halbe Sekunde, bevor Astaroth mit einem entsetzten Kreischen zur#252;ckprallte und das Wasser auf dem Grund des Schachtes st#228;rker zu brodeln begann. Etwas kam. Etwas Gewaltiges, unvorstellbar Altes und M#228;chtiges.

Das gr#252;ne Leuchten am Grunde des Schachtes verst#228;rkte sich, bis die ganze Halle in einem unwirklichen, kalten gr#252;nen Feuer zu erstrahlen schien. Ein unheimliches, elektrisches Knistern erf#252;llte die Luft, und Mike hatte pl#246;tzlich das Gef#252;hl, am ganzen K#246;rper von unsichtbaren Spinnweben ber#252;hrt zu werden.

Und dann erschien der Kolo#223;.

Das gr#252;ne Feuer verdichtete sich unmittelbar vor Mike zu einem Ball aus reiner, lodernder Glut, in deren Zentrum sich ein massiger K#246;rper bildete.

Es war das Gesch#246;pf vom Relief, aber was vor Mike und Andr#233; auftauchte, das war kein Bild, sondern ein lebendes, gewaltiges Wesen, ein Ding mit einem massigen, zweibeinigen K#246;rper, einem riesigen Sch#228;del und weit gespannten, ledrigen Schwingen, von denen glitzerndes Wasser wie geschmolzenes Metall herablief. Ein Dutzend riesiger Krakenarme wuchs wie ein Wald peitschender Schlangen aus dem aufgebl#228;hten Sch#228;del heraus, der ganz von einem Paar #252;bergro#223;er, rot leuchtender Augen ohne Pupillen beherrscht wurde.

Mike hatte gewu#223;t, da#223; derAltegro#223; war, obwohl er ihn nur als winzige Abbildung auf dem Stein gesehen hatte, aber was da vor ihm stand, das war kein Riese, sondern ein Gigant, mindestens f#252;nf Meter gro#223; und unvorstellbar stark. Seine Schwingen hatten die Gr#246;#223;e von Segeln, und die zuckenden Krakenarme waren dicker als Mikes Oberschenkel.

Das Gesch#246;pf war ein Ungeheuer, wie es entsetzlicher in keinem Alptraum vorkommen konnte, aber tausendmal schlimmer als das, was er sah, war das, was ersp#252;rte.Dieses Wesen war alt, unglaublich alt. Und es war so fremd und unverst#228;ndlich wie diese Pyramide, denn sie waren beide Teile einer Welt, die sich vollkommen von der der Menschen unterschied, so sehr, da#223; beide zusammen an einem Ort nicht existieren konnten. Etwas in Mike kr#252;mmte sich vor Entsetzen, als sich die gewaltigen Krakenarme nach ihm ausstreckten, aber er war unf#228;hig, davonzulaufen. Die blo#223;e N#228;he desAltenlahmte ihn vollkommen.

Dann ber#252;hrten ihn die peitschenden Arme.

Er sp#252;rte… nichts.

Der Schmerz, vielleicht der Tod, auf den er gefa#223;t war, kam nicht. Die Haut des Ungeheuers war glatt, warm und trocken, und obwohl seine Kraft ausreichen mu#223;te, einen Elefanten in St#252;cke zu rei#223;en, war seine Ber#252;hrung sanft, ein behutsames Tasten und Suchen statt des t#246;dlichen Schlages, den Mike erwartete.

Und dieses Suchen ging tiefer als nur bis zu seiner Haut. Er sp#252;rte, wie eine zweite, unsichtbare Hand in seine Gedanken griff, seine Erinnerungen und sein Selbst, bis in die verborgensten Winkel seiner Seele vordrang – und sich wieder zur#252;ckzog. Einen Moment lang stand der Titan noch da und starrte ihn aus seinen unheimlichen, blutroten Augen an, dann begann er zu verblassen und zog sich wieder in jene andere Dimension zur#252;ck, aus der er gekommen war.

Mike taumelte. Pl#246;tzlich hatte er nicht mehr die Kraft, Sarah zu halten. Er fiel auf die Knie herab, lie#223; das M#228;dchen zu Boden gleiten und mu#223;te sich im n#228;chsten Moment mit beiden H#228;nden abst#252;tzen, um nicht selbst zu fallen. In seinem Kopf drehte sich alles. Er f#252;hlte sich ausgelaugt und leer. Jedes bi#223;chen Kraft schien aus ihm gewichen zu sein. F#252;r eine Sekunde mu#223;te er mit aller Gewalt gegen eine Ohnmacht ank#228;mpfen.

Als sich die grauen Schleier vor seinen Augen lichteten, stand Andr#233; #252;ber ihm. »Alles in Ordnung?« fragte er.

Mike versuchte zu nicken, brachte aber kaum die Kraft dazu auf. »Was… was war das?« fragte er m#252;hsam.

Andr#233; zuckte mit den Achseln und sank auch auf die Knie, um nach Sarah zu sehen. »Ich wei#223; es nicht«, antwortete er. »Dasselbe hat er auch mit mir gemacht. Ich habe gedacht, mein Leben w#228;re zu Ende, aber er hat mir nichts getan. Als ob er kein Interesse an mir h#228;tte.« In diesem Moment #246;ffnete Sarah die Augen.

Sie blinzelte ein paarmal, dann richtete sie sich m#252;hsam auf und sah sich um, verwirrt und benommen, als h#228;tte sie M#252;he, sich zu erinnern, wo sie war.

»Sarah!« rief Andr#233;. »Wie f#252;hlst du dich? Bist du in Ordnung?«

Sarah nickte. Dann sch#252;ttelte sie den Kopf und sagte langsam: »Was ist geschehen?«

»Du erinnerst dich nicht?« wollte Andr#233; wissen.

Das M#228;dchen sch#252;ttelte wieder den Kopf, st#246;hnte und hob die Hand an die Stirn. »Ich wei#223; nicht«, murmelte es. »Da war… dasUngeheuer!«Sie stie#223; einen leisen Schrei aus, sprang auf die F#252;#223;e und sah sich wild um.

Mike hob beruhigend die Hand. »Keine Sorge!« sagte er rasch. »Er ist fort. Er wird uns nichts mehr tun.«Diese Behauptung entsprang mehr seiner Hoffnung als wirklicher #220;berzeugung, aber sie schien das M#228;dchen trotzdem zu beruhigen. Sarah h#246;rte auf zu zittern, aber sie sah Mike und Andr#233; vollkommen verst#246;rt an.

»Versuch dich zu erinnern!« sagte Mike beschw#246;rend. »Was ist geschehen? Was hat er mit dir gemacht? «

»Gemacht?« Sarah blickte ihn verst#228;ndnislos an. »Ich verstehe nicht… was… was meinst du?«

Mike h#228;tte vor Hilflosigkeit beinahe aufgeschrien. Er hatte das Gef#252;hl, der Wahrheit ganz nahe zu sein. Aber immer, wenn er danach greifen wollte, huschte sie im letzten Augenblick davon.

Sie ist jetzt so wie ihr.Das war es, was Astaroth gesagt hatte.Nicht mehr wie Serena.Aber was um alles in der Welt hatte er damit gemeint?!

Sie ist jetzt so wie ihr, nicht mehr so wie Serena. Viele sind hier wie sie.

Und dann, ganz pl#246;tzlich, von einem Sekundenbruchteil auf den anderen, wu#223;te er es. Die Erkenntnis stand so klar und deutlich in seinem Bewu#223;tsein, da#223; es keinen Zweifel daran gab.

»Um Gottes willen!« st#246;hnte er. »Andr#233;, ich wei#223; jetzt, was das alles bedeutet.« Er fuhr herum und deutete auf den Ausgang. »Schnell! Wir m#252;ssen zu Serena und den anderen! Vielleicht k#246;nnen wird das Schlimmste noch verhindern!«

Er rannte los, ehe Andr#233; auch nur den Mund aufmachen konnte, um eine Frage zu stellen.

Obwohl Mike rannte wie nie zuvor im Leben, h#246;rte er schon von weitem, da#223; sie zu sp#228;t kamen. Der L#228;rm der Schlacht drang ihnen entgegen, als sie sich dem Stadttor n#228;herten, ein Dr#246;hnen und Klirren, in das sich immer wieder gellende Schreie mischten, und #252;ber der Mauer tobte ein Gewitter aus blauen Blitzen und knisternder, magischer Energie.

Als sie durch das Tor st#252;rmten, erwartete sie ein entsetzlicher Anblick.

Serena hatte sich nicht damit begn#252;gt, die M#228;nner mitzunehmen, die bei dem #220;berfall auf die NAUTILUS dabeigewesen waren, sie hatte jeden mitgebracht, der in der Lage war, eine Waffe zu halten

– M#228;nner, Frauen, aber auch Kinder und Alte. Von den knapp dreihundert Mitgliedern des Volkes waren sicher zweihundertf#252;nfzig vor den Toren der alten Stadt erschienen, um Serena bei ihrem Krieg gegen die Fischmenschen zu unterst#252;tzen. Und wie es aussah, waren sie ihr geradewegs in den sicheren Tod gefolgt.

Der Platz vor dem Tor war eine Falle.

Es waren Hunderte und aber Hunderte von Fischmenschen, die Serena und ihrem zusammengew#252;rfelten Heer hier aufgelauert hatten. Der Kampf konnte erst vor kurzem entbrannt sein, aber der Widerstand des Volkes begann schon jetzt zu erlahmen. Dutzende von ihnen lagen bereits reglos auf dem Boden, und dasH#228;ufchen #220;berlebender wurde unbarmherzig weiter zusammengetrieben. Die Menschen wehrten sichtapfer, mit Schwertern, Gewehren, Messern oder auch einfach nur Kn#252;ppeln, aber die #220;bermacht war einfach zu gro#223;. W#228;re Serena nicht gewesen, dann w#228;ren sie wahrscheinlich schon im ersten Augenblick einfach #252;berrannt worden.

Das M#228;dchen stand im Zentrum des kleiner werdenden Kreises Verzweifelter, die den Ansturm der Fischmenschen aufzuhalten versuchten, und sie hatte ihre magischen Kr#228;fte nunmehr vollends entfesselt. Direkt #252;ber ihr blitzte und wetterleuchtete es ununterbrochen in der Luft. Serenas Gestalt war von blauen Flammen umgeben. Sie stand da wie ein lebendig gewordener Racheengel, der gekommen war, um einen uralten Kampf zu Ende zu bringen. Ihre H#228;nde spien blaue Funken, und wo immer diese einen der Angreifer trafen, wurde er von den F#252;#223;en gerissen und mit f#252;rchterlicher Kraft zu Boden geschleudert.

Und trotzdem bestand am Ausgang des Kampfes nicht der geringste Zweifel. Die #220;bermacht war zu gewaltig. Mike entdeckte Denholm und auch Malcolm unmittelbar neben Serena. Beide wehrten sich mit verbissener Kraft gegen die Angreifer, denen es immer wieder gelang, den Ring der Verteidiger zu durchbrechen und Serena direkt zu attackieren, aber auch ihre Gegenwehr wurde bereits schw#228;cher.

»Serena! Nein! H#246;r auf!«schrie Mike. Er rannte verzweifelt auf Serena zu, so schnell er konnte, und ihm wurde dabei nicht einmal bewu#223;t, da#223; sich die Reihen der Fischmenschen vor ihm teilten. Keines der riesigen Gesch#246;pfe, von denen jedes einzelne in der Lage gewesen w#228;re, ihn m#252;helos zu #252;berw#228;ltigen, griff ihn an. Und auch Denholms Leute wichen vor ihm zur#252;ck, so da#223; er unbehelligt bis zu Serena vordringen konnte.

»H#246;rt auf!« schrie er immer wieder. »H#246;rt alle auf! Das ist doch Wahnsinn!«

Und etwas Unheimliches geschah. Als w#228;ren seine Worte ein Befehl gewesen, gegen den es keinen Widerspruch gab, erlosch der Kampf rings um ihn herum. Die Fischmenschen zogen sich ein St#252;ck von ihren schon fast besiegten Gegnern zur#252;ck, und Denholms Krieger lie#223;en ihre Waffen sinken. Es war, als hielte die Schlacht f#252;r einen Moment den Atem an.

Auch Serena hatte die Arme gesenkt. Ihre H#228;nde hatten aufgeh#246;rt, blaues Feuer zu verschleudern, aber ihre Gestalt war noch immer in einen Mantel knisternder, kalter Glut geh#252;llt. Ihre Augen schienen zu brennen, w#228;hrend sie Mike anstarrte.

»Du bist also immer noch da«, sagte sie h#228;misch. »Hast du dich endlich entschieden, zu welcher Seite du geh#246;rst? Ich wu#223;te, da#223; du ein Feigling bist, aber ich habe nicht geglaubt, da#223; du auch ein Verr#228;ter bist!«

»Serena!« Mike blieb zwei Schritte vor dem M#228;dchen stehen

und rang keuchend nach Luft. »Ihr m#252;#223;t aufh#246;ren!« fuhr er

m#252;hsam fort. »Sie sind nicht eure Feinde!«

»Ach?« Serena lachte b#246;se. Sie deutete auf die reglosen, blutenden Gestalten auf dem Boden. »Und wie nennst du das?«

»Bitte, h#246;r mir zu!« sagte Mike verzweifelt. »Ihr werdet alle sterben, wenn ihr diesen Kampf fortsetzt!«

»Dann sterben wir eben!« antwortete Serena. »Das ist immer noch besser, als Sklaven dieser Bestien zu sein!« »Aber sie sind nicht eure Feinde!« antwortete Mike in beschw#246;rendem Ton. »Sieh doch!«

Er trat einen Schritt zur Seite und deutete auf Andr#233; und Sarah, die ihm gefolgt waren, jetzt aber in einiger Entfernung stehenblieben. »Sie haben ihnen nichts getan!«

Serena musterte Andr#233; und Sarah verbl#252;fft, und Malcolm stie#223; einen Schrei aus, rannte an Mike vorbei und schlo#223; seine Tochter in die Arme.

»Das ist… ein Trick«, sagte Serena. »Ein K#246;der, damit wir uns ergeben und sie kampflos gewinnen!«

»Nein!« antwortete Mike. »Bitte, Serena, glaub mir. Sie sind nicht eure Feinde. Das sind sie nie gewesen. Das Wesen, das ihr denAltennennt, will nicht euren Tod. Er will nur wiederhaben, was ihm geh#246;rt!«

Serena ma#223; ihn mit einem langen, mi#223;trauischen Blick. Sie sagte nichts, und in ihren Augen glomm noch immer dieses verzehrende Feuer – aber darinnen war auch pl#246;tzlich noch etwas anderes, das Mike Mut machte, weiterzusprechen.

»Du hattest recht, als du behauptet hast, da#223; deine Vorfahren diese Stadt hier errichtet haben«, sagte er. »Aber sie haben

sich dabei einer Kraft bedient, die ihnen nicht geh#246;rte.«

»Unsinn!« widersprach Serena heftig, aber in einem Tonfall, der Mike endg#252;ltig davon #252;berzeugte, da#223; er die Wahrheit sprach.

»Nein, Serena«, widersprach er. »Die magischen Kr#228;fte der Atlanter haben nie ihnen geh#246;rt. Sie haben sie gestohlen. Sie haben den Weg in eine andere Welt gefunden und etwas von dort mitgebracht, was ihnen nicht geh#246;rte. Und du wei#223;t, da#223; es so ist.«

Serena schwieg. Auch die anderen sagten nichts, und ein fast atemloses Schweigen begann sich #252;ber dem Platz auszubreiten, der noch vor kurzem vom L#228;rm der Schlacht und den Schreien der Verletzten und Sterbenden widergehallt hatte.

»Dieser Ort hier ist das Tor in ihre Welt«, fuhr Mike fort, nun leiser, aber noch immer mit erhobener Stimme, so da#223; seine Worte weithin h#246;rbar waren. »Es ist kein Zufall, da#223; ihr alle hier seid. Das Wesen, das uns hierhergebracht hat – das euch alle hergebracht hat – hat nach euch gesucht. Nach Menschen wie euch, in denen noch etwas vom Erbe der Atlanter schlummerte.«

Serena schwieg weiter. Der Ausdruck von Ha#223; war aus ihrem Gesicht verschwunden.

»Sie alle sind in irgendeiner Form Nachkommen der alten Atlanter«, fuhr Mike fort. »Deshalb hat die Qualle die Schiffe angegriffen, auf denen sie waren, und sie hierhergebracht. Und deshalb hat sie auch die NAUTILUS angegriffen. Nicht vorher. Nicht in all den Monaten, in denen wir allein an Bord waren, und nicht in all den Jahren, in denen mein Vater auf ihr gefahren ist.

Erst alsduan Bord gekommen bist, hat sie sich auf unsere Spur geheftet. Du wei#223;t, da#223; es so ist.«

»Und?« sagte Serena trotzig. »Was #228;ndert das?«

»Alles«, antwortete Mike. Er deutete auf Sarah. »Sich sie dir an. Ihr ist nichts geschehen. Er h#228;tte sie t#246;ten k#246;nnen, vollkommen m#252;helos. Aber er hat es nicht getan. Er hat sich nur genommen, was ihm geh#246;rt. Mehr will er nicht, und mehr hat er nie gewollt.« Er hob die Stimme noch ein wenig mehr. »Gebt ihm zur#252;ck, was ihm geh#246;rt, und er wird euch in Frieden gehen lassen, das verspreche ich euch. Er will nicht eure Leben. Er will nur die magische Kraft, die in euch schlummert. Er braucht sie, denn ohne sie kann er nicht leben.«

Mike schwieg eine Sekunde, dann atmete er tief ein und fuhr, wieder leiser, aber jetzt direkt an Serena gewandt, fort: »Und dasselbe gilt f#252;r dich. Er wird dir nichts tun. Wenn es dein Tod w#228;re, den er wollte, h#228;tte er dich l#228;ngst vernichtet.«

Serena ri#223; die Augen auf. »Du wei#223;t ja nicht, was du da redest!« keuchte sie. »Du verlangst tats#228;chlich von mir, da#223; ich… da#223; ich dort hineingehe und mich diesem… diesemUngeheuerausliefere? Dem Monster, das mein gesamtes Volk ausgel#246;scht hat?!«

»Aber das hat es nicht, Serena«, sagte Mike sanft. »Es waren die magischen Kr#228;fte deiner Vorfahren, die ihnen am Ende zum Verh#228;ngnis wurden. Die Magie, die nicht die ihre war und mit der sie nicht richtig umzugehen verstanden.«

Serena schwieg. In ihrem Gesicht tobte ein Sturm einander widerstrebender Gef#252;hle. Sie zitterte.

»Du wei#223;t, da#223; ich die Wahrheit sage«, sagte Mike leise. »Du hast es die ganze Zeit #252;ber gewu#223;t, nicht wahr? Bitte, Serena! Diese alte Feindschaftmu#223;enden. Geh und gib ihm zur#252;ck, was ihm geh#246;rt, und all diese Menschen hier werden endlich in Frieden leben k#246;nnen. Du brauchst die Magie nicht. Keiner von uns braucht sie. Sie hat schon einmal zum Untergang eines Volkes gef#252;hrt. Willst du wirklich, da#223; es wieder geschieht?«

Serena zitterte immer heftiger. »Nein«, fl#252;sterte sie.

»Aber ich… ich kann nicht. Ich glaube dir nicht.«

Sie mu#223;te in Mikes Gedanken l#228;ngst gelesen haben, da#223; er die Wahrheit sagte. Aber Mike verstand auch, warum sie sich noch immer gegen diese Erkenntnis zu wehren versuchte. Niemals zuvor konnte ihr eine Entscheidung so schwer gefallen sein wie diese. »Dann frag ihn.« Mike deutete auf Astaroth. »Er war dabei. Er wird dir best#228;tigen, da#223; ich die Wahrheit sage.«

Serena blickte den Kater lange an. Sie r#252;hrte sich nicht, und auch Astaroth stand vollkommen reglos da, aber allen war klar, da#223; zwischen dem M#228;dchen und dem ein#228;ugigen Kater eine stumme Zwiesprache stattfand. Und schlie#223;lich drehte sich Serena wieder zu Mike herum und nickte.

»Also gut«, sagte sie. »Ich… gehe. Aber ich habe furchtbare Angst.«

»Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte Sarah. Sie hatte sich aus der Umarmung ihres Vaters gel#246;st und kam auf Serena zu. »Ich werde dich begleiten. Er hat mir nichts getan, und er wird auch dir nichts tun. Ich wei#223; es.« Sie l#228;chelte Serena aufmunternd zu und hielt ihr die ausgestreckte Hand entgegen, und nach einer Sekunde des Z#246;gerns griff Serena danach. Die beiden M#228;dchen drehten sich Hand in Hand herum und begannen auf die Alte Stadt zuzugehen. Einer der Fischmenschen vertrat ihnen den Weg und streckte die Hand nach Serena aus. Mikes Herz machte einen Sprung in seiner Brust, und ein Gef#252;hl eisigen Entsetztens breitete sich in ihm aus.Hatte er sich get#228;uscht? Hatte Serena am Ende recht gehabt, und dies alles war nur eine Falle gewesen?Aber da l#246;ste sich die gewaltige Hand des Fischmenschen wieder von Serenas Schulter, und das M#228;dchen trat mit einem h#246;rbaren Seufzen zur#252;ck und lie#223; Sarahs Hand los. »Was –?« begann Mike. »Geht«, sagte Serena. Sie atmete m#252;hsam ein und wiederholte mit erhobener Stimme: »Geht in die Stadt. Alle. Gebt ihm zur#252;ck, was ihm geh#246;rt. Mike hat recht. Er wird euch nichts zuleide tun.« Aber niemand r#252;hrte sich. Hundert Augenpaare starrten Serena an, und schlie#223;lich war es wieder Mike, der die entscheidende Frage stellte:

»Und du?«

Serena l#228;chelte matt. »Ich komme nach«, sagte sie. »Ich habe hier noch etwas zu tun.« Sie deutete auf den Fischmenschen und sah Mike dabei fest an. »Er hat es mir gesagt. Keine Sorge. Wir… wir haben seine Kr#228;fte so lange mi#223;braucht, da#223; es jetzt auf eine Stunde mehr oder weniger nicht mehr ankommt. Und vielleicht kann ich sie jetzt zum ersten Mal zum Guten einsetzen.«

Mike glaubte zu verstehen, was Serena meinte. Und nur einen Moment sp#228;ter wandte sie sich um, kniete neben einem der Verletzten nieder und legte ihm die Hand auf die Stirn. Wieder gl#252;hten ihre Finger in einem unwirklichen, blauen Licht, aber diesmal war es keine Zerst#246;rung, die sie heraufbeschwor.

W#228;hrend Das Volk, angef#252;hrt von Sarah und ihrem Vater Malcolm, die Stadt betrat und sich auf den Weg zu der schwarzen Pyramide im Zentrum machte, schritt Serena langsam #252;ber das Schlachtfeld und nutzte die geliehene Magie einer fremden Welt zum allerletzten Mal. Sie kniete neben jeder reglosen Gestalt nieder, ber#252;hrte M#228;nner, Frauen, Kinder, aber auch die gefallenen Fischmenschen, und der Strom von Magie, der aus ihren H#228;nden flo#223;, heilte Wunden, l#246;schte den Schmerz und besiegte selbst den Tod.

Und schlie#223;lich, nachdem alle Verletzten aufgestanden waren, nachdem alle Wunden aufgeh#246;rt hatten zu bluten und nachdem die unglaubliche Macht jener fremden, uralten Welt selbst die Toten wieder ins Leben zur#252;ckgeholt hatte, wandte sich die letzte Prinzessin von Atlantis um und betrat ebenfalls die Alte Stadt.

Es vergingen noch zwei Wochen, bis die Reparaturen an der NAUTILUS soweit beendet waren, da#223; sie die Stadt auf dem Meeresgrund ungef#228;hrdet wieder verlassen konnten. Zwei Wochen, in denen unglaublich viel geschehen war – Mike kamen sie im R#252;ckblick vor wie zwei Jahre. Nicht nur Serena hatte sich in diesen beiden Wochen ver#228;ndert. Auch das Leben des Volkes war nicht mehr, was es bisher gewesen war. Und w#252;rde es nie mehr sein.

Mikes Blick suchte die Silhouette der Alten Stadt auf der anderen Seite der Bucht. Sie sah noch immer sonderbar aus, aber der Atem des Fremden und vermeintlich Feindseligen, der bisher davon ausgegangen war, war erloschen. Der Schacht im Herzen der schwarzen Pyramide hatte sich geschlossen, im gleichen Moment, in dem Serena als letzte demAltengegen#252;bergetreten war, um ihm zur#252;ckzugeben, was ihre Vorfahren ihm vor so langer Zeit gestohlen hatten, und mit ihm und demAltenselbst waren auch die Fischmenschen verschwunden.

Die Stadt aber war geblieben. Mike war am Morgen dieses Tages – des Tages ihrer Abreise – noch einmal dort gewesen, und er staunte noch jetzt #252;ber die Ver#228;nderung, die mit der Stadt vor sich gegangen war. Die Geb#228;ude wirkten noch immer bizarr, und vieles w#252;rde auf ewig unverst#228;ndlich und auch erschrekkend bleiben, aber nun war es ein Ort, an dem Menschen leben konnten. Denholm und seine Familie waren die ersten gewesen, die ihr Haus verlassen hatten und dorthin gezogen waren, und mittlerweile war ihnen fast das gesamte Volk gefolgt. Der kleine Ort inmitten des Korallenwaldes war verwaist, und schon bald w#252;rde die Natur das verlorene Terrain zur#252;ckerobert haben.

Jemand r#228;usperte sich hinter Mike, und als er sich herumdrehte, begegnete er Trautmans Blick. Der wei#223;haarige Steuermann der NAUTILUS wirkte ein bi#223;chen verlegen, aber in seinen Augen stand jetzt wieder das gewohnte, warme L#228;cheln.

»Es ist soweit«, sagte er. »Wir k#246;nnen losfahren.«

Mike nickte. Er w#228;re gerne noch geblieben, noch ein paar Tage, aber es gab etwas zu tun, was wichtiger war. Sie waren nicht mehr nur zu acht an Bord der NAUTILUS. Im Inneren des Schiffes hielten sich jetzt gut siebzig M#228;nner, Frauen und Kinder auf, Mitglieder des Volkes, die beschlossen hatten, die Stadt auf dem Meeresgrund zu verlassen und in die Welt unter der Sonne zur#252;ckzukehren, aus der ihre Vorfahren stammten. Mike war erstaunt gewesen, da#223; es nicht mehr waren – er hatte ganz automatisch angenommen, da#223;alleMenschen ihnen hinauf auf die Erdoberfl#228;che folgen w#252;rden, aber der weitaus gr#246;#223;te Teil des Volkes wollte hierbleiben, in einer Welt, die viel kleiner, auch einfacher und #228;rmer war als die, aus der Mike und die anderen stammten, die aber trotzdem ihre Heimat war. So hatte sich schlie#223;lich nicht einmal ein Viertel von ihnen an Bord der NAUTILUS eingefunden.

Sarah und ihre Familie waren nicht unter ihnen. Das M#228;dchen stand Arm in Arm mit Andr#233; neben Mike auf dem Deck der NAUTILUS, aber sie war nur gekommen, um sich zu verabschieden, nicht, um sie zu begleiten.

Mike l#228;chelte ihr zu, ehe er sich an Andr#233; wandte. Der junge Franzose erwiderte sein L#228;cheln, aber seine Augen schimmerten feucht. Mike war der letzte, von dem er sich noch nicht verabschiedet hatte, und es war ihm anzusehen, wie schwer ihm dies fallen w#252;rde.

»Du bist wirklich sicher, da#223; du hierbleiben willst?« fragte Mike. »Es kann lange dauern, bis wir zur#252;ckkommen. Vielleicht Jahre.«

»Und vielleicht nie, ich wei#223;«, sagte Andr#233;. »Trotzdem, mein Entschlu#223; steht fest.« Er schlo#223; seinen Arm fester um Sarahs Schulter. »Ich bleibe hier. Vielleicht verschl#228;gt es euch ja doch noch einmal hierher.«

»Bestimmt«, sagte Mike, obwohl er nicht sicher war, da#223; er dieses Versprechen wirklich halten konnte. Sie hatten sich fest vorgenommen, wiederzukommen, aber wer wu#223;te schon, was die Zukunft brachte? Und wenn die NAUTILUS erst einmal abgefahren war, dann war Andr#233; hier unten ebenso gefangen wie alle anderen.

Aber er sprach nichts davon aus. Der Anblick des Jungen und des blonden M#228;dchens, die eng aneinandergeschmiegt vor ihm standen, machte es ihm unm#246;glich. Vielleicht h#228;tte er Andr#233; tats#228;chlich #252;berreden k#246;nnen, sie zu begleiten, aber er hatte nicht das Recht, sich in sein Leben zu mischen. Andr#233; hatte sein Gl#252;ck gefunden.

Pl#246;tzlich sp#252;rte er einen dicken Klo#223; im Hals. Seine Augen begannen zu brennen. »Ich hasse gro#223;e Abschiedsszenen«, sagte er m#252;hsam. »Also dann – macht es gut, ihr zwei.«

Und damit fuhr er herum und rannte so schnell zur Einstiegsluke des Schiffes zur#252;ck, da#223; Andr#233; nicht einmal Zeit blieb, seine Worte zu erwidern. Mike vermied es, ihn und das M#228;dchen noch einmal anzusehen, sondern schlo#223; den st#228;hlernen Deckel #252;ber sich, so rasch er nur konnte, und kletterte hastig die Leiter hinunter.

Trautman erwartete ihn bereits. Neben ihm standen Serena und ein dunkelhaariger Mann, den er in den letzten Tagen darin unterwiesen hatte, das Steuer der NAUTILUS zu bedienen, und zwischen den beiden hockte Astaroth.

»Sind sie fort?« fragte Trautman.

Mike nickte wortlos. #220;ber ihnen polterten die Schritte Andres und Sarahs, als sie das Deck der NAUTILUS #252;berquerten, um zu dem Boot zu gelangen, das an seiner Seite festgemacht hatte. Mike hatte bis jetzt geglaubt, sich in der Gewalt zu haben, aber es war ihm deutlich anzusehen, was er f#252;hlte, denn Trautman streckte pl#246;tzlich den Arm aus und legte ihm mit einer v#228;terlichen Geste die Hand auf die Schulter.

»Es tut weh, einen Freund zu verlieren«, sagte er. »Aber

Andr#233; wei#223;, was er tut. Er h#246;rt auf die Stimme seines Herzens,

und das ist niemals falsch.«

»Ich wei#223;«, murmelte Mike. Nun liefen ihm wirklich die Tr#228;nen #252;ber das Gesicht, aber er k#228;mpfte nicht dagegen an, und seltsam: Er sch#228;mte sich ihrer nicht einmal, obwohl Trautman, der Fremde und Serena dabei waren. Vielleicht weil er in den Augen des M#228;dchens dasselbe warme L#228;cheln entdeckte, das er auch in Andres und Sarahs Blicken gelesen hatte. Serena hatte sich wirklich ver#228;ndert. Sie litt sicherlich schwer unter dem Verlust, den sie hatte hinnehmen m#252;ssen, denn sie war von einer Sekunde auf die andere von einer Prinzessin zu einem ganz normalen M#228;dchen, von einer Magierin zu einem ganz normalen Menschen geworden. Mike hatte es niemandem gesagt, aber im stillen bewunderte er die St#228;rke, mit der Serena diese Verwandlung verkraftet hatte.

»Immerhin sind wir noch genauso viele wie vorher«, sagte er mit einem erzwungenen L#228;cheln in Serenas Richtung. »Es bleibt doch dabei – du gehst nicht mit ihnen, sondern bleibst bei uns?«

»Aber nat#252;rlich.« Serena l#228;chelte. »Das hier ist immer noch mein Schiff, hast du das vergessen?«

Trautman r#228;usperte sich. »Also, dar#252;ber sollten wir noch reden«, sagte er. »Aber ich bin sicher, wir finden eine L#246;sung. Sobald wir einen Ort gefunden haben, an dem unsere Passagiere sicher an Land gehen k#246;nnen, besprechen wir das weitere Schicksal der NAUTILUS. Er wandte sich an den Mann am Steuerruder.« »Fertig?« Der Dunkelhaarige nickte und deutete durch eines der beiden gro#223;en Fenster nach drau#223;en. Das Boot, mit dem Andr#233; und Sarah gekommen waren, hatte abgelegt und begann sich rasch von der NAUTILUS zu entfernen.

»Also dann«, sagte Trautman. »Tauchen.«

Tief im Rumpf der NAUTILUS begannen die Pumpen zu arbeiten, die die Tauchkammern des Schiffes mit Wasser f#252;llten, und vor den Fenstern stieg der Wasserspiegel allm#228;hlich an, bis die Welt drau#223;en wieder den gewohnten, dunkelgr#252;nen Farbton angenommen hatte.

Das Schiff zitterte sacht, als die Maschinen anliefen und die NAUTILUS Fahrt aufnahm.

Mike wollte sich gerade umwenden, um zur Treppe und seiner Kabine hinunterzugehen, als er ein leisesMiauen hinter sich h#246;rte. #220;berrascht blieb er stehen und senkte den Blick. Astaroth sa#223; noch immer zwischen Serena und Trautman, aber er hatte sich erschrocken aufgerichtet und die Ohren gespitzt. Von ihm war das Miauen ganz eindeutignichtgekommen.

»Ach ja«, sagte Serena mit einem leichten L#228;cheln. »Nachdem alles so gut ausgegangen ist, habe ich mir gedacht, da#223; du auch eine Belohnung verdienst, mein lieber kleiner W#228;chter. Schlie#223;lich warst du nicht ganz unschuldig an allem, nicht wahr?«

Astaroth sprang mit einem Satz auf die Pfoten und sah sich wild um, und in diesem Moment erklang das Miauen erneut, und dann l#246;ste sich ein kleiner, schwarzwei#223;er Umri#223; aus den Schatten und trat auf Astaroth zu.

Mike wu#223;te zwar, da#223; es ganz und gar unm#246;glich war – aber er h#228;tte in diesem Moment seine rechte Hand darauf verwettet, da#223; der Kater bla#223; wurde.

»Wir haben in letzter Minute noch einen zus#228;tzlichen Passagier an Bord genommen«, fuhr Serena in sp#246;ttischem Ton fort.

»Besser gesagt, einePassagierin.Ich bin sicher, du freust dich genau wir wir alle, Astaroth.«Bei Poseidon!kreischte Astaroths Stimme in Mikes Kopf.Die Bekloppte!

Und damit scho#223; er davon, dicht gefolgt von der kleinen, schwarzwei#223;en Katze, die ein kl#228;gliches Miauen h#246;ren lie#223;, ihm aber an Geschwindigkeit kaum nachstand.

Trautman lachte so laut und herzhaft, da#223; ihm die Tr#228;nen #252;ber das Gesicht liefen, und nach einem Moment der Verbl#252;ffung fielen auch Mike und schlie#223;lich Serena in dieses Lachen ein. Ein wenig, dachte Mike, war Serena wohl doch noch die alte.

Aber nur ein wenig.