"Das Mädchen von Atlantis" - читать интересную книгу автора (Хольбайн Вольфганг)

KAPIT#196;N NEMOS KINDER

)

WOLFGANG HOHLBEIN DAS M#196;DCHEN

VON ATLANTIS

UEBERREUfER

Die Deutsche Bibliothek -CIP-Einheitsaufnahme

Hohlbein, Wolfgang: Das M#228;dchen von Atlantis/ Wolfgang Hohlbein. -Wien: Ueberreuter, 1993 (Kapit#228;n Nemos Kinder) ISBN 3-8000-2374-1

J 2039/1 Alle Rechte vorbehalten Umschlagillustration von Doris Eisenburger Copyright (C) 1993 by Verlag Carl Ueberreuter, Wien Printed in Germany 357642

Das ged#228;mpfte Wummern der Motoren, von denen das gewaltige Unterseeboot w#228;hrend der letzten Monate erf#252;llt gewesen war, hatte sich in ein leises Tuckern verwandelt und war schlie#223;lich ganz verstummt. In den ersten Tagen und N#228;chten hatte Mike den Motorenl#228;rm verflucht, denn es war ein Ger#228;usch, das in jeden Raum, jede Ecke, jeden noch so verborgenen Winkel des Schiffes drang und das bald angefangen hatte, nicht nur seinen Herzschlag, sondern auch jeder seiner Bewegungen, der Betonung seiner Worte und selbst seinen Gedanken seinen Rhythmus aufzuzwingen. Aber er hatte sich daran gew#246;hnt, und jetzt empfand er die fast geisterhafte Ruhe beinahe als unangenehm. Aber vielleicht lag es auch nur an seiner Stimmung, die kaum gedr#252;ckter h#228;tte sein k#246;nnen, wenn der Weltuntergang unmittelbar bevorstehen w#252;rde. Mike sah sich in der kleinen, einfachen Kammer um, die in den vergangenen Monaten sein Zuhause gewesen war. Er hatte jeden Zentimeter dieses Raumes ebenso wie das #252;brige Schiff -kennen- und lieben gelernt. Ganz egal, wie viele Wunder man auf diesem Schiff entdeckte, ganz egal, wie viele Geheimnisse man ergr#252;nden mochte -f#252;r jede Frage, auf die er eine Antwort gefunden hatte, hatten sich zwei neue gestellt, und es hatte keinen Tag gegeben, an dem er oder die anderen nicht wieder etwas Neues #252;ber die Funktionen des Schiffes herausgefunden hatten. Denn dies war nicht nur ein Unterseeboot -was im August des Jahres 1914, in dem sie sich der englischen K#252;ste wieder n#228;herten, an sich schon eine Sensation gewesen w#228;re. Es war die NAUTILUS, das legend#228;re Tauchboot des nicht minder legend#228;ren Kapit#228;ns Nemo, die Mike (und mit ihm nahezu der gesamte Rest der Menschheit) bisher noch f#252;r eine blo#223;e Erfindung gehalten hatte -ebenso wie ihren Erbauer. Aber inzwischen war viel geschehen, und Mike wu#223;te, da#223; sein Leben nie mehr das gleiche wie fr#252;her sein w#252;rde. Noch vor mehr als einem halben Jahr hatte er sich f#252;r einen ganz normalen, durchschnittlichen Jungen gehalten, einer von #252;ber zweihundert ganz normalen, durchschnittlichen Sch#252;lern des englischen Internats, in dem er die letzten sechs Jahre seines Lebens verbracht hatte. Nichts davon kam der Wahrheit irgendwie nahe. Es begann damit, da#223; er erfahren hatte, da#223; sein seit langem toter Vater nicht ein indischer Adeliger gewesen war, wie Mike bisher angenommen hatte, sondern niemand anders als jener legend#228;re Kapit#228;n Nemo. Und auch er, Mike, war alles andere als einnormalerSch#252;ler des Nobelinternats vor den Toren Londons. Sein wirklicher Name lautete Prinz Dakkar, und er war nicht nur der Erbe des betr#228;chtlichen Verm#246;gens seines Vaters, sondern zugleich auch der Erbe der NAUTILUS und mit ihr des unvorstellbaren Schatzes an Wissen und Macht, den sie darstellte, kurz -was Mike in den letzten sieben Monaten widerfahren war, war etwas wie ein M#228;rchen. Allerdings -an das Verm#246;gen seines Vaters kam er nicht heran. Er konnte sich auch nicht vorstellen, da#223; er und die anderen so einfach nach Andara-House zur#252;ckkehren konnten, als w#228;re nichts geschehen. Und was die NAUTILUS betraf ... Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als die T#252;r ge#246;ffnet wurde. Juan steckte den Kopf herein.

»Wo bleibst du?« fragte er. »Wir warten schon alle auf dich.« Er trat in die Kabine und legte Mike die Hand auf die Schulter. »Es tut weh, nicht wahr?« Seine Stimme war leise und mitf#252;hlend. Juan war trotz seiner Jugend ganz das, was man sich unter dem klassischen stolzen spanischen Edelmann vorstellte. Da#223; er jemandem kameradschaftlich die Hand auf die Schulter legte, war beinahe undenkbar. Mike wu#223;te diesen Freundschaftsbeweis durchaus zu sch#228;tzen. Trotzdem nickte er nur stumm. Was h#228;tte er auch schon sagen sollen? Der Abschied tat wirklich weh. In den letzten Wochen hatten er und seine Freunde mitgeholfen, defekte Aggregate zu reparieren, und gelernt, wie man viele der Maschinen bediente. Sie hatten hier geschlafen, gelacht, gegessen und wilde Pl#228;ne gesponnen, und zumindest f#252;r Mike war das Schiff in dieser Zeit mehr zu einer Heimat geworden, als es Andara-House, das Internat, ja selbst das Anwesen seines Vormunds in Indien je gewesen waren. Es war einfach nicht fair, dachte er, da#223; er all dies nun aufgeben mu#223;te. Nat#252;rlich hatte er von Anfang an gewu#223;t, da#223; sie nur eine begrenzte Zeit hier verbringen w#252;rden, Trautman hatte an seinen diesbez#252;glichen Pl#228;nen von Anfang an keinen Zweifel gelassen. Aber Mike hatte jeden Gedanken daran, was nach ihrer R#252;ckkehr nach England geschehen w#252;rde, weit von sich geschoben. Und nun war es pl#246;tzlich da. »Es ist... nicht fair!« sagte er mit schwankender Stimme. »Es ist einfach nicht gerecht!« »Nein, das ist es nicht«, best#228;tigte der junge Spanier. »Und das hat auch niemand behauptet. Aber es ist das einzig Vern#252;nftige. Du selbst hast schon auf der Vergessenen Insel eingewilligt, da#223; die NAUTILUS zerst#246;rt wird. Ich kann mir vorstellen, wie dir zumute ist, aber trotzdem ...«

Auf der Vergessenen Insel, dem Versteck der NAUTI-LUS, war sie f#252;r ihn nur ein Mythos gewesen, der unvermutet Wirklichkeit geworden war. Er hatte damals keinerlei pers#246;nliche Beziehung zu diesem Schiff gehabt, sondern es nur als das gesehen, was es im Grunde auch war: ein phantastisches Fahrzeug und eine gef#228;hrliche Waffe, die ungeheuren Schaden anrichten konnte, wenn sie in die falschen H#228;nde fiele. Und diese Gefahr hatte damals durchaus bestanden: Kapit#228;n Winterfeld von der kaiserlichdeutschen Kriegsmarine hatte gewisserma#223;en schon seine H#228;nde nach der NAUTILUS ausgestreckt. Vor die Wahl gestellt, ihm das Schiff zu #252;berlassen oder es zu zerst#246;ren, war es Mike vergleichsweise leicht gefallen, sich f#252;r letzteres zu entscheiden. Aber jetzt sah die Sache entschieden anders aus. Sie waren Winterfeld entkommen. Andererseits war Mike klar, da#223; der Kapit#228;n die Suche nach ihnen mit Sicherheit nichtaufgegebenhatte, daf#252;r hatte er viel zu viel riskiert, um in den Besitz der NAUTILUS zu gelangen.#220;ber kurz oder lang w#252;rden sie ihm wieder begegnen -und ob es ihnen noch einmal gelingen w#252;rde, ihn hinters Licht zu f#252;hren, war mehr als fraglich. Winterfeld war r#252;cksichtslos und gef#228;hrlich und alles andere als dumm. »Ich k#246;nnte heulen bei dem Gedanken, da#223; Trautman dieses wunderbare Schiff zerst#246;ren wird, sobald wir von Bord gegangen sind«, sagte er. »Ich wei#223;«, antwortete Juan ernst. »Meinstdu, mir geht es anders?« #220;berrascht sah Mike den jungen Spanier an. Juan war schon immer ein Einzelg#228;nger gewesen, der jeder Situation mit Vernunft begegnete. Nur wer ihnwirklichkannte, konnte ermessen, wie schwer ihm ein Eingest#228;ndnis wie dieses fallen mu#223;te.

»Aber es geht nun einmal nicht anders«, fuhr Juan fort. »Trautman hat gut eineinhalb Jahrzehnte damit verbracht, die NAUTILUS zu bewachen. Sie ist sein Lebensinhalt. Glaubst du, er w#252;rde sie vernichten, wenn er irgendeine andere M#246;glichkeit s#228;he?« Widerstrebend nickte Mike -es nutzte nichts, mit dem Schicksal zu hadern. Die Dinge waren nun einmal, wie sie waren. »Du hast recht«, murmelte er und straffte sich. »Gehen wir.« An der T#252;r verharrte er noch einmal und lie#223; seinen Blick durch die Kabine schweifen, die er niemals wiedersehen w#252;rde. Die letzten sieben Monate wa

ren ... Nein, es gab keine Worte, um es zu beschreiben. Das gro#223;e Abenteuer seines Lebens. Aber nun war es vorbei, und vielleicht sollte er versuchen, seinen Schmerz dar#252;ber nicht #252;berm#228;chtig werden zu lassen, um sich wenigstens die Erinnerung an diese Zeit so zu bewahren, wie sie es verdiente. Seine Augen brannten. Er mu#223;te einen Tr#228;nenschleier fortblinzeln, als er sich endlich mit einem Ruck abwandte und die T#252;r hinter sich schlo#223;. Sie traten auf den Gang hinaus, der beinahe durch die gesamte L#228;nge des Tauchbootes f#252;hrte. Im Gegensatz zu dem Unterseeboot, mit dem Kapit#228;n Winterfeld sie entf#252;hrt hatte (dem einzigen, in dem Mike jemals zuvor gewesen war) und in dem alles so niedrig und schmal gebaut war, da#223; man schon nach zehn Minuten Platzangst bekam, war die NAUTILUS riesig. Sie war gut hundert Meter lang und besa#223; mehrere Decks, so da#223; sie fast schon so etwas wie eine kleine,

schwimmende Stadt aus Stahl war. Trautman und die anderen erwarteten sie in der Kommandozentrale. Die anderen, das waren Ben, Andr#233; und Chris, wie Mike Sch#252;ler in Andara-House, und

dazu Ghunda Singh, der Sikh-Krieger, Mikes Diener und Leibw#228;chter. »Na endlich«, brummte Ben, als Mike und Juan eintraten. Er wollte noch mehr sagen, erntete jedoch einen so scharfen Blick Trautmans, da#223; er den Mund wieder zuklappte. Ben war vermutlich der einzige, der sich auf das Ende der Reise freute. Anfangs hatte er am sch#228;rfsten dagegen protestiert, die NAUTILUS zu zerst#246;ren - allerdings nicht, weil er so an dem Schiff hing, sondern weil er fand, es m#252;#223;te der englischen Marine #252;bergeben werden. Seit er eingesehen hatte, da#223; er weit und breit der einzige war, der das f#252;r eine gute Idee hielt, hatte er sich nach Kr#228;ften bem#252;ht, ihnen die Freude an der Reise zu verderben. Trautman musterte Mike einige Sekunden lang. Seine Finger spielten nerv#246;s mit einer zusammengerollten Zeitung: einer beinahe drei Wochen alten Ausgabe der TIMES, die sie auf dem Weg hierher erstanden hatten. Trautman war damals eigens daf#252;r an Land gegangen, was im Moment ein nicht unerhebliches Risiko darstellte. Nach f#252;nfzehn Jahren, die er in vollkommener Isolation verbracht hatte, war er neugierig, was in der Welt vor sich ging. Aber schon die Schlagzeile hatte ihm jegliche Lust an der weiteren Lekt#252;re genommen: Sie sagte, da#223; der Ausbruch eines Krieges nun so gut wie unvermeidlich geworden sei. Und so wie es aussah, war die Behauptung nicht #252;bertrieben gewesen. »Bist du soweit?« erkundigte sich Trautman. Mike ri#223; seinen Blick von der zusammengerollten Zeitung los und nickte widerstrebend. »Dann la#223;t uns gehen«, sagte Trautman und wandte sich zur T#252;r. Ohne ein weiteres Wort folgten sie Trautman die schmale Treppe zum Turm und danach auf das Deck der NAUTILUS hinauf. Sie waren in der N#228;he von Alderney aufgetaucht. Ur

spr#252;nglich hatte Trautman vorgehabt, die Themsem#252;ndung direkt anzusteuern und sie irgendwo in der N#228;he von London an Land zu setzen, was sich jedoch als unm#246;glich erwiesen hatte. Das Meer wimmelte nur so von Kriegsschiffen, und vor allem die Themsem#252;ndung wurde streng bewacht. Schon die ganze Zeit war die politische Lage in Europa ernst gewesen: Der Balkan war schon seit Jahren Krisengebiet, und zwischen dem deutschen Kaiserreich auf der einen und Frankreich und Gro#223;britannien auf der anderen Seite gab es tiefgehende Spannungen. Die gro#223;e Zahl von Kriegsschiffen vor der englischen K#252;ste deutete darauf hin, da#223; sich die Situation seither offenbar noch betr#228;chtlich versch#228;rft hatte. Deshalb hatte es einige Tage gedauert, bis Trautman entschieden hatte, sie auf der Kanalinsel abzusetzen. Von dort aus sollten sie mit einer F#228;hre nach England #252;bersetzen. Ein kalter Wind blies ihnen in die Gesichter, als sie auf das Deck der NAUTILUS hinaustraten. Es war sp#228;t in der Nacht, und passend zu Mikes Stimmung waren schwarze Regenwolken am Himmel aufgezogen, die das Licht der Sterne und des Mondes verschluckten, so da#223; fast vollkommene Dunkelheit herrschte, in der die wenigen Lichter der kleinen Hafenstadt wie ein Sternenband aufleuchteten. Trautman deutete wortlos auf das kleine Ruderboot, mit dem sie an Land gehen w#252;rden. Die NAUTILUS hatte sich der K#252;ste so weit gen#228;hert, wie es ging, trotzdem lag zwischen ihnen und dem Strand noch eine gute Meile. Leichter Nebel war aufgezogen, der ihnen eine unbemerkte Landung erm#246;glichen w#252;rde: Au#223;erdem war Alderney eine kleine Insel, mit einem kleinen Hafen, den sich sicherlich niemand zu bewachen die M#252;he machte.

»Also los«, sagte Trautman. »Das Wetter ist g#252;nstig. In einer Stunde wird es hell. Wenn sich der Nebel verzieht, m#246;chte ich nicht mehr hier sein. Beeilt euch.« Diese beinahe r#252;de Art #252;berraschte Mike, aber dann begriff er, weshalb sich der Kapit#228;n der NAUTILUS so benahm. Nicht nur Mike hatte l#228;ngst gesp#252;rt, da#223; er und die anderen Trautman ebenso ans Herz gewachsen waren wie er ihnen. Er verbarg nur seinen Schmerz hinter seiner Ruppigkeit, um sich und ihnen den Abschied zu erleichtern. Hintereinander kletterten sie an Bord des kleinen Bootes, Juan und Ben griffen nach den Rudern, w#228;hrend Andr#233;, Chris und Singh das Boot mit vereinten Kr#228;ften von der Bordwand der NAUTILUS abstie#223;en. Zuerst schien es ihnen nicht zu gelingen, denn die Str#246;mung dr#252;ckte das Boot immer wieder gegen das gro#223;e Schiff, fast als h#228;tte es einen eigenen Willen und wollte ebensowenig hier weg wie Mike und die anderen. Aber schlie#223;lich war der Abstand doch gro#223; genug, Juan und Ben tauchten ihre Ruder ins Wasser und begannen zu pullen. W#228;hrend der ganzen Zeit wandte Mike den Blick nicht von der NAUTILUS ab. Selbst als sie schon l#228;ngst vom Nebel verschluckt worden war, starrte er unverwandt weiter in die Richtung, in der er das Schiff wu#223;te. Obwohl er sich fest vorgenommen hatte, nicht zu weinen, konnte er die Tr#228;nen nun doch nicht ganz unterdr#252;cken -aber er war nicht der einzige. Chris, der mit seinen neun Jahren der J#252;ngste von ihnen war, weinte ganz offen, aber auch Andr#233; und sogar Juan drehten ein paarmal den Kopf weg und wischten sich verstohlen #252;ber die Augen. Lediglich Singh lie#223; sich wie #252;blich keine Gef#252;hlsregung anmerken, und Ben -was auch sonst? -gab sich alle M#252;he, seinem Ruf als Miesepeter gerecht zu werden.

»Wirklich toll«, kommentierte er, nachdem sie sich ein gutes St#252;ck von der NAUTILUS entfernt hatten. »England befindet sich wahrscheinlich schon im Krieg mit den Deutschen, und dieser alte Narr will das gro#223;artigste Schiff versenken, das jemals gebaut wurde. W#252;rden wir die NAUTILUS der britischen Marine zur Verf#252;gung stellen, k#246;nnte sie den Verlauf dieses Krieges entscheidend beeinflussen.« »Halt die Klappe«, sagte Andr#233;. Auch er starrte weiter in den Nebel zur#252;ck, und in seinem Gesicht stand derselbe Kummer geschrieben, den auch Mike versp#252;rte. »Aber sicher, ich halte sofort den Mund«, maulte Ben. »Ich meine -warum sollte ich auch was sagen? Die NAUTILUS auf unserer Seite k#246;nnte ja nur vielleicht Tausende von Menschenleben retten.« »Oder aber kosten«, entgegnete Juan an Andr#233;s Stelle. Er seufzte. »Das haben wir doch schon oft genug durchgekaut, oder?« »Aber da wu#223;ten wir noch nicht, da#223; der Krieg tats#228;chlich ausgebrochen ist. Das ist eine v#246;llig andere Situation.« Ben hielt f#252;r einen Moment mit Rudern inne und blickte Juan herausfordernd an. »Willst du vielleicht, da#223; die Deutschen gewinnen?« »Bitte schweig«, sagte Singh pl#246;tzlich. »Erweise ihm diese letzte Ehre. Er hat sie wahrlich verdient.« Mike blinzelte. Juan, Andr#233; und selbst Chris hatten auf einmal einen sehr sonderbaren Ausdruck auf dem Gesicht, und Mike #252;berfiel ein unbehagliches Gef#252;hl. »Was ... meinst du damit?« fragte er z#246;gernd. Singh wandte den Kopf und sah ihn aus seinen schwarzen, unergr#252;ndlichen Augen an: »Wir werden Trautman nicht wiedersehen, Herr. Er wird die NAU-TILUS auf ihrer letzten Fahrt begleiten.« »Das wei#223; ich«, antwortete Mike, »aber wieso -« Er stockte. Dann begriff er - und fuhr so erschrocken in die H#246;he, da#223; das winzige Boot wild auf dem Wasser zu schaukeln begann. »Du meinst -« »Er meint, da#223; Trautman mit der NAUTILUS untergehen wird«, fiel ihm Juan ins Wort. »Und jetzt sag blo#223; noch, du hast das nicht gewu#223;t!« Aber genau so war es. Mike gestand sich ein, da#223; er bis jetzt noch nicht einmal dar#252;ber nachgedacht hatte, was Trautman tun w#252;rde, nachdem er die NAUTI-LUS versenkt hatte. Die Antwort war einfach: Er w#252;rde nichts tun, weil er mit dem Schiff sterben w#252;rde. Er w#252;rde es irgendwo versenken, wo das Meer tief genug war, da#223; der Wasserdruck es zermalmen w#252;rde, und Trautman w#252;rde an Bord bleiben. Er liebte die NAUTILUS #252;ber alles und hatte die letzten f#252;nfzehn Jahre seines Lebens das Schiff bewacht. Wenn es nicht mehr da war, hatte auch sein Leben seinen Sinn verloren. Er w#252;rde zusammen mit der NAUTILUS untergehen: das Schiff, das er fast ein Menschenleben lang besch#252;tzt und bewacht hatte, w#252;rde nun zu seinem Grab werden. »Das ... das darf er nicht«, stammelte er. »Das lasse ich nicht zu! Kehrt um! Rudert sofort zur#252;ck.« Ben sch#252;rzte nur ver#228;chtlich die Lippen und pullte weiter, w#228;hrend Juan ihn voll Mitgef#252;hl ansah. Singh legte ihm sanft die Hand auf die Schulter. »Es h#228;tte keinen Sinn«, sagte er. »Wahrscheinlich ist er bereits fort. Und selbst wenn nicht - Ihr wi#223;t, da#223; er so handeln mu#223;. Ihr k#246;nntet ihn nicht aufhalten. Ihr w#252;rdet es nur f#252;r uns alle schwerer machen.« Mike schlug seine Hand beiseite und funkelte ihn an. Gleich darauf tat ihm seine eigene Unbeherrschtheit schon wieder leid - aber Singh schien sie ihm nicht #252;belzunehmen. Er sp#252;rte wohl, da#223; es nur seine Art war, mit dem Entsetzen fertig zu werden.

Und nach einer Weile lie#223; sich Mike auch wieder zur#252;cksinken und schlo#223; die Augen. Diesmal versuchte er nicht, die Tr#228;nen zur#252;ckzuhalten, die unter seinen Lidern hervorquollen.

Sie hatten sich erkundigt, wann die n#228;chste F#228;hre ablegen w#252;rde, und dabei erfahren, da#223; sich Gro#223;britannien tats#228;chlich im Kriegszustand mit Deutschland befand. So schrecklich die Nachricht auch war, brachte sie ihnen doch einen Vorteil. Vor der Kriegserkl#228;rung hatte nur alle paar Tage eine F#228;hre zwischen Alderney und dem britischen Festland verkehrt. Jetzt aber fuhr t#228;glich mehrmals eine F#228;hre: die n#228;chste bereits eine Stunde nach Sonnenaufgang. Um nicht aufzufallen, gingen sie nicht in einer Gruppe, sondern getrennt an Bord - Singh, der sich des neunj#228;hrigen Chris' angenommen hatte, als erster, danach kam Ben (niemand hatte sich seinem Vorschlag,alleinzu gehen, besonders nachdr#252;cklich widersetzt), und am Schlu#223; und mit einigen Minuten Abstand folgten Juan, Andr#233; und Mike selbst. Es war ein sonderbares Gef#252;hl, nach so langer Zeit wieder unter Menschen zu sein. Immerhin waren mehr als sieben Monate vergangen, seit sie England verlassen hatten, und seither waren sie eigentlich fast immer allein gewesen. Wenn #252;berhaupt, so hatte sich Mike auf diesen Aspekt ihrer R#252;ckkehr am meisten gefreut: endlich wieder unter Menschen zu sein und einmal andere Gesichter zu sehen als die Singhs, Trautmans oder der vier anderen. Aber nun f#252;hlte Mike sich unter all diesen Menschen nicht wohl. Ganz im Gegenteil: Sie machten ihm angst. Auf dem Deck der schwankenden F#228;hre herrschte enormes Gedr#228;nge. Er hatte das Gef#252;hl, keine Luft mehr zu bekommen, und der L#228;rm war unbeschreiblich.

Erst nach einer Weile wurde ihm klar, weshalb. Es waren nicht die Menschen, die ihm ein solches Unbehagen einfl#246;#223;ten. Es war ihre Angst, die er sp#252;rte. Wohin er auch sah, blickte er in bedr#252;ckte Gesichter, sah er in Augen, die sorgenvoll dreinblickten, und es schien nur ein Gespr#228;chsthema zu geben: den Krieg. Je mehr Mike dar#252;ber nachdachte, desto absurder erschien ihm die Vorstellung, da#223; sich pl#246;tzlich ganze Nationen gegen#252;berstehen sollten, bis an die Z#228;hne bewaffnet und wild entschlossen, den anderen niederzumachen, ganz gleich, was es kostete. Es gelang ihm einfach nicht, den Gedanken alsWirklichkeitzu akzeptieren. Krieg, das war etwas, wor#252;ber man in Geschichtsb#252;chern las oder in Romanen, wo er einen spannenden Hintergrund bilden mochte. Es war Vergangenheit. Die Zeiten, in denen man Meinungsverschiedenheiten dadurch l#246;ste, indem man den anderen kurzerhand t#246;tete, sollten eigentlich l#228;ngst vorbei sein. Ihm selbst kam die Vorstellung noch immer l#228;cherlich vor. Aber die Angst in den Gesichtern der

Menschen hier war echt. Die F#228;hre legte p#252;nktlich ab und nahm Kurs auf die Britischen Inseln. Juan, Andr#233; und Mike hatten sich einen Platz auf dem Achterdeck erobert, an dem sie

wenigstens stehen konnten, ohne sich gegenseitig auf die Zehen zu treten. Falls diese F#228;hre #252;berhaupt jemals so etwas wie Sitzpl#228;tze gehabt hatte, so waren sie entfernt worden, um Platz f#252;r mehr Passagierezu schaffen. Zumindest w#252;rde die #220;berfahrt nicht lange dauern -der Mann, der ihnen die Karten verkauft hatte, hatte gesagt, da#223; sie kaum zwei Stunden brau

chen w#252;rden, um England zu erreichen.

Mikes Blick irrte immer wieder auf das Meer hinaus,

und er ertappte sich bei der widersinnigen Hoffnung,

den Turm der NAUTILUS auftauchen zu sehen.

Nat#252;rlich w#252;rde das nicht geschehen. Sie hatten vor einer halben Stunde abgelegt, und das bedeutete, da#223; Trautman jetzt bereits seit anderthalb Stunden unterwegs war, um die NAUTILUS in ihren letzten Hafen zu steuern. Der Gedanke erf#252;llte ihn mit tiefer Traurigkeit. Er sp#252;rte erst jetzt wirklich, wie sehr ihm dieser alte Mann ans Herz gewachsen war. Aber war es nicht oft im Leben so -da#223; man erst begriff, wie viel einem ein Mensch bedeutete, wenn er nicht mehr da war? »Nimm es nicht so schwer«, sagte Andr#233; leise. »Trautman tut, was er tun mu#223;. Er hat sich diese Entscheidung bestimmt nicht leicht gemacht.« Mike begriff, da#223; seine Gedanken ziemlich deutlich auf seinem Gesicht zu lesen sein mu#223;ten. »Ich ... habe nicht daran gedacht«, antwortete er wenig #252;berzeugend. »Ich habe nach Singh und den anderen Ausschau gehalten.« Andr#233; zog nur die Augenbrauen zusammen, aber Juan deutete mit der Hand nach vorne. »Singh und Chris sind irgendwo am Bug, glaube ich«, sagte er. »Ben steht dort dr#252;ben und bl#228;st Tr#252;bsal.« Mikes Blick folgte dem ausgestreckten Arm des Spaniers, und tats#228;chlich sah er Ben: Er stand nur ein knappes Dutzend Schritte entfernt an die Reling gelehnt da und starrte mit finsterem Gesicht auf das Wasser hinab. »Wahrscheinlich kann er es immer noch nicht verwinden, nicht als strahlender Held heimzukehren und K#246;nig Georg die NAUTILUS als Beute zu #252;bergeben«, sagte Andr#233; sp#246;ttisch. Er schwieg ein paar Sekunden, dann f#252;gte er, leiser und in besorgtem Ton, hinzu: »Ich hoffe nur, er h#228;lt sich an das, was wir besprochen haben, und erz#228;hlt keinen Unsinn.« Mike verstand seine Sorge. Sie hatten lange #252;ber dieses Thema gesprochen und waren schlie#223;lich #252;bereingekommen, niemandem zu erz#228;hlen, was ihnen in den langen Monaten ihrer Abwesenheitwirklichwiderfahren war. Davon abgesehen, da#223; nach der Zerst#246;rung der NAUTILUS niemand mehr einen Nutzen aus dem Wissen um ihre Existenz ziehen konnte, waren sie sich zumindest in diesem Punkt einig gewesen, da#223; es besser war, Kapit#228;n Nemos Geheimnis zu bewahren. Aber auch Mike war pl#246;tzlich nicht mehr sicher, da#223; Ben sich auch wirklich an ihre Absprache halten w#252;rde. Je n#228;her sie England gekommen waren, desto hartn#228;ckiger hatte er versucht, Trautman von seinem Entschlu#223; abzubringen, und ihn statt dessen dazu zu #252;berreden, das Schiff der Royal Navy zu #252;bergeben, um - wie er es ausdr#252;ckte - den Krieg zu beenden. Weiter sollte Mike mit seinen Gedanken nicht kommen, denn in diesem Moment entstand irgendwo auf der anderen Seite des Schiffes Aufregung: sie h#246;rten Stimmen, erregte Rufe und einen Augenblick sp#228;ter Schreie, und pl#246;tzlich schien die gesamte Menschenmenge nach Steuerbord zu dr#228;ngen, so da#223; sie mitgerissen wurden, ob sie wollten oder nicht. »Was ist da los?« schrie Andr#233; #252;ber den Tumult hinweg. Mike konnte zur Antwort nur mit den Schultern zucken. Er war inmitten dieser Menschen eingepfercht wie die sprichw#246;rtliche Sardine in der Dose. Die Bewegung nach Steuerbord hin war inzwischen so gewaltig geworden, da#223; sich das Schiff in diese Richtung zu neigen begann. In die gellenden Schreie mischten sich jetzt immer wieder panische Rufe, die mal von einemSeeungeheuer,dann wieder von einerGeheimwaffeder Deutschen schrien. Eine bange Ahnung begann sich in Mike breitzumachen, worum es sich bei dem »Seeungeheuer« handeln k#246;nnte.

Sie erreichten die Reling, und ein einziger Blick aufs Meer hinaus gen#252;gte, um Mikes Ahnung Gewi#223;heit werden zulassen. Ein gewaltiges st#228;hlernes Etwas, #252;ber dessen R#252;cken sich vom Bug bis zum Heck ein Zackenkamm zog, der in einem ehrfurchtgebietenden Rammsporn endete, war nur wenige Dutzend Meter von der F#228;hre entfernt aufgetaucht. Rings um den st#228;hlernen Kolo#223; sch#228;umte das Meer, als koche es.Eine riesige Heckflosse ragte fast zehn Meter weit in die Luft, und umdie #196;hnlichkeit mit einem Fabelwesen komplett zu machen, erhob sich #252;ber der Mitte des Rumpfes ein gewaltiger, buckeliger Turm, aus dem zwei runde Bullaugen wie #252;bergro#223;e Augen hervorstarrten. »Die NAUTILUS«, stie#223;Andr#233; hervor. »Das ist -« Weiter kam er nicht, denn trotz seiner #220;berraschung und Freude fuhr Mike blitzschnell herum und versetzte ihm einen heftigen Rippensto#223;. »Still!« zischte er und sah sich erschrocken um. Gl#252;cklicherweise schien niemand Andr#233;s Worte geh#246;rt zu haben -rings um sie herum drohte n#228;mlich Panik auszubrechen. »Das sind die Deutschen!« kreischte eine dicke Frau. Sie starrte kreidebleich vor Schreck auf das Unterseeboot. Andere Passagiere nahmen ihren Ruf auf. Wieder hallten Schreckensschreie #252;ber das Deck. Einige Besatzungsmitglieder versuchten tapfer, aber vergeblich, die aufgebrachte Menge zu beruhigen. Die F#228;hre begann immer sp#252;rbarer zu schaukeln. Mike sah sich nach Ben und den beiden anderen um. Singh k#228;mpfte sich gerade in ihre Richtung vor, wobei er Chris der Einfachheit halber auf die Arme genommen hatte, damit sie nicht getrennt wurden. Von Ben war keine Spur zu sehen. »Sie kommt n#228;her!« stie#223; Andr#233; atemlos hervor. »Sie kommt zur#252;ck, Mike! Trautman geht l#228;ngsseits!«

Tats#228;chlich nahm die NAUTILUS wieder Fahrt auf, #252;berholte die F#228;hre und ging schlie#223;lich kaum einen Meter neben der F#228;hre l#228;ngsseits, so da#223; sie scheinbar stillzustehen schien. Hinter dem riesigen Bullauge im Turm bewegte sich ein Schatten, dann wurde die Turmluke ge#246;ffnet. Eine Sekunde lang war es, als hielten alle Leute an Bord den Atem an, aber als nichts geschah, brach die Panik tats#228;chlich aus. Ein Teil der Menschenmenge versuchte entsetzt, von der Reling und der vermeintlichen Geheimwaffe zur#252;ckzuweichen, w#228;hrend von hinten andere herankamen -ein unvorstellbares Gedr#228;nge entstand, in dem niemand mehr wirklich von der Stelle kam. »Trautman will, da#223; wir wieder an Bord kommen«, rief Mike voll Aufregung. Er wartete nicht ab, ob Juan und Andr#233; antworteten, sondern schwang sich mit einer entschlossenen Bewegung auf die schmale Metallreling hinauf. Die F#228;hre war ein ziemlich flaches Schiff, so da#223; sich der R#252;cken der NAUTILUS fast auf gleicher H#246;he mit ihrem Deck befand. Hinter ihm klangen erschrockene Schreie auf. Jemand versuchte ihn zur#252;ckzuhalten, aber Mike streifte die Hand ab und nutzte den Schwung dieser Bewegung zugleich, um sich abzusto#223;en. Der Sprung war nicht sehr tief, aber er verlor auf dem nassen Metall um ein Haar die Balance und k#228;mpfte mit wild rudernden Armen um sein Gleichgewicht, dann hatte er festen Halt gefunden. »Kommt schon!« rief er. Den anderen blieb keine Wahl mehr. Nach dem Sprung war f#252;r die Besatzungsmitglieder der F#228;hre klar, da#223; Mike und seine Begleiter etwas mit dem mysteri#246;sen Unget#252;m zu tun hatten, das so j#228;h aus dem Meer aufgetaucht war. R#252;cksichtslos dr#228;ngten sie sich durch die Menschenmenge auf die Jugendlichen zu.

Juan war der n#228;chste, der sprang. Mike packte ihn, bevor er st#252;rzen konnte. Ihm folgte Andr#233;. Von Ben war noch immer nichts zu entdecken. Zwei Besatzungsmitglieder hatten inzwischen Singh erreicht, und versuchten ihn zu packen. Singh versetzte dem einen einen Sto#223;, der ihn in die Menschenmenge zur#252;cktrieb, und rammte dem anderen den Ellbogen in den Magen, da#223; er sich vor Schmerz kr#252;mmte. Noch in der gleichen Bewegung fuhr Singh herum, stieg mit einem Fu#223; auf die schmale Reling - und warf den v#246;llig perplexen Chris einfach zu ihnen her#252;ber! Noch w#228;hrend Mike und Juan gemeinsam vorsprangen, um Chris aufzufangen, stie#223; Singh sich ab und landete geschmeidig auf dem Deck der NAUTILUS. Mike hastete auf den Turm zu, stieg die kleine Leiter hinauf und schwang sich durch die Luke ins Innere des Unterseebootes, wo Trautman ihn erwartete. »Was ist passiert?« fragte Mike. Trautmans Aufregung war unverkennbar. »Sp#228;ter«, antwortete er knapp. »Erst einmal m#252;ssen wir hier weg. Wo sind die anderen?« Juan und Andr#233; polterten bereits die schmale Eisenleiter in den Turmhinunter. #220;ber ihnen erschien Singhs Gestalt, und endlich sahen sie auch Ben. Durch das der F#228;hre zugewandte Bullauge beobachtete Mike, wie Ben ein ganzes St#252;ck zum Heck hin vergeblich versuchte, sich durch die Menge zu quetschen. Als er einsah, wie wenig Sinn dieses Unterfangen hatte, sprang er kurzerhand #252;ber Bord und begann mit kr#228;ftigen Bewegungen auf das Boot zuzukraulen. Ben war ein guter Schwimmer, aber an Bord der F#228;hre hatte sich die Situation dramatisch ver#228;ndert: Zwei M#228;nner in dunkelblauen Uniformen bahnten sich ihren Weg zur Reling, und Mike bemerkte voller Schreck, da#223; einer ein Gewehr trug.

Trautman und Singh verst#228;ndigten sich mit einem schnellen Blick. W#228;hrend Trautmans Finger #252;ber die Kontrollen huschten, Schalter umlegten, Kn#246;pfe dr#252;ckten und Hebel bet#228;tigten, kletterte Singh die Leiter wieder hinauf und verharrte auf der zweitobersten Sprosse, um Ben beim Einsteigen zu helfen. »Aber die werden doch nicht etwa auf ihn schie#223;en!« sagte Juan ungl#228;ubig. Wie zur Antwort krachte vom Deck der F#228;hre ein Schu#223;. Allerdings galt der Angriff nicht dem Jungen im Wasser, sondern der NAUTILUS selbst. Die Kugel knallte gegen den Turm und heulte als Querschl#228;ger davon. Nat#252;rlich konnte eine Gewehrkugel dem gewaltigen Schiff keinen Schaden zuf#252;gen; selbst die Bullaugen bestanden aus f#252;nf Zentimeter dickem Quarzglas, das ein solches Gescho#223; nicht einmal anzukratzen vermochte. Trotzdem fuhren alle im Turm so erschrocken zusammen, als w#228;re das Schiff von einem Kanonenschu#223; getroffen worden. »Er ist auf Deck!« rief Singh zu ihnen hinab. »Los!« Trautman schob einen gro#223;en Hebel nach vorne, und die NAUTILUS begann sich schwerf#228;llig in Bewegung zu setzen. Das Schiff war so konstruiert, da#223; es notfalls auch von einem einzigen Menschen gesteuert werden konnte, allerdings standen zahlreiche Funktionen dann nicht zur Verf#252;gung. Um alle F#228;higkeiten des Tauchbootes voll zu nutzen, war eine Besatzung von wenigstens einem Dutzend Mann erforderlich. Jetzt n#228;herten sich Bens hastige Schritte dem Turm. Vor den beiden Bullaugen stieg eine sprudelnde Wasserlinie in die H#246;he. Ben schaffte es, aber buchst#228;blich im allerletzten Moment. Kaum eine Sekunde, bevor sich das Wasser endg#252;ltig #252;ber der NAUTILUS schlo#223;, sprang er mit einem Satz die Leiter herab, und beinahe gleichzeitig knallte Singh den Lukendeckel #252;ber sich zu -allerdings nicht schnell genug. Ein Schwall eisigen Wassers scho#223; herein und ergo#223; sich #252;ber Ben, der gerade erst aus dem Wasser heraus war. Ben begann zu schimpfen, aber niemand achtete darauf. Das Schiff sank immer schneller und entfernte sich gleichzeitig weiterhin von der F#228;hre. Im Inneren des Turmes wurde es d#252;ster, als die NAUTILUS immer tiefer sank, um eventuellen Verfolgern zu entgehen. Mike sch#228;tzte, da#223; sie sich jetzt schon gute zwanzig oder gar drei#223;ig Meter unter der Meeresoberfl#228;che befanden. Trotzdem blieb Trautman noch eine geraume Weile gebannt #252;ber seine Kontrollen gebeugt stehen, ehe er sich mit einem h#246;rbaren Seufzen aufrichtete und zu ihnen herumdrehte. »Alles in Ordnung?« fragte er. Er sah ziemlich ersch#246;pft aus, fand Mike. Es war etwa zwei Stunden her, da#223; sie sich voneinander verabschiedet hatten, aber Trautman schien in dieser Zeit um Jahre gealtert zu sein. »Was ist passiert?« fragte Mike noch einmal. »Warum sind Siezur#252;ckgekommen?« Trautman legte einen Schalter am Kommandopult um, trat von dem fast mannsgro#223;en Steuerrad zur#252;ck und deutete auf die eiserne Wendeltreppe im Boden, die tiefer ins Innere des Schiffes hinabf#252;hrte. Der eigentliche Kommandoraum der NAUTILUS befand sich

im Rumpf des Schiffes, zwei Etagen unter ihnen. Mike hatte das Gef#252;hl, gleich vor Neugier platzen zu m#252;ssen, aber irgendwie brachte er das Kunstst#252;ck fertig, sich zu beherrschen. Sie folgten Trautman in den gro#223;en, behaglich eingerichteten Kommandoraum

der NAUTILUS und zu einem Tisch in der Ecke, auf

dem eine Zeitung lag; die TIMES, die Trautman vor

etwa drei Wochen gekauft hatte. Mike warf einen fl#252;chtigen Blick auf die Schlagzeilen, die in zehn Zentimeter gro#223;en Lettern auf der Titelseite prangten: GROSSBRITANNIEN STELLT DEM KAISER EIN ULTIMATUM! IST DER KRIEG NOCH ZU VERMEIDEN? F#252;r einen kurzen Moment #252;berlegte Mike, ob Trautman tats#228;chlich nur wegen des Kriegsausbruches seine Absicht ge#228;ndert hatte. Doch Trautman schlug die Zeitung weiter hinten auf. »Hier«, sagte er, w#228;hrend er sie Mike reichte. »Ich habe es vorhin erst entdeckt, als ich noch einmal darin gebl#228;ttert habe. Dabei hatte ich es die ganze Zeit #252;ber praktisch vor der Nase! Meine Schuld. Lies!« Mike #252;berflog rasch den Artikel w#228;hrend sich die anderen im Halbkreis hinter ihm aufstellten und versuchten, #252;ber seine Schulter zu blicken. Die Meldung bestand nur aus wenigen S#228;tzen und besagte, ein deutsches Kriegsschiff habe eine friedliche franz#246;sische Forschungsexpedition im Atlantik #252;berfallen, ihr Schiff und die gesamte Ausr#252;stung gekapert und die Besatzung gefangengenommen - bis auf einen einzigen Mann, der wie durch ein Wunder hatte entkommen k#246;nnen. Verwirrt runzelte Mike die Stirn und gab Trautman die Zeitung zur#252;ck. »Und?« fragte er. Der Artikel war sicher bemerkenswert, aber er begriff nicht ganz, wieso Trautman dar#252;ber so aufgeregt war. »Schau dir den Namen des Mannes an, der die Expedition geleitet hat«, sagte Trautman. »Professor Ar-ro-nax«, buchstabierte Mike den ungew#246;hnlichklingenden Namen. »Und?« Der Name sagte ihm nichts -aber er bemerkte, da#223; Singh leicht zusammenfuhr. »Professor Arronax geh#246;rt zu den wenigen noch lebenden Menschen, die jemals an Bord der NAUTILUS waren«, erkl#228;rte Trautman. »Seit der Begegnung mit

deinem Vater haben sie ihr Leben der Suche nach

dem versunkenen Atlantis gewidmet.«

»Aber Atlantis ist doch nicht mehr als eine Legende«,

warf Juan ein.

Ein leichtes L#228;cheln erschien auf Trautmans Gesicht. »Wie die NAUTILUS?« entgegnete er. Juan zuckte leicht zusammen. »Wollen Sie damit sa

gen, da#223; -?« »Ich will gar nichts sagen«, fiel ihm Trautman ins

Wort, »Ich wei#223; lediglich, da#223; Professor Arronax davon #252;berzeugt ist, da#223; es Atlantis gegeben hat und da#223; er zeit seines Lebens danach gesucht hat.« »Aber warum sollten die Deutschen eine Forschungsexpedition #252;berfallen?« wunderte sich Andr#233;. »Nichtdie Deutschen«, korrigierte Trautman und

deutete auf die letzten S#228;tze des Artikels. »Das Flottenkommando hat jede Verantwortung f#252;r diesen Zwischenfall abgelehnt, und in diesem Fall glaube ich das, weil es das einzige ist, das Sinn ergibt. Die deutsche Marine d#252;rfte ganz andere Probleme haben, als sich mit der Suche nach Atlantis abzugeben.« »Winterfeld«, murmelte Mike inj#228;hem Begreifen. Trautman nickte ernst. »Ja. Genau das bef#252;rchte ich auch. Es war zu erwarten, da#223; er nicht unt#228;tig bleiben w#252;rde, nachdem er unsere Spur verloren hatte. Wie in dem Artikel steht, hat Professor Arronax eine Taucherglocke entwickelt, mit der man sehr viel tiefer als bisher ins Meer hinabsteigen kann.« »Und Sie glauben, er hat Atlantis entdeckt?« Der Zweifel in Bens Stimme war nicht zu #252;berh#246;ren. »Mag sein«, erwiderte Trautman. Wenn es jemanden gibt, der den verlorenen Kontinent finden kann, dann ist es Arronax. Er wei#223; vermutlich mehr dar#252;ber als jeder andere lebende Mensch.«

Einige Sekunden herrschte Schweigen. »Aber ... aber selbst wenn es Atlantis wirklich gegeben hat - was

verspricht sich Winterfeld davon, es zu finden?« fragte Mike schlie#223;lich. »Die Insel soll schon vor Tausenden von Jahren versunken sein. Vielleicht existieren noch ein paar Ruinen, aber die haben doch h#246;chstens arch#228;ologischen Wert.« Trautman rang einen Moment sichtbar mit sich, dann seufzte er. »Eshat wohl keinen Sinn, die Wahrheit l#228;nger zu verschweigen. #220;ber kurz oder lang werdet ihr es ja doch erfahren.« Er sah Mike an. »Hast du dich eigentlich noch nie gefragt, woher dein Vater dieses Schiff hatte?« »Ich ... ich dachte, da#223; er die NAUTILUS selbst entworfen hat«, stotterte Mike. Trautman machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das ist, was alle glauben sollen«, sagte er. »Eine Legende, die Nemo selbst in die Welt gesetzt hat, um von der Wahrheit abzulenken. Ihr habt das Schiff inzwischen alle ganz gut kennengelernt. Eigentlich h#228;tte ich erwartet, da#223; ihr l#228;ngst von selbst darauf gekommen seid, da#223; das nicht stimmen kann. Kein Mensch w#228;re in der Lage, so etwas zu bauen.« Er sch#252;ttelte bekr#228;ftigend den Kopf. »Nicht in hundert Jahren.« »Aber ... soll das hei#223;en ...« Mike brach ab. Mit einem Mal ergab alleseinen Sinn. Arronax' jahrzehntelange Suche, Winterfelds #220;berfall auf die Expedition und Trautmans Entsetzen dar#252;ber. »Die NAUTILUS kommt aus Atlantis«, murmelte er fassungslos. »Dein Vater hat selbst mir nie erz#228;hlt, wie er die NAUTILUS bekommen hat«, erkl#228;rte Trautman ernst. »Er hat nur einmal eine Bemerkung #252;ber ein verlorenes Reich unter dem Meer gemacht. Aber damit kann er nur Atlantis gemeint haben.« Er schlo#223; f#252;r einen Moment die Augen und fuhr mit ver#228;nderter Stimme und gro#223;em Ernst fort: »Wenn die untergegangene atlantische Zivilisation in der Lage gewesen ist, ein Schiff wie dieses zu bauen, kannst du dir dann vorstellen, was sie noch alles hinterlassen hat?Daraufhat es Kapit#228;n Winterfeld abgesehen.« Mike wurde bla#223;, als er die volle Bedeutung dessen begriff, was er gerade geh#246;rt hatte. Er warf einen Blick in die Runde und sah, da#223; es den anderen ebenso erging. Nur Singh sah unger#252;hrt aus wie immer. »Ich glaube, da#223; Winterfeld von Anfang an nur hinter dem Geheimnis von Atlantis her war«, fuhr Trautman fort. »Vielleicht ist das sogar der einzige Grund, aus dem er die NAUTILUS haben wollte - um mit ihr nach Atlantis zu suchen. »Die Geheimnisse von Atlantis in den H#228;nden eines Verr#252;ckten wie Winterfeld unvorstellbar.« Er erschauerte sichtlich. »Deshalb bin ich zur#252;ckgekommen«, sagte er. »Ganz egal, wie, und ganz egal, was es uns kostet - wir m#252;ssen ihn aufhalten. WinterfelddarfAtlantis niemalsfinden.«

Singh senkte den Feldstecher, blinzelte ein paarmal rasch hintereinander und hob das Glas dann noch einmal kurz an die Augen, ehe er es an Trautman weiterreichte, der neben ihm auf dem eisernen Vorderdeck der NAUTILUS stand. Es war ein sehr sonderbares Fernglas - wie fast alle Dinge des t#228;glichen Gebrauchs, die sich an Bord befanden, stammte es noch von den urspr#252;nglichen Besitzern der NAUTI-LUS - ein gro#223;es, bizarres Etwas mit schimmernden Kupferschwingen an den Seiten und Gl#228;sern, die auf den ersten Blick gar nicht durchsichtig erschienen, denn sie waren pechschwarz. Trotzdem vergr#246;#223;erte es weit besser als jedes andere Fernglas, das Mike je in der Hand gehabt hatte; selbst besser als das armlange Sch#252;lerteleskop, das in seinem Zimmer im Internat stand. Und das war nur ein winziges Beispiel daf#252;r, wie unvorstellbar weit die Technologie der untergegangenen Atlanter der des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts #252;berlegen war. Ausgel#246;st durch den Anblick des Glases, begannen Mikes Gedanken eigene Wege zu gehen, w#228;hrend er neben Trautman und dem Sikh stand und darauf wartete, zu erfahren, was die beiden hinter dem f#252;r ihn leeren Horizont entdeckt hatten. Ann#228;hernd drei Wochen waren vergangen, seit sie Alderney verlassen und wieder Kurs auf den Atlantik genommen hatten. Sowohl die Freude, sich wieder an Bord der NAUTILUS zu befinden, wie auch die Aufregung #252;ber Winterfelds neues Vorhaben waren im Laufe der Tage einer gewissen Monotonie gewichen. Dabei war es anfangs aufregender denn je gewesen. Jetzt, wo sie wu#223;ten, was die NAUTILUSwirklichwar, hatten sie das Schiff gewisserma#223;en neu entdeckt, und vieles, was ihnen vorher unverst#228;ndlich und seltsam vorgekommen war, erschien pl#246;tzlich in einem anderen Licht. So hatten sie alles neuerlich untersucht und begutachtet -mit Ausnahme des Maschinenraumes, den Trautman ihnen zu betreten strengstens verboten hatte. Trotzdem hatte Mike einen Blick hinter die entsprechende T#252;r riskiert. Der gro#223;e, mit unverst#228;ndlichen Apparaturen vollgestopfte Raum war von einem unheimlichen Dr#246;hnen und einem sonderbaren, blau pulsierenden Licht erf#252;llt gewesen, das Mike - so verr#252;ckt es ihm selbst erschien - auf der Hautgesp#252;rthatte. Er war das unangenehme Kribbeln einen ganzen Tag nicht losgeworden und hatte sich fest vorgenommen, in Zukunft besser auf Trautmans Verbote zu h#246;ren. Was sich nicht ver#228;ndert hatte, war die Furcht bei der Vorstellung, da#223; es Winterfeld tats#228;chlich gelingen k#246;nnte, Atlantis zu finden. Die Motoren der NAU-TILUS liefen auf vollen Touren, dennoch hatte Mike

das Gef#252;hl, da#223; sie kaum von der Stelle kamen. Geduld war noch nie seine starke Seite gewesen, und der Gedanke daran, da#223; sie endlose Tage brauchen w#252;rden, um ihr Ziel im Atlantik zu erreichen, w#228;hrend Winterfelds Suche vielleicht gerade in diesem Moment schon Erfolg hatte, machte ihn fast wahnsinnig. Und Winterfelds Chancen standen nicht schlecht. Trautman hatte ihnen eine Menge #252;ber Professor Arronax erz#228;hlt -genug, um Mike und die anderen geb#252;hrend neugierig auf ihn zu machen, aber auch genug, ihnen einen geh#246;rigen Respekt einzufl#246;#223;en. Arronax geh#246;rte zu den wenigen Menschen, die jemals an Bord der NAUTILUS gewesen waren. Und dieses Erlebnis hatte sein Leben gr#252;ndlich ver#228;ndert. Seit jenen Tagen hatte er sich noch mehr der Erforschung der Tiefsee verschrieben - und vor allem der Suche nach dem legend#228;ren Atlantis. Wie Trautman erz#228;hlt hatte, wu#223;te er mittlerweile ziemlich genau,woer zu suchen hatte - und verf#252;gte wohl auch #252;ber die entsprechenden Mittel. Die von ihm weiterentwickelte Taucherglocke war in der Lage, Hunderte von Metern tief ins Meer hinabzutauchen und somit tiefer als jedes andere Schiff auf der Welt, die NAUTI-LUS vielleicht ausgenommen. »Das ist sie«, sagte Trautman und senkte den Feldstecher. »Kein Zweifel. Das ist die LEOPOLD.« Mike fuhr aus seinen Gedanken hoch. Es erf#252;llte ihn mit Erleichterung, da#223; die endlose Zeit der Suche nun vor#252;ber war, aber auch mit Schrecken bei dem Gedanken an das, was noch vor ihnen liegen mochte. »Da ist noch ein kleineres Schiff«, fuhr Trautman fort. »Das von Arronax, vermute ich.« »Also ist es wahr«, sagte der Inder d#252;ster.

Trautman antwortete nicht. »Ich verstehe das nicht«, sagte Ben hinter ihnen. Mike drehte sich herum und stellte fest, da#223; nicht nur er, sondern auch die drei anderen mittlerweile auf das Deck heraufgekommen waren. »Sie haben doch gesagt, da#223; das Meer an dieser Stelle etwa sechstausend Meter tief ist.« »Richtig«, best#228;tigteTrautman. »Eben!« sagte Ben. »So tief kann diese Taucherglocke doch bestimmt nicht hinunter.« »Nicht einmal ann#228;hernd«, sagte Trautman. »Aber irgend etwas tun sie dort vorne.« »Wof#252;r haben wir eigentlich Torpedos an Bord?« brummte Ben. »Wenn wir die LEOPOLD damit unter Besch#252;#223; nehmen, bleibt von dem Kahn nicht mehr viel #252;brig. Auf die Weise kommt Winterfeld viel schneller auf den Meeresgrund. Und das sogar ganz ohne Taucherglocke.« Er grinste, aber er war der einzige, der das komisch zu finden schien. Mike warf ihm einen zornigen Blick zu. Ben war noch nie gut auf die Deutschen zu sprechen gewesen, aber seit er vom Ausbruch des Krieges erfahren hatte, ha#223;te er sie geradezu. Bereits als Scherz w#228;re eine solche Bemerkung nicht lustig gewesen, aber Mike kannte Ben gut genug, um zu wissen, da#223; dieser seine Worte bitterernst meinte. »Und alle anderen Menschen an Bord gleich mit ihm, wie?« entgegnete er heftig. »Selbst wenn Arronax und seine Leute nicht auf der LEOPOLD w#228;ren, k#228;me das gar nicht in Frage.« »Ach nein? Was hast du denn sonst vor? Willst du Winterfeld vielleicht freundlich bitten, uns den Professor und die Taucherglocke auszuh#228;ndigen?« h#246;hnte

Ben. »Ich bin sicher, da#223; er deinem Wunsch sofort bereitwillig nachkommen wird.«

»Schlu#223; jetzt!« befahl Trautman scharf, »H#246;rt auf, euch wie kleine Kinder zu benehmen.« Er wandte sich wieder Singh zu. »Das beste wird vermutlich sein, wenn wir den Tag hier abwarten. Sobald es dunkel geworden ist, n#228;hern wir uns unbemerkt der LEOPOLD und versuchen an Bord zu gelangen. Mit ein wenig Gl#252;ck k#246;nnen wir Arronax und die anderen befreien, ehe Winterfelds Leute #252;berhaupt merken, da#223; wir da sind.« Er drehte sich halb herum und lie#223; seinen Blick suchend #252;ber die Gesichter der anderen schweifen. »Chris, schalte bitte die automatische Steuerung aus«, sagte er. »Wir bleiben hier, bis es dunkel ist.« W#228;hrend Chris ins Boot zur#252;ckflitzte, um zu tun, was Trautman ihm aufgetragen hatte, fragte Mike: »Und die Taucherglocke? Ich meine: Selbst wenn es uns gelingt, den Professor zu befreien, hat Winterfeld noch immer die Glocke.« »Ohne Arronax nutzt sie ihm nicht viel«, behauptete Trautman. Er schwieg eine Sekunde, bevor er mit einem schr#228;gen Seitenblick auf Ben hinzuf#252;gte: »Schlimmstenfalls k#246;nnen wir sie noch immer zerst#246;ren. Das wird Arronax zwar das Herz brechen, aber als letzter Ausweg -« Ein dumpfer Knall wehte #252;ber das Meer zu ihnen heran, etwas wie ein weit entfernter, einzelner Donnerschlag, so leise, da#223; er gerade noch an der Grenze des #252;berhaupt Wahrnehmbaren schien. Trotzdem brach Trautman erschrocken mitten im Satz ab, fuhr herum und starrte mit aufgerissenen Augen nach Westen. »Aber das ist doch ...« murmelte er. Er lauschte pl#246;tzlich gebannt, und nach einer Sekunde h#246;rte auch Mike etwas: ein ganz leises, hohes Pfeifen, das rasch n#228;her kam und dabei immer mehr an Lautst#228;rke gewann. Und es war nicht das erste Mal, da#223; er ein Ger#228;usch wie dieses h#246;rte.

»Aber das ist doch unm#246;glich!« keuchte Trautman. »Sie k#246;nnen uns doch #252;berhaupt nicht sehen!« Aber unm#246;glich oder nicht -sie alle wu#223;ten nur zu gut, was das rasend schnell n#228;her kommende Pfeifen zu bedeuten hatte. Und noch bevor irgendeiner von ihnen etwas sagen konnte, schlug die Granate mit einem ungeheuren Krachen in die Wasseroberfl#228;che ein. Eine turmhohe Schaums#228;ule explodierte in den Himmel hinauf, und obwohl der Einschlag mehr als hundert Meter entfernt gelegen hatte, erbebte die NAUTILUS unter den Wellen, die pl#246;tzlich gegen ihre Flanke schlugen. »Sie schie#223;en auf uns!« keuchte Ben. »Aber das kann doch nicht sein! Sie k#246;nnen doch gar nicht wissen, da#223; wir hier sind!« Als h#228;tten die M#228;nner auf dem Kriegsschiff am Horizont seine Worte verstanden, ert#246;nte das ferne Donnern ein zweites Mal, und wieder h#246;rten sie das rasch anschwellende Heulen der heranrasenden Granate. »Alles unter Deck! Wir tauchen!« schrie Trautman. Sie fuhren herum und rannten auf den Turm zu. Jede Sekunde, die er eher hinter dem Kommandopult des Schiffes stand, mochte #252;ber Leben und Tod entscheiden. Zweifellos hatte Chris getan, was Trautman ihm aufgetragen hatte, und die automatische Steuerung ausgeschaltet, und das bedeutete nichts anderes, als da#223; die NAUTILUS gleich ganz von selbst anhalten und ein hervorragendes Ziel bieten w#252;rde! Dicht hintereinander polterten sie die schmale eiserne Leiter in den Turm und dann die Treppe zum Kommandoraum hinab. Das Schiff erbebte unter einer zweiten Explosion, die die Meeresoberfl#228;che auseinanderri#223;, und obwohl Mike die br#252;llende Gischts#228;ule diesmal nicht sehen konnte, sp#252;rte er doch, da#223; sie weitaus n#228;her lag als die erste. Unm#246;glich oder nicht -die Kanoniere der LEOPOLD schossen sich allm#228;hlich ein. Und sie hatten ja schon einmal eine Kostprobe von der Treffsicherheit der Kanonen des Kriegsschiffes bekommen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die erste Granate die NAUTILUS traf. Mike stolperte hinter Trautman und Singh in den Kommandoraum. Er sah, da#223; Chris #252;ber die Kontrollanzeigen gebeugt dastand und ihnen voll Entsetzen entgegensah -die beiden Explosionen waren auch hier unten deutlich zu h#246;ren gewesen, aber Chris konnte ja nicht wissen, was der L#228;rm und die pl#246;tzlichen Ersch#252;tterungen bedeuteten. Mike warf einen Blick aus dem riesigen Aussichtsfeilster, das einen Gro#223;teil der Steuerbordwand einnahm. Das Wasser, das hier normalerweise so kristallklar und durchsichtig war, da#223; man Hunderte von Metern weit sehen konnte, sprudelte und sch#228;umte. »Was ist passiert?« fragte Chris entsetzt. »Ich ... ich habe nur die automatische Steuerung ausgeschaltet. Wirklich, ich habe nichts anger#252;hrt!« Offensichtlich glaubte Chris, da#223; der L#228;rm und die kochenden Wogen seine Schuld waren. Niemand antwortete, alle waren mit einem Sprung an ihrem Platz hinter den Kontrollinstrumenten. Trautman selbst lie#223; sich in den Kapit#228;nssessel fallen. Seine H#228;nde schienen pl#246;tzlich zu eigenem Leben zu erwachen und ein Dutzend verschiedener Dinge gleichzeitig zu tun. Aber auch Mike und die anderen waren f#252;r die n#228;chsten Augenblicke vollauf besch#228;ftigt. Sie hatten w#228;hrend der Fahrt hierher Zeit genug gehabt, sich mit der Steuerung der NAUTILUS vollends vertraut zu machen, und sie hatten auch einen Fall wie diesen ge#252;bt - sozusagen aus dem Stand heraus Fahrt aufzunehmen und zu tauchen. Allerdings h#228;tte sich wohl keiner von ihnenauch nur tr#228;umen lassen, da#223; sie ihre #220;bungen so schnell in die Praxis umsetzen w#252;rden -und da#223; es dabei um ihr Leben ging. Und so war es auch. Mike warf einen Blick aus dem Fenster - und schlo#223; geblendet die Augen, als die n#228;chste Granate der LEOPOLD so nahe bei der NAU-TILUS explodierte, da#223; der grelle Lichtblitz f#252;r einen Moment alle Farben ausl#246;schte und schmerzende Nachbilder auf Mikes Netzhaut hinterlie#223;. Eine halbe Sekunde sp#228;ter erbebte die NAUTILUS wie unter einem Hammerschlag. Mikes Herz machte einen erschrockenen Sprung, als er sp#252;rte, wie sich das riesige Tauchboot schwerf#228;llig auf die Seite legte. F#252;r ein paar Sekunden war das Meer vor dem Fenster verschwunden, und statt dessen fiel grelles Sonnenlicht in den Raum. Dann kippte das Schiff mit solcher Wucht in die Waagrechte zur#252;ck, da#223; Mike um ein Haar aus seinem Sessel geschleudert worden w#228;re. »Das war knapp«, sagte Trautman trocken. »Machen wir, da#223; wir wegkommen. Ich f#252;rchte, der n#228;chste Schu#223; trifft.« Das Meer vor dem Fenster begann allm#228;hlich dunkler zu werden, als das Schiff immer steiler in die Tiefe sank. Eine weitere Granate explodierte #252;ber ihnen, und sie wurden erneut durchgesch#252;ttelt; allerdings nicht mehr so heftig wie das letzte Mal. »Drei#223;ig ... vierzig ... f#252;nfundvierzig Meter.« Trautman las die Anzeige des Tiefenmessers laut ab. »Ich glaube, das reicht. Aber das war verdammt knapp.« Etwas im donnernden Takt der Maschinen #228;nderte sich, und der Boden begann sich wieder zu heben. Sie fuhren noch immer mit H#246;chstgeschwindigkeit, sanken aber nicht mehr tiefer. Trautman richtete sich hinter seinem Kommandopult auf. Mike sah erst jetzt, da#223; sein Gesicht schwei#223;na#223; war und seine H#228;nde leicht zitterten. Trotz seiner #228;u#223;erlichen Ruhe war ihm die entsetzliche Gefahr, in der sie alle geschwebt hatten, bewu#223;t gewesen. Irgendwie fand Mike den Gedanken, da#223; auch Trautman Angst gehabt hatte, beruhigend, obwohl er sich dies im ersten Moment selbst nicht erkl#228;ren konnte. Singh betrat die Br#252;cke. Sein Haar, sein Gesicht und seine Schultern waren na#223;, er hatte die Luke wohl im allerletzten Moment zubekommen, und er schien gest#252;rzt zu sein, denn er blutete aus einer kleinen Platzwunde #252;ber dem Auge. Noch ehe Trautman etwas sagen konnte, wandte er sich an Mike. »Seid Ihr verletzt, Herr?« Mike sch#252;ttelte den Kopf. »Was ... was ist #252;berhaupt passiert?« fragte Chris verdattert. »Ist ... ist irgend etwas kaputtgegangen?« »Ja«, maulte Ben, ehe Mike oder Trautman antworten konnten. »Wirw#228;ren um ein Haarkaputtgegangen.« Er scho#223; einen giftigen Blick in Mikes Richtung ab und f#252;gte b#246;se hinzu: »Das war ein sch#246;ner Gru#223; von deinem Freund Winterfeld.« »Winterfeld ist nicht mein Freund«, antwortete Mike #228;rgerlich. »Er ist -« Trautman unterbrach ihn mit einer Handbewegung. »Aufh#246;ren!« sagte er scharf. »Habt ihr zwei nichts Besseres zu tun, als euch zu streiten?« Ben duckte sich ein wenig unter seinen Worten, aber seine Kampfeslust war keineswegs gestillt. »Doch«, antwortete er patzig. »Zum Beispiel dar#252;ber nachzudenken, wieso uns ein Schiff beschie#223;t, dessen Besatzung gar nicht wissen kann, da#223; wir hier sind. Das war ja fast so, als h#228;tten sie auf uns gewartet!« Andr#233; seufzte. »Jetzt kommt wieder die Verr#228;tertheorie«, murmelte er. »Wen von uns willst du denn diesmal verd#228;chtigen?« »Schlu#223; damit!« fuhr Trautman dazwischen. Seiner Stimme war anzuh#246;ren, da#223; er nahe daran war, die Geduld zu verlieren. Aber Mike mu#223;te zugeben, da#223; Ben nicht ganz Unrecht hatte. Es warwirklich fast, als h#228;tte Winterfeld gewu#223;t, da#223; sie kamen. Singhs #220;berlegungen gingen offensichtlich in die gleiche Richtung, und anders als Mike sprach er seine Gedanken laut aus: »Der Junge hat recht, selbst wenn sie gewu#223;t haben, da#223; wir sie suchen - wie konnten sie uns #252;berhaupt sehen? Wir sind Meilen von der LEOPOLD entfernt.« »Das w#252;#223;te ich auch gern«, murmelte Trautman. Sein Gesicht war voll Sorge aber da war etwas in seinen Augen; ein Ausdruck, den Mike noch nie zuvor darin erblickt hatte und der ihm ganz und gar nicht gefiel. »Winterfeld mu#223; vollkommen den Verstand verloren haben!« fuhr Trautman erregt fort. »Na gut -wenn dieser feine Herr Krieg haben will, dann kann er ihn bekommen.« Mike tauschte einen Blick mit Singh. Auch dem Inder war die Ver#228;nderung, die pl#246;tzlich mit Trautman vor sich gegangen war, nicht verborgen geblieben. Und sie schien ihm so wenig zu gefallen wie Mike. »Wie meinen Sie das?« fragte Mike. »Unseren urspr#252;nglichen Plan k#246;nnen wir vergessen«, antwortete Trautman. »Wie die Dinge liegen, kommen wir nie unbemerkt an Bord der LEOPOLD. Aber ich denke,da#223; wir immer noch die eine oder andere #220;berraschung f#252;r diesen Herren bereit haben. Die NAUTILUS verf#252;gt noch #252;ber ganz andere M#246;glichkeiten. Als wir noch unter Kapit#228;n Nemo fuhren, waren wir mehr als einmal in schlimmeren Situationen. Ich werde euch zeigen, wie wir solche Probleme damals gel#246;st haben.« »Sind Sie sicher, da#223; das auch klug ist?« fragte Mike. Trautman lachte, leise und auf eine Art, die Mike fr#246;

stein lie#223;. »Nein«, sagte er. »Aber bestimmt wirksam. Auf eure Pl#228;tze!« Es lag etwas so Befehlendes in der Art, wie er das sagte, da#223; Mike nicht einmal auf den Gedanken kam, sich zu widersetzen oder auch nur noch eine Frage zu stellen, sondern sich auf Skalen und Schalter konzentrierte. Das Motorenger#228;usch wurde lauter, als die NAUTILUS immer schneller wurde. Mike konnte ihr genaues Tempo auf seinen Instrumenten nicht erkennen, aber er sp#252;rte, da#223; das Schiff seine normale H#246;chstgeschwindigkeit l#228;ngst #252;berschritten hatte und immer noch weiter beschleunigte. Eine sonderbare Erregung ergriff von ihm Besitz. Das Gef#252;hl war nicht sehr angenehm, aber er konnte sich ihm auch nicht entziehen. Er glaubte den Anblick, den die NAUTILUS pl#246;tzlich bieten mu#223;te, vor seinem inneren Auge zu sehen: Das Schiff scho#223; wie ein gigantischer, st#228;hlerner Raubfisch unter Wasser auf seine Beute zu, nicht mehr l#228;nger ein friedliches U-Boot, das die Weltmeere durchkreuzte, sondern ein Unget#252;m, das Vernichtung und Tod brachte. Trautmans Blick war auf eine komplizierte Apparatur gerichtet, auf der er die Entfernung zu ihrem Ziel ablesen konnte. Mike erschrak, als er sah, wie rasch sie sich der LEOPOLD n#228;herten. Sie brauchten die Torpedos, von denen Ben vorhin gesprochen hatte, gar nicht mehr. Bei dieser Geschwindigkeit wurde die gesamte NAUTILUS zu einemeinzigen, #252;bergro#223;enGescho#223;. »Was haben Sie vor?« erkundigte sich Juan. »Sie wollen das Schiff doch nicht wirklich versenken, oder?« Trautman bi#223; sich auf die Lippen. »Nein«, sagte er dann. »Aber wir werden f#252;r ein wenig Aufregung an Bord sorgen.« Er lachte. »Das letzte, womit Winterfeld jetzt vermutlich rechnet ist, da#223; wir ihn angreifen. Und gerade darum tun wir es.«

»Angreifen?« Juans Stimme verriet weitaus mehr von seiner Unsicherheit als sein Gesichtsausdruck. »Die LEOPOLD ist ein ziemlich gro#223;es Schiff, Trautman«, sagte er. »Selbst im Vergleich zur NAUTILUS. Sind Sie sicher, da#223; wir sie besiegen k#246;nnen?« »Ja«, antwortete Trautman. »Wir k#246;nnten es, wenn es sein m#252;#223;te. Aber ich habe nicht vor, jemanden zu t#246;ten. Wir k#246;nnen das Schiff besch#228;digen und in dem Durcheinander versuchen, Arronax und seine Leute zu befreien und die Taucherglocke an uns zu bringen -oder notfalls zu zerst#246;ren.« »Und wie wollen Sie das machen?« fragte Mike. »Wir werden der LEOPOLD ein wenig den Bauch aufschlitzen«, erkl#228;rte Trautman vergn#252;gt. »Ein so gro#223;es Schiff wird davon nicht untergehen, aber die Mannschaft wird alle H#228;nde voll zu tun haben, um das Wasser aus dem Schiff zu pumpen.« »Aufschlitzen?!« Mike tauschte einen erschrockenen Blick mit Juan und Andr#233;. Irgend etwas stimmte hier nicht, das sp#252;rte er. »Nat#252;rlich«, erkl#228;rte Trautman. »Auf diese Weise hat dein Vater all seine Opfer erlegt. Was glaubst du, wof#252;r die NAUTILUS den Zackenkamm hat? Damit s#228;gen wir das Schiff auf, als best#252;nde es aus Butter, statt aus massivem Eichenholz.«»Holz?«stammelte Mike. Er f#252;hlte eisigen Schrecken in sich aufsteigen. Sie hatten die LEOPOLD fast erreicht. »Sagten Sie:Eichenholz?«Trautman nickte und sah ihn an, als zweifelte er an seinem Verstand. »Was sonst? Kriegsschiffe baut man schlie#223;lich nicht aus Schilf, oder? Es wird einen ganz sch#246;nen Ruck geben, aber wir -« »Worauf Sie sich verlassen k#246;nnen«, fiel ihm Juan trocken ins Wort. »Es mag noch viele Segler aus Holz gegeben haben, als Nemo und Sie die Weltmeere unsi

cher gemacht haben, aber das Ding da vorne -« Er hob die Hand und deutete zum Bug hin. »-besteht aus mindestens f#252;nf Zentimeter starkem Panzerstahl!« »Stahl?« wiederholte Trautman. Auf seinem Gesicht erschien ein best#252;rzter Ausdruck. »Panzerstahl«, verbesserte ihn Juan. Er deutete mit Daumen und Zeigefinger einen Abstand von gut f#252;nf Zentimetern an. »So dick.« Trautman starrte ihn mit blankem Entsetzen an. »0 mein Gott!« fl#252;sterte er. »Wir m#252;ssen -« Er kam nicht weiter. Die Zahlen auf der Anzeige vor ihm hatten die Null erreicht. Mike fand gerade noch Zeit, sich am Rand seines Pultes festzuklammern, da ging auch schon ein ungeheurer Schlag durch die NAUTILUS. Das Schiff dr#246;hnte wie eine riesige Glocke, die von einem ebenso riesigen Kl#246;ppel getroffen worden war, und diesmal war es, als w#228;ren sie unter die F#252;#223;e eines zornigen Riesen geraten, der sich vorgenommen hatte, sie in den Meeresgrund zu rammen. Mike wurde aus seinem Sessel und in die H#246;he gerissen, verlor den Halt und schlug einen Salto in der Luft, w#228;hrend er #252;ber sein Pult hinwegsegelte. Gellende Schreie erf#252;llten den Kommandoraum, Mike st#252;rzte hart, wurde erneut herumgerissen und prallte gegen etwas Hartes, da#223; er glaubte, sein R#252;ckgrat br#228;che entzwei. Das Licht flackerte. Ein schriller, mi#223;t#246;nender Laut erklang, als schrie das Schiff wie unter Schmerzen, und er konnte h#246;ren, wie irgendwo weiter am Heck etwas zerbrach. Decke, Boden und W#228;nde schienen einen wilden Tanz um ihn herum aufzuf#252;hren, und er sah noch, wie sich der Boden immer weiter und weiter nach vorne senkte, als das Schiff regelrecht ins Meer hineingetrieben wurde. Vergeblich suchte er nach irgend etwas, woran er sich festklammern konnte.

Dann sprang pl#246;tzlich die st#228;hlerne Wand des Raumes auf ihn zu, und das war f#252;r etliche Stunden das letzte, was er sah.

Jemand schlug Mike ins Gesicht: so leicht, da#223; es nicht weh tat, aber auch so hartn#228;ckig und gleichm#228;#223;ig, da#223; es ihm unm#246;glich war, das zu tun, was er am liebsten getan h#228;tte -n#228;mlich weiterzuschlafen. Widerwillig hob Mike das linke Augenlid, sah ein dunkles, von schwarzem Haar umrahmtes Gesicht #252;ber sich und schlo#223; das Auge sofort wieder. »L#223;mchnruhe«, nuschelte er. Singh jedoch schlug Mike weiter geduldig abwechselnd auf die rechte und die linke Wange, bis dieser endlich die Augen #246;ffnete und seine Hand festhielt. »Ich denke, du bist mein Leibw#228;chter«, sagte er. »Wieso schl#228;gst du dann auf mich ein, als w#252;rdest du daf#252;r bezahlt?« Es war eine der seltenen Gelegenheiten, bei denen tats#228;chlich ein L#228;cheln auf Singhs Z#252;gen erschien. »Ihr m#252;#223;t aufwachen, Herr«, sagte er. »Wenn das so ist, warum versuchst du dann, mich wieder bewu#223;tlos zu schlagen?« maulte Mike. Er wollte nicht aufwachen. Er hatte einen so spannenden Traum gehabt. Er hatte getr#228;umt, da#223; die NAUTILUS das deutsche Kriegsschiff angegriffen hatte und dabei so schwer besch#228;digt worden war, da#223; -

Getr#228;umt?

Mike setzte sich mit einem so pl#246;tzlichen Ruck auf, da#223; Singh erschrocken ein St#252;ck zur#252;ckprallte. Es war kein Traum gewesen! Siehattendie LEOPOLD angegriffen, und das Schiffwarbesch#228;digt worden. Zumindest war das letzte, woran er sich erinnern konnte, da#223; Trautman wohl gr#252;ndlich die Kontrolle #252;ber die NAUTILUS verloren hatte und sich das Tauchboot auf dem Weg zum Meeresboden befand, f#252;nf Meilen unter der Wasseroberfl#228;che. »Was ist passiert?« fragte er. »Wo sind wir?« »Keine Sorge, Herr«, antwortete Singh. »Es ist alles in Ordnung. Niemand ist ernsthaft verletzt.« »Das istdeinStandpunkt«, sagte eine wohlbekannte, n#246;rgelnde Stimme hinter Mike, die ihn endg#252;ltig davon #252;berzeugte, da#223; er nicht mehr tr#228;umte. Er drehte sich herum und sah in Bens Gesicht, der Singh unter einem frischen Stirnverband hervor zornig anfunkelte. »Bei Gelegenheit sollten wir uns #252;ber die genaue Bedeutung der Worte gt;nicht ernsthaft verletztlt; unterhalten. Ich habe mir fast den Sch#228;del eingeschlagen.« »Eben«, sagte Andr#233; gelassen. »Es wurde kein besonders wertvoller K#246;rperteil in Mitleidenschaft gezogen.« Ben warf ihm einen giftigen Blick zu, den Andr#233; mit einem Grinsen quittierte - das allerdings wenig #252;berzeugend ausfiel. Es lag wohl daran, da#223; er kaum einen besseren Anblick bot als der junge Engl#228;nder und die anderen ebenfalls. Chris trug einige Heftpflaster auf der Stirn und einen Verband um das rechte Handgelenk. Andr#233;s linkes Auge war dunkel unterlaufen und halb zugeschwollen, und Juans Wange zierte ein langer, erst halb verschorfter Kratzer. Es schien genauso zu sein, wie Singh behauptet hatte: Keiner von ihnen war ernsthaft verletzt, aber offensichtlich war auch niemand ohne Blessuren davongekommen. »Und was ist mit dem Schiff?« fragte er. Juan wollte antworten, aber Trautman kam ihm zuvor. »Es ist besch#228;digt, aber nicht so schlimm, wie ich bef#252;rchtet habe«, sagte er. Mike stand langsam auf und tastete vorsichtig seine Glieder ab, als m#252;sse er sich davon #252;berzeugen, da#223; sie auch tats#228;chlich alle noch da und unversehrt waren. Erst danach nahm er sich die Zeit, seinen Blick durch die Kommandozentrale streifen zu lassen. Der Anblick war tats#228;chlich nicht so schlimm, wie er im ersten Moment erwartet hatte, einige Scherben lagen herum, und zwei Bilder waren von der Wand gefallen. Der Boden lag ein wenig schr#228;g, und vor dem Fenster war nichts als vollkommene Schw#228;rze. Offenbar hatten sie noch einmal Gl#252;ck gehabt. »Sieht so aus, als h#228;tten wir noch einmal Gl#252;ck im Ungl#252;ck gehabt«, sagte Juan, als ob er Mikes Gedanken gelesen h#228;tte. »Wir sind nicht besonders tief gesunken.« Er deutete auf Trautmans Pult, auf dem sich der Tiefenmesser befand. »Nicht ganz zweihundert Meter. Irgend etwas hat uns aufgehalten.« »Nicht besonders tief?« #228;chzte Mike. »Zweihundert Meter? Und das nennst du nicht besonders tief?!« Er wollte sich erst gar nicht die Tonnen um Tonnen von Wasser vorstellen, die auf jeden Quadratzentimeter des Schiffsrumpfes #252;ber ihren K#246;pfen dr#252;ckten. »Das nenne ich es«, sagte Juan ruhig. »Das Meer ist an dieser Stelle beinahe sechstausend Meter tief. Wenn wir nicht auf diesem Riff oder was immer es ist, gestrandet w#228;ren, dann w#228;ren wir jetzt dort unten. Und der Wasserdruck in dieser Tiefe h#228;tte mit dem Schiff einfach -« Er hob die Hand, spreizte die Finger und schlo#223; sie dann mit einem Ruck zur Faust. »-das gemacht.« Mike schauderte erneut. Juans Handbewegung war so anschaulich, da#223; er gern auf jede weitere Erkl#228;rung verzichtete. Die NAUTILUS war ein gewaltiges Schiff, aber sie war nicht unzerst#246;rbar. »Haben wir viel abbekommen?« fragte er. »Trautman und Singh haben sich im Schiff umgesehen, w#228;hrend du geschlafen hast -wie #252;blich hast du wieder einmal das Spannendste verpa#223;t.« Juan wies

zur Decke. »Die oberen Lagerr#228;ume scheinen unter Wasser zu stehen. Aber es ist nicht so schlimm, wie es im ersten Moment aussah. Wenn es uns gelingt, das Leck abzudichten, k#246;nnen wir das Wasser

herauspumpen. Eine Menge Arbeit, aber es geht -hoffe ich.« Mike deutete mit einer Kopfbewegung auf Trautman, der mit dem R#252;cken zu ihnen am Fenster stand. »Warum ist er dann so niedergeschlagen?« »Er macht sich Vorw#252;rfe«, antwortete Juan fl#252;sternd. »Vorw#252;rfe?« fragte Mike. »Weil ich uns um ein Haar alle umgebracht h#228;tte«, sagte Trautman, ehe Juan antworten konnte. Mike und er hatten sehr leise gesprochen, aber Trautman hatte ihre Worte offensichtlich trotzdem verstanden. Er drehte sich nicht zu ihnen herum, als er weitersprach, aber Mike sah, da#223; er die F#228;uste ballte. »Ich h#228;tte das niemals tun d#252;rfen«, fuhr er fort. »Ich ... ich wei#223; selbst nicht, was in mich gefahren ist. Ich war wie von Sinnen. Aber ... aber f#252;r einen Augenblick war es wieder wie fr#252;her. Wie damals, als Nemo noch an Bord dieses Schiffes war.«

Und sie sich als eine Art moderner Pirat bet#228;tigt hatten?dachte Mike. Keiner von ihnen hatte es jemals deutlich ausgesprochen, aber sie alle wu#223;ten, da#223; der sagenumworbene Kapit#228;n Nemo auch eine Menge Dinge getan hatte, die nicht so ganz zu dem RobinHood-Image pa#223;ten, das er in den Erz#228;hlungen der Menschen sp#228;ter bekommen hatte. Es gab nicht wenige, die behaupteten, Nemo und seine M#228;nner w#228;ren nichts als gemeine Piraten gewesen - was Mike nat#252;rlich emp#246;rt von sich gewiesen h#228;tte, vor allem jetzt, wo er Singh und Trautman kennengelernt hatte. Aber es gab Dinge, #252;ber die Trautman nicht gerne sprach, und was er nun andeutete, geh#246;rte zweifellos dazu. Und das schlimmste war vielleicht, da#223; Mike zu wissen glaubte, was er meinte. Schlie#223;lich hatte er es selbst gesp#252;rt. Diese d#252;stere, b#246;se Verlockung der Macht und den fast unb#228;ndigen Wunsch, die Kr#228;fte dieses phantastischen Schiffes einzusetzen, um ihren Gegner einfach zu zerst#246;ren, hatte er ebenso deutlich gef#252;hlt wie Trautman -und wohl auch alle anderen, denn als er sich umsah, erblickte er auch auf Juans und Andr#233;s Gesicht die gleiche Betroffenheit, die auch er versp#252;rte. Einzig Ben sah nur trotzig drein. »Wir h#228;tten nicht hierherkommen d#252;rfen«, fuhr Trautman fort. »Ich h#228;tte bei meinem Entschlu#223; bleiben und dieses verdammte Schiff an der tiefsten Stelle des Meeres versenken sollen.« »Es ist ja nicht viel passiert«, sagte Mike. »Nicht viel passiert?« Trautman schnaubte. »Wir liegen zweihundert Meter unter dem Meeresspiegel fest. Um ein Haar h#228;tte ich euch alle umgebracht. Und wenn es anders gekommen w#228;re, dann h#228;tte ich vielleicht noch viel mehr Menschen get#246;tet. Habt ihr eine ungef#228;hre Vorstellung, wie viele M#228;nner an Bord der LEOPOLD sind?« »Etwa tausendzweihundert«, sagte Ben - und wahrscheinlich h#228;tte er noch mehr gesagt, h#228;tte Juan ihm nicht einen so kr#228;ftigen Tritt vor das Schienbein verpa#223;t, da#223; er vor Schmerz die Luft anhielt. »Ja, und auch die h#228;tte ich um ein Haar auf dem Gewissen«, sagte Trautman d#252;ster. »Ich h#228;tte mein Wort niemals brechen d#252;rfen. Ich habe Nemo geschworen, dieses Schiff nie wieder als Waffe gegen Menschen einzusetzen. Und er wu#223;te, warum er mir diesen Schwur abverlangte.« »Wenn Winterfeld Atlantis findet, wird vielleicht noch viel gr#246;#223;eres Unheil geschehen«, sagte Mike vorsichtig. »Wir werden ihn kaum davon abhalten k#246;nnen, seine

Suche fortzusetzen, wenn wir auf dem Meeresgrund

liegen und Wasser aus dem Schiff pumpen«, antwortete Trautman. »Wenn es das Schicksal so will, dann soll er Atlantis meinetwegen finden. Ich werde jedenfalls nicht mehr versuchen, mich in Dinge einzumischen, die mich nichts angehen.« Er straffte sich und wandte sich mit einem Ruck von der Schw#228;rze jenseits des Fensters ab. »Wir werden die NAUTILUS reparieren, und danach setze ich euch im n#228;chsten erreichbaren Hafen ab«, sagte er. Mike schwieg. Er sp#252;rte, da#223; es im Moment vollkommen sinnlos war, mit Trautman dar#252;ber zu reden. »Statt Tr#252;bsal zu blasen, sollten wir uns lieber den Schaden genauer ansehen und versuchen, den Kahn wieder flottzumachen«, sagte Andr#233; laut. Er blickte von Trautman zu Singh und wieder zu Trautman. Singh nickte. Trautman schwieg, senkte aber zustimmend den Kopf. »Du hast recht«, sagte er schlie#223;lich. »Singh und ich gehen nach drau#223;en und sehen uns den Schaden an. Ihr k#246;nnt inzwischen hier Ordnung schaffen.« »Ich komme mit«, sagte Mike spontan. »Ganz bestimmt nicht«, antwortete Trautman, aber Mike lie#223; sich so schnell nicht abwimmeln. »Wieso nicht?« fragte er. »Es ist f#252;r mich dort drau#223;en nicht gef#228;hrlicher als f#252;r Sie. Und wenn Ihnen etwas passiert, sind wir sowieso alle geliefert.« »Es gibt dort drau#223;en absolut nichts Interessantes zu sehen«, sagte Trautman mit einer Geste auf die Grabesschw#228;rze jenseits des Fensters. »Au#223;erdem ist es gef#228;hrlicher, als du denkst. Es ist nicht so einfach, sich in einem Taucheranzug zu bewegen.« »Dann wird es Zeit, da#223; ich es lerne«, sagte Mike. »Ich komme mit.« Und dabei blieb es.

Eine halbe Stunde sp#228;ter standen Trautman, Singh und er in der Tauchkammer tief unten im Rumpf der NAUTILUS, und Mike war sich nicht mehr so sicher, da#223; es eine gute Idee gewesen war, die beiden zu begleiten. Er hatte die Taucheranz#252;ge, von denen die NAUTILUS ein gutes Dutzend an Bord hatte, schon vorher gesehen, aber es war etwas anderes, ob diese im Schrank hingen oder ob ein Mensch in ihnen steckte und sich bewegte. Trautman und Singh hatten kaum noch etwas Menschliches an sich: In den klobigen Anz#252;gen sahen sie wie mi#223;gestaltete Zyklopen mit einem riesigen kugelrunden Kopf aus Metall aus. Das Sichtfenster prangte wie ein einzelnes, viel zu gro#223;es starrendes Auge darin. In dem spiegelnden Glas konnte Mike sich selbst als verzerrten Schatten sehen; ein drittes, klobiges Ungeheuer mit einem viel zu kleinen Kopf und einem bleichen Gesicht. Trautman hob die Hand und winkte ungeduldig, und Mike griff nach seinem eigenen Helm und st#252;lpte ihn #252;ber. Singh #252;berpr#252;fte gewissenhaft die Verschl#252;sse, erst dann gab er Trautman ein Zeichen, der sich schwerf#228;llig herumdrehte und an einem kleinen Handrad drehte. Ein kreisrunder Ausschnitt #246;ffnete sich im Boden. Wasser quoll daraus hervor und #252;bersp#252;lte ihre F#252;#223;e, aber der Druck in der luftdicht abgeriegelten Schleusenkammer verhinderte, da#223; es h#246;her als einige wenige Fingerbreit stieg. Obwohl der Anzug gut isoliert war, sp#252;rte Mike, wiekalt das Wasser des Atlantik in dieser Tiefe war. Singh war der erste, der durch die #214;ffnung kletterte. W#228;hrend er in den mit schwarzem, #246;lig aussehendem Wasser gef#252;llten Schacht hinabstarrte, bedauerte Mike, darauf bestanden zu haben, an dieser Erkundigungsexpedition teilzunehmen. Dort drau#223;en gab es wirklich nichts zu sehen. Nur Dunkelheit, Schw#228;rze und unbekannte Gefahren. Am liebsten h#228;tte er Trautman signalisiert, da#223; er doch zur#252;ckbleiben wollte. Aber sein Stolz verhinderte, da#223; er jetzt noch einen R#252;ckzieher machte. Tapfer kletterte er in das Loch im Boden hinab. Das Wasser schlug eisig und schwarz #252;ber ihm zusammen, und seine eigenen Atemz#252;ge erzeugten in dem geschlossenen Kupferhelm unheimlich klingende Echos. Als er das Schiff verlie#223;, wurde Mike durch das Licht von Singhs Handscheinwerfer geblendet, bevor der Sikh die Lampe in eine andere Richtung schwenkte. Singh stand nur einen Schritt von ihm, aber trotzdem erahnte Mike ihn mehr, als er ihn wirklich sah. Aber er begriff die Bedeutung der Geste, die Singh machte

- Mike l#246;ste den Scheinwerfer vom G#252;rtel seines Anzugs, schaltete ihn ein und schwenkte ihn herum. Was er sah, versetzte ihn in Erstaunen und Schrecken zugleich. Das Meer war zwar hier unten v#246;llig lichtlos, aber keineswegs ohne Leben. Unter ihren F#252;#223;en quollen braune Wolken aus aufgewirbeltem Schlamm hoch, aber #252;berall darin bewegte es sich, huschte es hin und her, verschwanden winzige silbrige Schatten aus dem Bereich der ungewohnten Helligkeit. Kleine Schw#228;rme von Fischen stoben vor dem Licht davon, und Mike konnte erkennen, da#223; sie in einer regelrechten Wiese kniehoher, grauwei#223;er Algen standen, die sich in der Str#246;mung sanft hin und her wiegten. Das Leben hatte selbst in dieser Tiefe Fu#223; gefa#223;t, obwohl das Licht der Sonne niemals hierhergekommen war. Der Gedanke hatte etwas Beruhigendes. Aber Mike sah auch etwas, was ihn sehr beunruhigte. Die Tauchkammer befand sich im hinteren Drittel des Schiffes. Alles, was davor lag, hatte sich unter dem ungeheuren Gewicht der NAUTILUS tief in den schlammigen Grund gegraben - aber auf der anderen

Seite, nur noch wenige Schritte von Singh und ihm entfernt, war

nichts mehr. Auch der Inder hatte diese erschreckende Tatsache bemerkt und n#228;herte sich der klaffenden Schw#228;rze; mit langsamen, kleinen Schritten, wobei er Mike und Trautman, der gerade in diesem Moment hinter ihnen aus dem Schiff kletterte, mit Handzeichen zu verstehen gab, da#223; sie vorsichtig sein sollten. Mike schob sich buchst#228;blich millimeterweise weiter. Sein Herz klopfte. Er hatte nicht vergessen, was Trautman ihm #252;ber diese Anz#252;ge erz#228;hlt hatte: sie waren zwar so sicher, da#223; sie ihren Tr#228;ger in nahezu jeder Wassertiefe sch#252;tzten, aber auch viel zu schwer, um damit zu schwimmen. Wenn er das Gleichgewicht verlor, w#252;rde er wie eine Schildkr#246;te, die auf dem R#252;cken gelandet war, hilflos darauf warten m#252;ssen, da#223; ihn jemand aufhob. Oder darauf, da#223; er ungef#228;hr sechstausend Meter tiefer auf dem Meeresboden aufschlug ... Mike schauderte, als er neben Singh und Trautman stehenblieb und sich behutsam vorbeugte. Der Abgrund lag genau vor ihnen. Das Licht des starken Scheinwerfers verlor sich nach wenigen Metern, als w#252;rde es von der Schw#228;rze dort unten aufgesogen wie ein Wassertropfen von der W#252;ste. Sie alle waren dem Tod nur um Haaresbreite entgangen: Die NAUTILUS war an der Klippe eines Unterwasserriffes h#228;ngengeblieben, aber w#228;re sie auch nur ein winziges St#252;ckchen weiter abgetrieben... Nein, er wollte sich nicht vorstellen, was dann passiert w#228;re. Das Schiff hing gut zu einem Drittel #252;ber dem Nichts. Sein Bug war zwischen einigen Felsen eingekeilt, aber der Halt sah nicht besonders vertrauenerweckend aus. Mike bildete sich tats#228;chlich ein, das Boot in der Str#246;mung hin und her wanken zu sehen wie eine zu gro#223; geratene Schiffsschaukel. Nat#252;rlich wu#223;te er, da#223; das pure Einbildung war - ein Scherz, den ihm seine #252;ber die Ma#223;en angespannten Nerven spielten. Aber es war auch zugleich eine Warnung. Wenn sie an Bord zur#252;ckkehrten, sollten sie sich vielleicht besser vorsichtig bewegen. Eine Winzigkeit mochte gen#252;gen, das Schiff vollends abrutschen und ins Bodenlose st#252;rzen zu lassen. Trautman ber#252;hrte ihn an der Schulter. Als Mike den Kopf wandte und ihn ansah, deutete ihm Trautman, da#223; sie wieder zum Schiff zur#252;ckkehren sollten. Schwerf#228;llig drehten sie sich herum und bewegten sich an der Au#223;enwand des Unterseebootes entlang, wobei ihnen die Lichtstrahlen ihrer Scheinwerfer wie kleine suchende Lichttierchen vorauseilten. Obwohl das Wasser ihnen mit seinem Auftrieb half, war es ein hartes St#252;ck Arbeit, an der Au#223;enseite der NAUTLIUS emporzuklettern. Mike erschrak, als sie hintereinander auf das Oberdeck kletterten und das volle Ausma#223; der Sch#228;den erkannten: Mehrere Spitzen des st#228;hlernen Zackenkammes waren verbogen, zwei oder drei glatt abgebrochen. Die NAUTILUS mu#223;te die LEOPOLD mit weitaus mehr Wucht gerammt haben, als er bisher geglaubt hatte. Auch der Turm mit dem Ausstieg hatte etwas abbekommen; der obere Lukendeckel war verbogen. Er war zwar noch dicht, aber wahrscheinlich w#252;rden sie einen Vorschlaghammer brauchen, um ihn jemals wieder aufzubekommen. Das Schlimmste aber war ein fast mannslanger Ri#223;, der sich dort entlangzog, wo sich die oberen Lagerr#228;ume befanden. Und trotzdem hatten sie wieder Gl#252;ck gehabt. H#228;tte der Zusammensto#223; den Turm besch#228;digt -oder gar abgerissen -, dann w#228;re das Schiff binnen weniger Minuten randvoll mit Wasser gelaufen. Trautman ging n#228;her an den Ri#223; heran, um das Leck genau zu untersuchen. Er blieb eine ganze Weile dort stehen, tastete vorsichtig #252;ber das Metall und besah sich auch die Heckschleuse eingehend, die sich in gef#228;hrlicher N#228;he der Wunde befand, die im Leib der NAUTILUS klaffte. Dann kam er wieder zu ihnen und machte eine Handbewegung, die besagte, da#223; sie sich wieder ins Schiffsinnere begeben sollten. Als Mike sich herumdrehte, um der Aufforderung Folge zu leisten, sah er das Licht. Mike erstarrte mitten in der Bewegung. Es war nur ein Schimmer gewesen, ein kurzer, blasser Blitz, der ebenso rasch wieder erloschen wie aufgeflammt war. Mikes Herz begann so schnell zu schlagen, da#223; er es bis in die Fingerspitzen f#252;hlen konnte. Ein Licht? Hier unten? Zweihundert Meter unter dem Meeresspiegel? Offensichtlich hatte auch Singh das Licht gesehen, denn das spiegelnde Zyklopenauge seines Helmes blickte starr in die gleiche Richtung, als Mike sich zu ihm herumdrehte. Trautman winkte ihnen erneut, doch Singh und Mike sch#252;ttelten gleichzeitig den Kopf, und Singh deutete in die Richtung, in der sie das Licht gesehen hatten. Mike hatte sich nicht get#228;uscht: es vergingen nur einige Sekunden, dann flammte das Licht wieder auf, wieder nur f#252;r einen winzigen Moment. Aber diesmal hatte es auch Trautman gesehen, denn er kletterte am Rumpf der NAUTILUS hinab, so schnell es der klobige Anzug zulie#223;, und legte seinen Scheinwerfer auf den Boden. Der gelbe Lichtstrahl, der in der schauerlichen Schw#228;rze hier unten noch greller wirkte als ohnehin, stach schr#228;g nach oben in den fl#252;ssigen Himmel, wo

er sich nach einer Weile in der Dunkelheit verlor. Im ersten Moment verstand Mike nicht, warum Trautman das tat -aber es wurde ihm klar, kaum, da#223; sie

sich ein paar Schritte von der NAUTILUS entfernt

hatten. Das Schiff verschmolz mit dem schwarzen Wasser und war schon nach Augenblicken einfach verschwunden. Ohne den Scheinwerfer, den Trautman zur#252;ckgelassen hatte, h#228;tten sie wahrscheinlich keine Chance gehabt, den R#252;ckweg jemals zu finden. So dicht hintereinander, da#223; sie sich mit den ausgestreckten Armen h#228;tten ber#252;hren k#246;nnen, bewegten sie sich in Richtung des Lichtes. Es war auch jetzt noch dann und wann zu erblicken: ein sanfter Schimmer, der aufblitzte und verschwand, mal f#252;r eine Sekunde, mal f#252;r zwei oder drei, mal nur f#252;r einen winzigen Augenblick. Mike versuchte vergeblich, irgendeine Regelm#228;#223;igkeit in diesem Rhythmus zu entdecken. Das Licht schien vollkommen willk#252;rlich aufzuleuchten und wieder zu erl#246;schen. Es war sehr schwer, in diesem schwarzen Universum Entfernungen zu sch#228;tzen, aber Mike glaubte nicht, da#223; sie weiter als zwei- oder dreihundert Schritte von der NAUTILUS weg waren, als Trautman pl#246;tzlich stehenblieb und warnend die Hand hob. Irgendwo nicht mehr sehr weit vor ihnen wurde der Lichtschein von Singhs Lampe von etwas Gro#223;em, Metallischem reflektiert, dessen Umrisse nicht genauer zu erkennen waren: ein Schatten von nur zuerahnender Gr#246;#223;e und Form, der aus dem Schlamm des Meeresgrundes herauswuchs. #196;u#223;erst vorsichtig bewegten sie sich weiter. Pl#246;tzlich sah Mike das Licht wieder: es leuchtete jetzt direkt vor ihnen auf, wie ein kleines, asymmetrisch geformtes Auge, das in unregelm#228;#223;igem Takt blinzelte.

Es war ein Fenster. Ein Fenster, hinter dem Licht brannte. Ein dichter Vorhang aus Algen und Tang bewegte sich davor im willk#252;rlichen Takt der Str#246;mung, wie wehendes verfilztes Haar. Mike sp#252;rte, wie seine H#228;nde in den dicken Handschuhen vor Aufregung feucht wurden. Unter den hin und her gleitenden Lichtkreisen seines und Singhs

Scheinwerfer sch#228;lten sich allm#228;hlich die Konturen einer gewaltigen, metallenen Kuppel aus der Schw#228;rze, ein riesiger Bau, sicher f#252;nfzehn Meter hoch und mehr als doppelt so breit, der #252;ber und #252;ber mit Muscheln verkrustet war, so da#223; nur hier und da noch ein St#252;ck l#228;ngst blind gewordenes Metall zu erkennen blieb. Ohne das Fenster mit dem Licht w#228;re die Kuppel vollkommen unsichtbar gewesen. Sie h#228;tten buchst#228;blich dar#252;ber stolpern k#246;nnen, ohne auch nur zu ahnen, da#223; vor ihnen mehr als ein Felsbuckel lag. Trautman tastete sich ein St#252;ck an der Kuppel entlang und winkte ihnen. Mike und Singh gingen zu ihm. Vor ihnen befand sich ein kleiner, aus der Kuppel ragender Vorbau -unverkennbar so etwas wie eine T#252;r. Trautman machte sich an einem Handrad neben dem Eingang zu schaffen, aber erst als Singh ihm half, gelang es ihnen, das Rad zu drehen. Selbst die beiden M#228;nner mu#223;ten all ihre Kraft aufwenden, um das sonderbar geformte Rad zu bewegen. Langsam schwang die runde T#252;r auf. Eine Perlenkette aus silbernen Luftblasen sprudelte ihnen entgegen, und Mike hob sofort seine Lampe, um in den dahinterliegenden Raum zu leuchten. Er sah eine rechteckig geformte Kammer aus Metall, die vollkommen leer war. An der gegen#252;berliegenden Wand befand sich eine zweite T#252;r und ein gleichartiges Rad. Die Kammer war eine Schleuse, ganz #228;hnlich der Tauchkammer anBord der NAUTILUS.

Trautman und Singh hatten die #228;u#223;ere T#252;r weit genug ge#246;ffnet, um durchgehen zu k#246;nnen. Trautman deutete ihnen zur#252;ckzubleiben, betrat die Schleuse als erster und blieb eine volle Minute reglos stehen, ehe er ihnen winkte, ihm zu folgen. Mike gehorchte, wenn auch langsam und mit zitternden Knien. In seine Entdeckungsfreude hatte sich l#228;ngst etwas Angst gemischt. Diese Kuppel war alt:uralt.Er fragte sich, was sie hinter der T#252;r auf der anderen Seite finden

mochten. Nachdem Singh als letzter die Schleuse betreten hatte,

machten sich Trautman und er mit vereinten Kr#228;ften daran, an dem Rad zu drehen. Wie erwartet schlo#223; sich die T#252;r hinter ihnen - aber dann geschah etwas v#246;llig Unerwartetes: Kaum war die gewaltige T#252;r wieder zu, da glomm an der gebogenen Decke #252;ber ihnen ein mildes, gr#252;nes Licht auf, und fast im selben Moment h#246;rten sie ein dumpfes Rumoren und Rauschen, und der Wasserspiegel in der Kammer begann zu sinken. Anscheinend hatten sie mit ihrem Eindringen eine Art Automatik ausgel#246;st, die ganz von selbst reagierte und das Wasser aus der Schleuse pumpte. Der Gedanke beunruhigte Mike. Ihm war l#228;ngst klar, da#223; sie tats#228;chlich gefunden hatten, wonach Arronax und Winterfeld noch suchten: Die Kuppel war zweifellos ein Bauwerk der sagenumwobenen Atlanter. Sie konnte gar nichts anderes sein.Dasbeunruhigte ihn auch nicht. Im Gegenteil.Wasihn beunruhigte, war das Licht, das sie hinter dem Fenster gesehen hatten, und die Tatsache, da#223; zumindest ein Teil ihrer uralten Technik noch funktionierte. Als das Wasser so weit gesunken war, da#223; es ihnen nur noch bis zur Brust reichte, hob Trautman die H#228;nde und begann seinen Helm abzuschrauben. Mike wollte dasselbe tun, aber Trautman machte eine ver

neinende Bewegung, die ihn innehalten lie#223;, setzte den Helm behutsam ab und atmete f#252;nf-, sechs-, siebenmal hintereinander ein und aus, ehe er auch Singh und Mike gestattete, ihre Helme abzunehmen. Die Luft, die sie einatmeten, schmeckte sonderbar: alt und abgestanden und fremdartig. Mike konnte es nicht besser beschreiben, denn es war eine Art von Luft, wie er sie noch niemals gerochen hatte. »Ich glaube, wir haben gefunden, wonach Winterfeld und Arronax suchen«, sagte Trautman -fast w#246;rtlich das, was Mike gerade gedacht hatte. Trautmans Stimme klang seltsam, ein fast ehrf#252;rchtiges Fl#252;stern, das von den metallenen W#228;nden hohl und irgendwie heiser zur#252;ckgeworfen wurde. Und er hatte die Worte kaum ausgesprochen, da h#246;rten sie erneut dieses rumpelnde Ger#228;usch - und vor ihnen begann sich die innere T#252;r der Schleusenkammer wie von Geisterhand bewegt zu #246;ffnen.

W#228;hrend der Sekunden, die vergingen, bis sich die T#252;r so weit ge#246;ffnet hatte, da#223; sie einen Blick in den dahinterliegenden Raum werfen konnten, plagten Mike alle nur denkbaren f#252;rchterlichen Visionen - von der Vorstellung, von einem tosenden Wasserschwall verschlungen zu werden bis hin zu der, sich einem glotz#228;ugigen Ungeheuer mit Krakenarmen und handlangen Z#228;hnen gegen#252;berzusehen. Nichts von alledem geschah -aber es kam Mike noch im nachhinein ganz erstaunlich vor, wie lange ein paar Sekunden sein konnten, in denen man hilflos den Schreckgespenstern der eigenen Phantasie ausgeliefert war. Und was sie sahen, war erstaunlich genug. Auch das Innere der Kuppel war hell erleuchtet. Das Licht, das von derselben unwirklichen gr#252;nen Farbe war wie das in der Schleuse, kam aus unsichtbaren Quellen

unter der Decke, und was es enth#252;llte, lie#223; Mike neuerlich erschaudern. Der ganze, riesige Raum war mit Maschinen und Ger#228;tschaften der unterschiedlichsten Gr#246;#223;e und Bauart regelrecht vollgestopft. Nichts davon #228;hnelte irgend etwas, was er jemals gesehen h#228;tte. Sowohl die Einrichtung wie auch die gesamte Architektur der Halle gehorchten einer fremdartigen, d#252;steren Geometrie. Es war Mike unm#246;glich, irgendwo einen rechten Winkel zu entdecken, eine gerade Linie oder auch nur eine Kr#252;mmung, die ihm vertraut schien, aber es war ihm auch unm#246;glich, die Abweichung vom Normalen zu beschreiben. Es war, als w#228;ren alle Winkel und Linien, alle Formen und Umrisse ein ganz kleines St#252;ckchen verschoben aber in eine Richtung, die es eigentlich gar nicht gab. Und so unheimlich und fremd ihm diese Umgebung erschien, kam sie ihm doch zugleich auch auf sonderbare Weise vertraut vor. Staunend und hin und her gerissen zwischen Faszination und Furcht ging er in die Halle hinein. Bei jedem Schritt dr#246;hnten seine schweren Stiefel dumpf auf dem Boden. Anders als die W#228;nde bestand er aus Stein; gro#223;en, asymmetrisch geformten Bl#246;cken, die ein eigenartiges Muster bildeten, von dem Mike irgendwie sicher war, da#223; er es kannte. Und dann, ganz pl#246;tzlich, wu#223;te er es. Er hatte ein Bauwerk wie dieses schon einmal gesehen. Diese Kuppel war ganz zweifellos von den gleichen Wesen (es war ihm selbst in Gedanken nicht m#246;glich, sie alsMenschenzu bezeichnen) errichtet worden wie die Geb#228;ude auf der Vergessenen Insel, auf der sie die NAUTILUS gefunden hatten. Aber es gab einen gewaltigen Unterschied. Die Geb#228;ude, auf die sie im Inneren des erloschenen Vulkans gesto#223;en waren, warenRuinengewesen, zum Gro#223;teil

zerst#246;rt und ihrer gesamten technischen Einrichtung beraubt. Hier war nichts zerst#246;rt, und die fremdartigen Maschinen versahen ihren Dienst zuverl#228;ssig wie am ersten Tag -und das, obwohl dieser Kuppelbau Tausende von Jahren alt sein mu#223;te! Hilflos sah er sich nach Singh und Trautman um. Die beiden waren ihm gefolgt und sahen ebenso verwirrt drein wie er selbst. Mike machte eine Geste. »Was ... ist das hier?« »Ich wei#223; es nicht«, antwortete Trautman leise. »Ich meine, es ist ein Teil des versunkenen Kontinents, daran besteht kein Zweifel. Aberwases ist ...« Er hob die Schultern. »Ich habe keine Ahnung. Auch ich habe so etwas noch nie gesehen. Mein Gott -es mu#223; Tausende und aber Tausende von Jahren alt sein. Und es funktioniert noch immer!« Mike trat an eine der Maschinen heran und betrachtete das Schaltpult genauer. Er hatte nicht die geringste Ahnung, um was es sich dabei handelte, doch die Apparaturen kamen ihm irgendwie bekannt vor wie alles hier, und auf einmal begriff er es. Sie #228;hnelten denen der NAUTILUS. Wenn es noch eines Beweises bedurft h#228;tte, woher das phantastische Tauchboot wirklich stammte, so hatte er ihn jetzt vor Augen. »R#252;hr nichts an«, sagte Trautman. »Das alles hier scheint noch immer zu funktionieren -aber ich habe keine Ahnung,wasdann passiert.« »Es mu#223; Jahrtausende alt sein«, murmelte Mike kopfsch#252;ttelnd. »Was f#252;r ein Volk mu#223; es gewesen sein, das solche Apparate bauen konnte?« »Ich frage mich, welche Gewalt ein solches Volk einfach ausgel#246;scht haben kann«, sagte Trautman leise. Mike erschrak. »Sie meinen -« »Ich meine gar nichts«, unterbrach ihn Trautman scharf. »Bis jetzt war Atlantis auch f#252;r mich nur eine

Legende, wei#223;t du? Trotz der NAUTILUS und der Vergessenen Insel. Aber das hier ... Wenn dieses Volk in der Lage war, Maschinen zu bauen, die nach Jahrtausenden noch funktionieren, was um alles in der Welt mag es dann vernichtet haben?« Die Worte erf#252;llten Mike mit einem Schrecken, den er sich selbst nicht erkl#228;ren konnte. »Wir k#246;nnen nicht lange bleiben«, sagte Trautman. »Die anderen werden sich schon Sorgen machen.« Mike verstand. Sie alle wu#223;ten, da#223; der Sauerstoffvorrat in den Anz#252;gen nur f#252;r eine knappe Stunde ausreichte. Zwar waren sie hier drinnen nicht darauf angewiesen, aber die auf dem Tauchboot Verbliebenen hatten ja davon keine Ahnung, sondern glaubten sie noch drau#223;en vor der NAUTILUS. »Aber wenn Winterfeld in der Zwischenzeit diese Kuppel findet...« begann Mike. »Ich habe nicht gesagt, da#223; wir so tun sollen, als w#228;re nichts passiert«, verbesserte ihn Trautman gereizt. In etwas gem#228;#223;igterem Ton fuhr er fort: »Wir gehen zur#252;ck und erz#228;hlen den anderen, was wir entdeckt haben. Sp#228;ter k#246;nnen wir wiederkommen und #252;berlegen, was ... was wir tun.« Mike sah ihn betroffen an. Er wu#223;te, was das unmerkliche Stocken in Trautmans Worten zu bedeuten hatten. Mit der Taucherglocke war Winterfeld durchaus in der Lage, diese Kuppel zu erreichen - und sie durften auf gar keinen Fall zulassen, da#223; dies geschah. Was Trautmann meinte, war schlichtweg dies: Wenn es ihnen nicht gelang, Winterfeld irgendwie aufzuhalten, w#252;rden sie diese Kuppel eher zerst#246;ren, bevor sie zulie#223;en, da#223; sie Winterfeld in die H#228;nde fiele. »Vielleicht reicht es, wenn wir irgendwie das Fenster verschlie#223;en«, sagte er. »Ohne das Licht findet er die Kuppel nie.«

Trautman antwortete nicht. Er nahm den Helm, den er bisher wie sie alle unter den Arm geklemmt getragen hatte, wieder in beide H#228;nde. »Gehen wir zur#252;ck«, sagte er. »Wir beraten in Ruhe, wenn wir wieder an Bord der NAUTILUS sind.« Mike drehte sich gehorsam herum -aber gerade, als er seinen Helm wieder aufsetzen wollte, glaubte er aus den Augenwinkeln eine Bewegung zu sehen. Erschrocken fuhr er herum und starrte in die entsprechende Richtung. Er sah nichts - aber er war fast sicher, einen kleinen, dunklen Schatten gesehen zu haben, der davonhuschte, ehe er wirklich erkennen konnte, um was es sich handelte. »Was hast du?« fragte Trautman. »Ich ... bin nicht sicher«, murmelte Mike. »Ich dachte, ich ... h#228;tte etwas gesehen. Eine Bewegung.« Trautman blickte ihn kurz an, drehte sich dann ebenfalls herum und sah konzentriert in die Richtung, in die Mikes ausgestreckter Arm wies. Ohne da#223; es eines weiteren Wortes bedurft h#228;tte, setzten sie sich gemeinsam in Bewegung. Erst als sie die Halle zur H#228;lfte durchquert hatten, sahen sie, da#223; es an der anderen Seite eine Anzahl niedriger, halbrunder T#252;ren gab, die tiefer in das uralte Geb#228;ude hineinf#252;hrten. Wieder war es, als h#228;tten sie sich ohne Worte verst#228;ndigt, denn sie teilten sich ganz selbstverst#228;ndlich auf, um die dahinterliegenden R#228;ume zu untersuchen. Mike trat mit klopfendem Herzen durch die T#252;r auf der rechten Seite. Der Raum, in den er gelangte, war im ersten Moment eine Entt#228;uschung. Die Kammer war fast vollkommen leer -bis auf einen l#228;nglichen, v#246;llig aus Glas bestehenden Beh#228;lter, der auf einem schwarzen Podest ruhte. Kein Schatten. Keine Gespenster und keine Ungeheuer mit Krakenarmen, die seit f#252;nftausend Jahren darauf warteten, da#223; ihr Fr#252;hst#252;ck zur T#252;r hereinspaziert kam. Mutiger geworden, trat Mike vollends in den Raum hinein und warf einen Blick auf den Glasbeh#228;lter. Mike schluckte. Eine Sekunde lang stand er einfach da,vollkommen starr vor #220;berraschung und Unglauben, dann fragte er sich, ob er das wirklich sah, oder

nicht vielmehr noch immer bewu#223;tlos im Salon der NAUTILUS lag und einen Alptraum hatte. H#228;tte er nicht die dicken Handschuhe getragen, dann h#228;tte er sich wahrscheinlich gekniffen, um sich zu #252;berzeugen,

da#223; er sich auch wirklich in wachem Zustand befand. Aber was er sah, war wahr: In dem Kasten lag regungslos

ein M#228;dchen. Mike blinzelte. Das Bild blieb. Vor ihm befand sich ein fast zwei Meter langer, gl#228;serner Sarg auf einem schwarzen Basaltblock, in dem eine schlanke, blondhaarige M#228;dchengestalt lag. Langsam, mit klopfendem Herzen und weichen Knien, ging Mike weiter und blieb einen Schritt vor dem Sarg stehen. Er sah noch immer ein bewegungslos daliegendes M#228;dchen von dreizehn oder vierzehn Jahren, in einem schlichten, wei#223;en Gewand mit gelocktem blondem Haar und einem bleichen Gesicht. Und offensichtlich war sie tot. Sie atmete nicht. Was hatte er erwartet? Wahrscheinlich war seit Hunderten, vermutlich sogar Tausenden von Jahren niemand mehr in dieser Kuppel gewesen. Sein erster Eindruck hatte ihn nicht getrogen: Der gl#228;serne Kasten war ein Sarg, in dem -Mike begriff erst mit einiger Versp#228;tung,wener da #252;berhaupt vor sich hatte, und diese Einsicht traf ihn mit voller Wucht.

Wenn diese Kuppel von den Bewohnern des untergegangenen Reiches gebaut worden war, dann stand er einemM#228;dchen aus Atlantisgegen#252;ber, das hier zur letzten Ruhe gebettet worden war! Der Gedanke erf#252;llte Mike mit einer tiefen Trauer. Er trat dichter an den Sarg heran und betrachtete das Gesicht des M#228;dchens genauer. Ja, sie war eine Sch#246;nheit gewesen, als sie noch gelebt hatte. Ihr Gesicht schien aus feinstem wei#223;em Porzellan modelliert zu sein, und das Haar, das ihren Kopf und die Schultern wie ein goldener Schleier umgab, mu#223;te ihr etwas Engelsgleiches verliehen haben. Ihre Z#252;ge waren fremdartig, aber trotzdem weich und edel. Pl#246;tzlich hatte Mike das sichere Gef#252;hl, da#223; er nicht mehr allein war, und wandte sich um. Aber es waren nicht Trautman oder der Sikh, die unbemerkt hinter ihm die Kammer betreten hatten ... Mike wich mit einem hellen Schrei zur#252;ck, hob entsetzt die Arme vor das Gesicht - und war die n#228;chsten Sekunden vollauf damit besch#228;ftigt, sich unbeschreiblich bl#246;d vorzukommen. Hinter ihm stand kein Ungeheuer. Kein Monster, das gekommen war, um seine tote Herrin zu besch#252;tzen und den Eindringling anzugreifen. Nein, was Mike schier zu Tode erschrocken hatte, war nichts anderes als eine ganz normale, langhaarige schwarze Katze. Mike lachte befreit, nannte sich in Gedanken einen Narren und lie#223; sich automatisch in die Hocke sinken und streckte die Hand aus, um die Katze zu streicheln, die -

Katze?

Hier?

Zweihundert Meter unter dem Meeresspiegel? In einer

hermetisch verschlossenen Kuppel, die mindestens f#252;nftausend Jahre alt war??!

Mikes Unterkiefer klappte vor Verbl#252;ffung herab. Er starrte das Tier an, das nur noch ein Auge hatte und sehr zutraulich war, denn als Mike keine Anstalten machte, seine Bewegung zu Ende zu f#252;hren, kam es herangetrippelt, stellte gr#252;#223;end den Schwanz auf und rieb sich schnurrend an seiner Handfl#228;che. Mike zog fast erschrocken die Hand zur#252;ck. Wo um alles in der Welt kam diese Katze hierher? Sein Herz klopfte. Irgend etwas stimmte hier nicht. Die Katze legte den Kopf schr#228;g, musterte ihn aus ihrem einzigen, bernsteingelben Auge und miaute laut, als h#228;tte sie seine Gedanken gelesen und versuchte ihn zu beruhigen. Mike seinerseits betrachtete sie genauer aber es blieb dabei: Was er sah, war eine schwarze Angorakatze, nicht mehr und nicht weniger. Sie war erstaunlich gro#223;, und ein einziger Blick auf ihre Z#228;hne und ihre Krallen #252;berzeugte Mike davon, da#223; er sich vielleicht besser nicht mir ihr anlegte, aber es blieb trotzdem eine Katze. Punktum. Eine Katze, die sich noch dazu #228;u#223;erst einsam zu f#252;hlen schien, denn als Mike sich beharrlich weigerte, sie zu streicheln, sprang sie mit einem Satz auf seine Knie, stellte sich auf die Hinterbeine und versetzte ihm mit dem Kopf einen Sto#223; unter das Kinn, der Mike beinahe aus dem Gleichgewicht gebracht h#228;tte. Mike fand leise lachend seine Balance wieder und strich dem Tier mit der linken Hand #252;ber den Kopf. Die Katze schnurrte lauter. Mike nahm sie behutsam auf beide Arme, stand auf und drehte sich wieder zu dem Sarg herum. Mike musterte nun die Konstruktion genauer. Der Sarg bestand g#228;nzlich aus Glas, aber an seiner Oberseite ragte eine schmale Metallzunge heraus, in der sich eine Anzahl winziger, mattgr#252;ner Lichter und zwei Schalter mit fremdartiger Beschriftung befanden.

Es gab einige drehbare Verschl#252;sse, mit denen der Deckel befestigt war. Er z#246;gerte einen Moment, dann griff er danach. Die Handschuhe behinderten ihn, so da#223; er die Katze behutsam auf der Oberseite des Glassarges absetzte und die Handschuhe dann kurzerhand auszog, ehe er sich wieder an dem Verschlu#223; zu schaffen machte. Die Katze miaute laut und warnend, doch er beachtete es nicht. Mit einem Klicken schnappte der erste Verschlu#223; zur#252;ck. Nur einen Sekundenbruchteil sp#228;ter schrie Mike vor Schmerz auf, ri#223; den Arm zur#252;ck und schlenkerte ihn wild hin und her -um die Katze abzusch#252;tteln, die pl#246;tzlich gar nicht mehr einsam und verschmust war, sondern sich mit rasender Wut in seine Hand verbissen hatte. Die Katze flog davon, suchte vergeblich mit den Krallen auf der spiegelglatten Oberfl#228;che des Sarges nach Halt und landete unsanft auf dem Boden. Mike pre#223;te die Hand einen Moment unter die Achsel und hob sie dann st#246;hnend vor das Gesicht. Der Bi#223; sah nicht sehr dramatisch aus, aber er tat h#246;llisch weh. Die Z#228;hne hatten sich tief in seine Haut gebohrt. Einige Blutstropfen quollen aus den kleinen Wunden. Zornig sah er die Katze an, die mittlerweile wieder auf den Glassarg hinaufgesprungen war und ihn mit gebleckten Z#228;hnen anfauchte. Ihr buschiger Schwanz peitschte wild hin und her, und die Krallen waren drohend ausgefahren. Ihre Ohren lagen flach am Kopf. Hastige Schritte n#228;herten sich. »Was ist los?« keuchte Singhs Stimme hinter ihm. »Ist Euch etwas geschehen? Seid Ihr in Gefahr, Herr?« Mike drehte sich herum, Singh und Trautman kamen hintereinander durch die T#252;r, aufgescheucht durch seinen Schrei. Singh war mit einem Satz neben ihm, hob die H#228;nde und sah sich kampflustig nach dem unbekannten Feind um, der seinen Herrn bedrohte, w#228;hrend Traut

man wie vom Donner ger#252;hrt stehenblieb und den Glassarg und die schwarze Katze anstarrte. »Was ist geschehen?« fragte Singh noch einmal. Dann bemerkte er Mikes blutende Hand und fuhr erschrocken zusammen. »Ihr seid verletzt, Herr!« Er wollte nach Mikes Hand greifen, aber Mike zog den Arm hastig zur#252;ck und verbarg die Hand wieder unter der Achselh#246;hle. Er war verletzt - aber wenn er ehrlich war, dann haupts#228;chlich in seinem Stolz. »Schon gut«, sagte er. »Ein Kratzer. Nicht mehr.« Wie nicht anders zu erwarten gewesen war, war Singh in diesem Punkt entschieden anderer Meinung. Aber er kam nicht dazu, eine entsprechende Bemerkung zu machen, denn Trautman ber#252;hrte ihn am Arm und deutete auf den gl#228;sernen Sarg, und der Anblick schlug selbst den normalerweise durch nichts zu beeindruckenden Sikh in seinen Bann. »Unglaublich!« fl#252;sterte Trautman. »Ich habe es entdeckt«, sagte Mike. »Das M#228;dchen mu#223; schon seit einer Ewigkeit hier liegen. Passen Sie auf!« f#252;gte er erschrocken hinzu, als Trautman einen Schritt auf den Sarg zu tat. »Dieses Mistvieh wird rabiat, wenn man ihm zu nahe kommt.« Die Katze miaute zur Antwort, h#246;rte auf, mit dem Schwanz zu wedeln, zog die Krallen ein und begann zu schnurren. Trautman bewegte sich vorsichtig weiter. Unschuldig blickte ihn das Tier an, leckte eine seiner Pfoten und schnurrte dabei, als k#246;nnte es kein W#228;sserchen tr#252;ben. »Ja, das ist ein richtiges Ungeheuer«, sagte Trautman belustigt. Er trat an den Glassarg heran, nahm die Katze mit beiden H#228;nden hoch und betrachtete sie eingehend, ehe er sie behutsam wieder absetzte. »Es ist #252;brigens ein Kater. Das erkl#228;rt alles. Sei froh, da#223; er dir nicht den Arm abgerissen hat.«

Mike blieb weder das Glitzern in Trautmans Augen noch der sp#246;ttische Klang seiner Stimme verborgen, aber er zog es vor, nicht darauf zu reagieren. F#252;r heute hatte er sich eigentlich genug blamiert. Feindselig musterte er den Kater und trat an Trautmans Seite, h#252;tete sich aber, dem Sarg zu nahe zu kommen. »Es sieht fast so aus, als ob er sie bewache«, sagte Singh leise. Mike blickte auf seine Hand herab: »Hm.« »Wer mag sie gewesen sein?« murmelte Trautman. »Das ... das war ein Kind.« Er sah kurz zu Mike. »Keinesfalls #228;lter als du. Wahrscheinlich sogar j#252;nger. Das ist unglaublich.« »Vielleicht ist das Ganze hier nichts anderes als ein riesiges Grabmal«, sagte Mike. »M#246;glich.« Trautman #252;berlegte. »Die Pyramiden haben auch keine andere Aufgabe, als Tote zu bewahren.« »Wenn sie tot ist«, h#246;rte Mike sichzu seiner eigenen #220;berraschung sagen. Trautman sch#252;ttelte heftig den Kopf. »Deine Phantasie geht mit dir durch, junger Mann«, sagte er. »Sie atmet nicht, ist dir das schon aufgefallen? M#246;glicherweise ist siedie einzige #220;berlebende von Atlantis.« Er zuckte die Schultern. »Auf jeden Fall ist sie tot. Wir k#246;nnen uns sp#228;ter noch den Kopf dar#252;ber zerbrechen, wer sie war, und wie sie hierhergekommen ist. Jetzt sollten wir zum Schiff zur#252;ckkehren.« Er deutete zum Ausgang. »Ich habe zur Abwechslung eine gute Nachricht. Singh hat einen Lagerraum voller Pre#223;luftflaschen entdeckt. Das erspart uns eine Menge Arbeit.« »Wieso?« »Weil wir so das eingedrungene Wasser nicht m#252;hsam aus der NAUTILUS herauspumpen m#252;ssen«, antwortete Trautman. »Singh und ich werden den Ri#223;

schwei#223;en. Wenn es uns gelingt, die Flaschen anzuschlie#223;en, k#246;nnen wir das Wasser einfach aus dem Schiff herausblasen. Also los - gehen wir, ehe die anderen anfangen, sich Sorgen zu machen.« Mike drehte sich widerwillig herum, um den Raum zu verlassen. Niemals h#228;tte er es laut zugegeben -aber es fiel ihm sonderbar schwer, das M#228;dchen zur#252;ckzulassen. Er kam sich vor, als lie#223;e er sie im Stich. Der Kater miaute kl#228;glich. Mike bedachte ihn mit einem letzten, finsteren Blick und wandte sich endg#252;ltig zum Gehen, blieb dann aber unter der T#252;r noch einmal stehen. Der Kater folgte ihnen nicht, sondern blieb auf dem gl#228;sernen Sarg sitzen; fast, als h#228;tte Trautman mit seiner scherzhaften Bemerkung recht gehabt, und er bewachte das tote M#228;dchen tats#228;chlich. Aber er sah ihnen so mitleiderregend nach, da#223; Mike ihm nicht mehr b#246;se sein konnte. »Wir kommen zur#252;ck«, versprach er. »Und dann werden wir eine M#246;glichkeit finden, dich mitzunehmen.« Die Antwort war ein langgezogener, schier herzzerrei#223;ender Laut - und etwas, was Mike mehr irritierte als alles, was sie bisher gesehen und erlebt hatten. W#228;hrend sie die Kuppel verlie#223;en und zur NAUTILUS zur#252;ckgingen, zerbrach er sich die ganze Zeit den Kopf #252;ber die Frage, ob er den Kater tats#228;chlich hattel#228;chelnsehen. Nat#252;rlich war das unm#246;glich. Schlie#223;lich k#246;nnen Katzen nicht l#228;cheln, ebensowenig wie Hunde oder andere Tiere. Er mu#223;te sich get#228;uscht haben. Aber ganz sicher war er nicht.

Trautman hatte recht gehabt - die anderen waren in Sorge, als sie zur#252;ckkamen. Sie waren weit l#228;nger als eine Stunde drau#223;en gewesen, viel l#228;nger, als ihr mitgenommener Sauerstoffvorrat eigentlich reichte.

Die Erleichterung, Trautman, ihn und den Inder lebend und unversehrt wiederzusehen, wich rasch ungl#228;ubigem Staunen, als sie von ihrer Entdeckung berichteten-und dann dem Wunsch, sofort zur Kuppel zu gehen. Aber Trautman winkte ab. Er erkl#228;rte, da#223; oben #252;ber dem Meer mittlerweile l#228;ngst die Sonne untergegangen sein mu#223;te und es auch f#252;r sie an der Zeit w#228;re, sich schlafen zu legen. Am n#228;chsten Morgen w#252;rden sie ihre erste richtige Expedition zur Unterwasserkuppel vorbereiten - und vor allem #252;berlegen, wie sie die schweren Pre#223;luftflaschen in ausreichender Menge zur NAUTILUS her#252;berschaffen konnten. Alle waren entt#228;uscht, Mike eingeschlossen. Aber er sah auch ein, da#223; es so besser war. Der n#228;chste Tag w#252;rde anstrengend werden. Sie w#252;rden jedes bi#223;chen Kraft brauchen. Sie hatten jetzt schon eine der gro#223;en Stahlflaschen mitgebracht, und obwohl ihnen das Wasser geholfen hatte, mit dem enormen Gewicht fertig zu werden, hatte es ihre Kr#228;fte fast #252;berstiegen. Selbst allen drei zusammen war es kaum gelungen, die Stahlflasche durch die Tauchkammer und dann die schmale Treppe zu den oberen Lagerr#228;umen hinaufzuschaffen. Nach und nach zogen sich alle in ihre Kabinen zur#252;ck. Auch Mike wollte das tun, #252;berlegte es sich aber dann und ging noch einmal in den oberen Teil des Schiffes, wo Singh und Trautman mit der Pre#223;luftflasche hantierten. »Klappt es?« fragte Mike, w#228;hrend er hinter den beiden stehenblieb, die #252;ber die Stahlflasche gebeugt

dahockten. Trautman sah nicht besonders begeistert drein. »Ich bin nicht sicher«, antwortete er. Er deutete mit einer Kopfbewegung auf das st#228;hlerne Schott, vor dem sie

knieten. Die gepanzerte T#252;r hatte sich bei dem Wassereinbruch automatisch geschlossen. Sie geh#246;rte zu einem ausgekl#252;gelten System, das im Falle eines Lecks verhindern sollte, da#223; die NAUTILUS ganz mit Wasser vollief, und das - wie er ja mit eigenen Augen sah - auch zuverl#228;ssig funktionierte. Wogegen keine Automatik der Welt etwas h#228;tte tun k#246;nnen, waren die f#252;nfzig- oder auch hunderttausend Liter Wasser, die in den Raum hinter der geschlossenen T#252;r eingedrungen waren und das Schiff wie ein Betongewicht am Meeresgrund festnagelten. Trautman wies auf einen runden, kompliziert aussehenden Verschlu#223; neben der T#252;r. »Die Anschl#252;sse passen nicht«, sagte er. »Ich hatte gehofft, die Pre#223;luftflaschen einfach anschlie#223;en zu k#246;nnen, um das Wasser kurzerhand aus dem Schiff zu pusten, aber die Ventile passen nicht genau aufeinander.« »Also doch pumpen?« fragte Mike. Trautman hob die Schultern. »Das kann Tage dauern«, sagte er. »Hast du eine Vorstellung, wie viel Arbeit es bedeutet, etliche zehntausend Liter Wasser aus dem Schiff zu pumpen?« »Wenn wir alle mithelfen -« »Darum geht es nicht«, unterbrach ihn Trautman. »Ich bin nicht sicher, da#223; uns genug Zeit bleibt.« Er deutete zur Decke hinauf. »Vergi#223; nicht auf Winterfeld. Fr#252;her oder sp#228;ter werden sie hier herunterkom

men. Und wenn sie uns entdecken...« Er seufzte. »Im Moment ist die NAUTILUS eher hilflos, f#252;rchte ich.« Mikes Hand schmerzte. Er sah auf sie herab und stellte fest, da#223; die beiden winzigen Bi#223;wunden mittlerweile angeschwollen waren und sich dunkelrot zu verf#228;rben begannen. Geistesabwesend strich er mit den Fingern der anderen Hand dar#252;ber und sagte: »Das sieht nicht gut aus, wie?«

»Nein. Aber noch bin ich mit meinem Latein nicht ganz am Ende. Morgen fr#252;h schwei#223;en Singh und ich erst einmal den Ri#223; im Rumpf. Wenn wir das Boot abgedichtet haben, sehen wir weiter. Vielleicht kann ich irgend etwas zusammenbasteln, damit die Ventile doch noch passen.« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf Mikes Hand. »Tut es sehr weh?« »Nein«, log Mike - obwohl seine Hand mittlerweile klopfte und pochte, da#223; es ihm fast die Tr#228;nen in die Augen trieb. Trautmans Blick lie#223; erkennen, was er von Mikes Antwort hielt, aber er sagte nur: »Geh jetzt schlafen. Morgen wird es ein anstrengender Tag«, und wandte sich dann wieder der Pre#223;luftflasche zu. Mike sah Singh und ihm noch einige Augenblicke lang zu, dann ging er zu seiner Kabine im untersten Deck der NAUTILUS zur#252;ck. Trotz aller Aufregung schlief er sofort ein.

Und tr#228;umte. Ganz anders als in einem normalen Schlaf war er sich in jeder Sekunde des Umstandes bewu#223;t, zu tr#228;umen, und trotzdem war es ein Traum von beinahe unheimlicher Realit#228;t. Er befand sich nicht mehr in seiner Kabine auf der NAUTILUS, sondern inmitten eines gewaltigen, wogenden gr#252;nen Dschungels, wie er ihn noch nie zuvor zu Gesicht bekommen hatte, weder in Wirklichkeit, noch auf einem Bild oder als Beschreibung in einem Buch. B#228;ume von schier unvorstellbarer Gr#246;#223;e standen so dicht um ihn herum, da#223; sie eine undurchdringliche Barriere zu bilden schienen; wo es #252;berhaupt noch ein Durchkommen gab, da wucherten dichtes Gestr#252;pp, dornige B#252;sche oder fremdartig aussehende Blumen. Die B#228;ume hatten eine seltsam geschuppte Rinde, und als er im Traum den Kopf hob und in den Himmel sah, erkannte er, da#223; es gar keine richtigen B#228;ume waren, viel

mehr eine Art gigantischer Farngew#228;chse, wie es sie vor Millionen von Jahren auf der Erde gegeben hatte. Ihre riesigen Bl#228;tter vereinigten sich hoch #252;ber ihm zu einem Dach, das so dicht war, da#223; es das Sonnenlicht nicht ganz durchlie#223;; auf dem Grund dieses Waldes herrschte ein dunkelgr#252;nes, feuchtes Zwielicht, in dem es niemals wirklich hell wurde. Und nicht nur die Umgebung, in der er sich in diesem sonderbaren Nicht-Traum wiederfand, war anders als seine normale Welt - auch er war nicht mehr er selbst. Mike hatte keinerlei Kontrolle #252;ber seinen Traum-K#246;rper, so da#223; es ihm nicht m#246;glich war, an sich herabzublicken und sich selbst in Augenschein zu nehmen, aber das mu#223;te er auch nicht, um zu begreifen, da#223; er sich nicht mehr in seinem K#246;rper, ja, vermutlich nicht einmal mehr in dem eines Menschen befand. Alle Bewegungen waren auf unheimliche, mit menschlichen Worten einfach nicht zu beschreibende Weise neu und fremdartig, er sah, h#246;rte, roch und schmeckte ungleich sch#228;rfer und deutlicher als zuvor, und anstelle von Logik und Vernunft empfand er eine verwirrende Vielfalt anderer Gef#252;hle, die er auch als Mensch dann und wann kennengelernt hatte, aber niemals auch nur ann#228;hernd in dieser Heftigkeit: Hunger, Jagdfieber, Furcht, Mi#223;trauen - alles Instinkte eines Raubtieres, und dazu andere, v#246;llig fremde Gef#252;hle, f#252;r die er einfach keine Worte fand, weit sie ihn in seinem bisherigen Leben als Mensch vollkommen unbekannt gewesen waren. Mike war nicht in der Lage, die Bewegungen oder Taten seines »Gastk#246;rpers« irgendwie zu beeinflussen, so da#223; ihm nichts anderes #252;brig blieb, als sich in die

Rolle des passiven Beobachters zu f#252;gen. Immerhin begriff er, da#223; das Gesch#246;pf, dem er in diesem Traum als Wirt diente, ein Vierbeiner war, und dazu offensichtlich ein R#228;uber, denn ein paarmal kam eine schwarze, krallenbewehrte Pfote in seinen Gesichtskreis, und zwei- oder dreimal stoben kleinere Tiere in Panik vor ihm davon. Er verfolgte sie, und obwohl er sie nicht einholte und jedesmal leer ausging, war es ein ungemein aufregendes Gef#252;hl, das Mike bald so in seinen Bann zog, da#223; er schlie#223;lich beinahe verga#223;, nur zu tr#228;umen. Ganz pl#246;tzlich war er es, der hinter einem kleinen, an ein Eichh#246;rnchen mit kahlem Schwanz erinnerndes Wesen herjagte, nicht mehr sein ertr#228;umter Wirt, und er sp#252;rte das Jagdfieber und den bohrenden Hunger so heftig, als w#228;ren es tats#228;chlich seine Gef#252;hle, nicht die eines ertr#228;umten Gesch#246;pfes in einer ertr#228;umten Welt. Seine Beute drohte zu entkommen und rannte mit ungemein behenden Spr#252;ngen an einem Baumstamm empor, aber Mike folgte ihr mit ebensolcher Leichtigkeit. Er sp#252;rte, wie sich seine Krallen in die Rinde des Farnbaumes gruben, w#228;hrend sein schlanker, muskul#246;ser K#246;rper sich zum entscheidenden Sprung spannte, und -

Jemand schlug ihm so heftig ins Gesicht, da#223; Mike schreiend hochfuhr und sch#252;tzend die Arme vor das Gesicht ri#223;. Im allerersten Moment sah er nur Licht und Schatten, die einen sinnverwirrenden Tanz um ihn auff#252;hrten. Er glaubte zu st#252;rzen. Wenn er den Halt am Baumstamm verlor und fiel, w#252;rde er -

Welcher Baumstamm?

Mike wachte gewisserma#223;en zum zweiten Mal auf, als ihm klarwurde, da#223; er nicht mehr in der ertr#228;umten Welt des Farndschungels war, sondern keuchend und am ganzen Leib na#223; vor Schwei#223; aufrecht in seinem Bett sa#223;. Und vor ihm befand sich auch kein kleines, struppiges Eichh#246;rnchen, sondern Singh, der ihn voller Sorge ansah und schon mit etwas mehr als sanfter Gewalt seine Handgelenke festhielt.

»Ist alles in Ordnung mit Euch, Herr?« fragte er. Mike nickte und nahm die Arme herunter, als Singh endlich seine Handgelenke loslie#223;. Erst dann sp#252;rte er das Brennen auf seinem Gesicht. Ein um Verzeihung heischender Ausdruck erschien in Singhs Augen, als Mike die rechte Hand auf seine Wange legte. »Du hast mich schon wieder geschlagen«, sagte Mike vorwurfsvoll. »Ich wu#223;te mir keinen anderen Rat«, antwortete Singh mit einer Stimme, der jegliches Bedauern fehlte. »Ihr habt geschrien und um Euch geschlagen. Hattet Ihr einen schlechten Traum?« »Ich... glaube ja«, sagte Mike z#246;gernd. Ein kurzes, eisiges Fr#246;steln lief #252;ber seinen R#252;cken. Im Traum war er als gewaltiges Raubtier durch einen Dschungel gestreift, der ihm v#246;llig normal vorgekommen war, w#228;hrend er ihm aus der Erinnerung heraus jetzt ebenso bizarr und unwirklich erschien. Es gelang Mike nur mit M#252;he, sich noch an einige Details zu erinnern, obwohl der Traum so real gewesen war. Aber wie es oft mit Tr#228;umen ist, die Bilder verbla#223;ten rasch, nachdem er einmal erwacht war. Singh sah ihn weiter mit gro#223;er Besorgnis an. »Was ist los mit Euch?« erkundigte er sich besorgt. »Ihr seht schrecklich aus -mit Verlaub gesagt.« Er streckte den Arm aus und legte ihm die Handfl#228;che auf die Stirn. »Kein Wunder. Ihr habt hohes Fieber. Eure Stirn gl#252;ht ja fast.« »Das ist nichts«, antwortete Mike. »Ich werde Chinin aus der Bordapotheke holen«, sagte Singh, aber Mike hielt ihn mit einer fast erschrocke

nen Handbewegung zur#252;ck. Er brauchte keine Medikamente. Es war seltsam -er wu#223;te nicht, was ihm fehlte, aber er wu#223;te mit absoluter Gewi#223;heit, da#223;Medikamentedagegen nicht helfen w#252;rden.

»Ich habe mich wahrscheinlich #252;beranstrengt«, sagte er. »Es war alles etwas viel.« Singh lie#223; sich nicht anmerken, was er von seiner Antwort hielt. Allerdings tat er auch jetzt wieder, was Mike mittlerweile schon von ihm gew#246;hnt war; wenn Singh glaubte, sein Herr und Sch#252;tzling w#228;re in Gefahr oder h#228;tte sich zuviel zugemutet, dann ignorierte er Mikes Befehle kurzerhand. Obwohl Singh darauf bestand, ihn mitHerranzureden und ihn zu behandeln, als w#228;re er Mikes Sklave und Leibeigener, nicht der Mann, der ihm schon ein paarmal das Leben gerettet hatte und ohne den sie alle nicht hier w#228;ren, besa#223; er auch ein un#252;bertroffenes Talent darin, Mikes W#252;nsche gegebenenfalls einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen. »Ich werde etwas holen, was das Fieber senkt«, erkl#228;rte er. Noch bevor Mike etwas sagen konnte, verlie#223; er die Kabine. Mikes Blick fiel auf seine rechte Hand. Die Bi#223;wunde, die ihm der Kater zugef#252;gt hatte, hatte sich weiter ger#246;tet und war noch mehr angeschwollen. Das Blut pochte in seiner Hand. Der Bi#223; hatte sich entz#252;ndet.

Und wahrscheinlich war das auch der Grund f#252;r sein

Fieber und den daraus resultierenden Alptraum.

Wennes ein Alptraum gewesen war.

Mike f#252;hlte sich immer verwirrter. Er konnte sich jetzt kaum noch an Einzelheiten entsinnen, aber je mehr sich seine Erinnerungen verwischten, desto unheimlicher kam ihm sein Traum vor. Er hatte niemals etwas erlebt, was auch nur ann#228;hernd so sonderbar gewesen war. Allerdings hatte er auch niemals zuvor eine jahrtausendealte Kuppel auf dem Meeresgrund gefunden, in der ein totes M#228;dchen lag, das von einem schwarzen Angorakater bewacht wurde ... Wahrscheinlich war das die Erkl#228;rung. Zusammen

mit dem Fieber, das die Entz#252;ndung in seiner Hand ausgel#246;st hatte, mu#223;ten die Ereignisse des zur#252;ckliegenden Tages seine Phantasie ja dazu anregen, Purzelb#228;ume zu schlagen. Singh kehrte zur#252;ck. Er hielt ein Glas in der rechten Hand und gab Mike gar nicht erst die Chance, sich zu widersetzen, sondern fl#246;#223;te ihm fast gewaltsam ein paar Schlucke eines bitteren Trunks ein. Mike schluckte die Br#252;he tapfer hinunter, konnte aber nicht verhindern, da#223; sich seine Lippen angeekelt verzogen, als Singh das Glas endlich zur#252;cknahm. »Es wird Euch helfen«, sagte Singh. Er l#228;chelte fl#252;chtig. »Ihr wi#223;t ja -alles was wirklich schlecht schmeckt, ist auch gesund.« Behutsam stellte er das Glas auf den Boden, dr#252;ckte Mike mit sanfter Gewalt auf das Bett zur#252;ck und deckte ihn zu, als w#228;re er ein kleines Kind. »Schlaft jetzt, Herr«, sagte er. »Ich werde Trautman und den anderen sagen, da#223; sie Euch nicht wecken sollen.« »Das kommt #252;berhaupt nicht in Frage«, protestierte Mike. »Ich werde -« »- niemandem eine Hilfe sein, wenn Ihr Euch #252;beranstrengt und zusammenbrecht«, fiel ihm Singh ins Wort. »Vielleicht sogar drau#223;en im Meer oder in der Kuppel. Schlaft Euch gr#252;ndlich aus, und vielleicht ist das Fieber dann schon von selbst verschwunden.« Mike wollte ihm seine entz#252;ndete Hand zeigen, doch

irgend etwas in ihm str#228;ubte sich. Im Gegenteil: Fast gegen seinen Willen hielt er die Hand sorgsam unter der Bettdecke versteckt. Er wu#223;te nicht warum, aber etwas sagte ihm, da#223; es besser war, wenn Singh die Wunde nicht zu Gesicht bekam. »Soll ich hierbleiben?« erkundigte sich Singh. Mike sch#252;ttelte den Kopf. Pl#246;tzlich war er wieder m#252;de; furchtbar m#252;de. Er fragte sich, was wohl in dem Glas gewesen war, dessen Inhalt Singh ihm eingefl#246;#223;t hatte, aber selbst dieser Gedanke entglitt ihm sofort wieder. Er wollte nur noch schlafen. »Das ... ist nicht n#246;tig«, murmelte er. Und nur wenige Augenblicke sp#228;ter war er bereits wieder eingeschlafen. Dieses Mal tr#228;umte er nicht.

Singh machte seine Drohung wahr und weckte ihn nicht. Und obwohl Mikes erster Gedanke nach dem Aufwachen Ver#228;rgerung dar#252;ber war, empfand er auch zugleich tiefe Dankbarkeit, denn er f#252;hlte sich tats#228;chlich ausgeruht und wohl wie schon lange nicht mehr. Entweder der Schlaf oder Singhs Mittel hatte das Fieber besiegt. Seine Hand tat noch immer ein wenig weh, doch als er sie betrachtete, stellte er fest, da#223; die Schwellung deutlich zur#252;ckgegangen war. Er mu#223;te tats#228;chlich sehr viel l#228;nger als die anderen geschlafen haben, denn als er seine Kabine verlie#223; und in den Salon hinaufschlurfte, fand er Singh und seine Freunde zusammen an dem gro#223;en Tisch am Aussichtsfenster sitzen und essen. Sein erster Blick ging nach drau#223;en, aber die schwache Hoffnung, da#223; sich auch die Katastrophe von gestern als Teil des Alptraumes der vergangenen Nacht erweisen mochte, erf#252;llte sich nicht. Vor dem Fenster herrschte noch immer absolute Dunkelheit. Mike vertrieb den Gedanken mit M#252;he. Der Raum war so behaglich mit Pl#252;sch ausgestattet, da#223; man glatt h#228;tte vergessen k#246;nnen, sich an Bord eines Unterseebootes zu befinden, w#228;ren nicht in seinem hinteren Drittel das gro#223;e Steuerruder und die beiden Instrumentenpulte gewesen. Es gab B#252;cherregale, sogar eine Bar, eine Chaiselongue, und mehrere bequeme Ledersessel gruppierten sich um einen Tisch.

In einem der Sessel sa#223; Trautman. Sein ohnehin hageres Gesicht war eingefallen, und unter seinen Augen lagen dunkle Schatten. Er sah ersch#246;pft aus, als h#228;tte er die ganze Nacht durchgearbeitet. Die anderen empfingen Mike mit gro#223;em Hallo und einigen sp#246;ttischen Bemerkungen #252;ber seine Versp#228;tung, und als Mike einen Blick Singhs auffing, wurde ihm klar, da#223; der Sikh nichts #252;ber die Ereignisse der vergangenen Nacht erz#228;hlt hatte. Er war ihm sehr dankbar daf#252;r. So lie#223; er den gutm#252;tigen Spott der anderen #252;ber sich ergehen, nahm auf dem einzigen freigebliebenen Stuhl Platz und begann mit gro#223;em Appetit zu essen. Er f#252;hlte sich nicht nur ausgeruht und frisch, sondern auch so hungrig, als w#228;re er in der vergangenen Nacht tats#228;chlich stundenlang durch einen Urwald gerannt, statt fiebergeplagt in seinem Bett zu liegen. Nat#252;rlich dr#228;ngten alle darauf, sofort in die Taucheranz#252;ge zu steigen und zur Kuppel hin#252;berzugehen, aber Trautman versetzte ihrem Unternehmungsgeist erneut einen ordentlichen D#228;mpfer. Zuallererst, so erkl#228;rte er, m#252;#223;ten Singh und er sich um den Ri#223; in der NAUTILUS k#252;mmern, w#228;hrend den anderen die Aufgabe zufiel, das Schiff nach weiteren, bis jetzt vielleicht verborgen gebliebenen Sch#228;den zu untersuchen. Selbst wenn es ihnen gelang, die NAUTILUS wieder flottzumachen, war doch die Gefahr damit keineswegs vor#252;ber. Zweihundert Meter #252;ber ihren K#246;pfen befand sich noch immer die LEOPOLD, die vermutlich mit geladenen Kanonen nur darauf wartete, da#223; sie auftauchten. Nat#252;rlich war die Entt#228;uschung gro#223;, aber bis auf Ben, der schon aus Prinzip immer dagegen war - ganz egal, wogegen -, sahen schlie#223;lich alle ein, da#223; Trautman recht hatte. W#228;hrend Trautman und der Inder wieder in ihre Tau

cheranz#252;ge stiegen und das Schiff, schwerbeladen mit Werkzeug und allen m#246;glichen Materialien, die sie zur Reparatur der NAUTILUS ben#246;tigten, verlie#223;en, machten sich die Jungen daran, die NAUTILUS vom Bug bis zum Heck zu untersuchen. Und es zeigte sich, da#223; Trautmans Bef#252;rchtungen nur zu begr#252;ndet gewesen waren: Sie fanden Dutzende von Sch#228;den, keiner gro#223; oder wirklich gef#228;hrlich, die in ihrer Summe jedoch die Man#246;vrierf#228;higkeit des Schiffes erheblich einschr#228;nkten. Einiges konnten sie sofort reparieren, einiges nicht, bei manchen Ger#228;tschaften, die sie zerst#246;rt oder aus ihren Halterungen gerissen vorfanden, wu#223;ten sie nicht einmal, wozu sie dienten, so da#223; Trautman nicht einmal in den Pausen, in denen Singh und er immer wieder zur#252;ckkehren mu#223;ten, um den Sauerstoffvorrat ihrer Anz#252;ge aufzuf#252;llen, zur Ruhe kam, sondern st#228;ndig damit besch#228;ftigt war, sich das eine oder andere anzusehen, Anweisungen zu erteilen oder auch selbst Hand anzulegen. So verging fast der gesamte Tag. Erst am sp#228;ten Nachmittag, als Singh und Trautman endg#252;ltig an Bord zur#252;ckkamen, brachten sie die erste gute Nachricht des Tages mit. Trautman erkl#228;rte, da#223; es ihnen gelungen sei, das Leck notd#252;rftig abzudichten. Eine sp#228;tere, fachm#228;nnische Reparatur sei zwar unumg#228;nglich, im Augenblick jedoch w#252;rde das Provisorium durchaus halten, so da#223; sie den zweiten Teil der Reparaturarbeiten in Angriff nehmen konnten: die Aufgabe, das eingedrungene Wasser aus dem Schiff zu entfernen. Wie nicht anders zu erwarten, war dies f#252;r die Jungen nat#252;rlich ein Stichwort, erneut auf einen Ausflug zur Unterwasserkuppel zu dr#228;ngen. Mike rechnete fest damit, da#223; Trautman ihnen dieses Ansinnen auch jetzt wieder abschlagen w#252;rde. Singh und er hatten den ganzen Tag schwer gearbeitet und sahen beide

sehr m#252;de aus. Aber erstaunlicherweise ging Trautman diesmaldarauf ein. »Also gut«, sagte er, »Mike und ich gehen noch einmal zur Kuppel und treffen alle Vorbereitungen. Ich habe eine Idee, wie wir die Pre#223;luftflaschen her#252;berbringen k#246;nnen. Singh -« Er wandte sich mit einer m#252;den Geste an den Inder. »kann inzwischen weiter versuchen, ein passendes Ventil zusammenzubasteln. Ich hoffe, es klappt. Wenn nicht, m#252;ssen wir mindestens zwei Tage lang pumpen.« Seine Worte l#246;sten ein allgemeines Protestgeschrei aus. Keiner der anderen sah ein, warum ausgerechnet Mike und nichteran diesem zweiten Ausflug zur Kuppel teilnehmen sollte. »Weil Mike schon einmal dort war und den Weg kennt«, antwortete Trautman. »Au#223;erdem ist es nicht ganz einfach, sich in den Unterwasseranz#252;gen zu bewegen. Ich habe jetzt weder Zeit noch Lust, es euch zu zeigen. Der Weg ist gef#228;hrlich.« »Ich kann damit umgehen«, murrte Ben. »Sie haben es mir selbst gezeigt.« Trautmann seufzte, aber er widersprach nicht. Zum einen sagte Ben die Wahrheit: Trautman hatte ihm schon vor Wochen gezeigt, wie man sich in den Unterwasseranz#252;gen fortbewegte. Und zum anderen war Ben von ihnen allen mit Abstand der Kr#228;ftigste. Sie w#252;rden Hilfe brauchen k#246;nnen, um mit den zentnerschweren Flaschen zu Rande zu kommen. »Also gut«, sagte er schlie#223;lich entschieden und stand auf. »Aber nur du. Die anderen k#246;nnen Singh helfen.« Die anderen h#246;rten nicht auf zu protestieren, aber Trautman lie#223; sich auf keine weitere Diskussion ein. Sie verlie#223;en den Salon und gingen nach unten, betraten jedoch nicht sofort die Tauchkammer, sondern zuerst den dahinterliegenden Ger#228;teraum, dessen W#228;n

de so mit Regalen, Kisten und Schr#228;nken vollgestopft waren, da#223; man sich zu dritt kaum darin bewegen konnte. Trautman suchte eine ganze Weile leise vor

sich hin murrend in dem Durcheinander herum, das der Zusammensto#223; mit der LEOPOLD auch hier hinterlassen hatte, und f#246;rderte schlie#223;lich eine gewaltige Kabelrolle zutage, die er #228;chzend in die Tauchkammer hin#252;bertrug, ohne auf Mikes und Bens fragende Blicke zu reagieren. Als n#228;chstes brachte er ein grobmaschiges Netz und eine Anzahl gro#223;er, luftdichter S#228;cke in die Schleuse, so da#223; der verbleibende Platz f#252;r ihn und die beiden Jungen kaum noch auszureichen schien. Schlie#223;lich schleppte er noch einen Eimer schwarzer Teerfarbe und einen Pinsel herein, und Mike platzte endlich mit seinen Fragen heraus. Trautman deutete mit einer Kopfbewegung auf die Seilrolle, w#228;hrend er bereits begann, in den Taucheranzug zu steigen. »Das wird unser Ariadnefaden«, sagte er. »Wir spannen ein Seil zwischen der NAUTILUS und der Kuppel. Wenn wir uns daran festhalten, k#246;nnen wir uns nicht verirren.« »Wieso verirren?« fragte Ben. »Es ist hier so dunkel, da#223; es t#246;dlich sein k#246;nnte, vom rechten Weg abzukommen«, antwortete Trautman. Das sah Mike zwar ein, aber er erwiderte trotzdem: »Warum benutzen wir nicht einen Scheinwerfer?« »Warum lassen wir nicht gleich eine Boje steigen und h#228;ngen einen Zettel f#252;r Winterfeld daran?« gab Trautman gereizt zur#252;ck. »Wir m#252;ssen sehr vorsichtig sein. Ich verstehe ohnehin nicht, wieso sie noch nicht heruntergekommen sind. Wenn sie uns entdecken, sind wir verloren.« »Vielleicht glaubt Winterfeld, da#223; die NAUTILUS gesunken ist«, vermutete Ben. »Kaum«, antwortete Trautman. »Ich kenne Winterfeld zwar nicht pers#246;nlich, aber ich kann mir nicht vorstellen, da#223; er so leichtsinnig ist. Ich an seiner Stelle w#252;rde jedenfalls nicht eher ruhen, bis ich mich mit eigenen Augen davon #252;berzeugt h#228;tte, da#223; das Schiffwirklichzerst#246;rt ist.« Er war damit fertig, den schweren Anzug anzulegen, und half nun Mike und Ben, in ihre Monturen zu steigen, bevor er die Handschuhe #252;berstreifte und den Helm aufsetzte. Wenig sp#228;ter hatten sie die NAUTILUS durch die Schleuse im Boden verlassen und befanden sich wieder auf dem Weg zur Kuppel. Sie brauchten sehr viel l#228;nger als das erste Mal. Trautman hatte ein Ende des Kabels an der NAUTI-LUS befestigt und rollte es St#252;ck f#252;r St#252;ck hinter sich ab, aber das Netz und die gro#223;en S#228;cke, die sich wie schlaffe Segel in der Str#246;mung bewegten und sie immer wieder von den F#252;#223;en zu rei#223;en drohten, behinderten sie zus#228;tzlich. Und Mike brannte vor Ungeduld, das M#228;dchen, und vor allem den Kater, wiederzusehen, da#223; ihm der Weg doppelt so lang vorkam. Zuerst luden sie ihre Last au#223;erhalb der Kuppel ab, und Trautman beschwerte das Ende des Seiles mit einem Stein, damit es nicht von der Str#246;mung erfa#223;t und davongetragen wurde, ehe sie die Schleuse betraten. Die uralte Automatik arbeitete zuverl#228;ssig wie am gestrigen Tag, kaum da#223; sie die #228;u#223;ere T#252;r hinter sich geschlossen hatten, und wenige Augenblicke sp#228;ter traten sie hintereinander in die Maschinenhalle hinein und nahmen die Helme ab. Ben ri#223; Mund und Augen auf, als er all die Apparate und technischen Vorrichtungen erblickte. »Das ist ... nicht zu fassen«, fl#252;sterte er. »Staunen k#246;nnt ihr sp#228;ter«, sagte Trautman. »Wir haben viel zu tun.« Er deutete zur anderen Seite der Halle. »Die Flaschen befinden sich hinter der letzten T#252;r auf der linken Seite. Schafft sie hierher. Sobald ich fertig bin, komme ich nach.« Er nahm den Eimer mit der schwarzen Teerfarbe auf, den er als einziges mit hereingebracht hatte, und trollte sich - um genau das zu tun, was Mike gestern vorgeschlagen hatte: das Fenster schwarz anzumalen, durch das der verr#228;terische Lichtschein nach drau#223;en fiel. Manchmal waren die einfachsten L#246;sungen eben noch immer die besten. Auch Mike und Ben setzten sich in Bewegung - allerdings nicht, um zu tun, was Trautman ihnen gesagt hatte. Statt dessen steuerten sie die Kammer mit dem M#228;dchen an, denn selbstverst#228;ndlich brannte Ben darauf, den gl#228;sernen Sarg zu sehen. Ein schwarzes, struppiges Etwas kam ihnen entgegen und begr#252;#223;te sie mit einem fr#246;hlichen Miauen, und Ben ri#223; zum zweiten Mal die Augen auf, w#228;hrend sich Mike hinhockte, um den Kater zu begr#252;#223;en. Das Tier rieb schnurrend seinen Kopf an Mikes Hand, so da#223; auch noch der letzte Rest von Zorn in ihm dahinschmolz. Au#223;erdem tat seine Hand sowieso kaum noch weh. »So was!« fl#252;sterte Ben. »Das Vieh gibt's ja wirklich!« Der Kater stellte die Ohren auf und sah zu Ben hoch, als h#228;tte er genau verstanden, da#223; die Rede von ihm war. »Was hast du denn erwartet?« fragte Mike. »Da#223; wir alle drei gemeinsam Halluzinationen hatten?« »Immerhin ist das hier nicht unbedingt ein Platz, an dem man eine Katze erwartet«, brummte Ben. Dann runzelte er die Stirn. »Ich frage mich, wie sie hierhergekommen ist. Und wovon sie lebt.« Er zog einen Handschuh aus, lie#223; sich neben Mike in die Hocke sinken und streckte die Hand nach dem Kater aus. Das Tier fauchte, schlug blitzschnell mit der Pfote zu und machte einen Satz zur Seite. Ben zog sei

ne Hand mit einem Schrei wieder zur#252;ck und sprang auf. Drei d#252;nne, blutige Kratzer waren pl#246;tzlich auf seinem Handr#252;cken. »Verdammtes Mistvieh!« schimpfte Ben. »Ich kann Katzen ohnehin nicht leiden.« »Wahrscheinlich sp#252;rt er das«, antwortete Mike. Er hatte M#252;he, ein schadenfrohes Grinsen zu unterdr#252;cken-zumal der Kater sich schon wieder beruhigt hatte und schnurrend um seine Beine strich.

»Wo ist denn jetzt dein fabelhaftes Dornr#246;schen?« maulte Ben. Mike deutete auf die T#252;r, vor der sie stehengeblieben waren, und trat als erster hindurch. Der Kater eilte mit steil aufgestelltem Schwanz voraus, war mit einem eleganten Satz auf der Oberseite des gl#228;sernen Sarges und schnurrte so laut, da#223; es sich wie ein kleiner Elektromotor anh#246;rte. »Erstaunlich«, murmelte Ben. »Ich m#246;chte wissen, wer sie hierhergebracht hat. Und wie lange sie schon so daliegt.« Er n#228;herte sich dem Sarg. Der Kater hielt in seinem ruhelosen Hin und Her inne und fauchte, und Ben blieb mitten im Schritt stehen. »Das Vieh ist ja gemeingef#228;hrlich«, sagte er. »Wir sollten es Bei#223;er taufen.« »Sein Name ist Astaroth«, sagte Mike. Ben blinzelte. »Wie?« »Astaroth«, wiederholte Mike. »Sein Name ist Astaroth.« »Ach?« Ben verzog sp#246;ttisch die Lippen. »Hat er dir das gesagt?« »Richtig«, antwortete Mike. Ben lachte und ging vor

sichtig weiter, aber Mike blieb v#246;llig verdattert stehen. Was Ben f#252;r einen Scherz halten mochte, war keiner. Der Name war ihm nicht einfach so eingefallen. Er hatte ihn ganz pl#246;tzlich gewu#223;t, so deutlich,

als h#228;tte ihm jemandgesagt,wie der Kater hie#223;. Es war fast unheimlich. Ben hatte mittlerweile den Sarg erreicht, h#252;tete sich aber angesichts der drohend gefletschten Z#228;hne Astaroths, ihm zu nahe zu kommen. »Ganz h#252;bsch«, sagte er, nachdem er das M#228;dchen eine Weile pr#252;fend gemustert hatte. »Aber nicht mein Typ.« Auch Mike trat n#228;her, strich dem Kater gedankenverloren #252;ber den Kopf und sah auf das M#228;dchen herab. »Sie ist -« »Sie ist was?« fragte Ben, als Mike verstummte. Er drehte sich zu ihm herum und blickte ihn fragend an. Mike h#246;rte ihn nicht. Er starrte das M#228;dchen ungl#228;ubig an. Seine Gedanken drehten sich wild im Kreis. »Was ist los mit dir?« fragte Ben. »Sie ... sie hat sich bewegt!« stammelte Mike. Er deutete auf das M#228;dchen. »Sie mu#223; noch am Leben sein!« Ben sah eine Weile konzentriert auf das M#228;dchen herab. »Du spinnst«, sagte er schlie#223;lich. »Sie atmet nicht mal. Wie kann sie sich da bewegt haben.« Aber Mike war vollkommen sicher. Gestern waren die H#228;nde des M#228;dchens auf der Brust gefaltet gewesen. Jetzt war ihr linker Arm heruntergerutscht und lag lang ausgestreckt neben ihrem K#246;rper. »Trautman!« schrie er. »Kommen Sie her! Schnell!« Ben blickte ihn kopfsch#252;ttelnd an, und einen Augenblick sp#228;ter kam Trautman herein, so schnell es der schwere Taucheranzug zulie#223;. In seiner rechten Hand lag eine Pistole. Mike hatte nicht einmal bemerkt, da#223; er die Waffe mitgenommen hatte. »Was ist geschehen?« fragte Trautman alarmiert. Mike wollte antworten, aber Ben kam ihm zuvor. »Mike glaubt, da#223; Dornr#246;schen aufgewacht ist«, erkl#228;rte er mit einem h#228;mischen Grinsen. »Siehatsich bewegt«, sagte Mike.

Bens Grinsen wurde noch breiter. »Klar doch«, sagte er. »Und au#223;erdem hat ihm der Kater gerade seinen Namen verraten.« Er tippte sich bezeichnend an die Schl#228;fe, und Mike schenkte ihm den giftigsten Blick, zu dem er #252;berhaupt f#228;hig war. »Warum gehst du nicht ein bi#223;chen vor die T#252;r und #228;rgerst die Fische?« fragte er. »Aber la#223; deinen Helm hier, damit -« »Schlu#223;!« sagte Trautman scharf. Er steckte seine Waffe ein, bedachte Mike und Ben hintereinander mit einem mahnenden Blick und trat schlie#223;lich selbst an den Glassarg heran. Der Kater fauchte drohend. »Passen Sie auf«, sagte Mike. »Ich glaube, er bewacht das M#228;dchen.« »Stimmt«, pflichtete ihm Ben bei. »In Wirklichkeit ist er n#228;mlich ein verzauberter L#246;we oder war es ein Haifisch?« W#228;re der schwere Anzug nicht gewesen, Mike h#228;tte ihm jetzt vors Schienbein getreten. »Sie hat sich bewegt«, beharrte er, an Trautman gewandt, der schweigend auf das M#228;dchen herabsah. »Sehen Sie sich ihre Hand an. Sie lag gestern anders da.« »Ich bin ... nicht sicher«, sagte Trautman z#246;gernd. »Aber ich!« antwortete Mike. Er war pl#246;tzlich so aufgeregt, da#223; er kaum noch stillstehen konnte. »Wissen Sie, was das bedeutet, Trautman? Sie lebt! Sie ... sie ist nicht tot, sondern schl#228;ft nur!« »Sie atmet nicht«, sagte Trautman, aber Mike fegte seine Worte mit einer Handbewegung zur Seite. »Vielleicht atmet sie nur ganz wenig«, setzte er dagegen. »Vielleicht... vielleicht schl#228;ft sie ganz tief!« »Klar«, sagte Ben sp#246;ttisch. »Und das seit zweitausend Jahren, wie?« »Und warum nicht?« gab Mike zur#252;ck. »Vielleicht haben wir uns get#228;uscht! M#246;glicherweise ist das hier

gar kein Grab. Wer wei#223; -vielleicht dienen all diese komplizierten Maschinen dort drau#223;en nur dem einenZweck, sie am Leben zu erhalten!« In das sp#246;ttische Grinsen auf Bens Z#252;gen mischte sich #220;berraschung, dann ein sehr nachdenklicher Ausdruck. »Du meinst ...« »Da#223; dein Vergleich mit Dornr#246;schen gar nicht einmal so falsch ist«, sagte Mike. Er wandte sich an Trautman. »Wir m#252;ssen sie mitnehmen!« Trautman stand schweigend da und blickte das bewegungslos daliegende M#228;dchen an, dann drehte er sich langsam herum, sah Mike an und fragte: »Warum?« »Nun, weil ... weil...« Mike wu#223;te keine Antwort. »Aber wir k#246;nnen sie doch nicht einfach hierlassen«, sagte nun auch Ben. »Wenn sie wirklich lebt, dann -«»Wennsie noch lebt«, unterbrach ihn Trautman. »Erstens ist es nur eine Theorie. Zweitens w#252;#223;ten wir gar nicht, wie wir sie aufwecken sollten.« Er deutete auf Mike. »Nehmen wir an, Mikes Theorie w#228;re richtig, und diese ganze Maschinerie dort drau#223;en w#228;re tats#228;chlich nur dazu da, dieses M#228;dchen am Leben zu erhalten -und das seit Jahrhunderten, wenn nicht noch l#228;nger! -, glaubst du vielleicht, dann k#246;nnte man einfach einen Schalter umlegen und sie damit aufwecken?« Er sch#252;ttelte den Kopf. »Sehr viel wahrscheinlicher ist, da#223; wir das M#228;dchen damit umbringen. Und selbst, wenn es uns gel#228;nge -bist du sicher, da#223; sie das #252;berhaupt will?« Mike sah ihn betroffen an. »Wie ... meinen Sie das?« »So, wie ich es sage«, antwortete Trautman. »Wenn du recht hast und all diese Maschinen tats#228;chlich nur diesem einen Zweck dienen, dann haben sie sie bestimmt nicht aus einer Laune heraus gebaut, sondern mit einem guten Grund. Wer gibt uns das Recht, das M#228;dchen einfach aufzuwecken?«

»Winterfeld wird sich diese Frage nicht stellen, wenn er sie findet«, grollte Ben. »Da bin ich nicht einmal sicher«, antwortete Trautman. »Au#223;erdem werden wir alles tun, damit er sie nicht findet.« Er hob die Hand zu einer bes#228;nftigenden Geste. »Im Moment k#246;nnen wir sowieso nichts machen. Selbst wenn wir sie mitnehmen wollten - zu allererst einmal m#252;ssen wir die NAUTILUS wieder flottbekommen. Oder sollen wir sie aufwecken, nur damit sie vielleicht zusammen mit uns untergeht?« Mike widersprach nicht mehr. Trautman hatte recht aber das #228;nderte nichts daran, da#223; ihn der Gedanke, das M#228;dchen einfach hierzulassen, sehr traurig machte. »Und Astaroth?« fragte er. »Der Kater?« Trautman zuckte die Achseln. »Wir reden dar#252;ber, sobald wir die NAUTILUS repariert haben - und #252;ber alles andere auch. Einverstanden?« Was blieb ihnen schon anderes #252;brig? Mit einem letzten bedauernden Blick auf das schlafende M#228;dchen verlie#223; Mike die Kammer und ging zusammen mit Ben und Trautman in den Lagerraum, in dem die Pre#223;luftflaschen untergebrachtwaren.

Die n#228;chsten beiden Stunden waren so mit Arbeit angef#252;llt, da#223; Mike das geheimnisvolle M#228;dchen und seine Aufregung beinahe vergessen hatte. In dem Lagerraum befanden sich an die f#252;nfzig der gro#223;en, schweren Stahlflaschen, und Trautman sch#228;tzte, da#223; sie mindestens die H#228;lfte davon brauchen w#252;rden, um die NAUTILUS wieder vom Meeresboden zu heben. Allein der Gedanke, zwanzig oder gar drei#223;ig der Stahlflaschen bis zur NAUTILUS hin#252;berschleppen zu sollen, lie#223; es Mike hei#223; und kalt den R#252;cken herunterlaufen. Aber nun zeigte sich, da#223; Trautman eine gute Idee gehabt hatte.

Mit vereinten Kr#228;ften rollten sie ein halbes Dutzend Flaschen zur Luftschleuse hin, bevor sie wieder in ihre Anz#252;ge stiegen und die Kuppel verlie#223;en. Der Kater folgte ihnen dabei auf Schritt und Tritt, so da#223; sie ihn am Schlu#223; fast gewaltsam zur#252;ckdr#228;ngen mu#223;ten, damit er ihnen nicht in die Schleusenkammer folgte, wo er zweifellos ertrunken w#228;re. Drau#223;en vor der Schleuse rollte Trautman f#252;nf der Flaschen auf das mitgebrachte Netz und opferte den Inhalt der sechsten daf#252;r, die Lufts#228;cke aufzublasen, die sie an den vier Ecken des Netzes befestigt hatten. Wie Bojen stiegen sie in die H#246;he und hoben das Netz samt seiner Last an, so da#223; sie das Gewicht der Pre#223;luftflaschen kaum noch f#252;hlten, als sie sich schlie#223;lich aufden R#252;ckweg zur NAUTILUSmachten. Auf diese Weise transportierten sie insgesamt zwanzig Flaschen zum U-Boot, was nat#252;rlich mehrere Stunden in Anspruch nahm und trotz allem eine sehr kraftraubende Arbeit war. Die Proteste der anderen, nicht mit zur Kuppel gehen zu d#252;rfen, verstummten allm#228;hlich, als sie sahen, wie sich Ben und Mike damit abm#252;hten, die schweren Flaschen in die Tauchkammer der NAUTILUS zu hieven. Als sie schlie#223;lich zum f#252;nften Mal in die Kuppel zur#252;ckkehrten, erkl#228;rte Trautman, da#223; es jetzt genug sei. Noch diese eine Ladung, und sie hatten ausreichend Pre#223;luft auf die NAUTILUS hin#252;bergeschafft, um sie zur Not sogar mit dem eingedrungenen Wasser an Bord an die Wasseroberfl#228;che zu bekommen. Mike ging noch einmal in die Kammer mit dem schlafenden M#228;dchen zur#252;ck, um sie ein letztes Mal zu betrachten. Er sah ein, da#223; Trautman vollkommen recht hatte - sie konnten das M#228;dchen nicht mitnehmen, und vermutlich durften sie es auch gar nicht. Aber der Gedanke, sie einfach zur#252;ckzulassen, bedr#252;ckte

ihn sehr. Er hatte dieses M#228;dchen gestern zum ersten Mal gesehen, und trotzdem erf#252;llte ihn ihre N#228;he mit einem so vertrauten Gef#252;hl, als kenne er sie schon sein Leben lang. Der Kater sa#223; die ganze Zeit #252;ber neben ihm, betrachtete ihn aus seinem bernsteingelben Auge und schien dann und wann zustimmend zu nicken, als verstehe und teile er seine Trauer. »Wir sollten jetzt gehen«, h#246;rte Mike Trautman sagen. Ben und er waren unbemerkt hinter Mike getreten. Beide sahen sehr ersch#246;pft aus, und ganz pl#246;tzlich f#252;hlte sich auch Mike m#252;de und ausgelaugt. »Wir schlafen uns gr#252;ndlich aus und beraten morgen fr#252;h, was zu tun ist.« Trautman fuhr sich mit beiden H#228;nden #252;ber das Gesicht, und Mike erinnerte sich daran, wie m#252;de Trautman schon am Morgen ausgesehen hatte. Mike wollte antworten, aber in diesem Moment ging ein dr#246;hnender, lang nachhallender Schlag durch die Kuppel, und alle fuhren erschrocken zusammen. »Das ist die Schleuse«, stie#223; Ben hervor. »Irgend jemand kommt!« Einen Moment lang sahen sie sich betroffen an, dann fuhren sie wie auf ein gemeinsames Kommando hin herum und begaben sich in die gro#223;e Halle zur#252;ck, aber sie kamen zu sp#228;t. Vor ihren Augen begann sich die st#228;hlerne T#252;r der Schleusenkammer zu #246;ffnen, und sie fanden gerade noch Zeit, sich hinter einem gro#223;en Maschinenblock zu verstecken, als vier Personen hintereinander aus der Schleuse traten. Sie trugen Taucheranz#252;ge, die aus Gummimaterial bestanden und die Mike schon einmal gesehen hatte. »Deutsche«, zischte Ben leise. »Das sind Winterfelds Leute.« Die Schleuse wurde wieder geschlossen und #246;ffnete sich kurz darauf erneut. Drei weitere Taucher traten

daraus hervor. Die M#228;nner nahmen ihre Helme ab und holten unter den Anz#252;gen Pistolen hervor. Mi#223;trauisch, aber auch mit un#252;bersehbarem Staunen begannen sie die Halle zu durchsuchen, wobei sie dem Versteck der beiden Jungen und Trautmans mehr als einmal bedrohlich nahe kamen. Schlie#223;lich blieben zwei der Soldaten an der Schleuse stehen, w#228;hrend die anderen auf die T#252;r zugingen, hinter der sich die Kammer mit dem Glassarg befand. »Keine Chance, unbemerkt an ihnen vorbeizukommen«, fl#252;sterte Ben. »Wir m#252;ssen sie ablenken.« Er sah Trautman an. »Haben Sie Ihre Pistole mit?« »Bist du verr#252;ckt?« fragte Trautman. »Sie sind zu siebt - und wir haben eine einzige Pistole. Wir h#228;tten keine Chance.« Er runzelte besorgt die Stirn. »Wir m#252;ssen sie irgendwie ablenken. Wenn es uns gelingt, in die Schleuse zu kommen, k#246;nnen wir wenigstens die NAUTILUS warnen.« »Falls sie nicht drau#223;en auf uns warten«, sagte Ben. »Oder die NAUTILUS bereits gekapert haben.« Mike blickte ihn finster an. »Du hast eine wirklich herzerfrischende Art, einem Mut zu machen«, sagte er. »Ich bin nur realistisch«, verteidigte sich Ben. Mittlerweile hatten zwei der deutschen Soldaten die Kammer erreicht. Mike h#246;rte, wie sie sich aufgeregt in ihrer Muttersprache unterhielten, dann erklang eine Reihe heller, metallischer Laute und pl#246;tzlich ein Kreischen und Fauchen, das Mike hinter seiner Deckung erschrocken zusammenfahren lie#223;. Eine Sekunde sp#228;ter taumelte einer der deutschen Marinesoldaten r#252;cklings aus der T#252;r. An seinem Gesicht hatte sich ein schwarzer D#228;mon festgekrallt, der fauchend und zischend mit den Klauen nach ihm schlug. Nur mit Hilfe zweier seiner Kameraden gelang es dem Mann, den Kater davonzuschleudern.

Astaroth geb#228;rdete sich wie toll. Kaum war er auf dem Boden gelandet, sprang er mit zwei gewaltigen S#228;tzen an einem anderen Soldaten hoch und begann ihm ebenfalls das Gesicht zu zerkratzen. Vor lauter Zorn und Wut hatte sich der Kater fast auf das Doppelte seiner Gr#246;#223;e aufgeplustert. Auch diesem Mann gelang es, ihn von sich zu schleudern, und diesmal reagierten die anderen sofort. Drei von ihnen schossen auf das Tier. Es gelang Astaroth, zweien der Sch#252;sse auszuweichen, doch der dritte traf. Mit einem kl#228;glichen Miauen brach er zusammen, kroch aber trotz seiner Verletzung erneut auf die M#228;nner zu. Einer der Deutschen versetzte ihm einen Tritt, der ihn hilflos davonschlittern lie#223;. Der Anblick lie#223; in Mike eine Sicherung durchbrennen. Bevor Ben oder Trautman ihn daran hindern konnten, sprang er auf und st#252;rmte los. Er stie#223; einen der Soldaten kurzerhand aus dem Weg, packte den Kater und hob ihn auf. Die M#228;nner waren viel zu #252;berrascht, um sofort zu reagieren. Mike tauchte unter den Armen eines Soldaten hindurch, versetzte einem weiteren einen Sto#223;, der

ihn die Balance verlieren und schwer auf dem Boden landen lie#223;, und sprang erschrocken zur Seite, als hinter ihm ein Schu#223; fiel. Die Kugel schlug Funken aus dem Stein vor ihm. Ein zweiter Schu#223; fiel, dann ein

dritter und vierter -und dann erscholl ein scharfer Befehl, und die M#228;nner stellten das Feuer wieder ein. Den verwundeten Kater an sich gedr#252;ckt, rannte Mike im Zickzack auf Trautman und Ben zu, die sich

mittlerweile der Luftschleuse gen#228;hert hatten. Jetzt

erwies sich seine selbstm#246;rderische Rettungsaktion

als vorteilhaft. Die beiden Posten an der Schleuse wa

ren so sehr auf ihn konzentriert, da#223; sie Trautman

und Ben erst bemerkten, als es zu sp#228;t war.

Ben folgte Mikes Beispiel und rammte einem der beiden kurzerhand die Schulter in den Leib, so da#223; dieser st#252;rzte und wie ein auf den R#252;cken gefallener K#228;fer liegenblieb. Trautman versetzte dem zweiten einen Faustschlag, der ihn mit blutiger Nase auf die Knie herabsinken lie#223;. Beinahe gleichzeitig versetzte er Ben einen Sto#223;, der ihn in die offenstehende Luftschleuse hineinstolpern lie#223;. Und dann tat er etwas, was Mike nicht verstand: Die deutschen Taucher hatten ihre Helme an der Wand neben der Schleusenkammer aufgereiht. Trautman sprang darauf zu - und trat der Reihe nach die gl#228;sernen Sichtfenster der Helme ein. Nur einen einzigen lie#223; er unbesch#228;digt, nahm ihn auf und klemmte ihn unter den linken Arm. »Beeil dich!« schrie Ben. Mike rannte, so schnell er nur konnte, jeden Moment darauf gefa#223;t, da#223; wieder auf ihn geschossen wurde. Aber der einzige, der pl#246;tzlich seine Waffe hob und das Feuer er#246;ffnete, war Trautman. Rasch hintereinander gab er drei, vier Sch#252;sse aus seiner Pistole ab, die die deutschen Marinesoldaten hastig in Deckung springen lie#223;en. Mit einem Satz warf sich Mike durch die T#252;r der Schleusenkammer und fuhr herum. Trautman feuerte seine beiden letzten Patronen ab, und jetzt war Mike ziemlich sicher, da#223; er gar nicht treffen wollte, denn die Kugeln schlugen haarscharf vor den F#252;#223;en der M#228;nner in den Boden und trieben sie wieder in Deckung zur#252;ck. Einen Augenblick sp#228;ter schlug die Schleusent#252;r mit einem dumpfen Knall zu; sie waren in Sicherheit. Die Frage war nur, wie lange. »Bist du v#246;llig wahnsinnig geworden?« keuchte Ben. »Um ein Haar h#228;tten sie uns alle umgebracht - und das alles nur wegen dieses ... dieses Mistviehs!« Mike sah auf den Kater herunter. Astaroth hing fast

reglos in seinen Armen, nur ab und zu stie#223; er ein kl#228;gliches Maunzen aus. »Ich konnte ihn doch nicht liegenlassen!« sagte Mike. »Konntest du nicht, so?« fragte Ben h#228;misch. »Aber das Vieh wird sowieso sterben, oder hast du zuf#228;llig einen passenden Taucheranzug f#252;r die Mieze dabei?« Mike starrte ihn an. Ein eisiger Schrecken durchfuhr ihn. Die Schleusenkammer begann sich bereits mit Wasser zu f#252;llen. Der Kater w#252;rde ertrinken! »Setzt eure Helme auf!« befahl Trautman. »Schnell. Und seid auf der Hut. M#246;glicherweise warten drau#223;en noch mehr auf uns!« Er st#252;lpte seinen eigenen Helm #252;ber, half Mike und Ben, die ihren aufzusetzen und sicher zu verriegeln, und nahm Mike dann den Kater aus den H#228;nden. Das Wasser sprudelte immer schneller in die Kammer und reichte ihnen jetzt schon bis an die Brust. Astaroth maunzte kl#228;glich, versuchte aber nicht, sich zu wehren - nicht einmal, als Trautman ihn ziemlich unsanft im Nacken ergriff und in die H#246;he hob. Vor Mikes staunenden Augen schob er ihn in den Helm, den er aus der Halle mitgebracht hatte. Und endlich begriff Mike, was Trautman vorhatte: Die in dem Helm vorhandene Luftblase mochte reichen, den Kater am Leben zu erhalten, bis sie wieder an Bord der NAUTI-LUS waren. Es war eine verzweifelt geringe Chance aber die einzige, die das Tier hatte. Die Kammer war mittlerweile vollends geflutet, und die #228;u#223;ere T#252;r begann sich zu #246;ffnen. Trautman reichte den Helm mit dem Kater darin vorsichtig an Mike weiter, wobei er sorgsam darauf achtete, ihn gerade zu halten, damit die Luft nicht entwich. Kaum hatte Mike ihn an sich genommen, da hatte sich die #228;u#223;ere T#252;r auch schon ge#246;ffnet, und sie traten nacheinander ins Freie.

Trautmans Bef#252;rchtung, auf einen weiteren Soldaten zu treffen, bewahrheitete sich nicht. Nur wenige Meter neben der Kuppel hing eine gewaltige, st#228;hlerne Konstruktion, aus deren Fenstern wei#223;es Licht drang

- die Taucherglocke, mit der die Marinesoldaten heruntergekommen waren. Sie f#252;hlten sich v#246;llig sicher, denn sie waren alle in die Unterwasserkuppel gegangen, ohne einen W#228;chter zur#252;ckzulassen. Zugleich aber erschreckte Mike der Anblick zutiefst, denn er bewies, da#223; Winterfelds Leute mittlerweile nicht nur gelernt hatten, mit der Taucherglocke umzugehen, sondern auch ziemlich genau wu#223;ten, wo die Unterseekuppel lag. Da#223; die Taucherglocke genau hier heruntergegangen war, konnte kein Zufall sein.

Trautman ging, dicht gefolgt von den beiden Jungen, zu der Stelle hin#252;ber, an der er das Seil befestigt hatte, l#246;ste es und begann sich daran entlangzuhangeln. Mike sah ein paarmal #252;ber die Schulter zur#252;ck, aber weder bei der Schleuse noch bei Arronax' Taucherglocke r#252;hrte sich etwas. Trotzdem bewegten sie sich so schnell weiter, wie es die schweren Taucheranz#252;ge zulie#223;en. Das Ungl#252;ck geschah, als sie die NAUTILUS fast erreicht hatten. Mike achtete nur einen winzigen Moment nicht darauf, wohin er trat und glitt prompt auf einem Stein aus, der im weichen Schlamm auf dem Meeresgrund verborgen gewesen war. Er fand sein Gleichgewicht im letzten Moment wieder, aber der Helm mit dem Kater rutschte aus seinen H#228;nden und fiel zu Boden. Astaroth glitt mit einer fast eleganten Bewegung heraus, eingeh#252;llt in einen Perlenvorhang aus glitzernden Luftblasen, in dem seine kostbare Atemluft nach oben stieg, Mike versuchte sofort nach ihm zu greifen, aber Astaroth schl#252;pfte geschickt wie ein Fisch zwischen seinen Fingern hindurch. F#252;r eine Katze schwamm er nicht nur erstaun

lich gut, fand Mike, sondern schien auch wunderbarerweise Gefallen an dem nassen Element zu finden, denn er bewegte sich mit offenkundigem Vergn#252;gen vor Mike im Wasser hin und her, so da#223; es dem Jungen erst beim dritten oder vierten Versuch #252;berhaupt gelang, ihn zu fassen. Mit verzweifelter Hast stolperte er auf die NAUTILUS zu. Ben und Trautman, die das Ungl#252;ck mit angesehen hatten, machten ihm Platz, damit er das Schiff noch erreichte, bevor der Kater ertrank. Als er den halben Weg zur Tauchkammer hinter sich gebracht hatte, begann Astaroth in seinen H#228;nden zu zappeln, Mike vermochte ihn kaum noch zu halten. Der Kater kratzte und bi#223; wie wild um sich. Mike versuchte noch schneller zu gehen, n#228;herte sich der Tauchkammer -und stolperte zum zweiten Mal. Diesmal vermochte er seinen Sturz nicht mehr rechtzeitig abzufangen. Er fiel, lie#223; den Kater los und st#252;rzte schwer in den schlammigen Grund. Der Anzug bewahrte ihn vor einer Verletzung, aber er verhinderte auch, da#223; Mike sich aus eigener Kraft wieder aufrichtete. Erst Ben und Trautman zusammen gelang es, ihn wieder auf die F#252;#223;e zu stellen. Mikes erster Blick galt dem Kater. Er war fest #252;berzeugt, Astaroth sterbend oder bereits tot vorzufinden. Das genaue Gegenteil war der Fall. Astaroth tollte wie ein junger Fischotter zwischen Trautman und Ben herum. Mike konnte die Gesichter der beiden hinter den spiegelnden Scheiben ihrer Helme nicht erkennen, aber ihre Armbewegungen machten ihm klar, da#223; sie das, was sie sahen, genauso verbl#252;ffte wie Mike. Es war einfach unglaublich. Aber unglaublich oder nicht -es dauerte noch fast f#252;nf Minuten, bis Mike, Ben und Trautman wieder an Bord der NAUTILUS waren. Und die ganze Zeit #252;ber

sprang Astaroth h#246;chst vergn#252;gt zwischen ihnen im Wasser herum.

»Wie geht es ihm?« fragte Mike und sah mit bangem Gef#252;hl auf das schwarze Fellb#252;ndel auf dem Tisch hinab. Im Wasser hatte sich Astaroth so unbefangen und nat#252;rlich bewegt, als w#228;re dies sein eigentliches Element, aber das hatte sich nach der R#252;ckkehr an Bord der NAUTILUS schlagartig ge#228;ndert. Er hatte sich gesch#252;ttelt und dem direkt neben ihm stehenden Ben, der sich gerade aus seinem Taucheranzug gesch#228;lt hatte, eine unfreiwillige Dusche verpa#223;t - dann war er zusammengebrochen. Na#223; und verwundet, wie er war, bot er ein Bild des Jammers. Sein vorher so dichtes, langes Fell klebte str#228;hnig an seinem K#246;rper, der in Wirklichkeit nicht viel gr#246;#223;er als der einer etwas zu gro#223; gewordenen Ratte war. Singh hatte die Wunde an seiner Flanke untersucht. Nun richtete er sich auf und l#228;chelte Mike beruhigend zu. »Macht Euch keine Sorgen«, sagte er. »Es ist nur ein Streifschu#223;. Ich werde ihm einen Verband anlegen, und in ein paar Tagen m#252;#223;te es ihm wieder gutgehen. Das Tier ist im Moment nur geschw#228;cht. Es hat ziemlich viel Blut verloren.« Er griff nach einer Rolle Verbandmull und begann damit, Astaroth einzuwickeln, als wollte er ihn in eine #228;gyptische Mumie verwandeln. Singh neigte manchmal dazu, zu #252;bertreiben; vor allem, wenn er glaubte, jemandem helfen zu k#246;nnen. »Er ist im Wasser geschwommen, sagt Ihr?« Mike nickte. »Wie ein Fisch. Und er schien sich dabei auch genauso wohl zu f#252;hlen. Er war mindestens f#252;nf Minuten unter Wasser.« »Das ist ... schwer zu glauben«, sagte Singh z#246;gernd. »Womit ich nat#252;rlich nicht sagen will, da#223; ich Euch nicht glaube.«

»Was du niemals wagen w#252;rdest, ich wei#223;«, f#252;gte Mike mit gutm#252;tigem Spott hinzu. Aber er wurde sofort wieder ernst. »Ich verstehe es ja selbst nicht, Singh

- aber es war fast so, als k#246;nnte er unter Wasser atmen. Das ist doch unm#246;glich, oder?« »Ich wei#223; allm#228;hlich selbst nicht mehr, was m#246;glich ist und was nicht«, seufzte Singh. »So wenig, wie wir wissen, wie er in die Kuppel gekommen ist und dort die lange Zeit #252;berlebt hat«, murmelte Mike. »Oder wovon er sich ern#228;hrt hat. Ich habe nichts E#223;bares in der Kuppel entdeckt.« Singh verknotete den Verband und vergewisserte sich pedantisch von seinem korrekten Sitz. Astaroth hatte jetzt tats#228;chlich eine gewisse#196;hnlichkeit mit einer #228;gyptischen Katzenmumie. Der Kater streckte sich, als wollte er den Sitz des Verbandes pr#252;fen, rollte sich auf den R#252;cken und schn#252;ffelte daran, dann sprang er mit einem etwas schiefen Satz vom Tisch und begann, den Salon der NAUTILUS zu erkunden. Er war noch ziemlich wackelig auf den Beinen -aber wenn man bedachte, da#223; es noch nicht einmal eine halbe Stunde her war, seit er vor Mikes Augen angeschossen worden war, dann hatte er sich bereits erstaunlich gut erholt. Mike beobachtete Astaroth noch einige Sekunden, dann ging er zu Trautman hin#252;ber, der wieder im Kapit#228;nssessel Platz genommen hatte und abwechselnd seine Instrumente und das gro#223;e Aussichtsfenster betrachtete. Mike konnte auf keinem davon irgendwelche Besonderheiten entdecken: Hinter dem Fenster herrschte noch immer Schw#228;rze, und die Funktion der meisten Ger#228;te war ihm nach wie vor r#228;tselhaft. Da Trautman vorgehabt hatte, die NAUTILUS zu versenken, hatte er sich die M#252;he gespart, den Jungen jedes Detail zu erkl#228;ren.

»Eine verdammt clevere Idee, das mit den Helmen«, sagte Mike grinsend zu Trautman. Trautman nahm das Kompliment an, ohne eine Miene zu verziehen. »Winterfeld wird andere Leute herunterschicken, wenn die erste Mannschaft nicht zur#252;ckkommt«, sagte er. »Die werden dann sicher nach uns suchen.« »Woher wu#223;ten Sie eigentlich, da#223; sie nicht auf uns schie#223;en w#252;rden?« fragte Ben. »Ich verstehe ein paar Brocken Deutsch«, antwortete Trautman. »Winterfeld hat offensichtlich Befehl gegeben, uns lebendig zu fangen. Das bringt uns einen kleinen Vorteil.« »Er w#228;re entschieden gr#246;#223;er, wenn Sie nicht absichtlich vorbeigeschossen h#228;tten«, sagte Ben. »Wenn ich eine Waffe dabeigehabt h#228;tte -« »Was dann? « fiel ihm Trautman ins Wort. »Dann h#228;ttest du dir ein tolles Feuergefecht mit ihnen geliefert, wie? Die M#228;nner im Alleingang niedergemacht - falls sie nicht ihrerseits uns vorher umgebracht h#228;tten, hei#223;t das. Das h#228;ttest du getan, wie? Und dich wie ein richtiger Held gef#252;hlt, wie?« »Das waren Deutsche«, schnappte Ben. Er schob trotzig das Kinn vor. »Und gegen die f#252;hren wir Krieg, wie Sie wohl wissen.«»Wir«,entgegnete Trautman betont, »f#252;hren gegen #252;berhaupt niemanden Krieg. Das tun Menschen, die mit Gewalt alle Macht an sich rei#223;en wollen. Und deshalb werde ich mit allen Mitteln verhindern, da#223; irgendein Staat der Erde die NAUTILUS in die H#228;nde bekommt. Wer das nicht begreift, ist bei uns fehl am Platz, merk dir das!« Ben starrte ihn an. Er war bla#223; geworden. Auch Mike war #252;berrascht. Trautman geh#246;rte nicht zu den Menschen, die sich ein Blatt vor den Mund nahmen; aber es kam trotzdem selten vor, da#223; er sich so deutlich #228;u#223;erte. Aber er glaubte Trautman auch sehr gut zu verstehen - letztendlich w#228;re dies alles nicht geschehen, h#228;tte er getan, was er von Anfang an vorgehabt hatte, und die NAUTILUS versenkt. Er machte sich Vorw#252;rfe, ob sie nun berechtigt waren oder nicht. Etwas ber#252;hrte sacht seine Beine. Der Kater war ihm gefolgt und blickte abwechselnd Ben, Trautman und ihn selbst an, fast als h#228;tte er jedes Wort verstanden und versuchte auf diese Weise seine Meinung zu dem Thema kundzutun. »Ich mu#223; noch einmal zur Kuppel«, sagte Trautman pl#246;tzlich. Nicht nur Mike sah ihn #252;berrascht an. »Aber warum denn?« fragte Andr#233;, und Juan, pragmatisch wie immer, f#252;gte hinzu: »Das kann verdammt gef#228;hrlich werden.« »Ich wei#223;«, antwortete Trautman. Mit einem Ruck drehte er sich vom Fenster weg. »Aber es mu#223; sein. Ich mu#223; irgendwie versuchen, diese Taucherglocke zu zerst#246;ren. Ich h#228;tte es sofort tun sollen, aber ich habe wohl die Nerven verloren.« »Damit verurteilen Sie die Soldaten, die in der Kuppel sind, zum Tode«, sagte Singh ernst. »Ohne die Taucherglocke k#246;nnen sie von Winterfelds Leuten nicht wieder zur LEOPOLD gebracht werden.« Trautman schwieg einen Moment. Dann sch#252;ttelte er den Kopf. »Da ich ihre Helme zerst#246;rt habe, k#246;nnen sie die Kuppel nicht verlassen«, sagte er. »Wir werden sp#228;ter zur#252;ckkommen und sie an Bord nehmen -sobald die LEOPOLD abgefahren ist. Ohne Arronax' Taucherglocke hat Winterfeld keine Chance, jemals diese Tiefe zu erreichen. Er wei#223; das.« Astaroth miaute, als wollte er seine Worte best#228;tigen,

und Trautman sah eine Sekunde lang mit einem L#228;cheln auf den Kater hinab, ehe er weiterging. Doch er kam nicht dazu, den Salon zu verlassen, denn Singh trat ihm in den Weg. »Sie k#246;nnen nicht noch einmal dorthin gehen«, sagte er leise, mit seiner gewohnten, freundlichen Stimme, aber auch in sehr entschiedenem Ton. »Sie sind v#246;llig am Ende mit Ihren Kr#228;ften. Sie w#252;rden es nicht schaffen.« »Unsinn!« widersprach Trautman, aber Singh schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab und fuhr fort: »Juan und ich werden gehen. Sie bleiben hier und schlafen ein paar Stunden. Seien Sie vern#252;nftig. Wir k#246;nnen es uns nicht leisten, Sie zu verlieren. Wenn Sie im entscheidenden Moment zusammenbrechen, ist es vielleicht um uns alle geschehen. Keiner von uns kann allein mit der NAUTILUS umgehen.« Dieses Argument schien Trautman zu #252;berzeugen. Er willigte ein, an Bord der NAUTILUS zu bleiben, w#228;hrend Singh und Juan noch einmal hin#252;ber zur Kuppel gingen, um das nachzuholen, was er selbst bei ihrem letzten Besuch dort vers#228;umt hatte. Mike bezweifelte #252;berdies, da#223; es ihm #252;berhaupt m#246;glich gewesen w#228;re, der Taucherglocke ernsthaften Schaden zuzuf#252;gen. Das Gef#228;hrt hing an gewaltigen Eisenketten, denen ohne die entsprechenden Hilfsmittel kaum beizukommen war. Singh r#252;stete sich mit einem halben Dutzend Dynamitstangen und einer gro#223;en Eisens#228;ge aus, bevor er das Schiff verlie#223;. Mit Ausnahme Bens, der es vorgezogen hatte, im Salon zur#252;ckzubleiben und zu schmollen, begleiteten sie alle Singh und den jungen Spanier zur Tauchkammer. Und hinter ihnen marschierte Astaroth einher. Er bewegte sich mit jedem Schritt m#252;heloser. Die Schnelligkeit, mit der er seine Verletzung #252;berwand, war schon beinahe unheimlich.

Obwohl ihnen allen klar war, da#223; im Moment nichts f#252;r sie so kostbar war wie Zeit, hatten sich Trautman, Ben und Mike in ihre Kabinen zur#252;ckgezogen, um ein wenig zu schlafen. M#246;glicherweise war es f#252;r lange Zeit das letzte Mal, da#223; sie sich Ruhe g#246;nnen konnten, denn selbst wenn es ihnen gelang, die Taucherglocke zu zerst#246;ren und die NAUTILUS wieder flottzumachen, w#252;rden sie alle Kraft und Aufmerksamkeit brauchen, um der LEOPOLD zu entkommen. Lautstarkes Schimpfen und Poltern weckte Mike. Er setzte sich mit einem Ruck in seinem Bett auf und sah sich benommen um. Er hatte wieder getr#228;umt, v#246;llig wirres Zeug diesmal, und hatte M#252;he, in die Wirklichkeit zur#252;ckzufinden. Da ert#246;nte die aufgebrachte Stimme erneut: Es war Ben, dessen Kabine gleich neben der seinen lag. Hastig schwang Mike die Beine aus dem Bett, stand auf und trat auf den Gang hinaus. Im selben Moment wurde die T#252;r zu Bens Kabine aufgerissen. Ein struppiges schwarzes Etwas scho#223; mit einem Fauchen heraus und verschwand am Ende des Ganges, und eine Sekunde sp#228;ter erschien Ben mit hochrotem Kopf und vor Zorn funkelnden Augen unter der T#252;r. »Verdammtes Mistvieh!« schimpfte er. Mike konnte sich vorstellen, da#223; der Kater mit Ben nicht sehr freundlich verfahren war. »Was ist passiert?« fragte er. Ben fuhr mit einem Ruck herum und funkelte ihn an. »Dieser widerw#228;rtige Kater!« giftete er. »Wei#223;t du, was dieses d#228;mliche Vieh gemacht hat?« Mike sah erst jetzt, da#223; Ben barfu#223; war und die Schuhe in den H#228;nden hielt. »Nein«, sagte er. »Woher

soll -?« »Er hat mir in die Schuhe gepinkelt!« unterbrach ihn Ben aufgebracht. Zornig hielt er sie ihm vors Gesicht.

»Diese elende Kreatur! Meine Stiefel sind doch kein Katzenklo!« Mike hatte alle M#252;he, vor Lachen nicht laut herauszuplatzen. »Wenn ich ihn erwische, rei#223;e ich ihm jedes Haar einzeln aus!« versprach Ben. »Ich werde ihm -« Vermutlich h#228;tte er noch weitergeschimpft, h#228;tten sie nicht in diesem Moment vom anderen Ende des Ganges her ein dumpfes Krachen geh#246;rt, das Ben mitten im Satz verstummen lie#223;. Es war das Ger#228;usch, mit dem der schwere Schleusendeckel der Tauchkammer zuschlug. Singh und Juanwaren zur#252;ckgekehrt. Bens #196;rger #252;ber den Kater und der drohende Streit waren auf der Stelle vergessen. Gleichzeitig liefen sie los, durchquerten den Ger#228;teraum und warteten ungeduldig darauf, da#223; sich die von innen verriegelte T#252;r der Tauchkammer #246;ffnete. Das gro#223;e Handrad begann sich nach kurzer Zeit zu drehen, und nur wenige Sekunden sp#228;ter kamen Juan und der Inder hintereinander heraus. Und Mike mu#223;te nur einen einzigen Blick in Singhs Gesicht werfen, um zu erkennen, da#223; irgend etwas nicht so gelaufen war, wie sie vorgehabt hatten. »Was ist geschehen?« fragte er erschrocken. »Habt ihr die Glocke zerst#246;rt?« f#252;gte Ben hinzu. Juan sch#252;ttelte den Kopf, und Singh antwortete: »Es war nicht m#246;glich. Sie haben noch mehr M#228;nner heruntergeschickt. Und ich f#252;rchte, sie haben uns gesehen.« Mike erschrak. »Haben sie euch verfolgt?« Diesmal war es Juan, der antwortete. Singh hatte sich an ihnen vorbeigedr#228;ngt und war bereits unterwegs, um Trautman und die anderen zu alarmieren. »Nein. Aber sie haben das M#228;dchen aus der Kuppel geholt.«

»Was?«

Juan nickte. »Wir haben uns hinter einem Felsen versteckt und sie eine Weile beobachtet«, berichtete er. »Sie haben den kompletten Glaskasten mit dem M#228;dchen aus der Kuppel und in die Taucherglocke geschafft. Wir konnten nichts dagegen tun.« »Aber das... das darf nicht passieren!«stammelte Mike. Er h#246;rte das Tappen weicher Pfoten und sah aus den Augenwinkeln, da#223; Astaroth hinter ihnen aufgetaucht war. »Das M#228;dchen wird sterben, wenn Winterfeld versucht, den Schrein zu #246;ffnen.« Mike wu#223;te selbst nicht, woher dieses Wissen stammte, Juan sah ihn erstaunt an. »Konntet ihr sie nicht aufhalten?« fragte Ben. Juan zog eine Grimasse. »Und wie? Sie waren zu acht oder zehnt, und wir hatten keine Waffen.« »Und was ist mit dem Dynamit, das ihr mitgenommen habt?« fragte Ben #228;rgerlich. »Klar«, antwortete Juan. »Wir h#228;tten sie alle in die Luft sprengen k#246;nnen. Und uns und das M#228;dchen gleich dazu. Meinst du das?« Er wartete Bens Antwort gar nicht ab, sondern lief los, um Singh zu folgen. Ben, Mike und der Kater schl#246;ssen sich ihm an. Schon bevor sie den Salon betraten, h#246;rten sie aufgeregte Stimmen. Singh stand neben Trautman an dem

gro#223;en Aussichtsfenster und berichtete ihm mit knappen Worten, was geschehen war. Trautman h#246;rte schweigend zu, und seine Miene verd#252;sterte sich mit jedem Wort, das er vernahm. »Dann werden sie bald auch hier auftauchen«, sagte er, nachdem Singh seinen Bericht beendet hatte. »Wir m#252;ssen so schnell wie m#246;glich versuchen, von hier wegzukommen. Wie weit seid ihr mit den Ventilen gekommen? « Singh sch#252;ttelte den Kopf. »Sie passen einfach nicht.« »Dann m#252;ssen wir pumpen«, entschied Trautman.

»Aber das kann Stunden dauern, wenn nicht Tage!« protestierte Andr#233;. »Wir m#252;ssen es versuchen«, erwiderte Trautman. »Wir m#252;ssen nur so viel Wasser aus dem Schiff herausbekommen, da#223; wir uns bewegen k#246;nnen. Und sei es im Schneckentempo. In der Dunkelheit hier unten reichen schon ein paar hundert Meter, da#223; sie uns nicht mehr finden.« Ein orangefarbener Blitz zerri#223; die Schw#228;rze vor dem Fenster. Das Licht im Salon flackerte. Ein dumpfes Grollen und Rumpeln erklang, das rasch lauter wurde, und dann erf#252;llte ein ungeheures Dr#246;hnen und Krachen die NAUTILUS, als schl#252;gen unsichtbare Riesenh#228;mmer auf den Rumpf des Tauchbootes ein.»Festhalten!«schrie Trautman. Er hatte seine Warnung kaum ausgesprochen, da schien die NAUTILUS tats#228;chlich von einem Hammerschlag getroffen zu werden. Mike f#252;hlte sich wie alle anderen von den F#252;#223;en gerissen und hilflos durch den Salon geschleudert, als sich das Boot unter dem Ansturm der Druckwelle schwerf#228;llig auf die Seite legte, wobei sich seine Panzerplatten mit lautem Knirschen an Felsen und Gestein rieben. Das Dr#246;hnen verklang, aber der Fu#223;boden unter ihnen zitterte und bebte noch immer, w#228;hrend Mike sich m#252;hsam wieder hochrappelte. »Was war das?« »Die Deutschen!« sagte Ben. »Sie haben die Kuppel gesprengt!«

Das war der Selbstzerst#246;rungsmechanismus der Station,vernahm Mike eine andere Stimme.Sie hat ihren Zweck erf#252;llt, nachdem die Prinzessin fortgebracht wurde.

»Prinzessin?« wiederholte Mike laut und drehte sich um. Die anderen blickten ihn verst#228;ndnislos an. »Woher wi#223;t ihr, da#223; sie eine Prinzessin ist?«

Die Gesichter der anderen sahen pl#246;tzlich noch verst#228;ndnisloser aus. Ben tippte sich mit den Fingern an die Schl#228;fe. »Wovon sprichst du eigentlich?« »Aber irgend jemand hat doch gerade gesagt -« »Ich habe lediglich gesagt, da#223; die Deutschen die Kuppel gesprengt haben«, fiel ihm Ben ins Wort. Er grinste h#228;misch. »Bist du zuf#228;llig mit dem Kopf aufgeschlagen?« »Aber ... « Mike brach ab. Sein Blick fiel auf Astaroth, der trotz seiner Verb#228;nde in fast majest#228;tischer Haltung ein St#252;ck weiter neben ihm auf dem Boden sa#223; und ihn unverwandt anstarrte, fast als ... Nein, das war einfach zu absurd. Und Mike kam auch nicht dazu, diesen verr#252;ckten Gedanken zu Ende zu denken, denn die Gefahr war keineswegs vor#252;ber. Immer noch durchliefen heftige, unregelm#228;#223;ige St#246;#223;e den Meeresboden und brachten die NAUTILUS zum Erzittern. Und sie wurden nicht schw#228;cher. Ganz im Gegenteil: jede Ersch#252;tterung schien ein wenig st#228;rker zu sein als die vorhergehende, und Mike konnte regelrecht sp#252;ren, wie sich in dem Fels unter der NAUTILUSeine gewaltigeSpannung aufbaute. »Nein!« keuchte Trautman. Seine Augen wurden gro#223; vor Schrecken. »Um Gottes willen - nein!« Die NAUTILUS begann immer heftiger zu zittern - und dann, ganz langsam, aber auch mit schrecklicher Unaufhaltsamkeit, begann sich das Heck des Unterseebootes zu neigen. Mike h#246;rte, wie der st#228;hlerne Kiel mit einem gr#228;#223;lichen Ger#228;usch #252;ber den Fels scharrte. Dann sackte das Heck mit einem j#228;hen Ruck ab. Der vordere Teil des Bootes stieg pl#246;tzlich in die H#246;he, und Mike st#252;rzte abermals und prallte schwer gegen die Wand des Salons. Im n#228;chsten Moment zog er den Kopf ein, denn Ben kam wie ein lebendes Gescho#223; auf ihn zugeflogen, prallte fluchend unmittelbar neben ihm gegen die Wand und wurde seinerseits von Chris

getroffen, der heranschlitterte. Die Neigung des Bodens wurde immer st#228;rker. Das Scharren und Schleifen von Metall auf Fels erreichte eine Intensit#228;t, die fast in den Ohren schmerzte, und dann, mit einem letzten, unvorstellbar harten Ruck, l#246;ste sich das Boot vollends von seinem Halt. Mike schrie vor Entsetzen laut auf, als er begriff, was geschehen war. Die Explosion hatte die NAUTILUS von ihrem ohnehin unsicheren Halt heruntergeschleudert. Mit dem Heck voran begann das Schiff seinen Sturz in einen sechstausend Meter tiefen Abgrund.

Obwohl sie erst seit einer Stunde arbeiteten, sp#252;rte Mike seine Arme und Schultern kaum noch, daf#252;r jedoch jeden einzelnen Muskel in seinem K#246;rper um so schmerzhafter. Dabei wechselten sie sich im F#252;nf-Minuten-Rhythmus an der Pumpe ab. Lange w#252;rde keiner von ihnen diese Tortur noch durchhalten. Seit der Sturz in den schier endlosen Abgrund begonnen hatte, arbeiteten sie mit verzweifelter Hast an den Pumpen. Sie alle wu#223;ten, da#223; sie Tage, wenn nicht Wochen brauchen w#252;rden, um auf diese Art das eingedrungene Wasser aus dem Schiff zu entfernen, und das, selbst wenn sie rund um die Uhr gearbeitet h#228;tten. Aber ihnen blieben keine Tage, geschweige denn Wochen. Das Schiff sank nicht ganz so schnell, wie sie zuerst bef#252;rchtet hatten, aber trotzdem w#252;rden nur wenige Stunden vergehen, ehe es auf den Grund des sechstausend Meter tiefen Grabens aufschlug. Allerdings w#252;rde es wahrscheinlich schon lange vorher von dem unvorstellbaren Wasserdruck in dieser Tiefe zerquetscht werden. Keiner von ihnen wu#223;te, wie tief die NAUTILUS tats#228;chlich tauchen konnte, aber sie w#252;rde niemals den Druck in sechstausend Meter Tiefe aushalten k#246;nnen.

Mike lie#223; den fast mannslangen Pumpenschwengel los und trat zur Seite, damit Ben seinen Platz einnehmen konnte. Er war so ersch#246;pft, da#223; er sich einen Moment lang gegen die Wand lehnen mu#223;te und mit geschlossenen Augen abwartete, bis der Schw#228;cheanfall vor#252;berging. Und auch die anderen boten keinen besseren Anblick als er. Chris hockte mit angezogenen Knien neben ihm auf dem Boden und starrte ins Leere, w#228;hrend Juan und Andr#233; bereits hinter Ben Aufstellung genommen hatten, um ihn abzul#246;sen. Ihre einzige Hoffnung waren Trautman und Singh. Die beiden beteiligten sich nicht am Pumpen, sondern versuchten fieberhaft, ein Ventil zu improvisieren, mit dem sie die Luft aus den mitgebrachten Pre#223;luftflaschen in die besch#228;digte Sektion des Schiffes pressen konnten. Bisher jedoch waren ihre Bem#252;hungen von keinem Erfolg gekr#246;nt; obwohl die Pre#223;luftflaschen ganz offensichtlich von denselben Leuten konstruiert worden waren wie die NAUTILUS, pa#223;ten die Anschl#252;sse doch nicht ganz. Mike trottete ersch#246;pft zu den beiden M#228;nnern hin#252;ber und sah Singh zu, der ebenso verbissen wie vergeblich versuchte, eine Schraube auf ein nicht passendes Gewinde zu drehen. Obwohl es mittlerweile an

Bord der NAUTILUS bitterkalt geworden war - ein weiterer Beweis daf#252;r, wie tief sie schon ins Meer hinabgesunken sein mu#223;ten -, gl#228;nzte Singhs Gesicht vor Schwei#223;, und Mike glaubte, so etwas wie Angst in seinen Augen zu sehen. Ein knisterndes Ger#228;usch lief durch den Rumpf der NAUTILUS. Mike schauderte. Es war nicht das erste Mal, da#223; sie diesen Laut vernahmen, und sie alle wu#223;ten, was er bedeutete: Die Stahlplatten des Rumpfes #228;chzten unter dem Druck des Wassers, der langsam, aber unerbittlich immer gr#246;#223;er wurde.

»Das hat keinen Zweck«, sagte Singh ersch#246;pft. Er lie#223; sich zur#252;cksinken, und sofort setzte Trautman die Arbeit an der Schraube fort. Mike ahnte, da#223; auch die beiden M#228;nner l#228;ngst begriffen hatten, wie sinnlos ihr Tun war. Sicherlich h#228;tten sie zur Not ein passendes Ventil selbst zusammenstellen k#246;nnen -es gab die dazu ben#246;tigten Werkzeuge und Materialien in ausreichender Menge an Bord des Schiffes -aber auch dazu fehlte ihnen einfach die Zeit. Mike warf einen Blick #252;ber die Schulter zur#252;ck und sah, da#223; Andr#233; wieder an der Pumpe stand und den Schwengel bediente. Bald w#252;rde er wieder an der Reihe sein. Aber er war nicht sicher, ob er #252;berhaupt noch gen#252;gend Kraft dazu hatte. Seine H#228;nde bluteten, und seine Arme schienen Zentner zu wiegen. Sein Blick fiel auf die T#252;r, hinter der sich der mit Wasser #252;berflutete Teil der NAUTILUS befand, und f#252;r einen Moment f#252;hlte er einen absurden Zorn auf die eingedrungenen Wassermassen dort dr#252;ben. Nach allem, was er erlebt hatte, empfand er es einfach als l#228;cherlich, sterben zu sollen, nur weil das Schiff einen vergleichsweise winzigen Ri#223; abbekommen hatte. »Wir k#246;nnten noch versuchen, einen Flansch anzuschwei#223;en«, sagte Singh. Trautman, dem diese Worte galten, #252;berlegte einen Moment, dann sch#252;ttelte er m#252;de den Kopf. »Das ist zu gef#228;hrlich«, antwortete er. »Ein einziger Funke, und die Flasche explodiert wie eine Bombe.« »Und wo ist der Unterschied?« fragte Ben matt. Trautman sah ihn fragend an, und Ben f#252;gte hinzu: »Wir sterben sowieso. Es spielt keine Rolle, ob jetzt oder in einer halben Stunde. Versuchen Sie es.« Aber Trautman blieb bei seiner Weigerung. »Das w#228;re Selbstmord«, sagte er. Er deutete auf die Pre#223;luftflasche, dann auf den nicht passenden Anschlu#223; neben

der T#252;r. »Selbst wenn ein Wunder geschieht und uns das Ding nicht um die Ohren fliegt - wir brauchen mindestens ein Dutzend Flaschen, um das Wasser aus dem Schiff zu pressen. Die Zeit reicht einfach nicht. Es ist zum Verr#252;cktwerden!« Sein Gesicht verd#252;sterte sich. »Wir haben die Rettung praktisch in H#228;nden, und alles, was fehlt, ist ein simples, kleines Ventil.« »Bauen Sie es aus der Treibstoffpumpe aus«, sagte Mike. »Im unteren Ger#228;teraum steht ein Ersatzger#228;t, das im Moment nicht gebraucht wird.« Trautman starrte ihn an. Singh, der sich schon wieder an der Schraube zu schaffen machte, lie#223; die H#228;nde sinken und hob den Blick, und Mike selbst konnte sp#252;ren, wie sich ein #252;berraschter Ausdruck auf seinem eigenen Gesicht breitmachte. Er hatte #252;berhaupt keine Ahnung, warum er das gesagt hatte. »Jetzt dreht er v#246;llig durch«, sagte Ben. »Was ist los? Hat dir die Todesangst den Verstand geraubt?« Mike antwortete nicht. Bis zu dieser Sekunde hatte er nicht einmal gewu#223;t, da#223; es das Ger#228;t, von dem er sprach, an Bord der NAUTILUS #252;berhaupt gab, geschweige denn, welche Art von Anschl#252;ssen es besa#223;. Auch Trautman sah ihn an, als zweifle er ernsthaft an seinem Verstand - aber pl#246;tzlich sprangen Singh und er auf ein gemeinsames Kommando hin auf und st#252;rzten davon. Mike h#246;rte ihre Schritte auf der metallenen Treppe nach unten poltern. Es dauerte nicht einmal f#252;nf Minuten, bis Trautman und Singh zur#252;ckkamen. Mikes Augen weiteten sich ungl#228;ubig, als er das kleine Metallst#252;ck sah, das Trautman wie einen kostbaren Edelstein in beiden H#228;nden vor sich her trug. Verbl#252;fft beobachtete er, wie Trautman das Ventil mit einer einzigen, raschen Bewegung am Ende der Pre#223;luftflasche befestigte und es mit einem h#246;rbaren Klicken einrastete.

»Es pa#223;t!« keuchte Trautman. »Gott im Himmel, es ... espa#223;t!«Er fuhr herum. »H#246;rt auf zu pumpen! Ich brauche den Schlauch -schnell!« Binnen einer Minute hatten sie die schwere Handpumpe abmontiert und das Ende des Druckschlauches mit dem Ventil verbunden. Trautman drehte an einem kleinen Rad an der Flasche, und sie alle konnten h#246;ren, wie sich die Pre#223;luft zischend ihren Weg durch den Schlauch und in die Kammer hinter dem geschlossenen Stahlschott bahnte. »Es pa#223;t!« sagte Trautman noch einmal. Fassungslos sch#252;ttelte er den Kopf, starrte Mike kurz an und wandte sich dann den anderen zu. »Ihr helft Singh!« befahl er. »Pumpt so viel Luft in den Raum, wie es nur geht. Mike und ich gehen auf die Br#252;cke. Ich schicke ihn wieder zu euch, wenn ihr aufh#246;ren k#246;nnt. Komm!« Das letzte Wort galt Mike. Trautman wartete nicht ab, ob er seinen Befehl befolgte, sondern war bereits wieder auf dem Absatz herumgewirbelt und rannte abermals die Treppe hinunter. Mike folgte ihm, so schnell er konnte. Ihn schwindelte. Er mu#223;te sich an der Wand abst#252;tzen, um auf der schmalen Treppe nicht den Halt zu verlieren. Mit schleppenden, kleinen Schritten legte er den Weg zum Kommandoraum zur#252;ck, wo Trautman bereits wieder hinter den Kontrollinstrumenten des Schiffes stand und fieberhaft an den Schaltern und Hebeln hantierte. Als Mike eintrat, sah er kurz auf und wandte sich wieder dem Schalttisch zu. »Wie tief sind wir schon?« erkundigte sich Mike. »Viertausend Meter«, antwortete Trautman. »Und wir sinken immer noch.«Viertausend Meter!Mike sp#252;rte ein eisiges Fr#246;steln. Pl#246;tzlich vermeinte er das Gewicht der Millionen und

Abermillionen Tonnen von Wasser #252;ber seinem Kopf fast k#246;rperlich zu sp#252;ren. Und wie um seine Angst noch zu erh#246;hen, h#246;rte er in diesem Augenblick wieder jenes schreckliche, knirschende Ger#228;usch, als st#246;hne die NAUTILUS unter den Schmerzen, die ihr der unvorstellbare Wasserdruck zuf#252;gte. »Schaffen wir es?« fragte er leise. Trautman hob zur Antwort nur die Schultern. »Ich glaube, wir sinken schon nicht mehr ganz so schnell«, murmelte er. »Aber ich wei#223; nicht, ob es reicht.« Die Zeit schien stehenzubleiben. Mike hatte das Gef#252;hl, da#223; die Sekunden tr#228;ge verstrichen, w#228;hrend die Zahlen auf dem Tiefenmesser auf Trautmans Pult nur so dahinzurasen schienen. Die NAUTILUS sank auf viereinhalbtausend, dann auf f#252;nftausend Meter, bis auch Mike zu erkennen glaubte, da#223; sich die Geschwindigkeit ihres Absinkens allm#228;hlich verlangsamte. »F#252;nfeinhalbtausend«, mumelte Trautman. Er sch#252;ttelte den Kopf. »Unglaublich.« »Wie tief sind Sie jemals zuvor getaucht?« fragte Mike. Trautman z#246;gerte einige Sekunden. »F#252;nfhundert Meter«, sagte er dann. »Dann sind wird jetzt elfmal so tief«, murmelte Mike. »Unglaublich«, sagte Trautman noch einmal. »Ich h#228;tte es nicht f#252;r m#246;glich gehalten. Das Schiff h#228;tte l#228;ngst zerbrechen m#252;ssen.« Mike wollte antworten, doch in diesem Moment ging eine sp#252;rbare Ersch#252;tterung durch den Rumpf der NAUTILUS, und er hielt erschrocken den Atem an, si

cher, in der n#228;chsten Sekunde das furchtbare Ger#228;usch berstender Stahlplatten zu h#246;ren, gefolgt von dem Rauschen und Sprudeln, mit dem sich das Wasser seinen Weg ins Innere des Schiffes bahnte. Doch das geschah nicht. Statt dessen h#246;rten die Zah

len auf dem Tiefenmesser auf, sich zu bewegen. Bei etwas mehr als f#252;nfeinhalbtausend Metern Wassertiefe h#246;rte ihr Sturz auf. Die NAUTILUS stand still. »Ich glaube, wir schaffen es«, fl#252;sterte Trautman atemlos. »Sie haben das Wasser hinausbekommen. Wir sinken nicht mehr.« »Dann ... dann sind wir gerettet?« fragte Mike. »Wir k#246;nnen wieder auftauchen?« »Noch nicht«, antwortete Trautman nach einem Blick auf seine Instrumente. »Und wenn, dann nur sehr langsam. Da#223; das Schiff nicht l#228;ngst wie eine Konservendose zerquetscht worden ist, ist ein Wunder. Ich f#252;rchte, es k#246;nnte auseinanderrei#223;en, wenn ich die Maschinen zu schnell hochfahre.« Er schwieg eine Weile, dann sah er auf und blickte Mike nachdenklich an. »Also los«, sagte er. »Raus mit der Sprache. Woher hast du das gewu#223;t? Nicht einmal ich wu#223;te es, und ich kenne dieses Schiff wie meine Westentasche.« Mike hatte die Frage erwartet. Es war ihm klar gewesen, da#223; sie der einzige Grund war, aus dem Trautman ihn allein mit heruntergenommen hatte, denn es gab absolut nichts f#252;r ihn zu tun hier unten. »Ich wei#223; es nicht«, sagte Mike hilflos. »Ich meine, ich ... ich wu#223;te einfach, da#223; es passen wird. Aber ich habe keine Ahnung, woher ich es wu#223;te.« »Das klingt nicht sehr #252;berzeugend«, sagte Trautman. »Aber es ist so«, antwortete Mike hilflos. »Bitte l#252;g mich nicht an«, sagte Trautman. »Das ist wirklich nicht der Moment f#252;r Geheimnisse.« »Aber ich wei#223; es doch nicht!« antwortete Mike, und vielleicht war es der h#246;rbare Unterton von Verzweiflung in seiner Stimme, der Trautman Abstand von weiteren Fragen nehmen lie#223;. Mit einem erleichterten Seufzer lie#223; er sich in seinem Kommandosessel

zur#252;cksinken, schlo#223; f#252;r einen Moment die Augen und atmete dann tief ein. Mike wartete einige Sekunden lang mit klopfendem Herzen darauf, da#223; Trautman eine neue Frage stellte, doch als dies nicht geschah, wandte er sich um und ging langsam zu dem gro#223;en Panoramafenster an der Seite des Salons hin#252;ber. Auf der anderen Seite der Scheibe war nichts als Schw#228;rze, eine solch absolute, schattenlose Finsternis, wie Mike sie niemals zuvor erblickt hatte. Trautman hatte die gro#223;en Scheinwerfer am Bug der NAUTILUS eingeschaltet, die helle, scharf abgegrenzte Bahnen in die Dunkelheit rissen, ohne da#223; darin irgend etwas zu erkennen war, aber das Licht schien die sie umgebende Finsternis nur noch zu betonen. Mike suchte vergeblich nach irgendeiner Bewegung, irgendeinem Anzeichen von Leben. Fische oder andere Lebewesen schien es in dieser Wassertiefe nicht mehr zu geben. Dann glaubte er doch etwas zu sehen. Am Rande des Lichtkegels erschien f#252;r einen Moment etwas Gro#223;es, Massiges, sonderbar Flie#223;endes - doch als er genauer hinsah, war es verschwunden. Wahrscheinlich hatten ihm seine #252;beranstrengten Nerven nur einen Streich gespielt. Mike stand eine gute Viertelstunde vor dem Aussichtsfenster und starrte in die Dunkelheit, ehe das Ger#228;usch von Schritten in seine Gedanken drang und er sich wieder umdrehte. Unter der T#252;r des Salons erschien ein zu Tode ersch#246;pft aussehender Singh, gefolgt von vier weiteren Gestalten, die vor Schw#228;che und Anstrengung mehr hereintaumelten, als sie gingen. Trotzdem war auf ihren Gesichtern der Ausdruck gro#223;er Erleichterung zu erkennen. »Wie sieht es aus?« fragte Singh.

»F#252;nftausendvierhundert Meter«, verk#252;ndete Traut

man. Aus Singhs Gesicht wich jedes bi#223;chen Farbe, aber Trautmans Stimme klang beinahe fr#246;hlich, als er fortfuhr: »Wir steigen bereits wieder. Es geht langsam, aber wir haben wieder Auftrieb.« »Nemo sei Dank«, fl#252;sterte Andr#233;, »wir werden die Sonne noch einmal wiedersehen.« Trautman l#228;chelte fl#252;chtig. »Das wird aber noch eine Weile dauern«, sagte er. »Wir werden mindestens vierundzwanzig Stunden ben#246;tigen, ehe wir die Wasseroberfl#228;che erreichen.« Pl#246;tzlich begannen alle durcheinanderzureden. Anstelle von Todesangst und m#252;hsam unterdr#252;ckter Panik machte sich eine ebenso heftige Euphorie unter den Jungen breit, so da#223; Trautman schlie#223;lich mit energischer Stimme f#252;r Ruhe sorgen mu#223;te. Auch Mike war zutiefst erleichtert. Er f#252;hlte sich immer noch verwirrt und hatte nach wie vor keine Antwort auf die Frage, woher er von dem passenden Ventil gewu#223;t hatte, aber das hatte nun Zeit.

Wichtig war jetzt nur, da#223; sie gerettet waren. Er wandte sich wieder dem Fenster zu und sah hinaus. Trautman hantierte an seinen Hebeln, und die NAUTILUS gehorchte zum ersten Mal seit Stunden wieder den Befehlen des Ruders. Langsam schwang das gewaltige Unterseeboot herum und nahm Fahrt auf. Und f#252;r die Dauer von einer Sekunde erblickte Mike jenseits des Fensters, hinter der seit Anbeginn der Zeit w#228;hrenden Dunkelheit etwas, was ihm den Atem stocken lie#223;. Sechshundert Meter unter ihnen,sechstausendMeter unter dem Meeresspiegel, aber so deutlich zu erkennen, da#223; er fast glaubte, nur die Hand ausstrecken zu brauchen, um sie zu ber#252;hren, erhoben sich die T#252;rme einer gewaltigen, hellerleuchteten Stadt.

Als Mike seine Kabine betrat, fand er Astaroth zusam

mengerollt auf seinem Bett vor. Der Kater sah gelangweilt auf, als Mike sich neben ihn auf die Bettkante sinken lie#223;, begann jedoch sofort wie eine kleine N#228;hmaschine zu schnurren, als er ihm das Fell zwischen den Ohren kraulte. Mike war unendlich m#252;de. Jetzt, als die unmittelbare Gefahr vor#252;ber war, sp#252;rte er mit doppelter Wucht, welche Anstrengungen der zur#252;ckliegende Tag von ihm verlangt hatte. Seine H#228;nde begannen zu zittern, und es dauerte eine ganze Weile, bis er sich auch nur so weit wieder in der Gewalt hatte, da#223; er aus Hemd und Hose schl#252;pfen und unter die Bettdecke kriechen konnte. Hinter seiner Stirn f#252;hrten die Gedanken einen wirren Tanz auf. Er hatte keinem der anderen von seiner Entdeckung berichtet, denn er hatte wahrlich keine Lust, sich den Spott der anderen zuzuziehen, wenn er von einer Stadt auf dem Meeresgrund berichtete, die noch dazu er als einziger gesehen hatte. Mike begann nun auch unter seiner Decke zu schlottern. Es war noch immer sehr kalt in der NAUTILUS, aber das war nicht der eigentliche Grund - das Fieber vom vergangenen Tag schien zur#252;ckzukehren. Er hatte einen schlechten Geschmack im Mund, und seine Stirn f#252;hlte sich hei#223; an. Astaroth schien zu sp#252;ren, da#223; es ihm nicht gutging, denn der Kater kam schnurrend #252;ber die Bettdecke herangekrochen, rieb seinen Kopf an Mikes hei#223;er Wange und kroch dann zu ihm unter die Decke. Die Ber#252;hrung seines weichen Felles tat ungemein gut, und auch wenn es nur ein Tier war, Mike hatte das Gef#252;hl, nicht mehr allein zu sein, sondern einen Freund zu haben. So dauerte es nicht einmal eine Minute, bis er trotz allem wieder eingeschlafen war.

Und seinen Fiebertraum aus der vergangenen Nacht

fortsetzte. Wieder befand er sich im K#246;rper eines vierbeinigen, schnellen R#228;ubers, der auf der Suche nach Beute durch einen bizarren Dschungel streifte, wie es ihn nirgendwo auf der Welt gab. Wieder unterschied sich sein Denken v#246;llig von dem eines Menschen, war mehr ein F#252;hlen, ein instinktives Handeln als Entscheiden, und statt all der Sorgen und Gedanken eines Menschen waren in seinem Kopf nur mehr Jagdfieber, Hunger und eine angeborene Vorsicht vor anderen, noch gef#228;hrlicheren R#228;ubern. Dann aber #228;nderte sich etwas, aus dem Traum wurde ein Alptraum. Etwas geschah mit ihm. Der J#228;ger wurde zum Gejagten, er hatte seltsame Visionen von gro#223;en, lauten, plumpen Wesen, die ihn hetzten, ihn verfolgten und unbarmherzig in die Enge trieben, bis es keinen Ausweg mehr gab, obwohl er viel schneller, geschickter und kl#252;ger als jeder einzelne von ihnen war. Er war pl#246;tzlich gefangen und konnte sich nicht mehr r#252;hren. Wesen waren um ihn herum, die Mike als Menschen erkannte, ohne da#223; es ihm m#246;glich war, dieses Erkennen auf das Gesch#246;pf zu #252;bertragen, in dessen Leib er steckte. Allen voran war ein uralter, wei#223;haariger Mann mit einem Gesicht, das Mike als g#252;tig und wissend erschienen w#228;re,seinen tierischen Traumk#246;rper jedoch schier in Panik versetzte. Er war in ein helles, mit sonderbarbeunruhigend anmutenden Mustern besticktes Gewand gekleidet, und er tat irgend etwas mit ihm. Auchwar er nicht mehr in seiner gewohnten, gr#252;nen Dschungelwelt, sondern in einer kalten, aus blitzendem Metall und hartem Stein, aus hellem Licht und tausend fremdartigen, angstmachenden Dingen bestehenden Umgebung. Und dann - wieder hatten sie etwas mit ihm getan, was er nicht verstand, aber das ihm Schmerzen und noch viel gr#246;#223;ere Angst bereitete-#228;nderte sich et

was. Nicht in seiner Umgebung. Nicht mit seinem K#246;rper; mit seinemGeist.Aus dem Tier wurde ein denkendes Wesen. Mike war noch immer im K#246;rper des vierbeinigen J#228;gers gefangen, aber pl#246;tzlich waren all die vertrauten Muster wieder da, pl#246;tzlich war da mehr als Instinkte und angeborene Verhaltensweisen, mehr als ein Denken, das gerade ausreichte, eine Beute zu erkennen und zu jagen. Es war, als w#228;re das Wesen, dessen Gast er im Traum war, auf eine h#246;here Ebene des Seins gehoben worden. Wieder erschien der alte Mann vor ihm. Er begann mit ihm zu reden, und nun zum ersten Mal waren die Ger#228;usche, die er machte, keine unverst#228;ndlichen, furchteinfl#246;#223;enden Laute mehr, sondern Worte, und er verstand sie, wenn auch nur ihrer Bedeutung nach, nicht ihremSinn.»Mir bleibt nicht genug Zeit, dich in alles einzuweisen«, erkl#228;rte der alte Mann. »Unsere Welt ist dem Untergang geweiht, doch einer von uns wird #252;berleben. Deine Aufgabe wird es von nun an sein, #252;ber die letzte Prinzessin des Alten Geschlechts zu wachen. Dein Schrecken wird bald vergehen, und du wirst erkennen, mit welcher Macht wir dich ausgestattet haben, damit du deiner Aufgabe gerecht werden kannst. Du wirst jetzt nicht alles verstehen, aber du wirst dich erinnern und nach und nach alles begreifen.« Zumindest damit hatte der alte Mann recht. Er redete lange und schnell, und kaum etwas von seinen Worten war verst#228;ndlich oder schien gar einen Sinn zu ergeben. Und doch verga#223; er nichts davon.

An diesem Punkt wachte Mike f#252;r einen Moment auf. Er fand sich fiebernd und gesch#252;ttelt von einander abwechselnder K#228;lte und Hitze unter seiner Bettdecke in der dunklen Kabine, und Astaroth hatte sich so eng an ihn gekuschelt, wie es nur ging, so da#223; es ihm f#252;r einen Moment fast so vorkam, als w#228;ren sie zu einem einzigen Wesen verschmolzen. Und noch bevor er diesen Gedanken weiter verfolgen und vielleicht erkennen konnte, welch tiefere Wahrheit in diesem Vergleich steckte, sank er erneut in Schlaf, und sein Traum, er setzte sich fort.

Er war nicht mehr in der Gewalt des alten Mannes. Der Alte, von dem er nun wu#223;te, da#223; er der letzteeines einst m#228;chtigen Geschlechts von Magiern gewesen war, war gegangen, und er war allein mit anderen Menschen, jedoch nicht mehr gefangen. Trotzdem versuchte er nicht zu fliehen und in seine angestammte Heimat zur#252;ckzukehren. Um ihn herum waren Bilder unvorstellbarer Zerst#246;rung. Der Himmel hatte sich verdunkelt, Feuer und Schwefel regneten auf die Erde, und vom Meere her rannten turmhohe Wellenberge gegen die K#252;ste. Ein unglaublicher Sturm war losgebrochen, gegen den er sich nur noch mit M#252;he halten konnte, und er h#246;rte ein best#228;ndiges Grollen, Rumpeln und Bersten, als br#228;che die Erde unter seinen F#252;#223;en zusammen.

An diesem Punkt zerbrach die bis dahin durchgehende Handlung in tausend einzelne Bilder der Zerst#246;rung, des Chaos, die den Untergang einer ganzen Welt und das Ende eines ganzen Volkes zeigten. Und irgendwann, nach Ewigkeiten, wie es Mike schien, sank sein gepeinigter Geist ersch#246;pft auf eine tiefere Ebene des Schlafes herab, die keinen Platz mehr f#252;r Tr#228;ume bot.

Wieder wurde Mike unsanft aus dem Schlaf gerissen. Singh mu#223;te ihn diesmal sogar an der Schulter r#252;t

teln, um ihn aufzuwecken, und wieder fiel es Mike schwer, in die Wirklichkeit zur#252;ckzufinden. Obwohl viel bizarrer und am Schlu#223; geradezu chaotisch, war der Traum viel realer gewesen als das letzte Mal; und was er in ihm hinterlie#223;, das war nicht das Gef#252;hl, einen Traum gehabt zu haben, sondern vielmehr, sich an etwas tats#228;chlich Erlebtes zu erinnern. »Ihr m#252;#223;t aufwachen, Herr«, sagte Singh erneut. Mit einem #228;rgerlichen Brummen versuchte Mike die Hand von seiner Schulter abzusch#252;tteln, doch der Sikh lie#223; nicht locker, und schlie#223;lich richtete sich Mike schlaftrunken auf. »Und wenn nicht, was dann?« maulte er. »Willst du dann wieder auf mich einschlagen?« Singh l#228;chelte fl#252;chtig und r#252;ttelte weiter an Mikes Schulter. Etwas bewegte sich unter der Decke. Singh runzelte #252;berrascht die Stirn, als ein schwarzer, pelziger Kopf unter der Bettdecke auftauchte und zuerst ihn, dann Mike vorwurfsvoll aus seinem einzigen Auge anblickte. Astaroth schien #252;ber die St#246;rung auch nicht gerade erbaut zu sein. Mike strich ihm fl#252;chtig #252;ber den Kopf, ehe er sich wieder an Singh wandte. »Was ist denn?« fragte er mi#223;gelaunt. »Darf ich denn nicht mal ein paar Minuten schlafen?« »Ihr wolltet geweckt werden, Herr, bevor wir auftauchen. Es wird gleich soweit sein.« »So schnell?« Singh z#246;gerte. »Wir mu#223;ten sogar sehr langsam auftauchen«, antworteteer schlie#223;lich.

»Aber ...« Mike runzelte die Stirn, gleich darauf mu#223;te er herzhaft g#228;hnen und rieb sich den Schlaf aus den Augen. »Wie lange habe ich denn geschlafen?« »Ann#228;hernd vierundzwanzig Stunden, Herr«, antwortete Singh. »Vierundzwanzig Stunden?« Mike fuhr in die H#246;he, so da#223; der Kater mit einem erschrockenen Laut von seinem Bett h#252;pfte und aus der Kabine verschwand. »Wieso habt ihr mich so lange schlafen lassen?« »Ihr hattet Fieber, Herr«, antwortete Singh. »Trautman und ich hielten es f#252;r besser, Euch ausruhen zu lassen. Und es gab nichts f#252;r Euch zu tun.« Vierundzwanzig Stunden? dachte Mike. Beim Aufwachen hatte er das Gef#252;hl gehabt, kaum l#228;nger als eine halbe oder h#246;chstens eine Stunde geschlafen zu haben, aber jetzt merkte er, da#223; seine Benommenheit wohl nur eine Folge des langen Schlafes war. Abgesehen von einem dumpfen Druck im Kopf, der es ihm schwer machte, sich zu konzentrieren, begann er sich ausgeruht zu f#252;hlen. »Gut. Ich komme gleich.« Er schwang die Beine aus dem Bett und stand auf, und in diesem Moment drang ein w#252;tendes Gebr#252;ll durch die offenstehende T#252;r in seine Kabine. Mike tauschte einen fragenden Blick mit Singh. Das Gebr#252;ll wurde lauter, es war Bens Stimme, die eine wahre Schimpfkanonade auf ein gewisses »schwarzes Mistvieh« loslie#223;, dem er »das Fell #252;ber die Ohren ziehen« und es als »Nierenw#228;rmer benutzen« wollte. Singh sah verwirrt drein, w#228;hrend in Mike ein gewisser Verdacht emporstieg, als sie sich der T#252;r n#228;herten. Aus seiner Vermutung wurde Gewi#223;heit, als Ben barfu#223; aus seiner Kabine herausst#252;rmte. Die Schuhe hielt er mit beiden H#228;nden so weit von sich fortgestreckt, wie es nur ging. »Ich bringe dieses ein#228;ugige Ungeheuer um!« br#252;llte er, w#228;hrend er mit weit ausgreifenden Schritten die Toilette ansteuerte. »Ich rei#223;e ihm den Kopf ab und brate ihn mir zum Fr#252;hst#252;ck, das schw#246;re ich!« »Was hat er denn?« wunderte sich Singh. Mike hatte alle M#252;he, ein Grinsen zu unterdr#252;cken, zumal das »ein#228;ugige Ungeheuer« in diesem Moment

wieder in die Kabine geflitzt kam und sich auf seinem Bett zusammenrollte, als w#228;re nichts geschehen. »Keine Ahnung«, sagte er fr#246;hlich. »Wahrscheinlich hat er wieder mal schlechte Laune. Das ist ja bei Ben nichts Au#223;ergew#246;hnliches.« Er machte eine Handbewegung zur Decke hinauf. »Sag Trautman, da#223; ich gleich komme. Ich will mich nur rasch anziehen.« Singh schenkte ihm, dann dem Kater einen fragenden Blick, sagte aber nichts und verlie#223; die Kabine. Mike trat wieder an sein Bett und begann sich anzuziehen. Astaroth sah ihm aufmerksam zu und leckte sich ab und zu die Vorderpfoten. Mike fiel erst jetzt auf, da#223;

der Kater nicht mehr wie eine Mumie auf Urlaub aus

sah. Der Verband war verschwunden. »Das war nicht besonders nett, was du da mit Ben gemacht hast«, sagte Mike. »Ich meine: Keiner von uns kann ihn gut leiden, aber das ist doch kein Grund,

seine Schuhe als Toilette zu benutzen.«

W#228;re es dir lieber, ich nehme deine?

H#228;tte ihm jemand warnungslos einen Eimer eiskaltes Wasser #252;ber den Kopf gest#252;lpt, Mike h#228;tte kaum fassungsloser sein k#246;nnen. Aus ungl#228;ubig aufgerissenen Augen starrte er den Kater an, der f#252;r einen Moment aufgeh#246;rt hatte, sich die Pfoten zu lecken, und seinen Blick aus seinem einzigen, bernsteinfarbenen Auge sp#246;ttisch erwiderte. »Wie?« #228;chzte Mike.

Ich habe gefragt, ob ich lieber deine Schuhe benutzen soll,wiederholte die Stimme. Mikeh#246;rtesie nicht wirklich. Vielmehr schien sie direkt in seinem Kopf zu erklingen, als spr#228;che der Kater auf eine Weise mit ihm, die den Umweg #252;ber das gesprochene Wort nicht mehr n#246;tig machte. »Ich ... ich tr#228;ume«, stammelte er. »Ich mu#223; den Verstand verloren haben!«

Um das zu kl#228;ren, m#252;#223;ten wir erst einmal dar#252;ber reden, was ihr Menschen unter dem WortVerstandversteht,erwiderte Astaroth.Aber du tr#228;umst nicht, wenn es dich beruhigt.

»Du ... du kannst sprechen?« fragte Mike.

Hat aber auch lange gedauert, bis du das erkannt hast,erwiderte der Kater und g#228;hnte herzhaft, wie um zu zeigen, wie sehr ihn das Gespr#228;ch langweilte.

Obwohl ... Sprechen ist vielleicht nicht ganz das richtige Wort, aber es w#228;re wohl zu kompliziert, dir das zu erkl#228;ren. Schlie#223;lich bist du nur ein Mensch, und da sollte man vielleicht nicht ganz so hohe Anforderungen stellen.

»Aber wie ... ich meine, wie kannst du ...« AberundWie,eure Lieblingsworte,erklang erneut die Stimme in seinen Gedanken. Diesmal hatte sie eindeutig einen sp#246;ttischen Unterton.Kaum fangt ihr an, mal etwas zu begreifen, schon folgt garantiert einAberoder einWie.Wenn man sich bei euch Menschen auf irgend etwas verlassen kann, dann scheint es das zu sein. Nach allem, was du nun schon wei#223;t, hatte ich gehofft, wir k#246;nnten uns diesen Unsinn sparen, aber wenn es denn sein mu#223; ...

Es war das erste Mal in seinem Leben, da#223; Mike eine Katze seufzen h#246;rte. »Die Tr#228;ume«, murmelte Mike ungl#228;ubig. »Das waren nicht blo#223; Tr#228;ume. Das ist wirklich mit dir passiert.«

Allm#228;hlich scheinst du ja tats#228;chlich zu kapieren.Vielleicht besteht ja doch noch Hoffnung f#252;r dich, da#223; du dein Gehirn benutzen lernst.Mike entschlo#223;

sich, die vorlauten Worte des Katers zu ignorieren. Zu phantastisch war das, was er erlebte. »Vorhin, ich meine gestern, das warst auch du, der mir erkl#228;rt hat, da#223; sich die Station selbst gesprengt h#228;tte, nicht wahr?« stie#223; er hervor.

Sieh an, das Ding, das du da auf deinen Schultern tr#228;gst, schwingt sich ja zu wahren H#246;chstleistungen auf,erwiderte Astaroth spitz.Ja, nat#252;rlich war ich das. Ihr wart ja zu bl#246;d, um die Wahrheit zu erkennen. Da konnte ich mich nicht mehr beherrschen und h#228;tte mich fast verplappert. Aber ich hielt es f#252;r besser, erst einmal abzuwarten, bis du mehr wei#223;t, bevor ich dir zu viel verrate. Ich bin auch jetzt noch nicht sicher, da#223; es wirklichklugwar,f#252;gte er nach einer winzigen Pause hinzu. »Kannst du dich auch mit den anderen verst#228;ndigen?« erkundigte sich Mike.Nein,antwortete Astaroth einsilbig.

Mike blickte auf seine rechte Hand. Die Bi#223;wunde hatte wieder zu jucken begonnen, und pl#246;tzlich begriff er. »Es liegt an dem Bi#223;, nicht wahr?« Diesmal antwortete Astaroth gar nicht. Wahrscheinlich hielt er es f#252;r unter seiner W#252;rde, auf eine so offensichtliche Tatsache einzugehen.

»Wer bist du eigentlich?« murmelte Mike.»Wasbist

du?«

Ein lautloses Lachen erscholl in seinem Kopf.Die kor

rekte Bezeichnung w#228;refelis rex,aber zerbrich dir

nicht den Kopf dar#252;ber, was das hei#223;en soll,antwor

tete der Kater.Astaroth mag f#252;r den Moment gen#252;

gen. Und jetzt sollten wir zu deinen Freunden gehen,

ehe sie zur#252;ckkommen und dich mit einer Katze re

den sehen.

Etwas widerwillig verlie#223; Mike seine Kabine und machte sich auf den Weg zum Salon. Er war der letzte, der eintraf. Alle anderen hatten sich - mit Ausnahme Trautmans, der hinter seinen Kontrollinstrumenten stand - vor dem gro#223;en Aussichtsfenster versammelt und sahen hinaus. Die NAUTILUS war noch immer von vollkommener Schw#228;rze umgeben, aber weit #252;ber ihnen war ein mattgrauer Schimmer zu erkennen: die Wasseroberfl#228;che, der sie sich allm#228;hlich n#228;herten. Als Mike den Salon betrat, wandten sich alle um und sahen ihn an. Niemand sagte etwas, aber es war etwas ganz Bestimmtes in ihren Blicken, das Mike klarmachte, da#223; sie #252;ber ihn gesprochen hatten. Der Kater war ihm gefolgt, und Bens Miene verd#252;sterte sich, als er ihn gewahrte. Aber er beherrschte sich und belie#223; es dabei, den Kater mit Blicken regelrecht aufzuspie#223;en. »Wie lange noch?« fragte Mike. »Ein paar Minuten«, antwortete Trautman. »Wir tauchen ziemlich schnell auf. Fast schon zu schnell. Irgendwas ... stimmt nicht.« Er lachte nerv#246;s. »Die gute alte NAUTILUS scheint es auch nicht mehr erwarten zu k#246;nnen, die Sonne wiederzusehen.« »Es wird auch allm#228;hlich Zeit«, sagte Juan. »Ich wei#223; schon gar nicht mehr, wie Tageslicht aussieht.« Er stockte, runzelte die Stirn und sog #252;bertrieben schn#252;ffelnd die Luft durch die Nase ein. »Was riecht denn hier so komisch?« Alle sahen sich einen Moment lang verwirrt an, aber schlie#223;lich konzentrierten sich ihre Blicke auf Ben genauer gesagt, auf Bens Schuhe. Ben lief dunkelrot an. Seine Augen schossen unsichtbare Blitze in Astaroths Richtung, aber er schwieg. »Das da oben«, sagte Chris pl#246;tzlich. Er deutete auf einen dunklen, langgestreckten Schatten, der sich verschwommen gegen das Licht abhob. »Was ist das?« Alle blickten in die Richtung, in die sein ausgestreckter Zeigefinger wies. »Das ... ist die LEOPOLD!« sagte Juan schlie#223;lich. Seine Stimme wurde schrill, als er sich zu Trautman herumdrehte. »Aber Sie fahren ja direkt darauf zu!«

Auch Mike wandte sich vom Fenster ab. Trautman hantierte mit verbissenem Gesichtsausdruck am Kommandotisch. »Irgendwas stimmt da nicht«, sagte er. »Das Schiff reagiert nicht. Ich habe #252;berhaupt keine Kontrolle mehr #252;ber die NAUTILUS!«Also, die Prinzessin befindet sich an Bord,wisperte Astaroths Stimme in Mikes Gedanken. Mike sah den Kater an, dann Trautman, der immer verzweifelter versuchte, die Herrschaft #252;ber die NAUTILUS zur#252;ckzuerlangen. Er fragte sich, ob der Kater etwas damit zu schaffen hatte, aber wenn Astaroth die entsprechende Frage in seinen Gedanken las, so zog er es vor, nicht darauf zu reagieren. »Tun Sie doch etwas, Trautman!« sagte nun auch Andr#233;. »Wir laufen ihnen ja direkt vor die Kanonen!« »Ich versuche es ja«, antwortete Trautman. Seine Stimme klang jetzt eindeutig verzweifelt. Er h#228;mmerte regelrecht auf den Kontrollinstrumenten herum. »Das Schiff gehorcht mir nicht mehr.« »Dann m#252;ssen wir k#228;mpfen«, sagte Ben grimmig. Er ballte die F#228;uste. »Lebend bekommen sie mich jedenfalls nicht!« »Zumindest nicht bei klarem Verstand«, f#252;gte Juan hinzu. Er tippte sich bezeichnend gegen die Schl#228;fe und wandte sich dann wieder dem Anblick der immer schneller n#228;her kommenden LEOPOLD zu. »Vielleicht haben wir noch eine Chance«, sagte Singh. »Sie k#246;nnen unm#246;glich wissen, da#223; wir kommen. Vielleicht k#246;nnen wir ihnen einfach davonfahren, ehe sie #252;berhaupt begreifen, was los ist.« Er sah Trautman an. »Sind wir schnell genug dazu?« »Unter normalen Umst#228;nden vielleicht«, antwortete Trautman. »Aber so ...« Er horte auf, wie wild an seinen Kontrollen zu hantieren, und seufzte tief. »Das Schiff gehorcht mir nicht mehr«, wiederholte er. »Ich

wei#223; nicht, was los ist. Ich bin mit meinem Latein am Ende. Ich f#252;rchte, wir k#246;nnen nur noch eines tun aufgeben.« »Das meinen Sie nicht ernst!« protestierte Ben. »Wir m#252;ssen k#228;mpfen. Singh hat es gesagt:Wir haben den Vorteil der #220;berraschung auf unserer Seite. Sie wissen nicht, da#223; wir kommen. Mit einem bi#223;chen Gl#252;ck k#246;nnen wir sie torpedieren, bevor sie #252;berhaupt merken, da#223; wir da sind.« Trautman w#252;rdigte ihn keiner Antwort, und auch Mike drehte sich wortlos um und sah wieder aus dem Fenster auf den immer gr#246;#223;er werdenden Schatten. Ganz davon abgesehen, da#223; Trautman niemals zugestimmt h#228;tte, die LEOPOLD zu torpedieren und damit das Leben von mehr als tausend Menschen zu riskieren - irgend etwas sagte ihm, da#223; es nicht funktionieren w#252;rde. Er wu#223;te, da#223; ihnen nur noch eine einzige M#246;glichkeit blieb. Trautman sprach den Gedanken laut aus. »Juan, Chris«, sagte er. »Geht bitte hinauf in den Turm. Sobald wir aufgetaucht sind, hi#223;t ihr die wei#223;e Fahne. Wir ergeben uns.«

Kapit#228;n Winterfeld pers#246;nlich erwartete sie, als sie #252;ber eine Strickleiter an Bord der LEOPOLD kletterten. In seinem Gesicht war kein Triumph zu lesen, keine h#228;mische Genugtuung, nichts von alledem, was Mike erwartet hatte. Statt dessen zeigte der Kapit#228;n nur gro#223;en Ernst, als er auf Mike zutrat, der als erster #252;ber die Reling des Kriegsschiffes kletterte. »So sehen wir uns also wieder«, sagte er. »Ich wu#223;te, da#223; es fr#252;her oder sp#228;ter so kommen w#252;rde.« Mike verzichtete auf eine Antwort, sondern pre#223;te Astaroth nur noch etwas fester an sich und begn#252;gte sich damit, Winterfeld finster anzustarren.

Dieser

schien ihm das nicht #252;bel zu nehmen. Und wie schon bei seinem ersten unfreiwilligen Aufenthalt auf diesem Schiff, hatte Mike das Gef#252;hl, in Winterfeld einen gef#228;hrlichen und #228;u#223;erst verschlagenen Gegner gefunden zu haben -aber trotzdem einen Mann, den er auch achten konnte. Hinter ihm stiegen die anderen auf das Deck, und Winterfeld ma#223; sie der Reihe nach mit absch#228;tzenden Blicken, dann machte er eine Handbewegung, und ein halbes Dutzend bewaffneter Soldaten trat vor und umringte sie. Die Gewehre der M#228;nner waren nicht direkt auf Mike und die anderen gerichtet, aber ihre Drohung war allen klar. Schlie#223;lich drehte sich Winterfeld wieder zu Mike herum. Als er den Kater bemerkte, den Mike sch#252;tzend an sich dr#252;ckte, l#228;chelte er. »Wen haben wir denn da?« meinte er und beugte sich vor. Er streckte die Hand aus und kraulte Astaroth am Kopf, der sich das anscheinend voller Wohlbehagen gefallen lie#223;. Mike empfand kurz eine absurde Eifersucht. Hastig setzte er den Kater auf den Boden. Sofort begann das Tier neugierig auf dem Deck herumzustreichen. Mit einiger Versp#228;tung kam endlich auch Trautman die Strickleiter heraufgeklettert. Ganz wie es sich f#252;r einen Kapit#228;n geb#252;hrt, hatte er sein Schiff als letzter verlassen. Seine Miene verd#252;sterte sich, als er die Soldaten und Winterfeld gewahrte, doch Mike sah in seinen Augen den gleichen Respekt, den er selbst Winterfeld entgegenbrachte. Irgendwie, dachte er, waren sich die beiden M#228;nner sehr #228;hnlich. »Sie m#252;ssen Trautman sein«, sagte Winterfeld. »Paul hat mir von Ihnen erz#228;hlt.« Er trat dem alten Mann entgegen und streckte die Hand aus, und er tat es auf seine Art, die die Geste kein bi#223;chen herablassend erscheinen lie#223;, nicht die eines Siegers dem Besiegten

gegen#252;ber, sondern ein Ausdruck der Achtung. Mike war nicht #252;berrascht, als Trautman die Hand nahm und kurz und kr#228;ftig dr#252;ckte. »Paul!« sagte Ben. »Also hat diese kleine Ratte doch geredet! Aber das war schlie#223;lich zu erwarten.« »Diekleine Ratte,wie du ihn nennst«, entgegnete Winterfeld ruhig, »ist immerhin mein Sohn, also #252;berlege dir lieber, was du sagst.« Er trat einen Schritt zur#252;ck und hob ein wenig die Stimme. »Und wenn es euch beruhigt: Er hat mir leider nicht ann#228;hernd so viel verraten, wie ich mir gew#252;nscht h#228;tte. Er betrachtet euch nach wie vor als seine Freunde.« »O ja, er ist ein richtiger Freund«, h#246;hnte Ben. »Wirklich, solche Freunde habe ich mir immer gew#252;nscht dann braucht man n#228;mlich keine Feinde mehr.« Er sah Winterfeld herausfordernd an, und trotz des Zorns, den seine Worte in Mike wachriefen, mu#223;te er Bens Mut bewundern. »Was haben Sie jetzt mit uns vor?« fragte Ben. »Lassen Sie uns gleich erschie#223;en, oder liefern Sie uns mitsamt der NAUTILUS dem Flottenkommando aus?« Winterfeld sch#252;ttelte den Kopf. »Weder das eine noch das andere«, antwortete er ruhig. »Ich habe nicht vor, die NAUTILUS irgend jemandem auszuliefern, auch nicht der deutschen Marine.« »Ach?« fragte Ben spitz, »Und wer soll das glauben?« Mike versetzte ihm einen Ellbogensto#223; in die Seite, der ihn verstummen lie#223;, und Winterfeld l#228;chelte ihm kurz zu, bevor er fortfuhr: »Ich f#252;rchte sogar, da#223; mein Kaiserreich nicht besonders gut auf mich zu sprechen ist und mich vor ein Kriegsgericht stellen w#252;rde, wenn ich so dumm w#228;re, zur#252;ckzugehen.« »Soll das hei#223;en, da#223; das alles hier -« begann Trautman, wurde aber von Winterfeld unterbrochen, der

die Hand hob und nickte.

»-ganz allein auf meine Verantwortung hin geschehen ist, ganz recht. Ja. Niemand in Berlin wei#223;, was ich hier tue.« »Also sind Sie nichts als ein gemeiner Pirat«, sagte Ben. »Das Wort Dissident w#228;re mir lieber«, antwortete Winterfeld betont. »Und was halten Sie von dem Begriff Deserteur?« fragte Mike. »Das ist es doch, was Sie getan haben, nicht wahr? Sie sind desertiert, zusammen mit der Besatzung. Wie haben Sie es geschafft, die Soldaten zu #252;berreden? Sie m#252;ssen wissen, da#223; -« Mit einer heftigen Handbewegung schnitt ihm Winterfeld das Wort ab. »Du entt#228;uschst mich, Michael«, sagte er, wobei er wieder in die deutsche Aussprache seines Namens zur#252;ckfiel, was Mike vom ersten Moment an ge#228;rgert hatte. »Hat dein Vater die NAUTILUS vielleicht der indischen Regierung #252;bergeben? Ich habe ihn nie kennengelernt, aber nach allem, was ich #252;ber

ihn geh#246;rt habe, haben wir einiges gemeinsam. Genau wie er glaube ich nicht daran, da#223; das Erbe der Atlantischen Kultur irgendeinem Land in die H#228;nde fallen sollte. Diese Macht ist zu gewaltig, um von einer einzelnen Nation kontrolliert zu werden.« »Dann tun Sie das lieber, wie?« sagte Trautman. Winterfeld sch#252;ttelte den Kopf. »Sie m#252;ssen mich wirklich f#252;r sehr dumm halten, wenn Sie glauben, da#223; es mir aufMachtank#228;me. Au#223;erdem ist diese Vorstellung naiv. Nicht einmal mit der NAUTILUS k#246;nnte man die ganze Welt erobern. Nein, meine Ziele sind v#246;llig anderer Art. Aber wir werden uns sp#228;ter noch dar#252;ber unterhalten, und ich hoffe, da#223; Sie dann zumindest einen Teil dessen, was Sie #252;ber mich denken, berichtigen k#246;nnen. Wer wei#223;, vielleicht werden wir sogar Verb#252;ndete.«

»Niemals«, sagte Trautman. Winterfeld l#228;chelte auf eine sonderbare Weise. »Das ist ein Wort, mit dem man #228;u#223;erst sparsam umgehen sollte«, sagte er. »Vermutlich liegen unsere Ziele gar nicht so weit auseinander, wie Sie jetzt annehmen.« »Ich glaube Ihnen kein Wort!« fuhr Ben auf. Winterfeld schenkte ihm einen ver#228;chtlichen Blick. »Wei#223;t du, mein Junge, es ist mir ziemlich egal, was du glaubst und was nicht«, sagte er k#252;hl. »Es w#228;re mir nur lieber, wenn du dich etwas beherrschen k#246;nntest. Paul hat mir einiges #252;ber dich erz#228;hlt. Du bist gar nicht so dumm, wie du gerne tust. Wenn du lernst, dein Temperament im Zaum zu halten, dann -« Er stockte mitten im Wort. Seine Augen wurden gro#223;, und Mike konnte sehen, wie sein Gesicht bla#223; wurde, als er langsam an sich heruntersah. Und als Mikes Blick dem seinen folgte, verstand er auch, warum. Astaroth, der am Anfang neugierig auf dem Deck herumgestrichen war, hatte es sich auf Winterfelds F#252;#223;en bequem gemacht. Jetzt war er aufgestanden und schritt mit w#252;rdevoll erhobenem Haupt davon. Winterfelds spiegelblank polierte Stiefel standen pl#246;tzlich in einer sich allm#228;hlich ausbreitenden, #252;belriechenden Pf#252;tze. »Das Tier hat Geschmack«, sagte Ben grinsend. Winterfelds Lippen bebten vor Zorn. Eine Sekunde lang war Mike fest davon #252;berzeugt, da#223; er nun doch die Beherrschung verlieren w#252;rde, aber dann gab er sich einen sichtbaren Ruck und zwang sich sogar zu einem -wenn auch nicht v#246;llig #252;berzeugenden -L#228;cheln. »Bringt unsere G#228;ste in ihre Quartiere«, sagte er zu seinen M#228;nnern. »Und besorgt eine Kiste f#252;r diesen Kater.« Mike unterdr#252;ckte sein schadenfrohes Grinsen nicht, er lie#223; sich in die Hocke sinken und streckte die Hand aus. Sofort kam Astaroth herbei, war mit einem Satz auf seinem Arm und kuschelte sich an seine Brust, wo er lautstark zu schnurren begann. »Eine Katze auf einem Unterseeboot - originell«, sagte Winterfeld. »Wo kommt das Tier #252;berhaupt her?« »Wir haben es auf dem Meeresboden gefunden«, antwortete Mike. »Er ist in Wirklichkeit ein Meerkater und sieht nur so aus wie eine normale Katze.« Winterfeld anwortete nicht, aber er sah ihn so w#252;tend an, da#223; Mike es vorzog, nicht weiterzusprechen. Von den deutschen Marinesoldaten eskortiert, wurden sie tief hinab in den Rumpf der LEOPOLD und in dieselben einander gegen#252;berliegenden Kabinen gef#252;hrt, in denen sie bereits ihren ersten unfreiwilligen Auf enthalt auf dem Schiff verbracht hatten. Mike teilte seine Kabine zusammen mit Singh und - zu seinem Leidwesen - Ben, der mit dieser Einteilung ebenfalls nicht einverstanden war, zumal sich auch Astaroth

bei ihnen befand.

»Dieser verdammte Deutsche«, begann Ben zu schimpfen, kaum da#223; sie wieder allein waren. »H#228;ttet ihr damals auf mich geh#246;rt und die NAUTILUS der engli

schen Marine #252;bergeben, s#228;#223;en wir jetzt nicht hier!«

Kannst du diesen plappernden Schwachkopf nicht irgendwie zum Verstummen bringen?erkundigte sich Astaroth.Oder darf ich das erledigen?»Ach, la#223; mich doch in Ruhe«, sagte Mike, wohlweislich offen lassend, wen er mit diesen Worten meinte. Er legte sich in eine der Kojen und verschr#228;nkte die H#228;nde hinter dem Kopf, w#228;hrend es sich der Kater auf seiner Brust bequem machte. Ihre Lage war - vorsichtig ausgedr#252;ckt -ziemlich aussichtslos. Anders als bei ihrer ersten Gefangenschaft konnten sie diesmal nicht damit rechnen, pl#246;tzlich Hilfe von unerwarteter Seite zu bekommen. Und auch der Umstand, da#223; Winterfeld zugegeben hatte, auf eigene Faust zu handeln, und sie es somit nicht mit der gesamten deutschen Kriegsmarine, sondern nur mit ihm allein zu tun hatten, stellte keinen wirklichen Trost dar. Denn wenn es tats#228;chlich so war, dann hatte der Kapit#228;n um so mehr Grund, auf der Hut zu sein und die N#228;he aller anderen Schiffe zu meiden. Es verging sicher eine Stunde, in der Mike reglos auf dem Bett lag, die Metalldecke #252;ber sich anstarrte und seinen immer d#252;sterer werdenden Gedanken nachhing, bis schlie#223;lich die T#252;r wieder ge#246;ffnet wurde und Trautman hereinkam. Er wurde von zwei deutschen Soldaten begleitet, und hinter ihm betrat ein sehr alter, wei#223;haariger Mann den Raum. Mike setzte sich auf und sah dem Fremden neugierig ins Gesicht, w#228;hrend Astaroth mit einem Satz aus der Koje sprang und dem Neuank#246;mmling mit gr#252;#223;end aufgestelltem Schwanz entgegenlief. Der Fremde beugte sich l#228;chelnd hinunter und streichelte ihm #252;ber den Kopf und den R#252;cken, und Astaroth lie#223; sich diese Behandlung laut schnurrend einige Augenblicke lang gefallen, dann senkte er den Kopf -und schn#252;ffelte pr#252;fend an den Schuhen des Mannes. Mike hielt den Atem an, aber Astaroth belie#223; es bei dieser Begutachtung, drehte sich dann herum und kam wieder zur#252;ck. Mit einem Satz war er wieder auf dem Bett neben Mike und rollte sich zusammen. »Du bist also Mike«, begann der Fremde. Er hatte eine sehrangenehme, kr#228;ftige Stimme, die so gar nicht zu seinem greisenhaften #196;u#223;eren passen wollte; ebensowenig wie der Ausdruck in seinen von unz#228;hligen winzigen F#228;ltchen umgebenen Augen, die nicht die eines alten Mannes zu sein schienen. Mike las eine Kraft und Entschlossenheit darin, auf die so mancher viel j#252;ngere Mann stolz gewesen w#228;re. Langsam stand er auf und nickte. »Und Sie sind...«

»Das ist Professor Arronax«, erkl#228;rte Trautman. »Ich habe dir von ihm erz#228;hlt.« Mike war nicht sehr #252;berrascht. Arronax sah genau so aus, wie er ihn sich vorgestellt hatte. Und der kurze Blick, den er mit Trautman tauschte, machte Mike ohne jedes Wort klar, da#223; die beiden M#228;nner bereits #252;ber ihn gesprochen hatten. »Ich glaube, ich h#228;tte dich auch so erkannt«, sagte er. »Du siehst deinem Vater sehr #228;hnlich, wei#223;t du das?« Mike sch#252;ttelte den Kopf. »Ich habe ihn nie gesehen.« Ein fl#252;chtiger Ausdruck von Bedauern erschien in Arronax' Augen, als er nickte. »Ja, Trautman hat mir davon erz#228;hlt. Dein Vater hat dich schon fr#252;h wegbringen lassen, damit du in Sicherheit bist.« »Wie Sie sehen, hat es nicht viel genutzt«, murmelte Mike, und Ben f#252;gte boshaft hinzu: »Jedenfalls hat er nicht viel vom Schneid seines Vaters abbekommen.« Mike verbi#223; sich die zornige Antwort, die ihm auf den Lippen lag, und auch Arronax sagte nichts, doch der Blick, den er dem jungen Engl#228;nder zuwarf, zeigte Mike, da#223; Trautman auch #252;ber Ben mit ihm geredet hatte. Trautman und Arronax setzten sich an den Tisch, und nach kurzem Z#246;gern folgten ihnen Singh und Ben und schlie#223;lich auch Mike. Astaroth blieb auf dem Bett liegen und tat so, als schliefe er, aber Mike entging keineswegs, da#223; er den wei#223;haarigen Fremden unter dem fast geschlossenen Augenlid heraus aufmerksam beobachtete. »Trautman hat mir erz#228;hlt, was ihr auf dem Meeresgrund gefunden habt«, begann Arronax. »Du mu#223;t mir von allem berichten, was du gesehen hast. Es kann sehr wichtig sein.« Mike deutete verwundert auf Trautman. »Aber hat er Ihnen denn nicht -« »Vier Augen sehen mehr als zwei«, unterbrach ihn

Arronax mit einem gutm#252;tigen L#228;cheln, und Ben konnte sich nicht verkneifen, hinzuzuf#252;gen: »Sechs.« »Ach ja, du warst ja auch in der Kuppel«, sagte Arronax. »Du hast die Prinzessin ebenfalls gesehen.«

»Prinzessin?« Mike setzte sich stocksteif auf. »Woher wissen Sie, da#223; sie eine Prinzessin ist?« »Weil du es gesagt hast«, antwortete Trautman an Arronax' Stelle. Mike blickte sekundenlang die beiden alten M#228;nner verunsichert an, doch dann begann er gehorsam zu erz#228;hlen, was er in der Unterseekuppel gesehen und erlebt hatte. Dann und wann f#252;gte Ben ein Detail hinzu, und Arronax unterbrach sie immer wieder mit gezielten Fragen, wobei er sich f#252;r jede noch so winzige Kleinigkeit zu interessieren schien. »Unglaublich«, sagte er schlie#223;lich, mehr an Trautman als an die beiden Jungen gewandt. »Diese Kuppel ist das, wonach ich mein Leben lang gesucht habe. Wenn es stimmt, was ihr berichtet, dann ... dann habt ihr etwas entdeckt, wogegen sich die gro#223;e Pyramide von Gizeh wie eine Sandburg ausmacht.« »Es stimmt«, erkl#228;rte Ben in beleidigtem Tonfall. »Warum sollten wir Ihnen etwas vormachen? Fragen Sie Trautman, wenn Sie uns nicht glauben.« Arronax hob bes#228;nftigend die Hand. »Ich glaube euch ja«, sagte er. »Es ist nur so...« Er suchte einen Moment nach den richtigen Worten und fuhr mit ver#228;nderter, wehm#252;tiger Stimme fort: »Ich habe zwanzig Jahre lang davon getr#228;umt, das zu sehen, was ihr entdeckt habt. Und jetzt, wo es endlich gefunden worden ist, ist es zu sp#228;t. Statt der Wissenschaft und der ganzen Menschheit werden die Geheimnisse der Kuppel jetzt nur einem einzigen Mann dienen.« Mike sah verwundert zu Trautman hin. »Haben Sie es ihm denn nicht gesagt?«

Trautman wich seinem Blick aus, und auf Arronax' Gesicht machte sich ein deutlicher Schrecken breit. »Was gesagt?« fragte er. »Ich bin noch nicht dazu gekommen«, murmelte Trautman -und Mike sp#252;rte, da#223; das nicht stimmte. »Wozu sind Sie noch nicht gekommen?« fragte Arronax scharf. »Sie existiert nicht mehr«, sagte Ben etwas sp#246;ttisch. »Das Ding ist in die Luft geflogen, nachdem die Deutschen die Kleine herausgeholt haben.« Er machte eine Bewegung mit beiden H#228;nden, um die Explosion zu verdeutlichen. Arronax wurde bla#223;. »Das ... das ist nicht wahr!« keuchte er. »Doch«, sagte Mike, so ruhig, wie er konnte. »Winterfelds Soldaten haben den Sarg mit dem M#228;dchen herausgeholt. Und kurz danach ist die Unterseekuppel explodiert. Die Explosion h#228;tte um ein Haar auch die NAUTILUS vernichtet.« »0 nein«, st#246;hnte Arronax. Auf seinem Gesicht breitete sich ein Ausdruck so abgrundtiefer Entt#228;uschung aus, da#223; Mike sich beherrschen mu#223;te, um ihm nicht tr#246;stend die Hand auf die Schulter zu legen. Von alldem schien Ben nicht viel mitzubekommen, denn er f#252;gte mit einer Geste auf Mike hinzu: »Unser kleiner Prinz hier meint, es w#228;re eine Automatik gewesen, die die Kuppel gesprengt hat, nachdem man die Prinzessin« - er betonte das Wort so, da#223; Mike ihm am liebsten daf#252;r mit der Faust auf die Nase geschlagen h#228;tte - »herausgeschafft hat.« Arronax sah Mike an. »Ein kluger Gedanke«, sagte er. »Das k#246;nnte sogar stimmen. Wenn es die Prinzessin war.« »Sie wissen nicht nur von mir, wer sie ist, nicht wahr?« fragte Mike.

Arronax z#246;gerte. Er wich seinem Blick aus. Seine H#228;nde strichen in einer unbewu#223;ten Geste #252;ber die Tischkante. »Ich bin nicht sicher«, sagte er. »Aber wie kann man #252;berhaupt sicher sein, bei etwas, was so lange zur#252;ckliegt?« Wieder schwieg er einige Augenblick, dann gab er sich einen sichtbaren Ruck. »Habt ihr in der Kuppel sonst noch etwas gefunden?« fragte er. »War noch irgend etwas anderes Au#223;ergew#246;hnliches dort? Irgendein anderes ... Gesch#246;pf?« Mike schwieg. Ben sagte: »Nur Dornr#246;schen. Und dieses schwarze Mistvieh da.« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf Astaroth, der tr#228;ge das Auge #246;ffnete und wie zur Antwort so ausgiebig g#228;hnte, da#223; man fast seine Schwanzspitze sehen konnte. »Dieser Kater stammt aus derKuppel?«vergewisserte sich Arronax. Mike und Trautman nickten gleichzeitig. Arronax sa#223; da und starrte den Kater an, und Astaroth erwiderte seinen Blick mit der k#252;hlen Herablassung, zu der nur Katzen f#228;hig sind. Dann stand Arronax auf, ging langsam zum Bett hin#252;ber und besah sich den Kater sehr aufmerksam aus unmittelbarer N#228;he. Zwei- oder dreimal streckte er auch die Hand aus, wagte es aber diesmal nicht, Astaroth wirklich zu ber#252;hren. Ein sehr nachdenklicher Ausdruck lag auf Arronax' Gesicht, als er zu den anderen zur#252;ckkehrte. »Eine Katze?« fl#252;sterte er. »Eine ganz normale Katze?« Mike h#228;tte ihm sagen k#246;nnen, da#223; Astaroth alles war, nur keine ganz normale Katze, aber er schwieg. »Was ist daran so seltsam?« fragte Trautman. »Ich meine - auch wir haben uns gewundert, wie das Tier dort hinuntergekommen ist und wovon es gelebt haben mag. Aber es ist trotzdem ein ganz normaler Kater - auch wenn er die eine oder andere Unart hat.« Astaroth g#228;hnte, stand auf, reckte sich ausgiebig und

kam dann mit gemessenen Schritten auf Mike zu. Mit einem eleganten Satz sprang er auf seinen Scho#223; hinauf und rollte sich dort wieder zusammen, um weiterzuschlafen. Arronax lie#223; ihn w#228;hrend der ganzen Zeit nicht aus den Augen. »Es ist kaum zu glauben, und doch ...« begann er, sprach aber nicht zu Ende, sondern sch#252;ttelte nur mehrmals heftig den Kopf. »Was ist schwer zu glauben?« wollte Mike wissen. Arronax sah in an. »Es ist nur eine Legende«, sagte er. »Und doch habe ich mein Leben lang nach dieser Legende gesucht. Trautman hat dir sicher erz#228;hlt, da#223; ich w#228;hrend der letzten zwanzig Jahre Forschungen #252;ber das versunkene Atlantis angestellt habe.« Mike nickte, und Arronax fuhr in versonnenem Tonfall fort, zu erz#228;hlen. »Ich glaube, ich kann ohne falsche Scheu behaupten, da#223; es nicht viele auf der Welt gibt, die mehr #252;ber Atlantis wissen als ich. Und doch ist es mir nie gelungen, einen wirklichen Beweis f#252;r die Existenz des untergegangenen Reiches zu finden. Die Taucherglocke, die ich in den letzten Jahren bauen lie#223;, sollte es mir erm#246;glichen, diesen Beweis zu erbringen, aber leider ist es anders gekommen. Mir war aber immer klar, da#223; Atlantis mehr als eine Legende sein mu#223;te. Es gibt zu viele Geschichtendar#252;ber, zu viele #220;berlieferungen, zu viele Hinweise und Unstimmigkeiten, die nicht anders zu erkl#228;ren gewesen w#228;ren. Seht ihr, fast alle alten V#246;lker wissen von G#246;ttern zu erz#228;hlen, die #252;ber unvorstellbare Macht verf#252;gt haben sollen.« »Und?« fragte Ben. »Aberglaube, mehr nicht.« »Das denken die meisten«, antwortete Arronax. »Doch wenn man genau hinsieht, dann stimmt das nicht mehr. Ich habe Legenden von allen V#246;lkern rund um

den Globus zusammengetragen, und was ich entdeckt

habe, kann kein Zufall gewesen sein. Diese G#246;tter wurden #252;berall gleich beschrieben, ob bei den alten

#196;gyptern, den Chinesen, den Maya oder den Germanen: Stets waren sie gro#223;, hellh#228;utig und hatten blondes Haar. Und stets wurde ihre Herkunft gleich angegeben: die Insel der G#246;tter im Atlantik. Es hei#223;t,da#223; eine gewaltige Flut ihr Inselreich verschlungen haben soll und ihre #220;berlebenden sich mit den Menschen vermischten. Sie waren es, die die ersten gro#223;en Kulturen gr#252;ndeten und #252;ber sie herrschten. So jedenfalls ist es #252;berliefert worden -nicht nur in einigen alten Schriften, sondern in sehr vielen.« »Na und?« fragte Ben. »Was bedeutet das schon?« »Das M#228;dchen, wie sah es aus?«, sagte Arronax. »Schlank, mit heller Haut und blondem Haar«, sagte Trautman. »Aber das beweist doch gar nichts«, sagte Ben. »Ein altes Volk, das #252;ber die ganze Welt geherrscht haben soll! Pah!« Arronax l#228;chelte gutm#252;tig. »Als man die Gr#228;ber der f#252;nf ersten #228;gyptischen Pharaonen #246;ffnete, stellte man fest, da#223; siekeine #196;gypter waren, sondern Angeh#246;rige eines hochgewachsenen, hellh#228;utigen Volkes.« »Ja, wahrscheinlich waren es Dornr#246;schens Br#252;der, wie?« maulte Ben. Er klang unsicher. »Eher ihre Urgro#223;neffen«, verbesserte Arronax. »Nach meinen Forschungen mu#223; Atlantis vor mehr als f#252;nftausend Jahren untergegangen sein. Die Legende sagt, da#223; seine Herrscher ein Volk von Magiern waren, die #252;ber das Wasser geboten. Sie vermochten Sturmfluten heraufzubeschw#246;ren oder zu bes#228;nftigen, sie konnten es regnen oder jahrzehntelange D#252;rren #252;ber die L#228;nder ihrer Feinde kommen lassen, und es hei#223;t, da#223; sie sich im Wasser zu bewegen vermochten, als w#228;re dies ihr nat#252;rliches Element.«

»Das M#228;dchen hatte keinen Fischschwanz«, sagte Ben. Arronax ignorierte ihn. »Es gibt viele Legenden, die vom Untergang von Atlantis berichten«, fuhr er fort. »Die Menschen haben die verschiedensten Gr#252;nde f#252;r die Katastrophe erfunden, die Atlantis verschlang von dem, da#223; seine Bewohner in ihrer Machtgier die G#246;tter selbst herausforderten, bis zu dem, da#223; ein Meteor vom Himmel fiel und Atlantis ausl#246;schte. Mir pers#246;nlich erscheint eine Erkl#228;rung am wahrscheinlichsten, die ich in einer uralten ph#246;nizischen Schrift gefunden habe; zumindest nach dem, was ich nun von euch und Trautman erfahren habe. Nach dieser Schrift sollen die Zauberk#246;nige von Atlantis jahrtausendelang #252;ber ihr Inselreich geherrscht und es zu unvorstellbarer Bl#252;te gebracht haben. Sie waren ein Volk von Zauberern, aber sie waren auch sehr umsichtig und weise und lebten mit der Natur in Einklang, nicht wie wir in Konkurrenz. Eines Tages aber begann sich eine schreckliche Krankheit unter den Zauberk#246;nigen auszubreiten. Einige starben sofort, andere wurden wahnsinnig, allen jedoch entglitt die Kontrolle #252;ber die furchtbare Macht,#252;ber die ihr Geist gebot. Sturmfluten, Taifune, Seebeben und #220;berschwemmungen suchten Atlantis heim, und alle Versuche der alten Zauberer, der Krankheit Herr zu werden, mi#223;langen. Schlie#223;lich begriffen sie, da#223; ihr Reich dem Untergang geweiht war, und so taten sich die letzten und m#228;chtigsten Magier vonAtlantis zusammen, um wenigstens einem von ihnen das #220;berleben zu sichern. Es hei#223;t in dieser Legende, da#223; sie ein Haus auf dem Meeresgrund bauten, in dem die letzte Prinzessin von Atlantis einen magischen Schlaf schl#228;ft, der so lange w#228;hren soll, bis es einem sp#228;teren, nach ihnen kommenden Volk gelungen sein wird, die Krankheit zu besiegen. Und es hei#223;t weiter«,

schlo#223; Arronax mit einem Blick auf den Kater, »da#223; sie einen W#228;chter bei ihr zur#252;cklie#223;en, der unsterblich war und die Jahrtausende hindurch #252;ber sie wachte.« F#252;r einige Augenblicke breitete sich eine fast atemlose Stille in der Kabine aus, Aller Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf Astaroth, der beharrlich weiter so tat, als schliefe er. Schlie#223;lich war es Ben, der das Schweigen brach. »Ja«, sagte er h#246;hnisch. »Er wartet, bis ihre Feinde die Schuhe ausziehen, dann schl#228;gt er blitzartig zu.« Arronax' Blick dr#252;ckte vollkommenes Unverst#228;ndnis aus, w#228;hrend es in Trautmans Augen #228;rgerlich aufblitzte. Ben grinste, lehnte sich in seinem Stuhl zur#252;ck -und k#228;mpfte mit wild rudernden Armen um sein Gleichgewicht, als eines der Stuhlbeine abbrach und er haltlos nach hinten kippte. Mit einem gewaltigen Poltern landete er auf dem Boden, sprang sofort wieder hoch und begann w#252;tend zu fluchen. »Deutsche Arbeit, wie?« schimpfte er. W#252;tend versetzte er dem zerbrochenen Stuhl einen Tritt, der ihn quer durch den Raum schleuderte und vollends in St#252;cke gehen lie#223;. »Hoffentlich f#228;llt nicht der ganze Kahn auseinander, wenn ihn ein Windhauch trifft.« Mike und Arronax tauschten einen Blick, aber keiner von ihnen sagte etwas. Mike lauschte in sich hinein, doch auch Astaroths Gedankenstimme blieb stumm. Und trotzdem sp#252;rte er, da#223; Arronax' Erz#228;hlung der Wahrheit sehr, sehr nahe gekommen war. »Das ist unglaublich«, sagte Trautman nach einer Weile. »Aber so phantastisch es sein mag - es hilft uns im Moment nicht weiter. Wenn es uns nicht gelingt, zu entkommen und die NAUTILUS mitzunehmen oder schlimmstenfalls zu versenken, dann wird

Winterfeld zu einer Gefahr, die sich jetzt noch gar nicht absch#228;tzen l#228;#223;t.« »Die Kuppel ist zerst#246;rt«, gab Singh zu bedenken. Arronax wiegte betr#252;bt den Kopf. »Ich f#252;rchte, das allein reicht nicht«, sagte er. »Die Tatsache ihrer Existenz beweist endg#252;ltig, da#223; Atlantis keine Legende war -wenn es nicht die NAUTILUS schon getan hat. Und nun, wo er im Besitz des Schiffes ist, wird er nach anderen Hinterlassenschaften der Atlanter suchen. Und finden, f#252;rchte ich.« »So einfach d#252;rfte das nicht sein«, sagte Trautman. »Immerhin haben Sie Ihr Leben lang geforscht, um -« »Das ist ja gerade das Schlimme«, sagte Arronax leise. Trautman wirkte alarmiert. »Was meinen Sie damit?« Arronax z#246;gerte, dann sagte er, ohne einem von ihnen dabei ins Gesicht zu sehen. »Als wir die Expedition ausr#252;steten, habe ich all meine Aufzeichnungen mitgenommen. Kapit#228;n Winterfeld ist im Besitz meiner s#228;mtlichen Unterlagen.« Seine Worte erf#252;llten Mike mit eiskaltem Schrecken. Wenn Winterfeld Arronax' Aufzeichnungenunddie NAUTILUS besa#223; ... das war unvorstellbar. Das Schiff war besch#228;digt, aber mit den Mitteln der LEOPOLD w#252;rde Winterfeld es zweifellos in k#252;rzester Zeit reparieren k#246;nnen. Und wie sie gerade selbst bewiesen hatten, vermochte das Tauchboot Tausende von Metern tief in die See vorzudringen. Doch bevor er seine Bef#252;rchtungen in Worte fassen konnte, geschah etwas, was sie Winterfeld und seine Eroberungspl#228;ne zumindest f#252;r den Moment vergessen lie#223;. Astaroth fuhr mit einem hysterisch klingenden Fauchen hoch und stie#223; sich von Mikes Scho#223; ab, wobei

er so r#252;cksichtslos von allen Krallen Gebrauch machte, da#223; Mike vor Schmerz aufschrie. Der Kater raste auf die T#252;r zu, prallte in vollem Lauf dagegen und wurde zur#252;ckgeworfen, wobei er sich zwei-, dreimal #252;berschlug. Sofort war er wieder auf den Beinen und rannte ein zweites Mal gegen die T#252;r. Wie besessen versuchte er sie mit den Pfoten aufzukrallen. »Die Prinzessin!« rief Mike. Diesmal war es nicht die Stimme des Katers, die er vernahm. Vielmehr sp#252;rte er dessen Angst, die an Panik grenzende Furcht, die f#252;r einen Moment vom Geist des Tieres Besitz ergriffen hatte, und f#252;r einen ebenso kurzen Moment drohten diese Gef#252;hle auch ihn zu #252;berw#228;ltigen. Er begann am ganzen Leib zu zittern. »Die Prinzessin!« rief er. »Etwas ist mit Serena geschehen!« »Wovon sprichst du?« fragte Trautman. »Serena!« rief Mike noch einmal. »Die Prinzessin! Sie ist aufgewacht!«

Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis sich der Kater soweit wieder beruhigt hatte, da#223; Mike es wagte, sich ihm zu n#228;hern und ihn anzufassen. Astaroth hatte so lange versucht, die Metallt#252;r aufzubekommen, bis seine Pfoten blutig geworden waren und seine Kr#228;fte versagten. Die schon fast verheilte Wunde an seinem Hinterlauf war wieder aufgebrochen, und sein Atem ging schwer. Und viel mehr noch, als er es sah,sp#252;rteMike die Ersch#246;pfung der Tieres. Astaroth lag wie leblos auf seinem Scho#223;. Danach war Mike nicht mehr umhingekommen, Trautman und den anderen zu erz#228;hlen, was er wirklich #252;ber den Meerkater wu#223;te. Bens Kommentar war ganz so ausgefallen, wie Astaroth selbst prophezeit hatte. Singh sagte wie #252;blich gar nichts, aber Trautman sah ihn vorwurfsvoll an, nachdem er mit seinem Bericht zu Ende gekommen war, und sagte schlie#223;lich leise. »Du h#228;ttest es mir sagen m#252;ssen.«

»H#228;tten Sie mir geglaubt?« gab Mike ebenso leise zur#252;ck. »Ich wei#223; es nicht«, gestand Trautman. »Vermutlich nicht - wenigstens am Anfang. Sp#228;ter, nach der Sache mit dem Ventil ...« »Und was h#228;tte es ge#228;ndert?« fragte Mike. »Das ist also der ber#252;hmte, unsterbliche W#228;chter der Prinzessin«, sagte Ben. Er blickte h#228;misch auf den Kater herab. »Ein famoser W#228;chter, der nicht einmal die T#252;r aufbekommt.« Mike schaute ihn scharf an, dann wandte er den Kopf und sah einen Moment auf den Stuhl herab, der genau in dem Augenblick zerbrochen war, als Ben sich am lautesten #252;ber den Kater lustig gemacht hatte. Ben folgte seinem Blick, und Mike konnte aus den Augenwinkeln sehen, wie er leicht zusammenfuhr. »Du kannst wirklich mit diesem Tier reden?« erkundigte sich Arronax. Mike sch#252;ttelte den Kopf. »Reden ist nicht das richtige Wort«, sagte er. »Ich ... Irgendwie sp#252;re ich in mir, was er sagt.« »Sicher«, f#252;gte Ben sp#246;ttisch hinzu. »Und du als einziger, nicht wahr?« Mike blieb ernst. »Es mu#223; irgend etwas damit zu tun haben, da#223; er mich gebissen hat«, sagte er. »Mich hat er gekratzt«, sagte Ben giftig. »Und ich h#246;re rein gar nichts. Das hei#223;t ...« Er runzelte die Stirn, #252;berlegte eine Sekunde und fuhr in nachdenklichem Tonfall fort. »Letzte Nacht habe ich mir eingebildet, meine Nachttischlampe h#228;tte zu mir gesprochen. Vielleicht war es gar keine Einbildung.« »Bestimmt nicht«, pflichtete ihm Mike bei. »Du solltest abends jetzt genauer hinh#246;ren. Und dir vor allem angew#246;hnen, in deinen Schuhen zu schlafen.« »Schlu#223; jetzt, ihr beiden«, sagte Trautman streng. Er

deutete auf den Kater. »Wenn du dich wirklich mit diesem Tier verst#228;ndigen kannst, m#252;ssen wir das ausnutzen. Vielleicht verschafft es uns einen entscheidenden Vorteil.« »Das Tier ist Serenas W#228;chter, vergessen Sie das nicht«, wandte Arronax ein. »Es wird nichts tun, was die Prinzessin irgendwie in Gefahr bringt.« Vor der T#252;r wurden Schritte laut. Sie h#246;rten das scharrende Ger#228;usch des Riegels, und einen Augenblick sp#228;ter wurde die T#252;r ge#246;ffnet, und zwei bewaffnete Soldaten traten ein. Hinter diesen erkannte Mike die Silhouetten zweier weiterer, die mit schu#223;bereiten Waffen auf dem Korridor standen. Winterfeld mochte sie wie G#228;ste behandeln, aber er beging nicht den Fehler, sie zu untersch#228;tzen. Mike sp#252;rte, wie Astaroth sich auf seinem Scho#223; zu bewegen begann, und hielt den Kater instinktiv fester. »Bitte bleib ruhig«, fl#252;sterte er. »Wir wollen Serena genauso befreien wie du, aber wir m#252;ssen abwarten. Wir haben nur diese eine Chance.« Astaroth antwortete auch jetzt nicht, aber Mike glaubte zu sp#252;ren, da#223; das Tier seine Worte verstanden hatte. »Du da!« Einer der beiden Soldaten deutete auf Mike. »Mitkommen. Kapit#228;n Winterfeld will dich sehen.« Mike stand auf und wollte den Kater auf den Stuhl legen, doch Astaroth fauchte so drohend, da#223; er sein Vorhaben nicht ausf#252;hrte. Den Kater wie ein schlafendes Baby im Arm, trat er zwischen die beiden Soldaten und dann auf den Gang hinaus. Der Mann, der ihn zum Mitkommen aufgefordert hatte, musterte das Tier finster, sch#252;ttelte dann den Kopf und grinste abf#228;llig. Mike schickte ein Sto#223;gebet zum Himmel, da#223; Astaroth nichts Un#252;berlegtes tat. Winterfeld hatte sicher Befehl gegeben, ihn und die anderen mit Respekt zu behandeln.

Kurz darauf erreichten sie Kapit#228;n Winterfelds Kabine. Die beiden Soldaten traten nicht mit ein, sondern

blieben drau#223;en vor der T#252;r stehen. Winterfeld sa#223; an seinem mit Papieren und Karten #252;bers#228;ten Schreibtisch und sah Mike freundlich entgegen, als dieser eintrat. »Setz dich«, forderte er ihn auf, erst dann schien er den Kater zu bemerken, den Mike auf den Armen trug. »Ich hoffe, dein Scho#223;tierchen ist inzwischen stubenrein geworden«, sagte er und f#252;gte ein wenig besorgt hinzu: »Was ist mit ihm? Er sieht krank aus.« »Er ist ein ziemlicher Faulpelz, er l#228;#223;t sich die ganze Zeit herumschleppen«, antwortete Mike, und seine Stimme zitterte etwas. »So sind Katzen nun einmal«, sagte Winterfeld. »Ich selbst habe drei St#252;ck zu Hause - zwei Perser und eine normale Hauskatze. Aber keine ist auch nur ann#228;hernd so gro#223; wie dein Tier. Ein richtiges Prachtst#252;ck.« Mike lauschte in sich hinein. Aber Astaroths lautlose Stimme blieb stumm. Von der vorlauten Art des Katers war im Moment nichts geblieben. Und Mike glaubte dar#252;ber hinaus auch zu sp#252;ren, da#223; eine Ver#228;nderung mit dem Tier vor sich gegangen war. »Nun«, sagte Winterfeld, nachdem Mike sich gesetzt hatte, »ich hoffe, du hattest inzwischen Gelegenheit, #252;ber unser Gespr#228;ch von vorhin nachzudenken.« »Ich w#252;#223;te nicht, was wir miteinander zu bereden h#228;tten«, antwortete Mike. Der Kater bewegte sich auf seinen Armen. Irgend etwas geschah mit ihm. Es war keine sichtbare Ver#228;nderung, aber Mike f#252;hlte sie sehr deutlich. Winterfeld seufzte. Seine Finger strichen unbewu#223;t #252;ber einen Sto#223; Karten. »Du entt#228;uscht mich, Michael«, sagte er. »Ich h#228;tte dich f#252;r kl#252;ger gehalten. Ich

erwarte nicht, da#223; du mich wie einen Freund behandelst, aber du bist eigentlich alt genug, um zu wissen, wann du aufh#246;ren solltest. Ihr habt verloren, sieh das ein. Wir haben gek#228;mpft, und ihr habt euch tapfer gewehrt, aber nun ist es vorbei. Im Grunde habe ich alles, was ich wollte. Meine Leute sind bereits dabei, die NAUTILUS zu untersuchen. Es wird nicht lange dauern, bis sie gelernt haben, das Schiff zu steuern. Ich k#246;nnte dich und die anderen irgendwo an Land setzen und meiner Wege gehen, wenn ich das wollte.« »Ja, oder uns gleich umbringen, wie?« Mike erschrak #252;ber seine eigenen Worte. Er wu#223;te selbst nicht, warum er das gesagt hatte -Winterfeld war sicher ihr Feind, aber kein M#246;rder. Aber er sp#252;rte einen Zorn und eine Entschlossenheit in sich, die ihn schaudern lie#223;en. Irgendwie sp#252;rte er auch, da#223; es gar nichtseineGef#252;hle waren, die er empfand, aber sie waren einfach zu stark, um sich dagegen zu wehren. »Du wei#223;t, da#223; ich das nicht t#228;te«, erwiderte Winterfeld. Er klang ehrlich verletzt. »Aber ich k#246;nnte euch auf einer Insel absetzen, wo es Jahre dauern kann, bis euch jemand findet. Doch das m#246;chte ich nicht. Im Gegenteil, ich hoffe sogar, da#223; wir unsere Meinungsverschiedenheiten beilegen und zusammenarbeiten. Deine Hilfe k#246;nnte f#252;r mich sehr wichtig sein. Und f#252;r sehr viele andere Menschen auch.« »Hilfe? Wobei?« fragte Mike b#246;se. »Wollen wir gemeinsam noch ein paar friedliche Forschungsschiffe #252;berfallen?« »Das war eine bedauerliche, aber notwendige Ma#223;nahme«, sagte Winterfeld mit einer Stimme, in der nicht eine Spur von Bedauern zu h#246;ren war. »Ich habe nicht vor, als Pirat die Weltmeere unsicher zu machen - wie zum Beispiel dein Vater und Trautman getan haben. Doch was sollte ich tun? Ihr wart mir

entkommen, und somit war Professor Arronax meine letzte M#246;glichkeit, und - ich gestehe es - die Gelegenheit war zu verlockend. Vor allem«, f#252;gte er mit einem feinen L#228;cheln hinzu, »da ich auf diese Weise gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen konnte.« »Wie meinen Sie das?« Winterfeld lachte. »Habt ihr die Geschichte von dem Expeditionsteilnehmer wirklich geglaubt, der mir im letzten Moment entkommen ist?« Er sch#252;ttelte belustigt den Kopf. »Solche Fehler unterlaufen mir nicht, mein junger Freund. Das war einer meiner eigenen M#228;nner, der den Auftrag hatte, eine entsprechende Meldung an die Presse zu lancieren. Mir war klar, da#223; Trautman sofort hierherkommen w#252;rde, wenn er davon erf#252;hre.

Ich habe die ganze Zeit auf euch gewartet. Mit Erfolg, wie sich gezeigt hat.« »Und was haben Sie jetzt mit Arronax und seinen Leuten vor?« fragte Mike. Winterfeld machte eine beruhigende Handbewegung. »Es geht ihnen gut, keine Sorge. Arronax hast du ja bereits kennengelernt, und auch den anderen wird nichts geschehen. Sie befinden sich an Bord der LEO-POLD, und du hast mein Wort, da#223; ihnen kein Haar gekr#252;mmt wird.« »Und das M#228;dchen?« fragte Mike. Astaroth bewegte sich unruhig in seinen Armen. »Ein weiterer Grund, aus dem wir zusammenarbeiten sollten«, sagte Winterfeld. »Durch einen ungl#252;ckseli

gen Umstand wurde die Kuppel leider zerst#246;rt -wei#223;t du vielleicht etwas dar#252;ber?« Im ersten Moment irritierte Mike der lauernde Ton in Winterfelds Stimme, doch dann begriff er. »Nein«, antwortete er. »Jedenfalls haben wir nichts damit zu tun, wenn Sie das meinen.« Winterfeld wirkte nicht ganz #252;berzeugt. Wahrscheinlich, dachte Mike, glaubte er, da#223; sie die Kuppel gesprengt hatten, damit sie seinen Leuten nicht in die H#228;nde fiel. »Was ist mit dem M#228;dchen?« fragte er. »Sie befindet sich an Bord«, antwortete Winterfeld. »Keine Sorge - sie ist unverletzt. Was wei#223;t du #252;ber sie?« »Kann ich sie sehen?« wollte Mike wissen, ohne Winterfelds Frage zu beantworten. Winterfeld z#246;gerte, nickte aber schlie#223;lich. »Warum nicht? Allerdings f#252;rchte ich, wird es dir nicht viel nutzen.« Er hob beruhigend die Hand, als er sah, da#223; Mike erschrocken zusammenfuhr -obwohl der wirkliche Grund dieses Zusammenzuckens der war, da#223; Astaroth bei diesen Worten seine Krallen so tief durch Mikes Hemd in seine Haut grub, da#223; er vor Schmerz beinahe aufgest#246;hnt h#228;tte. Der Kater spielte weiter den Schlafenden, doch Mike sp#252;rte, da#223; er sich l#228;ngst in ein Energieb#252;ndel verwandelt hatte, das nur darauf wartete, das Theaterspiel endlich aufzugeben. »Ihr ist nichts geschehen«, fuhr Winterfeld fort. »Ganz im Gegenteil, es ist uns gelungen, sie aufzuwecken. Aber sie ist ... sagen wir, noch ein wenig benommen.« Mike fuhr sich nerv#246;s mit der Zungenspitze #252;ber die Lippen. Astaroth zitterte auf seinen Armen. Er sp#252;rte, da#223; jeder Muskel im Leib des Katers schier zum Zerrei#223;en angespannt war. »Ich m#246;chte mich nur davon #252;berzeugen, da#223; es ihr gutgeht«, sagte Mike. »Also gut«, sagte Winterfeld und stand auf. »Wenn das n#246;tig ist, um dir zu beweisen, da#223; ich es ernst meine mit meinem Vorschlag, soll es mir recht sein. Komm mit.« Er kam um den Schreibtisch herum, machte eine auffordernde Handbewegung zu Mike, ihm zu folgen, und #246;ffnete die T#252;r. Die beiden Posten, die Mike hierher begleitet hatten, standen noch immer drau#223;en auf

dem Gang. Respektvoll traten sie einen Schritt zur Seite, als Winterfeld an ihnen vor#252;berging, folgten ihm und Mike aber mit zwei Schritten Abstand. Winterfeld f#252;hrte ihn durch ein wahres Labyrinth von G#228;ngen und Korridoren. Dann und wann begegneten ihnen andere Besatzungsmitglieder, die respektvoll beiseitetraten, um ihrem Kommandanten Platz zu machen, aber im allgemeinen schien das Schiff wie ausgestorben zu sein. Doch Mike wurde rasch klar, da#223; das nicht etwa daran lag, da#223; Winterfeld so wenige M#228;nner an Bord hatte, sondern vielmehr an der enormen Gr#246;#223;e der LEOPOLD. Fr#252;her, als er sich noch mit Winterfelds Sohn ein Zimmer im Internat geteilt hatte, hatten sie oft #252;ber die LEOPOLD gesprochen, und Paul hatte ihm erz#228;hlt, da#223; sie eines der gr#246;#223;ten Schiffe der deutschen Kriegsmarine war. Mike hatte dies geglaubt, sich aber niemals wirklich Gedanken dar#252;ber gemacht, was das eigentlich bedeutete - doch jetzt kam er aus dem Staunen nicht mehr heraus. Selbst die NAUTILUS mit ihren fast hundert Metern mu#223;te neben dem Schlachtschiff wie ein kleines Boot wirken. Der Gedanke erinnerte ihn an eine Frage, die ihm die ganze Zeit bereits auf der Seele lag. »Wo ist Paul?« fragte er. »Ist er auch an Bord?« Winterfeld lachte. »O nein«, sagte er kopfsch#252;ttelnd. »Wof#252;r h#228;ltst du mich? Ich w#252;rde meinen Sohn niemals einer derartigen Gefahr aussetzen. Er befindet sich an einem sicheren Ort.« »Und wo ist dieser sichere Ort?« fragte Mike. Wieder lachte Winterfeld und sch#252;ttelte den Kopf. »Du gibst nicht auf, wie? Aber ich denke, wir sollten es mit den Vertrauensbeweisen am Anfang vielleicht noch nicht

#252;bertreiben. Sp#228;ter wirst du deinen Freund sicher wiedersehen.«

Sie hatten ihr Ziel erreicht. Vor einer eisernen T#252;r standen zwei W#228;chter, zwar bewaffnet wie fast alle an Bord, trotzdem aber deutlich gelangweilt. Als sie Winterfeld sahen, versuchten sie hastig, eine stramme Haltung einzunehmen und ihre Uniformen zu gl#228;tten. Winterfeld beachtete sie allerdings gar nicht, sondern #246;ffnete die T#252;r und gebot Mike mit einer Handbewegung, ihm zu folgen. Die beiden Soldaten, die mit ihnen gekommen waren, traten hinter ihnen ein. Wie Mike auf den ersten Blick erkannte, handelte es sich um die Krankenstation der LEOPOLD. An der Wand neben der T#252;r stand eine ganze Reihe wei#223;er, sauber bezogener Betten, es gab eine Anzahl medizinischer Instrumente und mehrere Glasschr#228;nke voller Fl#228;schchen und Beh#228;lter, die wohl Medikamente enthielten. Ein stechender Karbolgeruch hing in der Luft, und ein #228;lterer Mann in einem wei#223;en Kittel, wahrscheinlich der Arzt, sah Winterfeld entgegen und gr#252;#223;te ihn knapp, ohne sich zu einem milit#228;rischen Gru#223; aufraffen zu k#246;nnen. Serena lag in dem Bett neben der T#252;r, und obwohl sie noch immer das einfache wei#223;e Gewand trug und fast in der gleichen Haltung in den Kissen lag, in der Mike sie in dem gl#228;sernen Sarg gefunden hatte, war etwas mit ihr vorgegangen. Ihre Augen waren nun ge#246;ffnet, doch sie waren blicklos und stumpf und schienen die Decke #252;ber ihrem Kopf gar nicht zu sehen, und ihre Haut war noch immer von wei#223;er, fast durchscheinender Farbe. Sie lag vollkommen bewegungslos da, das Haar wie einen goldfarbenen Schleier um die Schultern ausgebreitet, und sie atmete so flach, da#223; man es kaum bemerkte, und doch hatte sie sich ver#228;ndert. Als Mike sie in dem gl#228;sernen Sarg gesehen hatte, da war sie wenig mehr als eine Tote gewesen, eine

schlanke M#228;dchengestalt mit einem wundersch#246;nen Gesicht, aber nicht mehr. Ebensogut h#228;tte sie eine Statue sein k#246;nnen, die von der Hand eines begnadeten K#252;nstlers erschaffen worden war. Jetzt aber war in dieser StatueLeben.Man konnte es kaum sehen, daf#252;r jedoch um so deutlicher sp#252;ren, und es war, als h#228;tte dieser g#246;ttliche Funke eine Ver#228;nderung unter der Oberfl#228;che des Sichtbaren bewirkt, die sie zu etwas ganz anderem machte. Ganz pl#246;tzlich war ihre Sch#246;nheit nicht mehr die einer Puppe, sondern etwas Lebendiges, Warmes, zu dem sich Mike sofort hingezogen f#252;hlte. Aber da war noch mehr. Obwohl er das M#228;dchen jetzt erst zum dritten Mal im Leben sah, f#252;hlte er etwas Vertrautes in sich, als kenne er sie schon seit sehr langer Zeit. Vielleicht hatte es mit Astaroth zu tun. Vielleicht waren es die Gef#252;hle des Katers, die er sp#252;rte und im ersten Moment f#252;r seine eigenen hielt, doch selbst wenn, spielte das keine Rolle - Mike mu#223;te nur einen einzigen Blick auf dieses bleiche, schmale M#228;dchengesicht werfen, um zu wissen, da#223; er Serena n#246;tigenfalls mit dem eigenen Leben verteidigen w#252;rde, sollte ihr jemand etwas zuleide tun wollen. All diese Gedanken und Gef#252;hle #252;berfielen Mike, kaum da#223; er durch die T#252;r getreten war. Auch Astaroth reagierte auf den Anblick des M#228;dchens. Er erwachte j#228;h aus seiner Lethargie, sprang mit einem schrillen Laut von Mikes Armen herunter und war mit einem gewaltigen Satz auf dem Bett. Der Arzt machte instinktiv einen Schritt vor, um ihn davonzuscheuchen, aber Winterfeld hielt ihn mit einer raschen Bewegung zur#252;ck. Astaroth stie#223; ein lautes Miauen aus, war mit einem einzigen Sprung neben der Schulter des M#228;dchens und begann seinen Kopf schnurrend an ihrem Gesicht zu reiben. Seine Krallen

gruben sich mit schnellen, regelm#228;#223;igen Bewegungen immer wieder in das Kissen, und er wedelte heftig

mit dem Schwanz. Serena blinzelte. Ihre Lider senkten sich und blieben eine Sekunde geschlossen, und als sie sie wieder hob, war in ihren Augen etwas Neues, das bisher nicht dagewesen war. Das M#228;dchen wirkte noch immer bet#228;ubt wie eine Schlafwandlerin, doch der Funke von Leben in ihren Augen glomm jetzt heller. Sie bewegte den Kopf nicht, aber ihre Augen suchten den Kater, und obwohl ihr Gesicht v#246;llig reglos blieb und sie nicht eine Miene verzog, glaubte Mike mit einem Male so etwas wie ein L#228;cheln darauf zu erkennen. Schlie#223;lich hob sie, ganz langsam, zitternd und voller M#252;he, den Arm, streckte die Hand aus und legte die Finger zwischen die Ohren des Katers. Astaroth schnurrte immer lauter und kuschelte sich in ihrer Halsbeuge zusammen. »Unglaublich«, sagte der Arzt. »Wir haben alles versucht, aber sie hat auf nichts reagiert. Sie scheint dieses Tier zu kennen.« Winterfeld wandte sich zu Mike um. »Ich glaube, ich habe dich schon wieder untersch#228;tzt«, sagte er. »Ein Meerkater, wie? Und ihr habt das Tier auf dem Grund des Ozeans gefunden?« »Ich habe es Ihnen ja gesagt«, antwortete Mike knapp. »Ja«, seufzte Winterfeld. »Das hast du. Aber - gibt es vielleicht ein paar Dinge, die du mir nicht gesagt hast?« »Das m#252;ssen Sie schon selbst herausfinden«, erwiderte Mike patzig. Winterfeld wurde nicht zornig, wie er erwartet hatte. Es schien #252;berhaupt recht schwierig zu sein, diesen Mann aus der Ruhe zu bringen oder wirklich zu ver#228;rgern.

Da niemand etwas dagegen zu haben schien, trat Mike mit vorsichtigen Schritten an das Bett heran und beugte sich #252;ber die schlafende Prinzessin. Er sah dem M#228;dchen jetzt direkt in die Augen, aber noch immer war kein Erkennen darin zu sehen. Es waren nicht mehr die Augen einer Statue, aber ihr Blick schien geradewegs durch Mike hindurch und in unbekannte Fernen zu gehen, und f#252;r einen Moment glaubte er einen Ausdruck von solchem Schmerz und Leid zu erkennen, da#223; es ihn schauderte. »Wer ist dieses M#228;dchen?« fragte Winterfeld. Mike sch#252;ttelte den Kopf: »Ich wei#223; es nicht.« »Du entt#228;uscht mich, mein Junge«, sagte Winterfeld. »Du hast doch mit Arronax gesprochen. Hat er dir nicht erz#228;hlt, da#223; ich im Besitz seiner Aufzeichnungen bin?« »Wenn Sie es wissen, warum fragen Sie dann?« Diesmal sparte sich Winterfeld eine Antwort. Er trat auf der anderen Seite an das Bett heran und streckte die Hand aus, um das M#228;dchen zu ber#252;hren, doch er hielt inne, als Astaroth ein drohendes Fauchen h#246;ren lie#223; und die Z#228;hne bleckte. »Und ich glaube, da haben wir auch ihren W#228;chter«, sagte Winterfeld. Die Worte klangen kein bi#223;chen sp#246;ttisch, und der Ausdruck auf seinem Gesicht zeigte Respekt. Nach einigen Sekunden trat Winterfeld vom Bett zur#252;ck, und der Kater beruhigte sich wieder.

»Was haben Sie mit ihr vor?« wollte Mike wissen. Winterfeld l#228;chelte beruhigend. »Vorerst nichts. Au#223;er ihr zu helfen, versteht sich. Sp#228;ter ...« Er zuckte mit den Achseln. »Wir werden sehen. Nachdem die Kuppel zerst#246;rt ist, ist dieses M#228;dchen m#246;glicherweise alles, was vom Volk der Atlanter geblieben ist. Aber du mu#223;t dir keine Sorgen machen. Es liegt mir fern, ihr irgend etwas anzutun.«

»Solange sie Ihnen sagt, was Sie wissen wollen, nicht wahr?« »Ich glaube, du hast zu viele schlechte Romane gelesen«, erwiderte Winterfeld mit gutm#252;tigem Spott. »Selbst wenn ich der w#228;re, f#252;r den du mich offensichtlich h#228;ltst, h#228;tte ich l#228;ngst begriffen, da#223; Gewalt selten zu einer befriedigenden L#246;sung f#252;hrt.« »Warum wenden Sie sie dann immer wieder an?« »Weil es manchmal nicht anders geht«, erwiderte Winterfeld in einem Tonfall, der Mike zeigte, da#223; ihn sein Mi#223;trauen verletzt hatte. »Eines Tages wirst du begreifen, warum ich all das hier tue. Aber jetzt ist nicht der Moment, dar#252;ber zu reden. Wir sind hier, um diesem M#228;dchen zu helfen. F#252;r alles andere ist sp#228;ter Zeit.« Er trat einen Schritt beiseite und gab dem Arzt einen Wink. Dieser trat ans Bett und beugte sich #252;ber das M#228;dchen. Wieder stie#223; Astaroth ein drohendes Fauchen aus und zeigte die Z#228;hne, und der Arzt schrak zur#252;ck. »Nicht, Astaroth!« sagte Mike. »Er will ihr nur helfen.« Eine Sekunde lang starrte der Kater ihn aus seinem einzelnen, unheimlich leuchtenden Auge an, dann wurde er ruhig und lie#223; es zu, da#223; der Doktor sie mit seinem Stethoskop abzuh#246;ren begann. Winterfeld sah Mike nachdenklich an, und noch bevor er etwas sagte, begriff Mike, da#223; er vielleicht einen nicht wieder gutzumachenden Fehler begangen hatte. »Du kannst dich also mit ihm verst#228;ndigen«, stellte Winterfeld fest. »Es ist ... ein sehr kluges Tier«, stammelte Mike. »Manchmal glaube ich tats#228;chlich, da#223; er mich versteht.« Winterfeld l#228;chelte nur, und Mike sah selbst ein, wie wenig #252;berzeugend diese Worte klangen.

Unter Astaroths mi#223;trauischen Blicken untersuchte der Arzt Serena sehr vorsichtig, aber sehr gr#252;ndlich. Schlie#223;lich trat er vom Bett zur#252;ck und machte ein ernstes Gesicht. »Sie ist sehr schwach«, sagte er. »Aber das ist nicht alles. Irgend etwas stimmt nicht mit ihr. Ich kann nicht sagen, was.« »Kannst du uns helfen?« fragte Winterfeld. Der Kater hatte bisher beharrlich geschwiegen, und seine lautlose Gedankenstimme drang auch jetzt nicht in Mikes Kopf. Trotzdem war Mike ziemlich sicher, da#223; er zumindest #252;ber den Umweg durch den Kater -mit dem M#228;dchen in Verbindung h#228;tte treten k#246;nnen. Aber er glaubte auch zu sp#252;ren, da#223; Astaroth ihm jetzt nicht antworten w#252;rde. »Nein«, antwortete er einsilbig. »Du machst es nur schwerer f#252;r uns alle«, sagte Winterfeld. Er sch#252;ttelte leicht den Kopf. »Aber gut, ganz wie du meinst. Wir haben Zeit genug.« Er gab den beiden Soldaten, die mit ihm hereingekommen waren und die ganze Szene bisher schweigend, aber mit offensichtlichem Staunen verfolgt hatten, einen entspre

chenden Wink. »Bringt ihn zur#252;ck zu den anderen.«

Sie bekamen einen weiteren Beweis f#252;r Winterfelds Gro#223;z#252;gigkeit, denn einer der beiden Soldaten, die Mike zur#252;ckbegleiteten, erkl#228;rte, da#223; er mit Trautman zu den anderen gehen durfte. Nat#252;rlich mu#223;te Mike Arronax und Ben ausf#252;hrlich erz#228;hlen, wie es ihm ergangen war, und nat#252;rlich hatte jeder der anderen eine andere Meinung dazu; sowohl zu dem, was Mike erlebt hatte, als auch zu dem, was davon zu halten war. Vor allem Ben verk#252;ndete lautstark, da#223; man Winterfeld auf keinen Fall trauen d#252;rfe und seine vermeintliche Freundlichkeit gar nichts anderes als ein Trick sein konnte.

Aber Mike war davon mittlerweile nicht mehr so #252;berzeugt wie noch vor einer Stunde, als man ihn zu Winterfeld gebracht hatte. Er war weit davon entfernt, irgendwelche freundschaftlichen Gef#252;hle f#252;r Kapit#228;n Winterfeld zu hegen oder ihm gar zu trauen aber es fiel ihm auch immer schwerer, Winterfeld als den gewissenlosen Verbrecher zu sehen, als den ihn Ben gerne hingestellt h#228;tte. Und zumindest Trautman schien es ganz #228;hnlich zu ergehen, denn er beteiligte sich kaum an der Auseinandersetzung, sondern wurde immer nachdenklicher und stiller; und manchmal

- wenn er glaubte, Mike merke es nicht - warf er ihm einen sonderbaren Blick zu. Auf diese Weise vergingen sicherlich zwei Stunden, ehe es endlich Arronax war, der die Diskussion zu einem Ende brachte, indem er leise, aber sehr eindringlich sagte: »Aber das alles #228;ndert doch nichts.« Einen Moment lang herrschte verwirrtes Schweigen, dann fragte Andr#233;: »Woran?« »An der Tatsache, da#223; wir hier gefangen sind und Kapit#228;n Winterfeld - ob nun freundlich oder nicht - mit diesem M#228;dchen den Schl#252;ssel zu unvorstellbarer Macht in den H#228;nden h#228;lt.« Er sah sich einen Moment in der Runde um, als erwarte er Widerspruch oder auch Zustimmung. Als keines von beidem erfolgte, fuhr er fort: »Ich stimme mit Mike in zumindest einem Punkt #252;berein: Auch ich habe in den vergangenen Wochen Zeit und Gelegenheit genug gehabt, um mit Winterfeld zu reden und mir ein Bild zu machen. Am Anfang hielt ich ihn ebenfalls nur f#252;r einen Verbrecher: bestenfalls einen Wahnsinnigen. Mittlerweile bin ich mir nicht mehr so sicher, was das angeht. Und au#223;erdem denke ich, da#223; Winterfeld einen ganz konkreten Plan hat.« »Was f#252;r einen Plan?« fragte Trautman scharf.

Arronax zuckte mit den Schultern. »Das wei#223; ich ebensowenig wie Sie. Aber Winterfeld ist kein Mann, der irgend etwas ohne triftigen Grund tut. Vielleicht ist es euch allen noch nicht bewu#223;t geworden, aber mit dem, was er getan hat, hat er sich gewisserma#223;en selbst f#252;r vogelfrei erkl#228;rt. Der Krieg wird es ihm etwas leichter machen, weil die Welt im Moment anderes zu tun hat, als einen Deserteur zu jagen, aber #252;ber kurz oder lang wird er erwischt werden. Und er wei#223; das. Winterfeld ist kein Dummkopf.« »Worauf wollen Sie hinaus?« fragte Singh. »Ich denke, Winterfeld spielt einfach va banque«, antwortete Arronax. »Er hat alles auf eine Karte gesetzt und das h#228;tte er schwerlich getan, h#228;tte er sich nicht eine gute Chance ausgerechnet, das Spiel zu gewinnen. Er ist hinter dem Verm#228;chtnis der Atlanter her und mit Serenaundder NAUTILUS hat er gute Aussichten, es auch zu bekommen.« »Aber die Kuppel ist zerst#246;rt!« wandte Chris ein. Arronax l#228;chelte. »Ich f#252;rchte, das wird nicht viel n#252;tzen«, sagte er. »Ich habe Dutzende von Hinweisen auf andere Hinterlassenschaften des untergegangenen Volkes gefunden -und du hast es ja selbst geh#246;rt: Winterfeld besitzt meine Aufzeichnungen. Wenn ihm das M#228;dchen auch nur ein paar Hinweise gibt, ist es ein Leichtes f#252;r ihn, die Reste von Atlantis zu fin

den.« »Und wir haben ihm auch noch das passende Schiff dazu geliefert«, sagte Trautman d#252;ster. Arronax seufzte. »Ja. Sie haben die Kuppel gesehen, Trautman. Und Sie wissen, wozu die NAUTILUS in

der Lage ist. Wenn Winterfeld mehr von der Hinter

lassenschaft der Atlanter findet ... das ist unvorstell

bar. Er k#246;nnte im wahrsten Sinne des Wortes unbe

siegbar werden. Wer wei#223; - vielleicht k#246;nnte er sich

tats#228;chlich zum Herrscher #252;ber die ganze Welt aufschwingen. Ich glaube nicht, da#223; er das will, aber -« »Und damit haben Sie auch vollkommen recht, Professor«, unterbrach ihn eine Stimme von der T#252;r her. Alle fuhren erschrocken herum und sahen den Schlachtschiffkommandanten an, der vollkommen unbemerkt die Kabine betreten hatte und offensichtlich schon eine ganze Weile zuh#246;rte. »Ich bin mir der Gefahr, der ich mich selbst und meine M#228;nner aussetze, durchaus bewu#223;t, mein lieber Professor. Doch der Preis, um den es hier geht, ist den Einsatz mehr als wert.« Er kam n#228;her, wobei er die T#252;r hinter sich offenstehen lie#223;, so da#223; sie alle die beiden bewaffneten Marinesoldaten sehen konnten, die drau#223;en auf dem Korridor Aufstellung genommen hatten, und fuhr in lockerem Tonfall fort, »Er ist vermutlich h#246;her, als selbst Sie sich vorstellen k#246;nnen und ihr anderen auch. Um so mehr schmerzt es mich, da#223; sie mich noch immer f#252;r einen gemeinen Piraten zu halten scheinen.« Bei diesen Worten ma#223; er Ben mit einem bezeichnenden Blick, den der junge Engl#228;nder trotzig und anscheinend ohne eine Spur von Furcht erwiderte. »Wenn das nicht so ist, dann erz#228;hlen Sie uns doch, was Sie wirklich vorhaben«, sagte Trautman. »Vielleicht gelingt es Ihnen ja, uns zu #252;berzeugen - wer wei#223;?« »Wer wei#223;?« best#228;tigte Winterfeld l#228;chelnd. »Ich t#228;te es gern, aber jetzt ist weder die Zeit noch die richtige Gelegenheit dazu.« »Was spricht dagegen?« »Der Umstand, da#223; ich nicht wei#223;, ob ich Ihnen und Ihren jungen Freunden trauen kann oder nicht«, antwortete Winterfeld mit gro#223;em Ernst. »Und damit w#228;ren wir gleich beim Grund meines Hierseins.« Er

deutete auf Mike. »Michael wird Ihnen ja erz#228;hlt haben, welche Pl#228;ne ich mit Ihnen beziehungsweise mit Professor Arronax und seinen Begleitern hege.« »Haben Sie eine einsame Insel gefunden, auf der Sie uns absetzen k#246;nnen?« grollte Ben. »Oh, gleich ein Dutzend, was das angeht«, erwiderte Winterfeld. »Und ich versichere dir, mein junger Freund, einige davon sind wirklich einsam; einsam genug jedenfalls f#252;r die n#228;chsten zehn Jahre.« Dann fuhr er in ver#228;ndertem Ton fort: »Wie die Dinge nach der Vernichtung der Kuppel liegen, gibt es keinen Grund mehr f#252;r die LEOPOLD, l#228;nger hierzubleiben. Wir werden noch im Laufe des Abends Fahrtaufnehmen.« »Und was geht das uns an?« fragte Ben. »Brauchen Sie noch Galeerensklaven f#252;r die Ruder?« f#252;gte Juan hinzu. Winterfeld schenkte ihnen keine Beachtung. »Es geht um die NAUTILUS«, sagte er. »Ich will ehrlich zu euch sein: Ich habe ein paar f#228;hige Ingenieure an Bord, und es ist keine Frage, da#223; sie #252;ber kurz oder lang lernen werden, mit dem Schiff umzugehen aber ich f#252;rchte, es wird eher l#228;nger dauern.« »Und jetzt wollen Sie, da#223; wir Ihre Leute unterweisen?« fragte Mike fassungslos. Winterfeld nickte. »Es macht keinen Unterschied - f#252;r euch«, sagte er. »Und auch nicht f#252;r uns. Wir verlieren nur ein wenig Zeit, kostbare Zeit, wie ich gerne zugebe. Trotzdem spielt es eigentlich keine Rolle. Der Unterschied f#252;r euch w#228;re, da#223; ich eure Bereitschaft zur Hilfe nicht vergessen w#252;rde.« »Garantieren Sie uns einen schmerzlosen Tod?« fragte Ben h#228;misch. Diesmal sahen sie alle das kurze, #228;rgerliche Flackern in Winterfelds Augen. Aber er beherrschte sich auch

jetzt noch. »Ich garantiere euch allen die beste Behandlung, die ich euch unter diesen Umst#228;nden bieten kann«, sagte er ernst. »Egal, wie eure Entscheidung ausf#228;llt, ob ihr zu meinen Verb#252;ndeten werdet oder es vorzieht, mich weiter als Feind zu betrachten, werde ich -« Drau#223;en auf dem Korridor wurden polternde Schritte laut, und einen Augenblick sp#228;ter st#252;rmte ein Marinesoldat in die Kabine und blieb schweratmend vor Winterfeld stehen. »Herr Kapit#228;n, Sie m#252;ssen in die Krankenstation kommen!« sagte er, ohne irgendeine n#228;here Erkl#228;rung abzugeben. Und Winterfeld schien zu sp#252;ren, wie ernst es mit dem Mann war, denn er z#246;gerte nicht und wandte sich zur T#252;r. Aber der Soldat hielt ihn noch einmal zur#252;ck, in

dem er auf Mike deutete: »Der Junge sollte besser auch mitkommen«, sagte er. Winterfeld war #252;berrascht -aber Mike erschrak, und jetzt erkannte er den Mann, der da so atemlos hereingest#252;rzt war: Es war einer der beiden Soldaten, die mit ihnen bei Serena gewesen waren. Es bedurfte keines weiteren Befehles von Winterfeld, damit er ihm und dem Soldaten folgte. Hintereinander

st#252;rmten sie aus der Kabine.

Obwohl sich die Krankenstation nahezu am anderen Ende des gewaltigen Schiffes befand, ben#246;tigten sie nicht einmal f#252;nf Minuten, um den Korridor zur Krankenstation zu erreichen, der voller Soldaten war.

Sie h#246;rten die aufgeregten Rufe und durcheinanderschreienden Stimmen schon von weitem; nicht einmal als Winterfeld die Treppe hinunterpolterte, h#246;rte der L#228;rm v#246;llig auf; und bei der eisernen Disziplin, die an Bord der LEOPOLD herrschte, bedeutete das eine ganze Menge!

Winterfeld griff sich den erstbesten Mann, der ihm in den Weg kam, und fuhr ihn an: »Was ist hier los?« Der Soldat antwortete nicht, sondern deutete hinter sich, und als Mikes Blick der Geste folgte, sah er eine Gestalt in einem wei#223;en Kittel, die zusammengekauert am Boden hockte und Kopf und Schultern gegen die Wand gelehnt hatte. Mike erkannte den Arzt, der bei Serena gewesen war, aber nur an dem wei#223;en Kittel und dem Stethoskop, das er um den Hals trug, sein Gesicht war voller Blut. Auch der vordere Teil seines Kittels hatte sich rot gef#228;rbt. Der Mann st#246;hnte vor Schmerz. »Wie ist das geschehen?« fuhr Winterfeld den Mann an, ohne R#252;cksicht auf dessen Zustand zu nehmen. »Wer hat das getan?« »Der ... der Kater«, st#246;hnte der Arzt. »Dieses schwarze Ungeheuer ist ... einfach auf mich losgegangen. Ich ... ich habe gedacht, er bringt mich um.« »Astaroth?« fragte Mike zweifelnd. Was er sah, schien die Worte des Mannes zu best#228;tigen - unter all dem Blut auf seinem Gesicht gewahrte er mindestens ein Dutzend kreuz und quer verlaufender Kratzer, die durchaus von Astaroths Krallen stammen konnten. Aber er konnte sich nicht vorstellen, da#223; der Kater ohne Grund auf den Mann losgegangen sein sollte. Winterfeld offenbar auch nicht, denn er fragte geradeheraus: »Was zum Teufel haben Sie angestellt, Sie Dummkopf?« »Ich ... ich habe dem M#228;dchen nur eine Spritze gegeben!« sagte der Arzt. »Nur ein Vitaminpr#228;parat, um sie zu st#228;rken.« »Und Astaroth lie#223; das nicht zu«, vermutete Mike. »Er ist wie ein Verr#252;ckter auf mich losgegangen«, best#228;tigte der Arzt. »Ich habe versucht, ihn wegzujagen, aber er wurde immer wilder.«

»Sie verdammter Narr!« sagte Winterfeld. Er richtete sich auf und fuhr herum. »Aber das kann nicht alles sein. Was ist hier los?« Keiner der anderen M#228;nner antwortete. Aber Mike fiel pl#246;tzlich etwas auf -in der Wand neben der T#252;r, hinter der sich Serena und Astaroth befanden, war eine fast mannshohe Beule, von der er ganz sicher war, da#223; es sie vorhin nicht gegeben hatte. Auch Winterfeld hatte diese Beule gesehen. Eine Sekunde lang starrte er sie stirnrunzelnd an, dann ging er auf die T#252;r zu und streckte die Hand nach der Klinke aus. »Tun Sie das lieber nicht«, sagte einer der Soldaten. Mike und Winterfeld drehten sich gleichzeitig zu ihm herum, und Mike sah, da#223; der Mann nicht nur bleich vor Schrecken war, sondern auch aus einer tiefen Wunde auf dem rechten Handr#252;cken blutete. »Warum?« fragte Winterfeldscharf. Der Mann z#246;gerte, dann sagte er so leise, da#223; die Worte kaum zu verstehen waren: »Die Katze.« Mike war nicht im geringsten #252;berrascht. Auf Winterfelds Gesicht jedoch erschien ein Ausdruck grenzenlosen Staunens. »Wie bitte?« keuchte er. »Sie wollen mir erz#228;hlen, da#223; meine halbe Mannschaft hier herumsteht und sich vor einer Katze f#252;rchtet?« Die letzten Worte hatte er geschrien. Der Soldat duckte sich wie ein gepr#252;gelter Hund, und auch die anderen wichen so weit vor ihm zur#252;ck, wie es der beengte Raum #252;berhaupt zulie#223;. »Sie ... sie ist von Sinnen, Herr Kapit#228;n«, stammelte der Soldat. »Das ... das ist keine Katze. Das ist ein ... Ungeheuer!« »Was f#252;r ein Quatsch!« sagte Winterfeld. Trotzdem z#246;gerte er sichtlich, die Hand nochmals nach der T#252;rklinke auszustrecken und die Krankenstation zu betreten. Aber dann gab er sich einen Ruck, dr#252;ckte die Klinke herunter und trat ein. Mike folgte ihm unaufgefordert, und weder Winterfeld noch einer seiner M#228;nner versuchte ihn zur#252;ckzuhalten, und das war auch gut so, denn h#228;tte Winterfeld die Kabine allein betreten, dann w#228;re es vielleicht zu einer noch viel gr#246;#223;eren Katastrophe gekommen. Mike sah nur einen Schatten aus den Augenwinkeln, fuhr herum und wurde wuchtig gegen die Wand geschleudert, als Winterfeld mittem im Schritt zur#252;ckprallte und einen #252;berraschten Schrei ausstie#223;. Auf seiner Brust hockte pl#246;tzlich etwas Schwarzes, Pelziges, das mit scheinbar Dutzenden von Krallen und Z#228;hnen zugleich nach seinem Gesicht hackte und bi#223;. »Astaroth, nicht!« schrie Mike. »H#246;r auf!« Astaroth tobte wie ein Besessener. Seine Krallen fetzten durch Winterfelds dicke Uniformjacke, als best#252;nde sie aus Papier, und obwohl das Tier kaum zwanzig Pfund wiegen konnte, prallte Winterfeld unter seinem ungest#252;men Angriff erneut gegen die Wand und fiel auf ein Knie herab. Mit einer Hand versuchte er, den Kater von seinem Gesicht und vor allem von seiner Kehle fernzuhalten, mit der anderen griff er unter seine Jacke. Mike konnte nicht erkennen, was er da tat, aber es #252;berkam ihn eine Ahnung ... »Astaroth, h#246;r auf!« schrie Mike verzweifelt. »Er bringt dich um!«

Diesmal reagierte der Meerkater und sah Mike an und Winterfeld nutzte seine Chance sofort. Mit einer kraftvollen Bewegung schleuderte er den Kater von sich und sprang auf die F#252;#223;e. Astaroth flog quer durch die Kabine, kam geschickt auf allen vieren wieder auf und wirbelte wie ein schwarzer Blitz herum

um sich abermals auf Winterfeld zu st#252;rzen. Doch Winterfeld hatte die Sekunde, die er gewonnen

hatte, genutzt. Seine Hand war wieder unter der Jacke hervorgekommen, und ganz wie Mike bef#252;rchtet hatte, lag jetzt eine Pistole darin. Mit einem gellenden Schrei und weit ausgebreiteten Armen warf sich Mike zwischen Winterfeld und den Kater, so da#223; Astaroth nun gegen ihn prallte, statt gegen den deutschen Offizier. Der Anprall ri#223; Mike von den F#252;#223;en. Er st#252;rzte, lie#223; Astaroth aber nicht los. Seine H#228;nde krallten sich mit aller Macht in das dichte Pell. »Astaroth, h#246;r auf!« keuchte er wieder. »Er bringt dich um!« Diesmal wirkten die Worte. Astaroth tobte und wand sich weiter in seinen H#228;nden, aber er griff Mike nicht an, und nach einigen Augenblicken wagte er es, sich vorsichtig aufzurichten, wobei er den Kater mit beiden Armen umklammert hielt und ihn so fest an die Brust dr#252;ckte, da#223; er kaum noch Luft bekam. Winterfeld stand in einiger Entfernung und beobachtete Mike und Astaroth aufmerksam. Die Waffe hielt er dabei unverwandt auf den Kater gerichtet, und Mike zweifelte keine Sekunde daran, da#223; er davon Gebrauch machen w#252;rde, wenn Astaroth noch einmal versuchte, ihn anzugreifen. »Sie k#246;nnen die Pistole einstecken«, sagte Mike. »Er wird Ihnen nichts mehr tun.« Winterfeld dachte nicht daran, die Waffe auch nur zu senken. Aber er entspannte sich ein wenig. »Ich glaube, du hast gerade einem von uns das Leben gerettet«, sagte er, wobei er offenlie#223;, ob er dabei sich und Mike oder sich und den Kater meinte. »Aber besonders klug war das nicht.« Mike zog es vor, ihm nicht zu widersprechen. Statt dessen wandte er sich zu dem Bett um, in dem Serena lag, w#228;hrend Winterfeld nach dem verletzten Soldaten sah. Mike registrierte, da#223; dieser direkt unter der Delle lag, die in der Metallwand zum Korridor hin entstanden war. Was um alles in der Welt hatte Astaroth mit ihm getan?Was er verdient hat,antwortete Astaroths lautlose Stimme in seinem Kopf.Sie haben versucht, der Prinzessin weh zu tun. Das kann ich nicht zulassen.

Mike seufzte. »Der Arzt wollte ihr nur helfen, Astaroth«, sagte er laut. Winterfeld sah auf und ma#223; ihn mit einem stirnrunzelnden Blick.Er hat ihr in den Arm gestochen!beharrte Astaroth. »Er hat ihr nur eine Spritze mit einem St#228;rkungsmittel geben wollen, Astaroth«, sagte Mike geduldig. »Das tut ein bi#223;chen weh, aber nicht mehr.« Astaroth schwieg, funkelte ihn aber weiter mi#223;trauisch aus seinem Auge an und sprang mit einem Satz auf Serenas Bett. Wie schon einmal erwachte das M#228;dchen fast augenblicklich aus seiner Lethargie, als es die N#228;he des Katers sp#252;rte, und streckte die Hand nach ihm aus. Astaroth begann zu schnurren, als sie ihn kraulte. Aber als Winterfeld n#228;her kam, machte er einen Buckel und fauchte. Winterfeld blieb stehen. »Du kannst dich also tats#228;chlich mit ihm verst#228;ndigen«, sagte er. Mike schwieg. Es hatte auch keinen Sinn, zu leugnen. »Du solltest ihm wirklich gut zureden«, fuhr Winterfeld fort. »Wenn er noch einen meiner M#228;nner verletzt, lasse ich ihn erschie#223;en.« Astaroth fauchte. Winterfeld musterte ihn k#252;hl und wich einen Schritt vom Bett zur#252;ck, steckte seine Waffe aber immer noch nicht ein. Pl#246;tzlich begann sich Serena zu regen. Sie hatte bisher

- au#223;er auf Astaroth -auf nichts irgendeine Reaktion gezeigt, aber nun sp#252;rte Mike, wie unruhig und nerv#246;s sie war. Irgend etwas ... geschah. Er konnte es deutlich f#252;hlen.

Sicher fragst Du Dich voll Spannung, wie es mit Mike, dem geheimnisvollen M#228;dchen und dem ein#228;ugigen Kater weitergeht. Gleich wirst Du es erfahren, wir wollen Dich vorher nur etwas fragen: Hat es Dir Spa#223; gemacht, mit Mike und seinen Freunden zu tauchen und das M#228;dchen in der Kuppel zu entdecken? M#246;chtest Du auch weiterhin mit ihnen und der Nautilus die Weltmeere durchqueren und die aufregendsten Abenteuer erleben? Das kannst Du: Wolfgang Hohlbein schreibt bereits an den n#228;chsten B#228;nden dieser Reihe. Aber hast Du schon den ersten Band gelesen, in dem erz#228;hlt wird, wie die f#252;nf Jungen das Unterseeboot gefunden haben? Er hei#223;t »Die Vergessene Insel« und wartet in der Buchhandlung auf Dich. Es gibt auch einen »Kapit#228;n-Nemo-Fan-Club«. Wenn Du Mitglied werden m#246;chtest, dann schreib einfach an

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So, jetzt geht's weiter...

»Sie sollten so etwas nicht sagen, wenn sie es h#246;rt«, sagte Mike leise.Und auch nicht, wenn ich es h#246;re,f#252;gte Astaroth in seinen Gedanken hinzu. Winterfeld zog es vor, nicht weiter auf dieses Thema einzugehen, sondern wandte sich abrupt zur T#252;r und #246;ffnete sie. Einige Soldaten betraten den Raum, hielten aber respektvoll Abstand zu Serenas Bett -wohl des Katers wegen -, w#228;hrend der Arzt, obwohl selbst verletzt, sich um den verwundeten Soldaten k#252;mmerte. Mike registrierte dies alles nur mit einem fl#252;chtigen Blick. Seine ganze Aufmerksamkeit galt Serena, die sich mittlerweile halb im Bett aufgesetzt hatte und die ganze Szene aus vor Angst geweiteten Augen betrachtete. Mike versuchte sich vorzustellen, welchen Eindruck das, was sie sah, auf sie machen mochte, aber seine Phantasie kapitulierte vor dieser Aufgabe. »Kannst du ... mich verstehen?« fragte er z#246;gernd. Er konnte nicht sagen, ob Serena die Worte verstand oder nur auf seine Stimme reagierte - auf jeden Fall drehte sie langsam den Kopf und sah ihn aus ihren gro#223;en, dunklen Augen an, und ... Auch hinterher fehlten Mike einfach die Worte, um zu beschreiben, was in der endlosen Sekunde, in der sich ihre Blicke trafen, vor sich ging. Es war mehr als nur ein Ber#252;hren der Blicke, das zwischen ihnen stattfand. Wie schon einmal f#252;hlte sich Mike dem M#228;dchen so nahe und so tief verbunden wie niemals zuvor einem anderen Menschen, und es war ein Gef#252;hl von solcher W#228;rme und Wohltat, da#223; er hoffte, es w#252;rde nie enden. »Kannst du mich verstehen?«

fragte er noch einmal. Als Serena auch jetzt nicht antwortete, sondern ihn nur unverwandt anblickte, f#252;gte er l#228;chelnd hinzu: »Du mu#223;t keine Angst haben. Wir wollen dir helfen.«

Wieder streckte er die Hand nach dem M#228;dchen aus, f#252;hrte die Bewegung aber nicht zu Ende, denn Astaroth schob sich drohend zwischen ihn und das M#228;dchen und machte einen Buckel. Sein einzelnes Auge funkelte t#252;ckisch.Fa#223; sie nicht an!erscholl die lautlose Stimme des Katers in seinen Gedanken. »H#246;r endlich mit dem Bl#246;dsinn auf, Astaroth«, sagte Mike. »Was soll das? Ich stehe auf deiner Seite!«

Ich bin nicht mehr sicher, da#223; hier irgendeiner auf meiner Seite steht,antwortete der Kater gereizt. »Sei vern#252;nftig, Astaroth«, sagte Mike. »Der Mann dort ist Arzt. Alles, was er tut, geschieht nur, um Serena zu helfen.« Langsam streckte er die Hand wieder aus, und diesmal lie#223; Astaroth es zu, da#223; er Serenas Hand erfa#223;te. Das M#228;dchen erschauerte unter seiner Ber#252;hrung, aber auch Mike versp#252;rte ein kaltes Fr#246;steln. Serenas Haut war eiskalt, und sie f#252;hlte sich glatt und hart an, fast wie kaltes Porzellan, kaum wie lebendiges Fleisch. Er sp#252;rte, wie ihr Puls raste, aber irgend etwas sagte ihm, da#223; es nicht nur die Furcht war, die ihr Herz schneller schlagen lie#223;. »Ich wei#223; nicht, ob du mich verstehst«, sagte er langsam und deutlich und bem#252;hte sich, seiner Stimme einen beruhigenden Tonfall zu geben. »Aber wir werden versuchen, dir zu helfen. Diese M#228;nner sind nicht deine Feinde.« Er war pl#246;tzlich ganz sicher, da#223; das stimmte. Und etwas von dieser Gewi#223;heit schien sich auf Serena zu #252;bertragen, denn zum ersten Mal #252;berhaupt l#228;chelte sie; wenn auch nur schwach und voller m#252;hsam niedergehaltener Furcht. »Du kannst dich auch mit ihr verst#228;ndigen«, sagte Winterfeld. Er kam langsam n#228;her. Astaroth drehte

sich zu ihm, bleckte die Z#228;hne und stie#223; ein drohenden Fauchen aus, und Winterfeld verharrte f#252;r einen Moment im Schritt und musterte den Kater finster. Seine Hand glitt zu den tiefen, blutigen Kratzern, die ihm Astaroth zugef#252;gt hatte. Aber seine Faszination erwies sich als st#228;rker, er ging weiter, blieb unmittelbar neben dem Bett stehen und l#228;chelte Serena zu. Und dann beging er einen Fehler, der ihn -und vielleicht auch die anderen auf dem Schiff - um ein Haar das Leben gekostet h#228;tte. Er streckte die Hand aus, um Serena zu ber#252;hren, wie Mike es tat. »Nein!« sagte Mike erschrocken. »Tun Sie das nicht!« Es war zu sp#228;t! Alles geschah so schnell, da#223; Winterfeld nicht einmal mehr h#228;tte reagieren k#246;nnen, wenn er es gewollt h#228;tte. Astaroths Fauchen steigerte sich zu einem schrillen Schrei, mit dem er in die H#246;he schnellte und Winterfeld ansprang, die Krallen drohend vorgestreckt und die Z#228;hne gefletscht. Winterfeld ri#223; sch#252;tzend die Arme vor das Gesicht und zog den Kopf zwischen die Schultern. Ein Schu#223; fiel. In dem Raum h#246;rte sich das Ger#228;usch wie ein Kanonenschlag an. Eine grelle, orangerote Feuerlanze stach nach Astaroth, und der Kater wurde mitten im Sprung herumgewirbelt, als w#228;re er von einem Faustschlag getroffen worden. Aus seinem Fauchen wurde ein gepeinigtes Kreischen, w#228;hrend er durch die Luft flog und knapp neben dem Kopfende von Serenas Bett gegen die Wand prallte. Hilflos rutschte er daran herunter und blieb liegen. Winterfeld fuhr herum. Noch bevor der Kater ganz zu Boden gefallen war, hatte er den Mann erreicht, der auf ihn geschossen hatte, und entri#223; ihm das Gewehr. »Sie Idiot!« br#252;llte er. »Wer hat Ihnen das erlaubt?! Sind Sie wahnsinnig geworden?« Er schleuderte das Gewehr zu Boden und drehte sich

wieder zu Mike herum. »Es tut mir leid«, sagte er keuchend. »Das wollte ich nicht, das mu#223;t du mir glau

-« Er sprach nicht weiter, denn sein Blick war auf Serena gefallen. Alle Farbe wich aus seinem Gesicht, und auch Mike sp#252;rte, wie sich ein eisiger, l#228;hmender Schrecken in ihm breitzumachen begann. Serena hatte sich stocksteif im Bett aufgerichtet. Einige Sekunden lang hing ihr Blick wie gebannt an dem K#246;rper des schwarzen Katers, der reglos und in einer rasch gr#246;#223;er werdenen Blutlache neben ihrem Bett lag, und dann ...Irgend etwasgeschah mit ihr. Mike sp#252;rte f#246;rmlich diese Ver#228;nderung, und es war keine Ver#228;nderung zum Guten. Dabei regte sich in ihrem Gesicht kein Muskel - aber in ihren Augen erwachte etwas, was dunkel und wild und von unglaublicher St#228;rke war. »Nein, Serena«, sagte Mike beschw#246;rend. »Nicht!« »Was soll das hei#223;en!« Winterfeld sah ihn an. »Was tut sie?« Auch er schien zu sp#252;ren, da#223; irgend etwas mit dem M#228;dchen vor sich ging. »Ich wei#223; es nicht«, antwortete Mike. »Aber ich -« Ein Krachen und Splittern erscholl. Mike, Winterfeld und alle anderen fuhren herum und starrten auf den Medizinschrank, in dem eines der kleinen Glasfl#228;schchen explodiert war. Es blieb nicht das einzige. Fasziniert und entsetzt zugleich sah Mike, wie die Fl#252;ssigkeiten in den kleinen Glasfl#228;schchen pl#246;tzlich zu brodeln begannen. Winzige Taifune schienen ihre Oberfl#228;chen zu kr#228;useln und dann explodierten die Fl#228;schchen eines nach dem anderen und jedes mit gr#246;#223;erer Wucht. Der ganze Schrank zitterte, eine Sekunde sp#228;ter flogen die gl#228;sernen T#252;ren wie unter einem Hammerschlag auseinander und #252;bersch#252;tteten die M#228;nner in ihrer unmittelbaren N#228;he mit Scherben und Splittern.

Panik brach aus. Die M#228;nner rissen sch#252;tzend die Arme vor das Gesicht und versuchten die T#252;r zu ereichen, wobei einige von ihnen gegeneinanderstie#223;en und zu Boden st#252;rzten. Von drau#223;en dr#228;ngten die auf dem Gang zur#252;ckgebliebenen Soldaten herein, alarmiert durch den Schu#223; und die Schreie. Nun begannen auch die gr#246;#223;eren Beh#228;lter und Tiegel zu zittern; manche explodierten, wie die kleinen Glasfl#228;schchen zuvor, andere h#252;pften wild auf und ab oder flogen auch wie von Geisterhand bewegt urpl#246;tzlich durch die Luft, um an den W#228;nden oder auf dem Boden zu zerschellen, und nicht wenige davon trafen Winterfelds M#228;nner. Mike war #252;berrascht einen Schritt zur#252;ckgetaumelt, als das Chaos losbrach, aber er war-vielleicht mit Ausnahme Winterfelds, der die Wahrheit zumindest zu ahnen schien -der einzige, der wu#223;te,werf#252;r diese pl#246;tzliche Katastrophe verantwortlich sein mochte. Geduckt und die Arme sch#252;tzend #252;ber dem Kopf zusammengeschlagen, um nicht von einem herumfliegenden Tr#252;mmerst#252;ck im Gesicht getroffen zu werden, versuchte er sich an Serena zu wenden, doch er hatte kaum einen halben Schritt getan, da f#252;hlte er sich wie von einer unsichtbaren Faust getroffen und so wuchtig gegen die Wand geschleudert, da#223; ihm die Luft wegblieb und er nichts als bunte Sterne sah. Hilflos sackte er zu Boden. Als er wieder halbwegs klar denken - und sehen konnte, hatte sich die Krankenstation in ein wahres

Chaos verwandelt. Fast alle von Winterfelds M#228;nnern lagen auf dem Boden, viele von ihnen bluteten aus Schnittwunden, die ihnen die herumfliegenden Glassplitter zugef#252;gt hatten, und wer noch auf den Beinen war, der versuchte aus dem Raum zu kommen. »Serena,h#246;r auf!«schrie Mike. Eine unsichtbare Gewalt tobte durch den Raum und begann alles zu zerschmettern, was sich ihr in den Weg stellte. Das Licht flackerte, und in die Schreie der M#228;nner und das noch immer anhaltende Klirren des zerberstenden Glases mischte sich ein unheimliches an- und abschwellendes Wimmern. Mike rappelte sich hoch und versuchte abermals Serena zu erreichen. Er wu#223;te pl#246;tzlich, da#223; das hier nur der Anfang war. Serena hatte die unvorstellbaren Kr#228;fte entfesselt, #252;ber die sie, genau wie ihre Vorfahren, die Zauberk#246;nige von Atlantis, gebot und deren Macht l#228;ngst nicht damit ersch#246;pft war, Winterfelds M#228;nner anzugreifen und Gl#228;ser explodieren zu lassen. Bevor er jedoch zum Bett kam, wurde er zur#252;ckgerissen. »Bist du verr#252;ckt geworden?« schrie Winterfeld und begann ihn auf die T#252;r zuzuzerren. Mike versuchte mit aller Kraft, Winterfelds Griff zu entkommen. »Aber ich mu#223; -« »Willst du, da#223; sie dich umbringt?« unterbrach ihn Winterfeld. »Nichts wie raus hier!« Ohne weiter auf ihn zu h#246;ren, zerrte er Mike hinter sich her. Bevor sie auf den Korridor hinausliefen, wandte Mike noch einmal den Kopf und sah zu Serena zur#252;ck, und das Bild, das sich ihm bot, lie#223; ihn bis ins Innerste erschauern: Serena stand hoch aufgerichtet in ihrem Bett. Ihr Gesicht war jetzt nicht mehr ausdruckslos, sondern zu einer Maske aus Zorn und Schmerz geworden, und ihr Haar und ihr Gewand schienen von einem unsichtbaren Sturmwind gepeitscht zu werden. Winterfeld zerrte ihn vollends aus dem Raum und versetzte ihm einen Sto#223;, der ihn in die Arme eines Soldaten taumeln lie#223;. Gleichzeitig begann er mit lauter Stimme Befehle zu erteilen. »T#252;r zu!« rief er. »Und verbarrikadiert sie. Das M#228;dchen darf auf keinen Fall herauskommen!«

»Aber h#246;ren Sie mir doch zu!« schrie Mike verzweifelt. »Sie k#246;nnen sie nicht aufhalten, glauben Sie mir! Nur ich kann es versuchen!« Seine einzige M#246;glichkeit, sich mit Serena zu verst#228;ndigen, war Astaroth gewesen. Jetzt, wo der Kater tot war, mu#223;te er direkt mit ihr in Verbindung treten. Und etwas sagte ihm, da#223; es ihre einzige Chance war, mit dem Leben davonzukommen. Er mu#223;te pl#246;tzlich wieder an das denken, was er von Arronax erfahren hatte - Atlantis war untergegangen, weil seinen Herrschern die F#228;higkeit abhanden gekommen war, ihre unheimlichen Kr#228;fte zu kontrollieren. Aber Winterfeld beachtete ihn nicht. Die T#252;r, die er hinter sich zugeworfen hatte, begann jetzt unter einer Reihe harter Schl#228;ge zu erzittern, und in dem massiven Metall entstanden gewaltige Beulen, als tobe auf der anderen Seite ein au#223;er Rand und Band geratener Elefant. Vier, f#252;nf Soldaten zugleich warfen sich gegen die T#252;r und versuchten sie zuzudr#252;cken, aber nicht einmal das schien auszureichen. »Winterfeld!« schrie Mike, so laut er konnte. »Lassen

Sie mich zu ihr! Vielleicht kann ich sie aufhalten!« Aber Winterfeld sch#252;ttelte nur den Kopf und machte eine befehlende Geste. »Bringen Sie den Jungen zur#252;ck. Und schicken Sie Verst#228;rkung hierher. Die M#228;nner sollen einen Balken oder irgend etwas mitbringen, um die T#252;r zu verst#228;rken!« Mike h#228;tte am liebsten losgeheult. Er versuchte noch einmal, Winterfeld zuzuschreien, da#223; er ihn in die Kabine und zu Serena lassen sollte, aber der Soldat zerrte ihn bereits grob hinter sich her, in Richtung Trep

pe. Weitere Soldaten kamen ihnen entgegen, und schlie#223;

lich stolperte Mike, angetrieben durch eine Reihe un

sanfter St#246;#223;e, auf das Deck der LEOPOLD hinauf.

Was er sah, erschreckte ihn bis ins Mark. Vor einer halben Stunde, als er zur Krankenstation hinuntergebracht worden war, war der Himmel #252;ber dem Schiff wolkenlos und klar gewesen; von jenem fast unnat#252;rlich strahlenden Blau, wie man es nur in diesem Teil der Welt und selbst hier nur selten zu sehen bekommt. Jetzt wirkte diese Farbe verwaschen und bla#223;. Am Horizont begannen sich schwarze Wolken zusammenzuballen, und das Meer wirkte stumpf wie ein Spiegel, den jemand mit Schmirgelpapier bearbeitet hatte. Das Wimmern, das er schon unten im Schiff geh#246;rt hatte, war jetzt viel deutlicher zu vernehmen, und er sp#252;rte ein ganz sachtes Kribbeln auf der Haut, wie vor einem bald ausbrechenden Gewitter. Auch sein Begleiter hatte den pl#246;tzlichen Wetterumschwung bemerkt und hielt mitten im Schritt inne. Ein verbl#252;ffter Ausdruck erschien auf seinem Gesicht, und Mike fa#223;te ein letztes Mal Hoffnung. »Ich mu#223; zur#252;ck!« sagte er. »Bringen Sie mich zur#252;ck zu Winterfeld -bitte! Sehen Sie nicht, was -« »Ich sehe, da#223; ein Gewitter kommt«, unterbrach ihn der Soldat und versetzte ihm einen derben Sto#223; zwischen die Schulterbl#228;tter. »Na und? Und jetzt machkeinen #196;rger, oderichmachedirwelchen.« Mike gab auf. Der Mann konnte gar nicht verstehen, was dieser vermeintliche »Wetterumschwung« zu bedeuten hatte. Es war kein Unwetter; und schon gar kein normales. Aus den dunklen Wolken am Horizont wurden schwarze, gigantische Wolkengebirge, die mit geradezu unheimlicher Schnelligkeit #252;ber den Himmel herankrochen, und noch bevor Mike und sein Begleiter den Achteraufbau des Schiffes erreichten, heulten die ersten Sturmb#246;en #252;ber das Deck der LEO-POLD. Mike sp#252;rte, wie das gewaltige Schiff unter seinen F#252;#223;en zu zittern begann. Das Kribbeln auf seiner Haut wurde st#228;rker. Der Sturm n#228;herte sich dem Schiff mit geradezu unheimlicher Schnelligkeit. Als sie die metallene Treppe hinuntergingen, die zu dem Korridor mit ihren Quartieren f#252;hrte, war das Heulen des Sturmes bereits so laut geworden, da#223; es selbst hier drinnen deutlich zu h#246;ren war. Es wurde rasch dunkler. Ein erster, noch weit entfernter Donnerschlag rollte vom Meer heran, als sie in den Korridor einbogen, und durch die offenstehende T#252;r #252;ber ihnen flackerte das unheimliche blaue Licht eines Blitzes. Das Schiff erbebte, als sich ein neuer, machtvollerer Rhythmus in das gleichm#228;#223;ige Wiegen der Wellen mischte. Der Mann neben ihm wurde pl#246;tzlich nerv#246;s. Trotzdem sparte sich Mike die M#252;he, den Mann noch einmal zu bitten, ihn zu Winterfeld zur#252;ckzubringen. Der Soldat hatte seine Befehle, und die w#252;rde er ausf#252;hren, ganz egal, was geschah. Wortlos betrat er die Kabine, in der die anderen bereits ungeduldig auf ihn warteten, und begann sofort zu berichten, noch bevor der Soldat wieder gegangen war und die T#252;r hinter sich verriegelt hatte.

Blitz und Donner hatten Mikes knappe Erz#228;hlung auf unheimliche Weise untermalt, so da#223; er sich kaum noch M#252;he zu geben brauchte, die anderen von der Wahrheit dessen zu #252;berzeugen, was er berichtete. Selbst Ben, der aus Prinzip allem und jedem widersprach, sah ihn nur voller Schrecken an. Der Sturm war viel schneller heraufgezogen, als es #252;berhaupt m#246;glich war, und obwohl er das Schiff noch nicht erreicht hatte, schaukelte die LEOPOLD schon jetzt auf den Wellen wie ein kleines Boot auf bewegter See, nicht wie das gewaltige Kriegsschiff, die sie war. Wie schon einmal war es auch jetzt Arronax, der das unangenehme Schweigen brach, das sich nach Mikes Erz#228;hlungen in der Kabine ausbreitete. »Winterfeld wird das M#228;dchen nicht ewig in der Krankenstation gefangenhalten k#246;nnen«, sagte er. »Fr#252;her oder sp#228;ter -« »Wenn kein Wunder geschieht, Professor«, unterbrach ihn Mike, »dann wird es keinSp#228;termehr geben.« Er deutete auf das Bullauge, hinter dem die Blitze immer rascher aufeinanderfolgten und das Meer in ein unheimliches, schattenloses Flackerlicht tauchten. In das Heulen des Sturmes, das mittlerweile fast lauter war als das Ger#228;usch der Maschinen, hatte sich noch ein anderer Laut gemischt, den Mike nicht identifizieren konnte. »Ich bin nicht sicher, da#223; Serena selbst diese Gewalten noch b#228;ndigen kann.« Arronax sah zum Bullauge und schwieg, aber Trautman sagte mit ernster Stimme: »Ich habe eine Menge St#252;rme auf See erlebt, aber nie so etwas. Ein Sturm kommt nicht einfach aus dem Nichts. Wir m#252;ssen etwas unternehmen.« »Und was?« fragte Juan. Die Frage galt Trautman, aber es war trotzdem Mike, der sie beantwortete. »Winterfeld warnen. Er hat ja keine Ahnung, welche Gefahr er heraufbeschworen hat. Wenn es Serena nicht gelingt, die Gewalten wieder zu b#228;ndigen, die sie entfesselt hat, dann ist vielleicht nicht nur dieses Schiff in Gefahr.« Er z#246;gerte einige Augenblicke, weil er Angst vor dem hatte, was er aussprechen mu#223;te. »Was wir erleben, sind die gleichen Gewalten, die Atlantis zerst#246;rt haben.« Alle sahen ihn betroffen an, und dann sagte Ben leise: »Und alles nur wegen dieser bl#246;den Katze!« »Es ist nicht nur wegen der Katze«, verbesserte ihn Trautman, w#228;hrend er Mike einen raschen, beruhigenden Blick zuwarf. »Versuch dich doch in das M#228;dchen hineinzuversetzen. Sie wacht in einer vollkommen fremden Welt auf, voller unbekannter Menschen, die eine unverst#228;ndliche Sprache sprechen und Dinge tun, die ihr wahnsinnige Angst machen. Das einzige, was sie kennt, ist der Kater - und dann mu#223; sie mit ansehen, wie er vor ihren Augen erschossen wird. Was h#228;ttest du -« In diesem Moment flammte drau#223;en #252;ber dem Meer ein glei#223;ender, strahlendwei#223;er Blitz auf, fast sofort gefolgt von einem ungeheuerlichen Donnerschlag, und keine halbe Sekunde sp#228;ter schien die LEOPOLD von der Faust eines Giganten getroffen zu werden. Der Schlag war so heftig, da#223; sie alle zu Boden geschleudert wurden. Das Schiff legte sich auf die Seite, so da#223; sie haltlos #252;ber den pl#246;tzlich schr#228;gen Boden rutschten, und in das nur langsam verhallende Echo des Donnerschlages mischte sich ein immer lauter werdendes Krachen und Poltern, das aus allen Teilen der LEOPOLD zugleich zu dringen schien. Mike schrie vor Schmerz auf und h#246;rte die anderen schreien, griff ins Leere und versuchte vergeblich, sich irgendwo festzuklammern. Aber es gab nichts mehr, woran er Halt h#228;tte finden k#246;nnen - was vom Mobilar nicht von der gewaltigen Ersch#252;tterung zertr#252;mmert worden war, das war zusammen mit ihnen gegen die linke Wand der Kabine gerutscht. »Was war das?« keuchte Arronax, der es als erster geschafft hatte, auf die F#252;#223;e zu kommen. Wie zur Antwort darauf ert#246;nte ein zweiter, noch lauterer Donnerschlag. Wieder erbebte das Schiff bis in den letzten Winkel. Arronax st#252;rzte wieder, und als sich das Schiff diesmal auf die andere Seite legte, schlitterte er auf die T#252;r zu. Aus dem Inneren der LEOPOLD antwortete eine krachende Explosion auf den Donnerschlag.

Arronax prallte gegen die T#252;r - und rutschte hindurch! Die gewaltige Ersch#252;tterung mu#223;te das Schlo#223; aufgesprengt haben. Nur Sekunden sp#228;ter schlitterten Mike und die anderen ebenfalls durch die T#252;r. Mike hatte weniger Gl#252;ck als der Professor. Sein Oberk#246;rper wurde unsanft an den T#252;rrahmen gepre#223;t, und er prallte so heftig gegen die Wand des Korridors, da#223; er das Gef#252;hl hatte, die Beine w#228;ren ihm bis zu den Schultern hinauf in den Leib gerammt worden. Neben ihm schlug Singh hart auf den Boden des Korridors auf, und Mike h#246;rte den Aufprall der anderen hinter ihnen und wie sie vor Schmerz aufschrien. Doch das Gl#252;ck blieb ihnen treu. Niemand war verletzt worden und von den beiden Posten, die vor ihrer T#252;r Wache gestanden hatten, war nichts mehr zu sehen. Offensichtlich hatten sie die Flucht ergriffen, als die Katastrophe begann. Singh sprang als erster auf die F#252;#223;e und zerrte Mike mit sich. »Nichts wie raus hier!« befahl er. »An Deck! Schnell! Wir m#252;ssen die NAUTILUS erreichen!« Er wollte loslaufen, doch dann hielt er mitten in der Bewegung inne und fuhr zu Arronax herum. »Wo sind Ihre Leute, Professor?« fragte er atemlos. »In einer Kabine im Heck«, antwortete Arronax. »Nicht weit von hier.« »Holen Sie sie!« befahl Singh. »Schnell! Wir versuchen zur NAUTILUS zu gelangen. Vielleicht k#246;nnen wir in dem Durcheinander entkommen.« Arronax st#252;rmte davon, und jetzt, wo Singhs Worte allen klargemacht hatten, welche unerwartete Chance ihnen das Schicksal bot, gab es kein Halten mehr. So schnell, wie es der noch immer wild hin und her schwankende Boden zulie#223;, rannten sie den Korridor entlang und die Treppe hinauf.

Aus dem Grollen des Gewitters wurde der apokalyptische L#228;rm eines H#246;llensturmes, kaum da#223; sie auf das Deck hinaustraten. Die Blitze flackerten so rasch hintereinander, da#223; der Himmel #252;ber dem Schiff fast taghell erleuchtet war. Ein eiskalter Wind schlug ihnen ins Gesicht und war von solcher St#228;rke, da#223; sie sich nur geb#252;ckt und schr#228;g gegen ihn gestemmt vorw#228;rts bewegen konnten. Vom Heck her flackerte roter Feuerschein, aber Mike wagte es nicht, sich umzuwenden. Er brauchte jedes bi#223;chen Kraft, um nicht von den Beinen gerissen zu werden. Er konnte Singh und die anderen nur noch als Schemen vor sich erkennen. Die Decksaufbauten der LEO-POLD waren hinter dem wie ein Wasserfall herunterbrausenden Regen verborgen, doch er konnte sehen, da#223; die Reling - aber auch einer der Gesch#252;tzt#252;rme des Schiffes -vom Blitz getroffen worden sein mu#223;ten, denn das Metall war an einigen Stellen schwarz und verkohlt, hier und da gl#252;hte es gar noch. Das war wohl auch der Grund f#252;r die Explosion gewesen, die sie geh#246;rt hatten. Singh schrie irgend etwas, aber der Sturm ri#223; ihm die Worte von den Lippen, so da#223; Mike ihn nicht verstehen konnte. Er sah nur, wie er nach vorne deutete. Das Tauchboot befand sich an der anderen Seite der LEOPOLD, so tief unter der hochliegenden Reling des Kriegsschiffes, da#223; sie es von hier aus nicht sehen konnten. Mike sp#252;rte mit unersch#252;tterlicher Sicherheit, da#223; sie nur diese eine einzige Chance hatten. Was immer es war, was der LEOPOLD zustie#223; es begann erst. Hinter der Mauer aus schwarzen Gewitterwolken, die das Schiff von allen Seiten umgab, ballten sich unvorstellbare zerst#246;rerische Gewalten zusammen, die die LEOPOLD einfach zermalmen w#252;rden. »Was ist mit Serena?« br#252;llte er, so laut er konnte.

Seine Worte wurden vom Sturm davongetragen wie die Singhs zuvor, und Mike war pl#246;tzlich nicht einmal mehr sicher, da#223; sie die andere Seite des Schiffes #252;berhaupt erreichen w#252;rden. Das Toben des Sturmes nahm immer mehr an Heftigkeit zu, und hinter der schwarzen Wolkenmauer glaubte Mike nun tats#228;chlich etwas zu sehen, was sich dort zusammenballte und sich dem Schiff n#228;herte. Doch bevor er noch einen zweiten Blick dorthin werfen konnte, prallte er gegen Singh, der abrupt stehengeblieben war. In den Decksaufbauten vor ihnen war eine T#252;r aufgeflogen. Eine Gruppe bewaffneter M#228;nner -und darunter auch Kapit#228;n Winterfeld - st#252;rmte ins Freie. Hinter ihnen trat Serena auf das Deck heraus. Aber wie hatte sie sich ver#228;ndert! Aus dem bleichen, zarten M#228;dchen schien ein Todesengel geworden zu sein. Ihre Gestalt war von einem unheimlichen, bl#228;ulichwei#223; flackernden Licht umgeben, das sie wie ein Mantel aus purer Energie umflo#223;. Ihr Haar und das wei#223;e Kleid wurden noch immer von einem unsichtbaren Sturmwind gepeitscht, und auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck solch unb#228;ndigen Zornes, da#223; Mike bei ihrem Anblick aufst#246;hnte. Er konnte die Aura vernichtender Kraft um das M#228;dchen herum regelrecht f#252;hlen. Die M#228;nner st#252;rmten davon, aber irgend etwas folgte ihnen. Einer nach dem anderen wurden sie gepackt und zu Boden oder gegen die W#228;nde geschleudert, und mehr als einer von ihnen hatte nicht mehr die Kraft, sich zu erheben und seine Flucht fortzusetzen. Es waren kampferprobte Soldaten, aber dieser Feind lie#223; sich nicht mit Mut oder der Kraft ihrer Waffen besiegen. Es war, als h#228;tte Serenas Zorn Gestalt in dem Sturm angenommen, der #252;ber die LEOPOLD und ihre Besatzung hereingebrochen war.

Trotzdem versp#252;rte Mike keine Angst um sich oder die anderen, sondern um Serena selbst. Und pl#246;tzlichtat er etwas #220;berraschendes -mit einer raschen Bewegung sprang er an Singh vorbei, lief im Zickzack zwischen Trautman und den anderen Jungen hindurch und n#228;herte sich dem M#228;dchen. Er kam ihr nicht sehr weit entgegen, da f#252;hlte er sich von der gleichen, unsichtbaren Gewalt wie all diese M#228;nner hier gepackt und mit f#252;rchterlicher Wucht zu Boden geschleudert. Hilflos rutschte er #252;ber das Deck, ri#223; sich auf dem harten Metall H#228;nde und Knie auf und prallte gegen eine Gestalt, die unmittelbar hinter ihm zu Boden gefallen war. Erst als er sich benommen aufzurichten versuchte und eine Hand auf der Schulter f#252;hlte, erkannte er, da#223; es Winterfeld war. »Bist du verr#252;ckt geworden?« fuhr ihn Winterfeld an. »Willst du, da#223; sie dich umbringt?« Mike machte sich hastig los und versuchte erneut, auf Serena zuzulaufen, aber diesmal hielt ihn Winterfeld mit eiserner Hand zur#252;ck. »Lassen Sie mich los!« keuchte Mike. »Ich kann sie aufhalten! Sie wird auf mich h#246;ren!« »F#252;nfzig meiner M#228;nner haben sie nicht aufhalten k#246;nnen!« Winterfeld schrie, um das Heulen des Sturmes zu #252;bert#246;nen. Trotzdem waren seine Worte kaum zu verstehen. »Und du willst mit ihrreden?Mach dich nicht l#228;cherlich!« Aus den tobenden Regenschleiern kam eine Gestalt auf sie zu. Es war Singh. Winterfeld erkannte ihn im selben Moment, in dem der Sikh sah, wer Mike gepackt hielt, und obwohl rings um sie herum die Welt in St#252;cke brach, schienen die beiden M#228;nner wild entschlossen, sich aufeinanderzust#252;rzen. Und vielleicht h#228;tten sie es sogar getan, w#228;re nicht in diesem Moment etwas geschehen, was sie selbst den H#246;llenst#252;rm, die Todesgefahr und Serena f#252;r eine Sekunde vergessen lie#223;. Eine besonders heftige Sturmb#246;e ri#223; die Wolkenfront auseinander, und sie sahen, was dahinter herankam ... »O mein Gott!« fl#252;sterte Winterfeld. Seine Augen wurden gro#223;, und sein Gesicht verlor jegliche Farbe, und Mike sp#252;rte, wie sein Herzschlag stockte. Es war eine Welle. Aber es war nicht eine gew#246;hnliche Welle. Es war eine kompakte, glitzernde Wand aus Wasser, f#252;nfzig, wenn nicht hundert Meter hoch und so breit, da#223; sie von einem Horizont zum anderen zu reichen schien. Und sich n#228;herte sich dem Schiff mit unvorstellbarer Geschwindigkeit. Ein tiefes, ungeheuer machtvolles Dr#246;hnen und Grollen mischte sich in das Br#252;llen des Sturmes, und sogar das Gewitter hielt f#252;r einen Moment inne, als f#252;rchteten sich selbst die Naturgewalten vor den Kr#228;ften, die das M#228;dchen entfesselt hatte. »Festhalten!« br#252;llte Winterfeld, und sie fanden gerade noch Zeit, es zu tun, dann war die Welle heran und traf das Schiff. Mike hatte mit einem vernichtenden Schlag gerechnet, der die LEOPOLD einfach in St#252;cke ri#223; oder vielleicht auch zur G#228;nze unter die Wasseroberfl#228;che dr#252;ckte, aber ganz im Gegenteil: Mike f#252;hlte sich pl#246;tzlich leicht, und es war, als ob der Boden unter ihm wegsackte, statt sich aufzub#228;umen und ihn abzusch#252;tteln wie ein bockendes Pferd seinen Reiter. Erst dann begriff er, da#223; die gigantische Woge das ganze Schiff gepackt und in die H#246;he gehoben hatte! Er fand nicht einmal die Zeit, den Schrecken dar#252;ber wirklich zu sp#252;ren, da st#252;rzte die LEOPOLD wie ein Berg aus Stahl ins Wasser zur#252;ck. F#252;r den Bruchteil einer Sekunde befand sich ihr Deck unter der Wasseroberfl#228;che, aber noch ehe das Meer es #252;bersp#252;len konnte, da wurde das Schiff schon wieder in die H#246;he gerissen und auf die Seite gedr#252;ckt, so schnell und so weit, da#223; aus dem Deck nahezu eine senkrechte Wand wurde. Mike schrie in Todesangst auf, w#228;hrend er auf die Reling zuschlitterte. Rings um ihn herum flogen Tr#252;mmer und schreiende Menschen durch die Luft, und die kochende Wasseroberfl#228;che schien ihm regelrecht entgegenzuspringen. Im allerletzten Moment richtete sich das Schiff wieder auf. Mike rutschte noch ein St#252;ck weiter, prallte gegen irgend etwas Hartes, Gro#223;es, das seinen Sturz endg#252;ltig abbremste, und blieb eine Sekunde mit geschlossenen Augen und wild klopfendem Herzen liegen, fest davon #252;berzeugt, da#223; der Tod nun unausweichlich war. Als er es wagte, die Augen wieder zu #246;ffnen, bot sich ihm ein Anblick des Chaos. Die ungeheure Ersch#252;tterung hatte nicht nur jeden Mann auf dem Deck von den F#252;#223;en gerissen, sondern auch enorme Zerst#246;rungen angerichtet. Die Flammen im Heck der LEOPOLD waren erloschen, doch einer der gro#223;en Gesch#252;tzt#252;rme war abgerissen und verschwunden, und die Kommandobr#252;cke stand pl#246;tzlich schr#228;g da, als w#228;re sie vom Fu#223;tritt eines zornigen Riesen getroffen worden. Etliche der M#228;nner, die zusammen mit Winterfeld nach oben gekommen waren, hatte das Wasser #252;ber Bord gesp#252;lt, viele lagen st#246;hnend am Boden, und einige regten sich nicht mehr. Mike fuhr herum und suchte nach den anderen. Er entdeckte Juan und Chris ganz in der N#228;he, beide schreckensbleich und zitternd aneinandergeklammert, aber offensichtlich unverletzt. Und zu seiner gro#223;en Erleichterung gewahrte er jetzt auch Ben, Andr#233; und schlie#223;lich sogar Trautman, Arronax und den Sikh. Hastig sprang Mike auf und eilte zu Trautman, der sich in diesem Moment ebenfalls erhob; benommen, aber bis auf ein paar kleine Kratzer und Schrammen ebenfalls unversehrt. Als er ihn erreichte, sah er, wie sich Winterfeld kaum einen Meter entfernt st#246;hnend auf die Knie erhob und Trautman etwas v#246;llig#220;berraschendes tat. Er trat zu Winterfeld, ergriff ihn am Arm und zog ihn mit einem kraftvollen Ruck vollends auf die F#252;#223;e. »Gro#223;er Gott!« stammelte Winterfeld. »Sie ... sie vernichtet das Schiff! Sie wird uns alle t#246;ten!« Verzweifelt sah er sich nach Serena um, und als Mike in die gleiche Richtung schaute, entdeckte er das M#228;dchen an genau der Stelle, an der sie vor der Katastrophe gestanden hatte. Der Zorn auf ihrem Gesicht loderte noch immer so hei#223; wie zuvor, und Mike mu#223;te nur einen einzigen Blick in ihre Augen werfen, um zu wissen, da#223; es noch immer nicht vorbei war. Winterfeld hatte recht. Serena w#252;rde nicht aufh#246;ren, ehe dieses Schiff und jede Seele an Bord vernichtet war. »Bringen Sie sich in Sicherheit!« sagte Winterfeld pl#246;tzlich. »Die NAUTILUS ist fahrbereit! Meine Ingenieure haben die Sch#228;den repariert. Nehmen Sie die Jungen und Arronax' Leute an Bord und tauchen Sie! Eine zweite Woge h#228;lt die LEOPOLD nicht aus.« Trautman wirkte nicht #252;berrascht - Mike war sicher, da#223; er genau diesen Vorschlag von Winterfeld erwartet hatte. »Wir werden bleiben, solange wir k#246;nnen«, sagte er. »Die NAUTILUS ist nicht gro#223; genug, um alle Ihre M#228;nner aufzunehmen, aber -« »Ich f#252;rchte, dazu bleibt Ihnen keine Zeit«, sagte Winterfeld leise. »Schauen Sie.« Seine ausgestreckte Hand wies nach Norden, und Mike wu#223;te, was er sehen w#252;rde, noch bevor er sich herumdrehte und ebenfalls dorthin blickte. Am Horizont, noch weit, unendlich weit entfernt, entstand eine d#252;nne, glitzernde Linie, nicht mehr als ein Strich aus unterbrochenem Silber, der sich von dem Schwarz der Gewitterwolken abhob. Aber sie wu#223;ten alle, was es bedeutete. Es war eine zweite, wahrscheinlich noch gigantischere Welle, die das Schiff diesmal unweigerlich zerschmettern mu#223;te. Sie rannten los. Als sie die Reling erreichten, war aus dem d#252;nnen Strich am Horizont eine fingerbreite Linie geworden, und Mike glaubte bereits wieder jenes unheimliche Grollen und Rumoren zu h#246;ren, das das Nahen der Riesenwoge ank#252;ndigte. Die NAUTILUS lag unter ihnen. Zwei der vier armstarken Seile, mit denen sie an der LEOPOLD vert#228;ut war, waren gerissen, aber das Schiff wies zumindest #228;u#223;erlich keine Besch#228;digungen auf, und selbst die Strickleiter, die von der Reling zum Turm des Tauchbootes hinunterf#252;hrte, war noch da. Juan und Ben stiegen unverz#252;glich hinab, w#228;hrend Singh Chris auf die Arme nahm und wartete, bis er an der Reihe war. Es w#252;rde knapp werden. Selbst wenn die Maschinen der NAUTILUS wieder tadellos funktionierten, wu#223;te Mike, da#223; sie eine, wenn nicht zwei Minuten brauchen w#252;rden, um das Schiff zu tauchen, und er war nicht sicher, da#223; ihnen noch so viel Zeit blieb. Trotzdem versuchte er ein letztes Mal, Trautman zu #252;berzeugen. »Wir k#246;nnen Serena nicht einfach hierlassen!« flehte er. »Sie wird sterben!« »Das wird sie«, antwortete Trautman ernst. »Aber es gibt nichts, was du f#252;r sie tun k#246;nntest. Sie w#252;rde auch dich t#246;ten, wenn du es versuchtest.« Mike wu#223;te, da#223; genau das geschehen w#252;rde, sollte er Serena auch nur in die N#228;he kommen. Der Tod des Katers hatte das M#228;dchen offenbar um den Verstand gebracht. Sie war so rasend vor Zorn, da#223; sie keinen Unterschied mehr zwischen Freund und Feind machte, und vielleicht konnte sie das auch gar nicht mehr. M#246;glicherweise, dachte Mike schaudernd, hatten sie alle das WortW#228;chterfalsch verstanden, und Astaroths Aufgabe war es gar nicht gewesen, Serena vor der Welt zu sch#252;tzen, sondern die Welt vorSerena.Aber diese Erkenntnis kam etwas zu sp#228;t. Juan und Ben hatten die NAUTILUS erreicht und verschwanden bereits in der Turmluke, und als n#228;chster machte sich Singh auf die kurze, aber lebensgef#228;hrliche Kletterpartie. Mike sah rasch nach Norden. Die Wasserwand war n#228;her gekommen, und was bisher nur ein Verdacht gewesen war, wurde jetzt zur Gewi#223;heit: siewarum vieles gr#246;#223;er als die erste Woge. »Das ist das Ende«, fl#252;sterte Trautman. »Hoffentlich schaffen es Arronax und seine Leute.« Er deutete auf die Strickleiter, und Mike streckte gehorsam die H#228;nde nach der Reling aus, um sich dar#252;berzuschwingen. Als er das Metall ber#252;hrte, scho#223; ein grausamer Schmerz durch seine Seite. Mike kr#252;mmte sich. F#252;r eine Sekunde sah er nichts als Rot und Flammen. Es war, als h#228;tte ein wei#223;gl#252;hender Speer seine H#252;fte getroffen, und der Schmerz war so entsetzlich, da#223; er nicht einmal schreien konnte; schlimmer als alles, was er jemals zuvor gesp#252;rt hatte. Wimmernd sank er auf die Knie und blickte an sich herab, #252;berzeugt, eine grauenhafte Wunde zu sehen, die er sich bei seinem Sturz zugezogen und bis jetzt noch gar nicht bemerkt hatte. Aber er war v#246;llig unversehrt. »Was ist mit dir?« fragte Trautman erschrocken. »Hast du dich verletzt?« Mike h#246;rte die Worte kaum. Er bekam noch immer keine Luft, und sp#252;rte, wie er das Bewu#223;tsein zu verlieren begann. Alles drehte sich um ihn. Er f#252;hlte eine Pein wie nie zuvor im Leben, einen Schmerz, der ...

nicht sein eigener war.

Im gleichen Moment, in dem er dies begriff, erlosch die Qual. Mike fand sich ersch#246;pft und nach Luft ringend am Boden sitzen, einen vollkommen fassungslosen Trautman #252;ber sich stehen, der auf ihn einredete. Doch Mike h#246;rte nicht zu, denn ganz pl#246;tzlich wu#223;te er nicht nur, woher dieser Schmerz gekommen war, sondern auch, was er bedeutete ... So schnell, da#223; Trautman nicht dazu kam, eine Bewegung zu machen, um ihn aufzuhalten, sprang Mike in die H#246;he und rannte mit Riesens#228;tzen auf die T#252;r zu, hinter der die Treppe zur Krankenstation lag ...

Wenn er geglaubt hatte, oben an Deck Bilder vollkommener Zerst#246;rung erblickt zu haben, so war dies falsch gewesen. Die restlose Verheerung begann erst hier unten. Die metallenen W#228;nde, die Decke, ja selbst der Fu#223;boden waren verbogen und zerbeult und zermalmt, wie von Hammerschl#228;gen tobs#252;chtiger Riesen getroffen. T#252;ren waren aus den Angeln gerissen und meterweit durch die Luft geschleudert worden, und auch die Einrichtungen der Kabinen, an denen er vorbeikam, waren v#246;llig zerst#246;rt. Hier undda lag eine Waffe, die einer der Soldaten auf seiner Flucht fallengelassen hatte. #220;berall in den W#228;nden g#228;hnten gro#223;e, ausgezackte L#246;cher, und aus manchen ragten die Reste zerborstener Wasserleitungen oder -tanks, die Serena mit ihren unheimlichen Kr#228;ften zur Explosion gebracht hatte. Aber Mike beachtete all dies kaum, sondern rannte weiter, so schnell er nur konnte. Seine Logik sagte ihm, da#223; er praktisch keine Chance mehr hatte. Was er oben gesehen hatte, war, als w#228;re das Meer selbst aufgestanden, um die winzigen Wesen abzusch#252;tteln, die sich einbildeten, es zu beherrschen. Taumelnd und nach Atem ringend, erreichte er die Krankenstation -oder das, was davon #252;brig war. Winterfelds M#228;nner hatte die T#252;r verbarrikadiert, ganz wie es ihnen der Kapit#228;n befohlen hatte, aber es hatte nichts genutzt. Die T#252;r war nicht aufgebrochen - sie war einfach -verschwunden,und mit ihr der allergr#246;#223;te Teil der Wand, in die sie eingelassen gewesen war. Der Raum dahinter sah aus, als w#228;re gleich ein ganzes Dutzend Bomben darin explodiert. Von der Einrichtung war im wahrsten Sinne des Wortes nichts #252;briggeblieben. Mikes Mut sank, als er sah, da#223; Serenas au#223;er Kontrolle geratenen Kr#228;fte das Mobiliar regelrecht in Kleinholz verwandelt hatten. Dann h#246;rte er das Miauen. Es war ein kl#228;glicher, d#252;nner Ton, der im Br#252;llen des Orkans beinahe unterging, aber Mike h#246;rte ihn trotzdem ganz deutlich. Mit wilden Blicken sah er sich um

- und entdeckte den Kater in einem Winkel des Raumes, wo er halb begraben unter verbogenen Tr#252;mmerst#252;cken lag. »Astaroth!« schrie er. »Gott sei Dank, du lebst!«

Aber nicht mehr lange, wenn du weiter da rumstehst und Maulaffen feilh#228;ltst,antwortete die lautlose Stimme des Katers in seinen Gedanken.Wieso hat das so lange gedauert?

Mike antwortete nicht, sondern war mit einem Satz bei dem schwarzen Tier und hob es vorsichtig auf die Arme. Astaroth wimmerte vor Schmerz, und Mike fuhr erschrocken zusammen, als er sah, wie schwer er verletzt war. Die Kugel hatte seine H#252;fte durchbohrt und eine Wunde hinterlassen, an der ein Mensch wahrscheinlich gestorben w#228;re. Ganz bestimmt sogar, verbesserte sich Mike in Gedanken, schlie#223;lich hatte er den furchtbaren Schmerz des Katers gesp#252;rt. »Du armer Kerl«, sagte er. »Es tut mir -«K#252;mmere dich jetzt nicht um mich,unterbrach ihn der Kater.Wo ist die Prinzessin?»Oben an Deck«, antwortete Mike. »Sie zerst#246;rt das ganze Schiff. Winterfelds M#228;nner haben versucht, sie aufzuhalten, aber es ist

ihnen nicht gelungen.«Sie aufzuhalten?erwiderte Astaroth.Ich w#252;#223;te keine Macht auf dieser Welt, diedas k#246;nnte. Sie wird noch sehr viel mehr zerst#246;ren als nur dieses Schiff. Bring mich nach oben, rasch!

Mike sparte sich jede weitere Frage. Er rannte, wie er nie zuvor in seinem Leben gerannt war, durch den zerst#246;rten Korridor zur#252;ck zur Treppe, wobei er den Kater wie ein krankes Kind an sich pre#223;te. Astaroth wimmerte manchmal leise, ertrug die grobe Behandlung aber ansonsten, ohne sich zu wehren, und auch seine Gedankenstimme schwieg. Das Schiff tanzte so ungest#252;m auf den Wellen, da#223; Mike gro#223;e M#252;he hatte, die Treppe hinaufzukommen. Mehr stolpernd als gehend wankte er auf das Deck hinaus, fiel nur wenige Schritte hinter Serena auf die Knie und warf einen Blick nach Norden. Die Welle war fast heran. Hatte er sie vorher mit einer Wand aus Wasser verglichen, so schien das, was sich jetzt der LEOPOLD n#228;herte, ein massives Gebirge zu sein. Millionen und aber Millionen Tonnen von Wasser, die sich br#252;llend und schaumgekr#246;nt auf das Schiff zuw#228;lzten. Winterfeld und seine M#228;nner waren in heller Panik zur gegen#252;berliegenden Reling zur#252;ckgewichen. Einige machten gerade Anstalten, ins Wasser zu springen, w#228;hrend andere sich zusammengekauert hatten und die Arme #252;ber dem Kopf zusammenschlugen. Pl#246;tzlich wu#223;te Mike, da#223; auch die NAUTILUS der Vernichtung nicht mehr entgehen konnte, ob unter Wasser oder nicht. Nichts konnte diesen Gewalten widerstehen.

»Serena, nicht!«schrie Mike verzweifelt. Er versuchte aufzustehen, glitt auf dem nassen Metall wieder aus und fiel der L#228;nge nach hin. Der Kater st#252;rzte schwer auf das Deck und stie#223; einen winselnden Laut aus. Serena fuhr herum und starrte Mike aus brennenden Augen an. Er sp#252;rte, wie hinter diesen Augen etwas erwachte, eine Gewalt, die noch m#228;chtiger und gnadenloser war als die unsichtbaren M#228;chte, die dem Meer befahlen und die sich #252;ber ihnen zusammenballten, um sie zu zerschmettern. »Serena, nicht!« keuchte Mike. »Bitte h#246;r auf! Astaroth lebt! Sieh doch! Der Kater ist am Leben!« Aus den Augenwinkeln sah er, wie die Woge heranraste. Ihr Br#252;llen #252;bert#246;nte seine Worte und jeden anderen L#228;rm. Die Wasserwand war vielleicht noch eine Meile vom Schiff entfernt, dann eine halbe, eine viertel. Der Ozean selbst schien nach oben zu kippen, und gleich w#252;rde er das Schiff erreichen und einfach zermalmen. Wo gerade noch der Himmel gewesen war, war pl#246;tzlich schimmerndes, kochendes Wasser. Mike ri#223; in einer vollkommen sinnlosen Bewegung die Arme #252;ber den Kopf, kr#252;mmte sich und die Wasserwand brach in sich zusammen. Mit einem Tosen und Krachen wie von hundert Wasserf#228;llen, die gleichzeitig eine kilometerhohe Felsklippe herunterst#252;rzten, brach das Wassergebirge auseinander, noch immer entsetzlich nahe bei der LEOPOLD, aber nicht mehr #252;ber ihr. Wie beim ersten Mal wurde das Schiff in die H#246;he gehoben und ein St#252;ck davon getragen, aber diesmal setzte die Woge es beinahe sanft wieder ab. Die Ersch#252;tterung reichte trotzdem, jedermann an Deck von den F#252;#223;en zu rei#223;en, und f#252;r einen Moment war Mike blind und rang keuchend nach Luft, als eisige Gischt das Schiff #252;bersp#252;lte. Aber es war nur mehr eine normale Woge, die keinen wirklichen Schaden mehr anrichtete. Die LEOPOLD tanzte noch immer auf dem Wasser wie ein Korken, nicht wie ein Schlachtschiff, das Zehntausende von Tonnen wog. Aber die eigentliche Gefahr war vor#252;ber. Das unheimliche Feuer in Serenas Augen war erloschen. Sie sa#223; auf dem Boden, den Kater auf dem Scho#223;, der sich trotz seiner Verletzung zu ihr hingeschleppt hatte, und ihre Augen waren nun wieder so glanzlos und stumpf wie zuvor. Ihre rechte Hand lag zwischen den Ohren des Katers und kraulte langsam sein Fell. Aber die Gefahr war vorbei. Der D#228;mon, der in Serena erwacht war, hatte sich wieder zur#252;ckgezogen. Und ganz pl#246;tzlich begriff Mike, da#223; seine Vermutung richtig gewesen war: Der Kater sch#252;tzte nicht das M#228;dchen vor der Welt. Sondern die Welt vor dem M#228;dchen.

Das hat verdammt lange gedauert, bis du das kapiert hast,sagte Astaroth. Seine Gedankenstimme klang schon wieder ein wenig sp#246;ttisch. Offensichtlich erholte er sich genauso schnell wieder von seiner Verwundung wie das erste Mal. Mike kam nicht dazu, ihm zu antworten, denn er gewahrte pl#246;tzlich aus den Augenwinkeln heraus eine Bewegung, und als er aufsah, blickte er direkt in Winterfelds Gesicht. Hinter ihm kamen Trautman und Arronax heran, beide begleitet von Winterfelds Soldaten. Aber auf den Gesichtern dieser M#228;nner war keine Feindseligkeit mehr zu lesen. Nur eine Furcht, die vielleicht nie wieder v#246;llig daraus weichen w#252;rde. »Du hast es geschafft«, sagte Winterfeld. Er sah Mike an, dann den Kater und schlie#223;lich das M#228;dchen. »Du hast uns allen das Leben gerettet!« »Das war nicht ich«, antwortete Mike. »Bedanken Sie sich bei ihm.« Er deutete auf Astaroth. Winterfelds Blick folgte seiner Geste, aber er wirkte nicht #252;berrascht, sondern zutiefst ersch#252;ttert. »Und was haben Sie jetzt vor?« fragte Arronax. Winterfeld drehte sich zu Arronax und Trautman herum. Er deutete auf die NAUTILUS, die neben dem Schiff auf dem Meer trieb. »Gehen Sie«, sagte er. »Nehmen Sie Ihre Leute und die Jungen, und fahren Sie nach Hause.« »Sie lassen uns gehen?« fragte Trautman. Seine Stimme klang erleichtert aber auch ein wenig mi#223;trauisch. »Ja«, best#228;tigte Winterfeld. Dann wandte er sich an Mike. »Bitte geh«, sagte er noch einmal. »Bring das M#228;dchen zur#252;ck. Ich lasse Arronax die Unterlagen zur#252;ckgeben. Vielleicht findet ihr einen Ort, an dem Serena sicher vor der Welt ist.«Und die Welt vor ihr,f#252;gte sein Blick hinzu. Er sprach es nicht aus, aber Mike las die Worte deutlich in seinen Augen. Er hatte niemals zuvor einen Menschen gesehen, der so tief ersch#252;ttert gewesen w#228;re wie Winterfeld in diesem Moment.Wird sie ... ruhig bleiben?fragte er lautlos, und Astaroth antwortete auf demselben, lautlosen Weg:Solange ich bei ihr bin, ja.

»Sie lassen uns wirklich gehen?« vergewisserte sich Trautman. »Das ist keine Finte?« »Ich gebe Ihnen zweiundsiebzig Stunden«, antwortete Winterfeld. »Das sollte reichen, Arronax und seine Mannschaft an Land zu bringen und zu verschwinden. Zweiundsiebzig Stunden, Trautman, keine weniger, aber auch keine mehr.« Er deutete auf Mike. »Dieser Junge da hat mir und jedem Mann an Bord dieses Schiffes das Leben gerettet. Daf#252;r lasse ich euch laufen. Aber danach sind wir quitt. Wenn wir uns das n#228;chste Mal sehen, sind wir Feinde.«

»Es wird kein n#228;chstes Mal geben«, sagte Trautman leise. Winterfeld schwieg, und auch Mike wu#223;te, da#223; er sich irrte. W#228;hrend er aufstand und Serena behutsam bei der Hand ergriff, um sie #252;ber das Deck der LEOPOLD dorthin zu f#252;hren, wo die NAUTILUS darauf wartete, Serena in ihre kalte, dunkle Heimat unter den Meeren zur#252;ckzubringen, wu#223;te er, da#223; sie sich wiedersehen w#252;rden. Vielleicht nicht hier, und vielleicht nicht auf eine Weise, die sie sich jetzt schon vorstellen konnten, und vielleicht sogar an einem Ort, von dem sie keine Ahnung hatten, da#223; er existierte, aber sie w#252;rden sich wiedersehen.

Wolfgang Hohlbein,geboren in Weimar, lebt heute mit seiner Familie in der N#228;he von D#252;sseldorf. F#252;r sein Erstlingswerk »M#228;rchenmond«, ein phantastischer Roman, den er gemeinsam mit seiner Frau Heike schrieb, erhielt er 1982 den ersten Preis des vom Verlag Ueberreuter veranstalteten Wettbewerbs zum Thema Science Fiction und Phantasie. Au#223;erdem erhielt dieser Titel 1983 den »Phantasie-Preis der Stadt Wetzlar« und den »Preis der Leseratten«.

Von Wolfgang und Heike Hohlbein

erschienen:

M#228;rchenmond M#228;rchenmonds Kinder Elfentanz Midgard Drachenfeuer Der Greif Spiegelzeit Unterland

Ein sonderbares Licht l#228;#223;t Mike und seine Freunde mit der Nautilus tief unter die Meeresoberfl#228;che tauchen. Sie entdecken einemetalleneKuppel, in der ein schlafendes M#228;dchen liegt, bewacht von einemschwarzen Kater. Ist sie die einzige #220;berlebende des sagenumwobenen Volkes von Atlantis? Bevor Mike und seine Freunde dieses R#228;tsel l#246;sen k#246;nnen, m#252;ssen sie noch viele gef#228;hrliche Abenteuer bestehen.