"Harry Potter und die Heiligtümer des Todes" - читать интересную книгу автора (Роулинг Джоан)Erbteil des fluches, hässlicher sünde blutige wunde, schmerzen, wer trüge sie? quälen, wer stillte sie? wehe weh! Einzig der erbe heilet des hauses eiternde wunde, einzig mit blut'gem schnitt. götter der finsternis rief mein lied. Sel'ge geister drunten in der tiefe, wenn ihr die beschwörungsrufe hörtet, bringt den kindern hilfe, bringt den sieg. Aischylos, Sterben ist nur ein Uebergang aus dieser Welt in die andere, als wenn Freunde über See gehen, welche dennoch in einander fortleben. Denn Diejenigen, die im Allgegenwärtigen lieben und leben, müssen nothwendig einander gegenwärtig seyn. In diesem göttlichen Spiegel sehen sie sich von Angesicht zu Angesicht, und ihr Umgang ist so wohl frey als rein. Und wenn sie auch durch den Tod getrennt werden, so haben sie doch den Trost, daß ihre Freundschaft und Gesellschaft ihnen, dem besten Gefühle nach, beständig gegenwärtig bleibt, weil diese unsterblich ist. William Penn, Die Rache des KoboldsHarry verließ das Zelt früh am nächsten Morgen, noch bevor die beiden anderen wach waren, und suchte in den Wäldern um sie herum nach dem ältesten, knorrigsten und am unverwüstlichsten aussehenden Baum, den er finden konnte. Dort in seinem Schatten begrub er Mad-Eye Moodys Auge und kennzeichnete die Stelle mit einem kleinen Kreuz, das er mit seinem Zauberstab in die Rinde ritzte. Es war keine große Sache, aber Harry hatte das Gefühl, dass es Mad-Eye um einiges lieber gewesen wäre, als in Dolores Umbridges Tür zu stecken. Dann kehrte er zum Zelt zurück und wartete, bis die anderen aufwachten, um zu besprechen, was sie als Nächstes tun würden. Harry und Hermine hielten es für das Beste, nicht allzu lange an einem Ort zu bleiben, und Ron stimmte ihnen zu, unter der einzigen Bedingung, dass sie beim nächsten Mal in der Nähe eines Schinkensandwichs landen sollten. Und so hob Hermine die Zauber auf, die sie im Umkreis der Lichtung errichtet hatte, während Harry und Ron alle Spuren und Vertiefungen auf dem Boden verwischten, die darauf hinweisen konnten, dass sie hier ihr Lager aufgeschlagen hatten. Dann disapparierten sie an den Rand eines kleinen Marktfleckens. Als sie das Zelt im Schutz eines niedrigen Wäldchens aufgestellt und es mit neuen Verteidigungszaubern umgeben hatten, machte sich Harry unter dem Schutz des Tarnumhangs auf die Suche nach etwas Essbarem. Doch es kam anders als geplant. Kaum hatte er die Stadt betreten, wurde es unnatürlich kalt, ein drückender Nebel kam auf, und der Himmel verdunkelte sich, so dass Harry wie erstarrt stehen blieb. »Aber du kriegst doch einen wunderbaren Patronus hin!«, sagte Ron entrüstet, als Harry atemlos und mit leeren Händen zum Zelt zurückkehrte und nur das Wort »Dementoren« hauchte. »Ich hab ... keinen zustande gebracht«, keuchte er und drückte mit der Hand auf seine stechende Seite. »Ist einfach nicht ... gekommen.« Die beiden sahen so verwundert und enttäuscht drein, dass Harry sich schämte. Es war ein wahrer Alptraum gewesen, als er die Dementoren in der Ferne aus dem Nebel gleiten sah und ihm klar wurde, dass er sich nicht schützen konnte, während die lähmende Kälte ihm die Lungen zuschnürte und ein Schrei von weit her an seine Ohren drang. Es hatte Harrys ganze Willenskraft gekostet, sich von der Stelle loszureißen und fortzurennen und die augenlosen Dementoren zurückzulassen, die zwischen den Muggeln dahinglitten, die sie vielleicht nicht sehen konnten, aber ganz sicher die Verzweiflung spürten, die sie überall verbreiteten, wo sie auch waren. »Das heißt, es gibt immer noch nichts zu essen.« »Sei still, Ron«, fauchte Hermine. »Harry, was ist passiert? Warum, glaubst du, hast du deinen Patronus nicht zustande gebracht? Gestern hast du es tadellos geschafft!« »Ich weiß nicht.« Er saß tief in einem von Perkins' alten Sesseln und fühlte sich mehr und mehr gedemütigt. Er hatte Angst, dass irgendetwas in seinem Inneren zerbrochen war. Gestern schien lange her zu sein: Heute hätte er wieder jener Dreizehnjährige sein können, der als Einziger im Hogwarts-Express zusammengeklappt war. Ron trat gegen ein Stuhlbein. »Was ist?«, knurrte er Hermine an. »Ich bin am Verhungern! Seit ich fast verblutet bin, hab ich nichts als ein paar Giftpilze gegessen! « »Dann geh du doch und schlag dich mit den Dementoren rum«, sagte Harry gereizt. »Würde ich ja, aber ich hab einen Arm in der Schlinge, falls dir das noch nicht aufgefallen ist!« »Wie praktisch.« »Und was willst du damit -?« »Natürlich!«, rief Hermine und schlug sich mit der Hand an die Stirn, worauf beide überrascht verstummten. »Harry, gib mir das Medaillon! Los!«, sagte sie ungeduldig und schnippte mit den Fingern, als er nicht reagierte, »der Horkrux, Harry, du hast ihn immer noch um!« Sie streckte die Hände aus und Harry zog sich die goldene Kette über den Kopf. Sobald das Medaillon nicht mehr auf seiner Haut lag, fühlte er sich frei und seltsam leicht. Er hatte nicht einmal bemerkt, dass er klamm war oder dass ihm etwas Schweres auf dem Magen lastete, bis beide Gefühle verflogen waren. »Besser?«, fragte Hermine. »Ja, und wie!« »Harry«, sagte sie, kauerte sich vor ihm nieder und sprach mit einer Stimme, die für Harry klang, als würde sie einen Schwerkranken besuchen, »könnte es nicht vielleicht sein, dass es von dir Besitz ergriffen hat?« »Was? Nein!«, sagte er abwehrend. »Ich erinnere mich an alles, was wir gemacht haben, während ich es umhatte. Wenn es von mir Besitz ergriffen hätte, dann wüsste ich nicht mehr, was ich gemacht hab, oder? Ginny hat mir erzählt, dass sie sich damals zeitweise an gar nichts mehr erinnern konnte.« »Hm«, sagte Hermine und blickte auf das schwere Medaillon hinunter. »Nun, vielleicht sollten wir es nicht tragen. Wir können es doch einfach im Zelt aufbewahren.« »Wir lassen diesen Horkrux nicht irgendwo herumliegen«, stellte Harry entschieden fest. »Wenn wir ihn verlieren, wenn er gestohlen wird – « »Oh, schon gut, schon gut«, sagte Hermine, hängte sich das Medaillon um den Hals und steckte es vorne unter ihr T-Shirt. »Aber wir wechseln uns ab, damit es keiner zu lange trägt.« »Großartig«, sagte Ron säuerlich, »und jetzt, wo das geklärt ist, können wir uns bitte was zu essen besorgen?« »Gut, aber dafür gehen wir erst mal woandershin«, sagte Hermine mit einem kurzen Blick auf Harry. »Es ist sinnlos, hierzubleiben, wenn wir wissen, dass überall Dementoren rumschwirren.« Schließlich bauten sie ihr Nachtlager in einem weit abgelegenen Feld auf, das zu einem einsamen Bauernhof gehörte, wo sie sich Eier und Brot hatten beschaffen können. »Das ist kein Diebstahl, oder?«, fragte Hermine mit besorgter Stimme, während sie Rühreier auf Toast verschlangen. »Wo ich doch ein wenig Geld unter dem Hühnerverschlag gelassen hab?« Ron verdrehte die Augen und sagte mit dicken Backen: »Er-mie-nee, du mascht dir tschu viel Schorgen. Entschpann disch!« Und tatsächlich, mit angenehm gefülltem Bauch konnten sie sich viel leichter entspannen: Der Streit wegen der Dementoren war an diesem Abend über ihrem Gelächter bald vergessen, und Harry war vergnügt, ja sogar hoffnungsvoll, als er die erste der drei Nachtwachen antrat. Hier machten sie zum ersten Mal die Erfahrung, dass ein voller Magen gute Laune brachte; ein leerer eher Streit und gedrückte Stimmung. Harry überraschte das am wenigsten, denn er hatte bei den Dursleys Zeiten durchgemacht, in denen er fast verhungert war. Hermine hielt sich ziemlich tapfer an jenen Abenden, an denen sie außer Beeren und trockenen Keksen nichts hatten auftreiben können, nur platzte ihr vielleicht etwas schneller als sonst der Kragen, und ihr Schweigen wirkte ein wenig mürrisch. Ron jedoch war von jeher an drei köstliche Mahlzeiten am Tag gewöhnt gewesen, freundlicherweise von seiner Mutter oder den Hauselfen von Hogwarts zubereitet, und der Hunger machte ihn sowohl unvernünftig als auch jähzornig. Immer wenn Ron an der Reihe war, den Horkrux zu tragen, und es zugleich wenig zu essen gab, wurde er ausgesprochen unwirsch. »Und wohin jetzt?«, wiederholte er dann andauernd. Er selbst schien keine Ideen zu haben, erwartete jedoch von Harry und Hermine, dass sie mit Plänen daherkamen, während er dasaß und schmollte, weil es nicht genug zu essen gab. Also überlegten Harry und Hermine stundenlang erfolglos, wo sie weitere Horkruxe finden und wie sie den einen, den sie schon hatten, zerstören könnten, doch weil sie nichts Neues herausgefunden hatten, drehten sich ihre Gespräche allmählich im Kreis. Da Dumbledore Harry gegenüber die Vermutung geäußert hatte, dass Voldemort die Horkruxe an Orten aufbewahrt hatte, die ihm wichtig waren, zählten sie wie in einer eintönigen Litanei immer wieder jene Orte auf, von denen sie wussten, dass Voldemort dort gelebt oder sie besucht hatte. Das Waisenhaus, wo er geboren und aufgezogen worden war, Hogwarts, wo er ausgebildet worden war, »Jaah, lasst uns nach Albanien gehen. Wird uns bestimmt nicht mehr als einen Nachmittag kosten, ein ganzes Land abzusuchen«, bemerkte Ron sarkastisch. »Dort kann nichts sein. Er hatte schon fünf von seinen Horkruxen gemacht, bevor er ins Exil ging, und Dumbledore war überzeugt davon, dass die Schlange der sechste ist«, sagte Hermine. »Wir wissen, dass die Schlange nicht in Albanien ist, sie ist normalerweise bei Vol-« »Na schön! Die Schlange ist normalerweise bei zufrieden?« »Es geht. « »Ich kann mir nicht vorstellen, dass er etwas bei Ron gähnte übertrieben. Harry unterdrückte das heftige Verlangen, ihm etwas an den Kopf zu werfen, und redete unverdrossen weiter: »Ich glaube immer noch, dass er etwas in Hogwarts versteckt haben könnte.« Hermine seufzte. »Aber Dumbledore hätte es gefunden, Harry!« Harry wiederholte die Begründung, die er immer für seine Theorie parat hatte. »Dumbledore hat zu mir selbst gesagt, dass er niemals angenommen hätte, alle Geheimnisse von Hogwarts zu kennen. Ich sag dir, wenn es einen Ort gab, der für Vol-« »Hey!« »Dann eben DU-WEISST-SCHON-WER!«, rief Harry, zur Weißglut getrieben. »Wenn es einen Ort gab, der für Du-weißt-schon-wen wirklich wichtig war, dann war es Hogwarts!« »Ach, komm schon«, spottete Ron. »Seine »Jawohl, seine Schule! Sie war sein erstes richtiges Zuhause, der Ort, wo sich zeigte, dass er etwas Besonderes war, sie bedeutete alles für ihn, und selbst als er wegging -« »Wir reden hier von Du-weißt-schon-wem, oder? Nicht von dir?«, wollte Ron wissen. Er zupfte an der Kette des Horkruxes um seinen Hals; Harry verspürte den Wunsch, sie zu packen und Ron damit zu würgen. »Du hast uns erzählt, dass Du-weißt-schon-wer nach seinem Abgang von der Schule Dumbledore aufgefordert hat, ihm eine Stelle zu verschaffen«, sagte Hermine. »Das stimmt.« »Und Dumbledore dachte, dass er nur zurückkehren wollte, weil er auf der Suche nach etwas war, vielleicht nach einem weiteren Gegenstand von den Gründern, um daraus einen weiteren Horkrux zu machen?« »Ja«, sagte Harry. »Aber er hat keine Stelle gekriegt, oder?«, sagte Hermine. »Also hatte er nie die Gelegenheit, in der Schule einen Gegenstand der Gründer zu finden und ihn dort zu verstecken!« »Na von mir aus«, sagte Harry resigniert. »Vergesst Hogwarts.« Mangels anderer Anhaltspunkte reisten sie nach London und suchten, verborgen unter dem Tarnumhang, nach dem Waisenhaus, in dem Voldemort aufgewachsen war. Hermine schlich in eine Bibliothek und fand in alten Aufzeichnungen heraus, dass das Haus schon vor vielen Jahren abgerissen worden war. Sie suchten den Ort auf, wo es gestanden hatte, und stießen dort auf einen Büroturm. »Wie wär's, wenn wir im Fundament graben?«, schlug Hermine halbherzig vor. »Hier hat er den Horkrux sicher nicht versteckt«, sagte Harry. Es war ihm schon die ganze Zeit klar gewesen: Voldemort hatte unbedingt dem Waisenhaus entkommen wollen, er hätte niemals einen Teil seiner Seele dort versteckt. Dumbledore hatte Harry gezeigt, dass für Voldemort nur Verstecke in Frage kamen, die Erhabenheit oder geheimnisvolle Ausstrahlung besaßen; diese trostlose, düstere Ecke Londons hatte rein gar nichts von Hogwarts an sich, auch nichts vom Ministerium oder von einem Gebäude wie Gringotts, der Zaubererbank, mit ihren goldenen Türen und Marmorböden. Auch ohne neue Ideen zogen sie weiter durchs Land und sie stellten das Zelt zur Sicherheit jeden Abend woanders auf. Morgens verwischten sie gründlich jede Spur ihrer Anwesenheit und machten sich dann erneut auf die Suche nach einem einsamen und abgeschiedenen Ort, apparierten in andere Wälder, in schattige Felsspalten, in von violettem Gras bewachsene Moore, auf Berghänge, die von Stechginster überwuchert waren, und einmal in eine geschützte kleine Bucht mit Kieselsteinen. Ungefähr alle zwölf Stunden gaben sie den Horkrux untereinander weiter, als ob sie auf verquere Weise und in Zeitlupe »Taler, Taler, du musst wandern« spielen würden, wobei jeder sich davor fürchtete, den Taler zu bekommen, weil man als Preis zwölf Stunden lang in größerer Angst und Sorge zu leben hatte. Harrys Narbe kribbelte immer wieder. Ihm fiel auf, dass es meistens geschah, wenn er den Horkrux trug. Manchmal fuhr er bei dem Schmerz unwillkürlich zusammen. »Was ist? Was hast du gesehen?«, fragte Ron, wenn er merkte, dass Harry zuckte. »Ein Gesicht«, murmelte Harry dann jedes Mal. »Wieder dieses Gesicht. Von dem Dieb, der Gregorowitsch bestohlen hat.« Und Ron wandte sich ab und bemühte sich nicht, seine Enttäuschung zu verbergen. Harry wusste, dass Ron auf Neuigkeiten von seiner Familie hoffte oder von den anderen Mitgliedern des Phönixordens, doch er, Harry, war schließlich keine Fernsehantenne; er konnte nur sehen, was Voldemort zu einem bestimmten Zeitpunkt dachte, und sich nicht einfach irgendwo reinschalten, wo er es gerade spannend fand. Offenbar machte sich Voldemort endlos Gedanken über den unbekannten jungen Mann mit dem fröhlichen Gesicht, dessen Namen und Aufenthaltsort er mit Sicherheit genauso wenig kannte wie Harry selbst. Obwohl Harrys Narbe weiterhin brannte und der heitere blonde Junge quälend durch seine Erinnerungen trieb, gewöhnte Harry es sich an, jedes Anzeichen von Schmerz oder Unbehagen zu unterdrücken, denn die beiden anderen reagierten nur noch unwirsch, wenn er den Dieb erwähnte. Er konnte es ihnen nicht ganz verübeln, da sie doch so verzweifelt nach einem Hinweis auf die Horkruxe suchten. Aus Tagen wurden Wochen, und Harry beschlich der Verdacht, dass Ron und Hermine sich gelegentlich ohne ihn und über ihn unterhielten. Mehrmals verfielen sie plötzlich in Schweigen, als Harry das Zelt betrat, und zweimal lief er ihnen zufällig über den Weg, als sie ein wenig entfernt die Köpfe zusammengesteckt hatten und rasch Worte wechselten; beide Male verstummten sie, sobald sie bemerkten, dass er näher kam, und taten hastig so, als würden sie Holz oder Wasser holen. Harry fragte sich ständig, ob sie nur deshalb bereit gewesen waren, ihn auf einer, wie es nun schien, sinnlosen und ausufernden Reise zu begleiten, weil sie geglaubt hatten, dass er eine Art Geheimplan habe, von dem sie rechtzeitig erfahren würden. Ron gab sich gar nicht erst Mühe, seine schlechte Laune zu verbergen, und Harry befürchtete allmählich, dass auch Hermine darüber enttäuscht war, wie schlecht er sie führte. Verzweifelt überlegte er, wo weitere Horkruxe versteckt sein könnten, doch der einzige Ort, der ihm immer wieder einfiel, war Hogwarts, und da keiner von den anderen dies für irgend wahrscheinlich hielt, äußerte er den Vorschlag nicht mehr. Der Herbst fegte über das Land, während sie hindurchzogen: Sie stellten das Zelt jetzt auf die Laubdecke der herabgefallenen Blätter. Natürliche Nebel vermengten sich mit denen, die von den Dementoren ausgingen; Wind und Regen machten ihnen das Leben noch schwerer. Die Tatsache, dass Hermine essbare Pilze immer besser erkannte, konnte sie nicht hinreichend für ihre andauernde Einsamkeit entschädigen, für die fehlende Gesellschaft anderer Leute oder ihre völlige Ahnungslosigkeit, was im Krieg gegen Voldemort augenblicklich geschah. »Meine Mutter«, sagte Ron eines Abends, als sie an einem Flussufer in Wales in ihrem Zelt saßen, »kann gutes Essen aus dem Nichts herbeizaubern.« Er stocherte trübsinnig in den Brocken von verkohltem grauem Fisch auf seinem Teller herum. Harry warf automatisch einen Blick auf Rons Hals und sah wie erwartet die goldene Kette des Horkruxes dort glitzern. Er konnte es sich gerade noch verkneifen, Ron zu beschimpfen, denn er wusste, dass sich Rons Laune ein wenig bessern würde, wenn es an der Zeit war, das Medaillon abzunehmen. »Deine Mutter kann kein Essen aus dem Nichts holen«, sagte Hermine. »Niemand kann das. Essen ist die erste der fünf Wesentlichen Ausnahmen von Gamps Gesetz der Elementaren Transfigur-« »Hey, kannst du nicht englisch reden?«, sagte Ron und zog sich eine Gräte zwischen den Zähnen heraus. »Es ist unmöglich, gutes Essen aus nichts zu machen! Du kannst es aufrufen, wenn du weißt, wo es ist, du kannst es verwandeln, du kannst es mehr werden lassen, falls du schon welches hast -« »- na, dann mach dir nicht die Mühe, das hier mehr werden zu lassen, es ist widerlich«, sagte Ron. »Harry hat den Fisch gefangen, und ich hab getan, was ich konnte! Mir fällt auf, dass ich immer diejenige bin, die sich am Ende ums Essen kümmert; weil ich ein »Nein, weil du angeblich die Beste im Zaubern bist!«, schoss Ron zurück. Hermine sprang hoch und Stücke von gebratenem Hecht rutschten von ihrem Blechteller zu Boden. »Dann kannst »Sei still!«, sagte Harry, sprang auf und hielt beide Hände hoch. »Sei Hermine sah empört aus. »Wie kannst du für ihn Partei ergreifen, er kocht doch so gut wie nie -« »Hermine, sei leise, ich hör jemanden! « Er lauschte angestrengt, während er ihnen nach wie vor mit seinen erhobenen Händen gebot zu schweigen. Und dann hörte er erneut Stimmen über das Rauschen und Sprudeln des dunklen Flusses neben ihnen hinweg. Er drehte sich zu dem Spickoskop um. Es regte sich nicht. »Du hast den »Ich hab alles Mögliche gemacht«, flüsterte sie zurück. Heftiges Scharren und Schlurfen sowie das Geräusch von weggetretenen Steinen und Zweigen ließen darauf schließen, dass mehrere Leute den steilen bewaldeten Abhang zu dem schmalen Ufer heruntergeklettert kamen, wo sie ihr Zelt aufgeschlagen hatten. Sie zogen ihre Zauberstäbe und warteten. Die Zauber, die sie um sich herum errichtet hatten, sollten in der fast völligen Dunkelheit ausreichen, um sie vor Muggeln und normalen Hexen und Zauberern abzuschirmen. Wenn es Todesser waren, dann würde sich ihre Verteidigung vielleicht erstmals gegen schwarze Magie bewähren müssen. Die Stimmen wurden lauter, aber nicht verständlicher, als die Gruppe von Männern das Ufer erreichte. Harry schätzte, dass sie etwas mehr als fünf Meter entfernt waren, doch der reißende Fluss machte es unmöglich, das sicher festzustellen. Hermine ergriff die mit Perlen verzierte Handtasche und begann darin herumzukramen; einen Augenblick später zog sie drei Langziehohren heraus und warf je eines davon Harry und Ron zu, die sich hastig ein Ende der fleischfarbenen Schnüre ins Ohr steckten und das andere durch den Zelteingang schoben. Sekunden später hörte Harry die matte Stimme eines Mannes. »Da müssten einige Lachse drin sein, oder meinst du, es ist noch zu früh im Jahr? Einige deutliche Spritzer waren zu hören, dann klatschte Fisch gegen Fleisch. Jemand brummte anerkennend. Harry drückte das Langziehohr tiefer in sein eigenes: Durch das Gemurmel des Flusses konnte er weitere Stimmen hören, doch sie redeten nicht Englisch oder sonst irgendeine menschliche Sprache, die er kannte. Es klang rau und unmelodisch, eine Folge von rasselnden, kehligen Geräuschen, und es schienen zwei Sprecher zu sein, der eine mit einer etwas tieferen und trägeren Stimme als der andere. Draußen vor der Zeltleinwand loderte ein Feuer auf; große Schatten zogen zwischen Zelt und Flammen vorbei. Der köstliche Geruch von gebratenem Lachs wehte verlockend herein. Dann war das Klirren von Besteck auf Tellern zu hören und der erste Mann ergriff wieder das Wort. »Hier, Griphook, Gornuk.« »Danke«, sagten die Kobolde gleichzeitig auf Englisch. »Also, ihr drei seid jetzt wie lange schon auf der Flucht?«, fragte eine neue, weiche und angenehme Stimme; Harry kannte sie von irgendwoher, ein Mann mit rundem Bauch und heiterer Miene kam ihm in den Sinn. »Sechs Wochen ... sieben ... ich hab's vergessen«, sagte der müde Mann. »In den ersten Tagen hab ich Griphook getroffen und kurz darauf haben wir uns mit Gornuk zusammengetan. Schön, wenn man ein bisschen Gesellschaft hat.« Eine Pause trat ein, während der Messer über Teller kratzten und Blechbecher hochgenommen und wieder auf die Erde gestellt wurden. »Weshalb bist du von zu Hause weg, Ted?«, fuhr der Mann fort. »Wusste, dass sie hinter mir her sind«, erwiderte Ted mit der weichen Stimme, und Harry wusste plötzlich, wer er war: Tonks' Vater. »Hab gehört, dass letzte Woche Todesser in der Gegend waren, und beschlossen, dass ich am besten so schnell wie möglich abhaue. Hab mich aus Prinzip geweigert, mich als Muggelstämmiger registrieren zu lassen, verstehst du, also wusste ich, dass es nur eine Frage der Zeit war, irgendwann würde ich verschwinden müssen. Meine Frau dürfte einigermaßen sicher sein, sie ist reinblütig. Und dann hab ich Dean hier getroffen, erst vor ein paar Tagen, nicht wahr, mein Junge?« »Jaah«, sagte eine weitere Stimme, und Harry, Ron und Hermine starrten einander an, stumm, aber in heller Aufregung, denn sie waren überzeugt, dass sie die Stimme von Dean Thomas, ihrem Mitschüler aus Gryffindor, erkannt hatten. »Muggelstämmig, was?«, fragte der erste Mann. »Weiß nicht genau«, sagte Dean. »Mein Dad hat meine Mum verlassen, als ich noch klein war. Ich hab aber keinen Beweis dafür, dass er ein Zauberer war.« Eine Weile herrschte Schweigen, nur Kaugeräusche waren zu hören; dann sprach Ted wieder. »Eins muss ich sagen, Dirk, ich bin überrascht, dass ich dir über den Weg laufe. Erfreut, aber überrascht. Es hieß, du wärst erwischt worden.« »Wurde ich auch«, sagte Dirk. »Ich war schon halb in Askaban, da bin ich abgehauen, hab Dawlish geschockt und seinen Besen geklaut. Das war einfacher, als man meinen sollte; er scheint zurzeit nicht so ganz bei sich zu sein. Vielleicht hat ihm jemand einen Verwechslungszauber aufgehalst. Wenn ja, würd ich der Hexe oder dem Zauberer gern persönlich die Hand schütteln, hat wahrscheinlich mein Leben gerettet.« Wieder trat eine Pause ein, in der das Feuer prasselte und der Fluss weiter rauschte. Dann sagte Ted: »Und was ist mit Ihnen beiden? Ich, ähm, hatte den Eindruck, dass die Kobolde überwiegend auf der Seite von Du-weißt-schon-wem sind.« »Sie hatten den falschen Eindruck«, sagte der Kobold mit der höheren Stimme. »Wir ergreifen keine Partei. Das ist ein Krieg unter Zauberern.« »Und wie kommt es dann, dass Sie sich verstecken? « »Ich hielt es für vernünftig«, sagte der Kobold mit der tieferen Stimme. »Nachdem ich ein aus meiner Sicht unverschämtes Gesuch abgeschlagen hatte, war mir klar, dass ich persönlich in Gefahr schwebte.« »Was hat man von Ihnen verlangt?«, fragte Ted. »Dienste, die unter der Würde meiner Rasse sind«, erwiderte der Kobold mit einer nun raueren und weniger menschlichen Stimme. »Ich bin kein Hauself.« »Was ist mit Ihnen, Griphook?« »Ähnliche Gründe«, sagte der Kobold mit der höheren Stimme. »Gringotts steht nicht mehr alleinig unter der Leitung meiner Rasse. Ich erkenne einen Zauberer als Gebieter nicht an.« Halblaut fügte er etwas auf Koboldogack hinzu und Gornuk lachte. »Was ist so witzig?«, fragte Dean. »Er meinte«, erwiderte Dirk, »dass es auch Dinge gibt, die Zauberer nicht erkennen.« Eine kurze Stille trat ein. »Versteh ich nicht«, sagte Dean. »Ich habe ein wenig Rache genommen, ehe ich fortging«, sagte Griphook auf Englisch. »Guter Kerl – Kobold, wollte ich sagen«, verbesserte Ted sich hastig. »Sie haben nicht zufällig einen Todesser in eines der alten Hochsicherheitsverliese eingesperrt?« »Wenn ich es getan hätte, dann hätte das Schwert ihm nicht geholfen, auszubrechen«, antwortete Griphook. Gornuk lachte wieder und selbst Dirk ließ ein trockenes Kichern hören. »Dean und mir entgeht da immer noch was«, sagte Ted. »Severus Snape auch, obwohl er es nicht weiß«, sagte Griphook und die beiden Kobolde brachen in hämisches Gelächter aus. Im Innern des Zeltes atmete Harry flach vor Aufregung. Er und Hermine starrten einander an und hörten so genau hin, wie sie konnten. »Hast du das nicht mitbekommen, Ted?«, fragte Dirk. »Von den Kindern, die versucht haben, das Schwert von Gryffindor aus Snapes Büro in Hogwarts zu stehlen?« Elektrischer Strom schien durch Harry zu jagen und jeden einzelnen Nerv zu treffen, während er wie angewurzelt dastand. »Nie was davon gehört«, sagte Ted. »Stand nicht im »Wohl kaum«, gluckste Dirk. »Ich hab es von Griphook hier erfahren, er hat es von Bill Weasley gehört, der für die Bank arbeitet. Eines der Kinder, die versucht haben, das Schwert zu klauen, war Bills kleine Schwester.« Harry blickte rasch zu Hermine und Ron hinüber, die ihre Langziehohren so fest umklammert hielten wie Rettungsleinen. »Sie und ein paar Freunde sind in Snapes Büro eingedrungen und haben die Vitrine zertrümmert, wo er das Schwert offenbar aufbewahrte. Snape hat sie erwischt, als sie dabei waren, es die Treppe runterzuschmuggeln.« »Ah, die Guten«, sagte Ted. »Was haben sie sich dabei gedacht – dass sie das Schwert gegen Du-weißt-schon-wen einsetzen können? Oder gegen Snape selbst?« »Nun, was auch immer sie damit vorhatten, Snape kam zu dem Schluss, dass das Schwert an seinem Platz nicht mehr sicher war«, sagte Dirk. »Ein paar Tage später, ich vermute mal, sobald er die Zustimmung von Du-weißt-schon-wem hatte, schickte er es nach London, um es stattdessen bei Gringotts aufbewahren zu lassen.« Die Kobolde fingen wieder an zu lachen. »Ich kapier den Witz immer noch nicht«, sagte Ted. »Es ist eine Fälschung«, krächzte Griphook. »Das Schwert von Gryffindor!« »O ja. Es ist eine Kopie – eine hervorragende Kopie, freilich –, aber von Zaubererhand. Das Original wurde vor Jahrhunderten von Kobolden geschmiedet und hatte gewisse Eigenschaften, die nur koboldgearbeitete Waffen besitzen. Wo immer sich das echte Schwert von Gryffindor befindet, es ist nicht in einem Verlies der Gringotts-Bank.« »Ich verstehe«, sagte Ted. »Und ich nehme an, Sie haben sich nicht die Mühe gemacht, das den Todessern mitzuteilen?« »Ich sah keinen Grund, sie mit dieser Information zu behelligen«, sagte Griphook süffisant, und jetzt stimmten auch Ted und Dean in Gornuks und Dirks Gelächter ein. Im Zelt schloss Harry die Augen und konzentrierte sich angestrengt darauf, dass jemand die Frage stellen möge, auf die er eine Antwort brauchte, und nach einer Minute, die ihm wie zehn vorkam, tat es Dean; auch er war (wie Harry schlagartig einfiel) ein Exfreund von Ginny. »Was ist mit Ginny und den anderen passiert? Die versucht haben, es zu stehlen?« »Oh, die wurden bestraft, und zwar grausam«, sagte Griphook gleichgültig. »Es geht ihnen aber einigermaßen?«, fragte Ted rasch. »Ich meine, die Weasleys haben doch schon genug verletzte Kinder, oder?« »Soweit ich weiß, haben sie keine schwere Verletzung erlitten«, antwortete Griphook. »Glück gehabt«, sagte Ted. »Bei dem, was Snape schon angerichtet hat, können wir nur froh sein, dass sie noch am Leben sind.« »Du glaubst diese Geschichte also, nicht wahr, Ted?«, fragte Dirk. »Du glaubst, dass Snape Dumbledore getötet hat?« »Natürlich«, sagte Ted. »Du willst mir hier doch nicht sagen, dass du denkst, Potter hätte etwas damit zu tun?« »Heutzutage weiß man kaum noch, was man glauben soll«, murmelte Dirk. »Ich kenne Harry Potter«, sagte Dean. »Und ich schätze, er ist der Richtige – der Auserwählte, oder wie auch immer man es nennen mag. « »Tja, es gibt viele, die das gerne glauben würden, mein Junge«, sagte Dirk, »ich selbst auch. Aber wo ist er? Abgehauen, wie's aussieht. Man sollte meinen, dass er, wenn er irgendwas wüsste, was wir nicht wissen, oder irgendwas Besonderes an sich hätte, jetzt dort draußen wäre und kämpfen würde, den Widerstand um sich scharen und sich nicht verstecken würde. Und übrigens, der »Der Urplötzlich würgte und spuckte jemand, als würde es ihn zerreißen, dann folgte ein langes, dumpfes Klopfen; wie es sich anhörte, hatte Dirk eine Gräte verschluckt. Endlich prustete er: »Mit dem »In letzter Zeit ist es gar nicht mehr so verrückt«, sagte Ted. »Schau doch mal rein. Xeno bringt alles, was der »Schwer, einem Jungen zu helfen, der wie vom Erdboden verschluckt ist«, sagte Dirk. »Hör mal, die Tatsache, dass sie ihn noch nicht gefasst haben, ist schon ein gewaltiger Erfolg«, sagte Ted. »Ich würd mir gern ein paar Ratschläge von ihm holen. Wir versuchen ja auch nichts anderes, als in Freiheit zu bleiben, oder?« »Jaah, nun, da ist was dran«, sagte Dirk schleppend. »Wo doch das ganze Ministerium und all seine Informanten nach ihm suchen, hätt ich angenommen, dass sie ihn inzwischen gefasst haben. Aber hör mal, wer weiß denn, ob sie ihn nicht schon gefasst und getötet haben, ohne etwas davon verlauten zu lassen?« »Ah, sag nicht so was, Dirk«, murmelte Ted. Eine längere Pause trat ein, in der wieder das Klirren von Messern und Gabeln zu hören war. Als sie erneut zu sprechen begannen, ging es darum, ob sie am Ufer schlafen oder sich auf den bewaldeten Abhang zurückziehen sollten. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Bäume ihnen bessere Deckung bieten würden, löschten ihr Feuer und kletterten dann wieder den Hang hinauf, und ihre Stimmen wurden leiser. Harry, Ron und Hermine zogen die Langziehohren herein und wickelten sie auf. Harry, dem es, je länger sie gelauscht hatten, immer schwerer gefallen war, schweigen zu müssen, brachte jetzt nichts weiter heraus als: »Ginny – das Schwert -« »Ich weiß!«, sagte Hermine. Mit einem Satz war sie bei ihrer kleinen Perlentasche und tauchte diesmal den Arm bis zur Achselhöhle hinein. »Da ... ist es ...ja ...«, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen und zog an etwas, das offenbar in den Tiefen der Tasche steckte. Allmählich kam die Ecke eines reich verzierten Gemälderahmens in Sicht. Harry beeilte sich, ihr zu helfen. Während sie das leere Porträt von Phineas Nigellus ganz aus Hermines Tasche heraushoben, hielt sie ihren Zauberstab darauf gerichtet, bereit, es jederzeit mit einem Zauber zu belegen. »Wenn jemand das echte Schwert mit einem falschen vertauscht hat, während es in Dumbledores Büro war«, keuchte sie, als sie das Gemälde seitlich an die Zeltwand lehnten, »dann muss Phineas Nigellus das gesehen haben, er hängt gleich neben der Vitrine!« »Es sei denn, er hat geschlafen«, sagte Harry, hielt aber dennoch den Atem an, als Hermine vor der leeren Leinwand niederkniete, den Zauberstab genau auf die Mitte richtete, sich räusperte und dann sagte: »Ähm – Phineas? Phineas Nigellus?« Nichts geschah. »Phineas Nigellus?«, sagte Hermine noch einmal. »Professor Black? Könnten wir bitte mit Ihnen sprechen? Bitte?« »gt;Bittelt; hilft immer«, sagte eine kalte, schneidende Stimme und Phineas Nigellus glitt in sein Porträt. Sofort rief Hermine: Eine schwarze Binde erschien über Phineas Nigellus' klugen dunklen Augen, weshalb er gegen den Rahmen stieß und vor Schmerz aufschrie. »Was – wie können Sie es wagen – was machen Sie -?« »Es tut mir sehr leid, Professor Black«, sagte Hermine, »aber das ist eine notwendige Vorsichtsmaßnahme!« »Entfernen Sie sofort diese abscheuliche Beigabe! Hinweg damit, sage ich! Sie ruinieren ein großes Kunstwerk! Wo bin ich? Was geht hier vor?« »Wo wir sind, kann Ihnen egal sein«, sagte Harry, und Phineas Nigellus erstarrte und gab seine Versuche auf, sich die gemalte Augenbinde herunterzuziehen. »Kann das womöglich die Stimme des schwer fassbaren Mr Potter sein?« »Vielleicht«, sagte Harry, da er wusste, dies würde das Interesse von Phineas Nigellus wachhalten. »Wir haben ein paar Fragen an Sie – über das Schwert von Gryffindor.« »Ah«, sagte Phineas Nigellus und drehte nun den Kopf in alle Richtungen, um möglichst doch einen Blick auf Harry zu erhaschen, »ja. Dieses törichte Mädchen hat da sehr unklug gehandelt -« »Reden Sie nicht so über meine Schwester«, sagte Ron schroff. Phineas Nigellus zog arrogant die Augenbrauen hoch. »Wer ist da noch?«, fragte er und drehte den Kopf nach rechts und links. »Ihr Ton missfällt mir! Das Mädchen und seine Freunde hatte der reinste Übermut gepackt. Den Schulleiter zu bestehlen!« »Sie haben nicht gestohlen«, sagte Harry. »Dieses Schwert gehört nicht Snape.« »Es gehört Professor Snapes Schule«, sagte Phineas Nigellus. »Welchen Anspruch hatte denn das Weasley-Mädchen darauf? Sie hat ihre Strafe verdient, genau wie der Dummkopf Longbottom und diese komische Lovegood!« »Neville ist kein Dummkopf und Luna ist nicht komisch!«, sagte Hermine. »Wo bin ich?«, sagte Phineas Nigellus erneut und begann wieder mit seiner Augenbinde zu ringen. »Wo haben Sie mich hingebracht? Warum haben Sie mich aus dem Haus meiner Vorgänger entfernt?« »Das ist jetzt nicht wichtig! Wie hat Snape Ginny, Neville und Luna bestraft?«, fragte Harry eindringlich. »Hagrid ist kein Trottel!«, erwiderte Hermine schrill. »Und Snape hielt das vielleicht für eine Bestrafung«, sagte Harry, »aber Ginny, Neville und Luna haben sich mit Hagrid wahrscheinlich halb totgelacht. Der Verbotene Wald ... die haben bereits viel Schlimmeres erlebt als den Verbotenen Wald – meine Güte!« Ein Stein fiel ihm vom Herzen; er hatte sich schon Furchtbares vorgestellt, allerwenigstens den Cruciatus-Fluch. »Was wir eigentlich wissen wollten, Professor Black«, sagte Hermine, »hat jemals jemand anderes, ähm, das Schwert rausgenommen? Vielleicht wurde es zum Reinigen abgeholt oder – oder so?« Phineas Nigellus gab erneut den Versuch auf, seine Augen frei zu bekommen, und kicherte. »Nennen Sie Hermine nicht einfältig«, sagte Harry. »Ich bin der ständigen Widerrede allmählich überdrüssig«, sagte Phineas Nigellus. »Vielleicht ist es an der Zeit, dass ich in das Büro des Schulleiters zurückkehre? « Mit immer noch verbundenen Augen fing er an, seitlich an seinem Rahmen herumzufummeln, um sich einen Weg aus seinem Bild hinaus zu ertasten und in das andere zurückzugelangen, das auf Hogwarts hing. Harry fiel plötzlich etwas ein. »Dumbledore! Können Sie uns nicht Dumbledore herbringen?« »Verzeihung, bitte?«, sagte Phineas Nigellus. »Das Porträt von Professor Dumbledore – könnten Sie ihn nicht mitbringen, hierher, in Ihres?« Phineas Nigellus wandte das Gesicht in die Richtung, aus der Harrys Stimme gekommen war. » Offensichtlich sind nicht nur Muggelstämmige unkundig, Potter. Die Porträtierten von Hogwarts mögen vielleicht miteinander sprechen, aber sie können sich nicht aus dem Schloss hinausbegeben, außer um ein Bild von sich selbst zu besuchen, das anderswo hängt. Dumbledore kann nicht mit mir hierherkommen, und nach der Behandlung, die Sie mir haben angedeihen lassen, kann ich Ihnen versichern, dass ich Ihnen nicht noch einmal einen Besuch abstatten werde!« Ein wenig geknickt sah Harry zu, wie Phineas sich noch heftiger bemühte, seinen Rahmen zu verlassen. »Professor Black«, sagte Hermine, »könnten Sie uns nicht, Phineas schnaubte ungeduldig. »Ich glaube, das letzte Mal, als ich gesehen habe, wie das Schwert von Gryffindor aus seiner Vitrine kam, benutzte es Professor Dumbledore, um einen Ring aufzuspalten.« Hermine schnellte herum und sah Harry an. Keiner von ihnen wagte es, vor Phineas Nigellus ein weiteres Wort zu sagen, der es endlich geschafft hatte, den Ausgang zu finden. »Alsdann, Ihnen eine gute Nacht«, sagte er ein wenig gereizt und war schon fast verschwunden. Nur der Rand seiner Hutkrempe war noch zu sehen, als Harry plötzlich einen Schrei ausstieß. »Warten Sie! Haben Sie Snape erzählt, dass Sie das gesehen haben?« Phineas Nigellus streckte seinen Kopf mit der Augenbinde wieder in das Bild. »Professor Snape hat sich mit wichtigeren Dingen zu befassen als mit den vielen exzentrischen Angewohnheiten von Albus Dumbledore. Und damit verschwand er endgültig und ließ nichts zurück außer seinen düsteren Hintergrund. »Harry!«, schrie Hermine. »Ich weiß!«, rief Harry. Ungestüm stieß er mit der Faust in die Luft: Das war mehr, als er zu hoffen gewagt hatte. Er schritt im Zelt auf und ab; ihm war, als könnte er Berge versetzen; er war nicht einmal mehr hungrig. Hermine quetschte das Porträt von Phineas Nigellus wieder in die Perlentasche, verschloss sie, warf sie beiseite und blickte mit strahlendem Gesicht zu Harry auf. »Das Schwert kann Horkruxe zerstören! Koboldgearbeitete Klingen nehmen nur auf, was sie stärkt – Harry, dieses Schwert ist mit Basiliskengift getränkt!« »Und Dumbledore hat es mir nicht gegeben, weil er es noch brauchte, und zwar für das Medaillon -« »- und es muss ihm klar gewesen sein, dass sie es dir nicht überlassen würden, wenn er es dir in seinem Testament vermachte -« »- also hat er eine Kopie angefertigt -« »- und eine Fälschung in die Vitrine getan -« »- und er hat das echte ... wo gelassen?« Sie starrten einander an; Harry hatte das Gefühl, als würde die Antwort unsichtbar in der Luft über ihnen hängen, verlockend nah. "Warum hatte Dumbledore es ihm nicht gesagt? Oder hatte er es ihm tatsächlich gesagt und er hatte es damals nicht mitbekommen ? »Denk nach!«, flüsterte Hermine. »Denk nach! Wo hat er es gelassen?« »Nicht in Hogwarts«, sagte Harry und ging wieder auf und ab. »Irgendwo in Hogsmeade?«, schlug Hermine vor. »In der Heulenden Hütte?«, sagte Harry. »Da geht nie jemand rein.« »Aber Snape weiß, wie man reinkommt, wär das nicht ein wenig riskant?« »Dumbledore hat Snape vertraut«, erinnerte Harry sie. »Nicht genug, um ihm zu sagen, dass er die Schwerter vertauscht hatte«, sagte Hermine. »Ja, du hast Recht!«, erwiderte Harry; und der Gedanke, dass Dumbledore doch einige wenn auch schwache Vorbehalte gehabt hatte, was Snapes Vertrauenswürdigkeit betraf, besserte seine Laune sogar noch mehr. »Also, hat er das Schwert dann weit entfernt von Hogsmeade versteckt? Was meinst du, Ron? Ron?« Harry sah sich um. Einen Moment lang dachte er verwirrt, Ron hätte das Zelt verlassen, dann sah er ihn im Schatten des unteren Bettes liegen, wie versteinert. »Ah, jetzt fällt dir ein, dass ich auch noch da bin, ja?«, sagte er. »Was?« Ron schnaubte und starrte auf die Unterseite des oberen Bettes. »Macht ihr beiden nur weiter. Ich will euch den Spaß nicht verderben.« Harry blickte verdutzt und Hilfe suchend zu Hermine, aber sie schüttelte den Kopf, offenbar genauso ratlos wie er. »Wo liegt das Problem?«, fragte Harry. »Problem? Es gibt kein Problem«, sagte Ron, der es beharrlich vermied, Harry anzusehen. »Wenn's nach dir geht, jedenfalls nicht. « Auf der Zeltleinwand über ihren Köpfen machte es ein paarmal Es hatte angefangen zu regnen. »Also, du hast offensichtlich ein Problem«, sagte Harry. »Spuck's aus, ja?« Ron schwang seine langen Beine vom Bett und setzte sich auf. Er sah böse aus, ganz anders als sonst. »Na gut, ich spuck es aus. Erwart bloß nicht, dass ich hier Luftsprünge mache, nur weil es jetzt noch so ein verdammtes Ding gibt, das wir finden müssen. Schreib's einfach auf die Liste mit den Sachen, die du nicht weißt.« »Die ich nicht weiß?«, wiederholte Harry. »Die »Ich will ja nicht behaupten, dass ich mich hier nicht großartig amüsiere«, sagte Ron, »mit meinem verstümmelten Arm und ohne was zu essen und in dieser Saukälte jede Nacht. Ich hatte nur gehofft, dass wir nach den paar Wochen, die wir rumgerannt sind, irgendwas erreicht hätten, verstehst du?« »Ron«, sagte Hermine, doch mit so leiser Stimme, dass Ron tun konnte, als hätte er sie durch das laute Getrommel, das der Regen nun auf dem Zelt machte, nicht gehört. »Ich dachte, du wüsstest, auf was du dich eingelassen hast«, sagte Harry. »Jaah, das dachte ich auch.« »Also, und was daran entspricht nicht deinen Erwartungen?«, fragte Harry. Wut kam ihm jetzt zu Hilfe. »Hast du gedacht, wir würden in Fünfsternehotels wohnen? Alle paar Tage einen Horkrux finden? Hast du gedacht, du würdest Weihnachten wieder bei Mami sein? « »Wir dachten, du wüsstest, was du tust!«, schrie Ron und stand auf; und seine Worte durchbohrten Harry wie glühende Messer. »Wir dachten, Dumbledore hätte dir gesagt, was du tun sollst, wir dachten, du hättest einen echten Plan!« »Ron!«, sagte Hermine, diesmal deutlich vernehmbar durch den Regen hindurch, der auf das Zeltdach donnerte, doch auch diesmal ignorierte er sie. »Tja, tut mir leid, dass ich euch enttäuschen muss«, sagte Harry, mit völlig ruhiger Stimme, obwohl er sich hohl und unzulänglich fühlte. »Ich war von Anfang an offen zu euch, ich hab euch alles gesagt, was Dumbledore mir erzählt hat. Und falls du es nicht bemerkt haben solltest, wir haben einen Horkrux gefunden -« »Jaah, und wir sind ungefähr genauso weit davon entfernt, ihn plattzumachen, wie davon, die anderen zu finden – Lichtjahre entfernt, mit anderen Worten!« »Nimm das Medaillon ab, Ron«, sagte Hermine mit ungewöhnlich hoher Stimme. »Bitte, nimm es ab. Du würdest nicht so reden, wenn du es nicht den ganzen Tag getragen hättest.« »Doch, würde er«, sagte Harry, der nicht wollte, dass jemand Ausreden für Ron erfand. »Meint ihr, ich hätte nicht bemerkt, wie ihr beide hinter meinem Rücken tuschelt? Meint ihr, ich hätte mir nicht zusammengereimt, dass ihr so was denkt?« »Harry, wir haben nicht -« »Lüg nicht!«, schleuderte ihr Ron entgegen. »Du hast es auch gesagt, du hast gesagt, dass du enttäuscht wärst, dass du gedacht hättest, er hätte ein bisschen mehr in petto als -« »So hab ich es nicht gesagt – Harry, das stimmt nicht!«, weinte sie. Der Regen hämmerte auf das Zelt, Tränen strömten über Hermines Gesicht, und die freudige Erregung, die vor wenigen Minuten noch geherrscht hatte, war verflogen, als hätte es sie nie gegeben, ein Feuerwerk von kurzer Dauer, das aufgelodert und erloschen war und alles dunkel, nass und kalt zurückgelassen hatte. Das Schwert von Gryffindor war versteckt, wo, wussten sie nicht, und sie waren drei Teenager in einem Zelt, deren einziger Erfolg darin bestand, nicht tot zu sein – noch nicht. »Und warum bist du dann noch hier?«, fragte Harry Ron. »Das möcht ich auch gern wissen«, sagte Ron. »Dann geh nach Hause«, sagte Harry. »Jaah, vielleicht tu ich das!«, schrie Ron, und er machte ein paar Schritte auf Harry zu, der nicht zurückwich. »Hast du nicht gehört, was die über meine Schwester gesagt haben? Aber das geht dir völlig am Arsch vorbei, oder, ist ja nur der Verbotene Wald, Harry »Ich hab nur gesagt – sie war mit den anderen zusammen, Hagrid war dabei -« »- jaah, schon kapiert, es kümmert dich nicht! Und was ist mit dem Rest meiner Familie, gt;die Weasleys haben doch schon genug verletzte Kinderlt;, hast du das nicht gehört?« »Jaah, ich -« »Dich interessiert aber nicht, was das zu bedeuten hat?« »Ron!«, sagte Hermine und drängte sich zwischen die beiden, »ich glaub nicht, dass es bedeutet, dass was Neues passiert ist, irgendwas, von dem wir nichts wissen; überleg mal, Ron, Bill hat schon seine Narben, viele Leute müssen inzwischen gesehen haben, dass George ein Ohr verloren hat, und du liegst angeblich mit Griselkrätze auf dem Sterbebett, ich bin sicher, mehr hat er nicht gemeint -« »Oh, du bist sicher, ja? Also schön, dann mach ich mir keine Sorgen mehr um sie. Für euch beide ist ja alles in Ordnung, oder, wo eure Eltern doch außer Gefahr -« »Meine Eltern sind »Und meine könnten das auch bald sein!«, schrie Ron. »Dann GEH!«, donnerte Harry. »Geh zurück zu ihnen, tu so, als ob du die Griselkrätze los wärst, und Mami kann dich aufpäppeln und -« Ron machte eine plötzliche Bewegung: Harry reagierte, doch bevor einer der beiden den Zauberstab aus der Tasche bekam, hatte Hermine ihren erhoben. »Lass den Horkrux hier«, sagte Harry. Ron zerrte sich die Kette über den Kopf und warf das Medaillon in einen nahen Sessel. Dann wandte er sich an Hermine. »Und was machst du?« »Was soll das heißen?« »Bleibst du, oder was?« »Ich ...«, sie wirkte gequält. »Ja – ja, ich bleibe. Ron, wir haben gesagt, wir gehen mit Harry, wir haben gesagt, wir helfen -« »Ich versteh schon. Du entscheidest dich für ihn.« »Ron, nein – bitte – komm zurück, komm zurück!« Ihr eigener Schildzauber behinderte sie; als sie ihn schließlich entfernt hatte, war Ron schon in die Nacht hinausgestürmt. Harry stand völlig stumm und reglos da und hörte, wie sie schluchzte und zwischen den Bäumen nach Ron rief. Ein paar Minuten später kehrte sie zurück, die nassen Haare klebten ihr im Gesicht. »Er ist w-w-weg! Disappariert!« Sie warf sich in einen Sessel, rollte sich zusammen und begann zu weinen. Harry fühlte sich wie betäubt. Er bückte sich, hob den Horkrux auf und hängte ihn sich um den Hals. Er zog Decken von Rons Bett und warf sie Hermine über. Dann kletterte er in sein eigenes Bett, starrte hinauf zu der dunklen Zeltdecke und lauschte dem Trommeln des Regens. |
||
|