"Stefan Zweig. Buchmendel (Букинист. На немецком языке)" - читать интересную книгу автораjedem dieser ungefмgen Millionenkonglomerate, die wir Groџstadt nennen, sind
immer an wenigen Punkten einige kleine Facetten eingesprengt, die ein und dasselbe Weltall auf kleinwinziger Fl¤che spiegeln, unsichtbar fмr die meisten, kostbar bloџ dem Kenner, dem Bruder in der Leidenschaft. Und diese Kenner der Bмcher kannten alle Jakob Mendel. So wie man, wenn man мber ein Musikblatt Rat holen wollte, zu Eusebius Mandyczewski in die Gesellschaft der Musikfreunde ging, der dort mit grauem K¤ppchen freundlich inmitten seiner Akten und Noten saџ und mit dem ersten aufschauenden Blick die schwierigsten Probleme l¤chelnd lжste, so wie heute noch jeder, der мber Altwiener Theater und Kultur Aufschluџ braucht, unfehlbar sich an den allwissenden Vater Glossy wendet, so pilgerten mit der gleichen vertrauenden Selbstverst¤ndlichkeit die paar strenggl¤ubigen Wiener Bibliophilen, sobald es eine besonders harte Nuџ zu knacken gab, ins Caf© Gluck zu Jakob Mendel. Bei einer solchen Konsultation Mendel zuzusehen bereitete mir jungem neugierigem Menschen eine Wollust besonderer Art. W¤hrend er sonst, wenn man ihm ein minderes Buch vorlegte, den Deckel ver¤chtlich zuklappte und nur murrte: "Zwei Kronen", rмckte er vor irgendeiner Rarit¤t oder einem Unikum respektvoll zurмck, legte ein Papierblatt unter, und man sah, daџ er sich auf einmal seiner schmutzigen, tintigen, schwarzn¤geligen Finger sch¤mte. Dann begann er z¤rtlich-vorsichtig, mit einer ungeheuren Hochachtung das Rarum anzubl¤ttern, Seite fмr Seite. Niemand konnte ihn in einer solchen Sekunde stжren, so wenig wie einen wirklich Gl¤ubigen im Gebet, und tats¤chlich hatte dies Anschauen, Berмhren, Beriechen und Abw¤gen, hatte jede dieser Einzelhandlungen etwas von dem Zeremoniell, von der kultisch geregelten Aufeinanderfolge eines religiжsen Aktes. Der krumme Rмcken schob merkwмrdige vokalische Urlaute aus, ein gedehntes, fast erschrockenes "Ah" und "Oh" hingerissener Bewunderung und dann wieder ein rapid erschrecktes "Oi" oder "Oiweh", wenn sich eine Seite als fehlend oder ein Blatt als vom Holzwurm zerfressen erwies. Schlieџlich wog er die Schwarte respektvoll auf der Hand, beschnмffelte und beroch das ungefмgige Quadrat mit halbgeschlossenen Augen nicht minder ergriffen als ein sentimentalisches M¤dchen eine Tuberose. W¤hrend dieser etwas umst¤ndlichen Prozedur muџte selbstredend der Besitzer seine Geduld zusammenhalten. Nach beendetem Examen aber gab Mendel bereitwillig, ja geradezu begeistert, jede Auskunft, an die sich unfehlbar weitspurige Anekdoten und dramatische Preisberichte von ¤hnlichen Exemplaren anschlossen. Er schien heller, jмnger, lebendiger zu werden in solchen Sekunden, und nur eines konnte ihn maџlos erbittern: wenn etwa ein Neuling ihm fмr diese Sch¤tzung Geld anbieten wollte. Dann wich er gekr¤nkt zurмck wie etwa ein Galeriehofrat, dem ein durchreisender Amerikaner fмr seine Erkl¤rung ein Trinkgeld in die Hand drмcken will; denn ein kostbares Buch in der Hand haben zu dмrfen bedeutete fмr Mendel, was fмr einen andern die Begegnung mit einer Frau. Diese Augenblicke waren seine platonischen Liebesn¤chte. Nur das Buch, niemals Geld hatte мber ihn Macht. Vergebens versuchten darum groџe Sammler, darunter auch der Grмnder der Universit¤t in Princeton, ihn fмr ihre Bibliothek als Berater und Eink¤ufer zu gewinnen - Jakob Mendel lehnte ab; er war nicht anders zu denken als im Caf© Gluck. Vor dreiunddreiџig Jahren, mit noch weichem, schwarzflaumigem Bart und geringelten Stirnlocken, war er, ein kleines schiefes Jмngel, aus dem Osten nach Wien gekommen, um Rabbinat zu studieren; aber bald hatte er |
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