"Fieber an Bord: Fregattenkapitän Bolitho in Polynesien" - читать интересную книгу автора (Кент Александер)I ErinnerungenEs war nahezu Mittag, und die Sonne brannte mit erbarmungsloser Intensität auf den Hafen von Sydney herab. Der Himmel über der jungen Kolonie hätte strahlend blau sein müssen, aber er war von Schleiern durchzogen, wie durch roh gegossenes Glas betrachtet, und die Luft um die Gebäude an der Kaimauer und dem Ankerplatz war gleichzeitig staubig und feucht. Abseits der Ansammlung örtlicher Küstenfahrzeuge und größerer Kauffahrteifahrer lag für sich ein Kriegsschiff über seinem Spiegelbild, als ob es dort festgewachsen wäre und sich nie wieder fortbewegen würde. Seine Nationalflagge über dem hohen Achterdeck flatterte nur gelegentlich, und der breite Stander des Kommodore im Großtopp zeigte nur wenig mehr Leben. Doch trotz der Hitze und des Unbehagens waren die Decks schon seit einiger Zeit von beobachtenden Gestalten bevölkert, da ein anderes britisches Kriegsschiff gemeldet worden war, das sich dem Hafen näherte. Der Kommodore stützte sich auf die Fensterbank seiner Kajüte, zog die Hände aber hastig wieder zurück. Das trockene Holz fühlte sich an wie ein heißgeschossener Kanonenlauf. Aber er beobachtete weiter, war sich der ungewöhnlichen Stille auf seinem Schiff bewußt, während der Neuankömmling über das schimmernde Wasser langsam näherkroch und seine Masten und Rahen, dann auch der geschwungene Bug mit der Galionsfigur im Dunst klarere Formen annahmen. Das Flaggschiff des Kommodore war die alte Seine Anwesenheit war der Grund für die Stille an Bord der Seufzend richtete der Kommodore sich auf, und die Mühe verursachte einen neuen Schweißausbruch. Eigentlich absurd, das Ganze: Der Ankömmling war die Fregatte Er wartete, während sein Diener mit Galauniform und Degen, den Abzeichen seines Dienstranges, um ihn herumtappte; er erinnerte sich an das, was er von der Sechs Jahre zuvor, als der Krieg mit den amerikanischen Kolonien und der französisch-spanischen Allianz zu Ende ging, wurden Schiffe, die im Kampf ihr Gewicht in Gold wert gewesen waren, wie auch die meisten ihrer Besatzungen nicht länger benötigt. Ein Land vergaß schnell, wer für es gekämpft hatte und gestorben war. Da wog der Weiterbestand eines Schiffes noch weniger. Doch der Friede zwischen den großen Mächten schien nie sehr dauerhaft, wenigstens nicht für jene, die an dem Preis für jeden blutigen Sieg beteiligt gewesen waren. Und nun bestanden neue Spannungen mit Spanien, die leicht zu Schlimmerem ausarten konnten. Es ging um rivalisierende Ansprüche auf verschiedene Territorien, die jeder durch Handel und Besiedlung auszubeuten hoffte. Wieder einmal war die Admiralität angewiesen worden, mehr Fregatten einzusetzen, diese Lebensnerven jeder Flotte. Die Die Vertreter der Admiralität in Bombay hatten das Schiff dann für den Dienst des Königs gekauft, bevor es unter der Flagge der Handelsgesellschaft eingesetzt worden war. Es hatte sie achtzehntausend Pfund gekostet. Die Admiralität mußte in einer verzweifelten Lage gewesen sein, um einen so fürstlichen Preis zu bezahlen, überlegte der Kommodore; oder — und das war ebensogut möglich — ein paar zusätzliche Goldstücke hatten in anderer Richtung den Besitzer gewechselt. Er winkte seinem Diener, ihm das Fernrohr zu reichen, und richtete das Glas auf das langsam manövrierende Schiff. Wie die meisten Marineoffiziere war er vom Anblick einer Fregatte immer wieder beeindruckt. Diese hier war schwerer als üblich, verfügte aber dennoch über die anmutigen Proportionen, bot das gleiche Bild latenter Schnelligkeit und Manövrierfähigkeit, die diese Schiffe zum Wunschtraum jedes jungen Seeoffiziers machten. Trotz des Dunstes konnte der Kommodore auf dem Vorschiff der Fregatte eine Ansammlung von Gestalten ausmachen. Ein Anker war gekattet und zum Fallenlassen bereit, während das Schiff zielstrebig über seinem Spiegelbild dahinglitt, wobei sein Bug kaum die blaue Wasserfläche riffelte. Nur unter Marssegeln und Klüver fahrend, ging sie über Stag, um die schwache Brise zu nutzen; er konnte beinahe die Erregung jenseits des Wassers spüren. Der Anblick eines Hafens, jedes Hafens, verwischte immer die Erinnerung an die Mühsal und mitunter brutalen Bedingungen der Fahrt. Der Kommodore hatte die Er hob das Glas wieder ans Auge. Jetzt konnte er die Ga-lionsfigur der Fregatte erkennen, eine Frauengestalt mit wilden Augen, wehendem Haar und vorspringenden Brüsten, die ein großes Muschelhorn an die Lippen hielt. Haar und Körper waren blank vergoldet, nur die Augen leuchteten in einem intensiven Blau und blickten weit in die Ferne, als folgten sie dem Weg ihrer Kinder, der Stürme. Die Vergoldungen der Galionsfigur und der Verzierungen rings um den Kajütaufbau mußten Bolitho ein kleines Vermögen gekostet haben. Aber in diesen Gewässern gab es wenig, wofür man sonst sein Geld verwenden konnte. Er zuckte unwillkürlich zusammen, als er seine Marinesoldaten zur Schanzpforte stampfen hörte. Schon ihre Stiefeltritte schienen ihm schwer genug, die alte Noch als er nach seinem Hut griff, hallte der erste Salutschuß über den Hafen und scheuchte die dösenden Vögel vom Wasser auf, die kreischend durcheinanderflatterten, wie um den Neuankömmling dafür zu beschimpfen, daß er ihre Ruhe störte. Auf dem Achterdeck war es trotz des ausgespannten Sonnensegels heiß wie in einem Backofen. Der Flaggkapitän legte die Hand an seinen Hut und versuchte, die Stimmung seines Vorgesetzten zu ergründen. Er meldete: Der Kommodore legte die Hände auf dem Rücken zusammen. «Signalisieren Sie, sobald sie Anker geworfen hat: Kommandant zu mir an Bord!» Der Flaggkapitän unterdrückte ein Lächeln. Die Laune war also gut. Er hatte schon erlebt, daß er mitten in die letzten Manöver anderer Schiffe ein Dutzend Signale hatte geben müssen; als ob der Kommodore Vergnügen an der Verwirrung fände, die er damit stiftete. Dies muß ein Sonderfall sein, dachte er. Mit Marssegeln, die noch unter dem für einen Kommodore vorgeschriebenen Salut von elf Schüssen vibrierten, setzte Seiner Britannischen Majestät Fregatte Richard Bolitho stand an der Reling des Achterdecks, die Hände lose auf dem Rücken zusammengelegt, und versuchte, trotz der üblichen Spannung beim Anlaufen eines unbekannten Ankergrunds gelassen zu erscheinen. Wie still es war. Er musterte sein Schiff und fragte sich, wie wohl der Kommodore es beurteilen würde. Er hatte das Kommando über die Beim Gedanken an dieses Datum lächelte er, und sein ernstes Gesicht wirkte dadurch jugendlicher. Wie heute, war auch damals sein Geburtstag gewesen. Denn an diesem 7. Oktober 1789, der ihm ein weiteres Einlaufen unter vielen, längst vergessenen brachte, wurde Richard Bolitho aus Falmouth im County Cornwall dreiunddreißig Jahre alt. Schnell warf er einen Blick zur anderen Seite hinüber, wo Thomas Herrick, der Erste Offizier der «Noch fünf Minuten, Sir.«»Gut, Mr. Lakey.» Bolitho brauchte sich nicht umzusehen. In den zwei Jahren seines Kommandos auf der Bolitho versuchte, sich an die anderen Gesichter zu erinnern, die in den zwei Jahren von Bord verschwunden waren: durch Tod oder Verletzung, Krankheit oder Desertation; die Männer waren gekommen und gegangen wie die Gezeiten. Die jetzige Besatzung der Aber im übrigen war die Besatzung der Wieder blickte er zu Herrick hinüber und überlegte. Herrick äußerte seine Ansichten jetzt kaum noch, obwohl er sie einmal deutlich genug ausgesprochen hatte. Bis auf seinen Bootsführer John Allday kannte Bolitho sonst niemanden, der es wagte, durch offene Worte seinen Zorn herauszufordern. Alte Erinnerungen wurden wach, als die Bei seinem kurzen Aufenthalt in England war er auch nach London gefahren. Zwar hatte er sich gesagt, er wolle nicht wirklich versuchen, sie wiederzusehen, wolle nur an ihrem Haus vorbeigehen und sehen, wo sie lebte. Doch er hatte genau gewußt, daß das Selbstbetrug war. Dabei hätte er sich ebensogut mit der Erinnerung begnügen können. Denn das Haus war, von der Dienerschaft abgesehen, leer. James Raymond und seine Frau weilten im Auftrag der Regierung im Ausland, wie ihm Raymonds Hauswart, abweisend bis zur Beleidigung, verkündete. An Bord mochte ein Kommandant zwar gleich nach Gott kommen, doch in den Straßen von St. James hatte er gar keine Bedeutung. Bolitho hörte Herrick rufen:»Klar zum Ankern, Mr. Jury?«Jury, der Bootsmann mit der breiten Brust, brauchte keinen Hinweis auf seine Pflichten bei den Ankergasten; folglich mußte Herrick Bolithos Stimmung erraten haben und versuchte nun, ihn herauszureißen. Bolitho lächelte wehmütig. Herrick kannte er schon, seit er das Kommando der Bolitho sagte knapp:»Wenn Sie soweit sind, Mr. Herrick?«Herrick hob das Sprachrohr, seine Antwort war ebenso förmlich.»Aye, aye, Sir. «Dann rief er:»An die Leebrassen! Klar zum Aufschießen!«Die reglosen Matrosen erwachten zum Leben.»Marsbrassen los!» Bolitho sah Thomas Gwyther, den Schiffsarzt, die Backbordgangway entlangkommen, wobei er versuchte, den geschäftigen Matrosen auszuweichen. Wie wenig war er mit dem letzten Arzt zu vergleichen, den Bolitho an Bord gehabt hatte. Das war ein gewalttätiger, herrschsüchtiger Trunkenbold gewesen, der es zugelassen hatte, daß seine Leidenschaft für den Alkohol, aber auch die Erinnerungen, die er damit hatte auslöschen wollen, ihn völlig zerstörten. Gwyther nun war ein gebeugter, ausgemergelter, kleiner Mann mit zottigem, grauem Haar, dessen gebrechliche Erscheinung seiner offenkundigen Zähigkeit und Ausdauer keineswegs entsprach. Er erfüllte bereitwillig seine Pflichten, zeigte aber an Land jedesmal weit mehr Interesse für die Vegetation als für die Menschen.»Gei auf die Marssegel!» Der Steuermann befahl mit seiner trockenen, nüchternen Stimme:»Ruder hart Backbord!» Die Bolitho hörte das vertraute Klatschen am Bug und hatte dabei vor Augen, wie der schwere Anker durch das stille, einladende Wasser brach. Doch als er sich an die beiden Haie erinnerte, die das Schiff mehrere Tage und fast bis in den Hafen hinein verfolgt hatten, mußte er ein Schaudern unterdrücken. «Signal vom Flaggschiff, Sir: gt;Bitten Kommandant an Bordlt;.» Bolitho wandte sich Midshipman[5] Swift zu. Dem Siebzehnjährigen unterstanden die Signalgasten, und zweifellos wartete er voller Ungeduld und Hoffnung auf eine Chance, befördert zu werden. Sein Blick wanderte weiter zu Keen, dem Dritten Offizier, und er fragte sich flüchtig, ob dieser sich noch an die Zeit erinnerte, als er selbst Swifts jetzigen Rang auf der «Gig zu Wasser!«rief Herrick durch die trichterförmig gehaltenen Hände.»Mr. Jury, mehr Leute an die Taljen, aber mit Beeilung!» Allday verfolgte das hastige Manöver mit kritischen Blicken, als das Boot über die Finknetze gehievt wurde. In der blauen Jacke und der weiten weißen Hose, das Haar in seinem kräftigen Nacken sauber zusammengebunden, wirkte er so solide und zuverlässig wie immer. Gelassen sagte er:»Ein neuer Ort, Captain, und zweifellos eine neue Aufgabe. «Dann schnauzte er:»Daß mir der Lack keinen Kratzer abkriegt, ihr Tölpel! Das Boot gehört dem Captain, nicht dem Koch!» Manche der Altgedienten grinsten bei dem Ausbruch; jüngere oder jene, die sich mit diesem Umgangston noch nicht abgefunden hatten, duckten sich unwillkürlich. Allday murrte:»Bei Gott, wenn wir nicht bald richtig zu tun kriegen, dann weiß ich nicht, was aus den Leuten wird!«Er schüttelte den Kopf.»Das sollen Seeleute sein?«Was Allday unter» richtig zu tun «verstand, wußte Bolitho nicht. Sie unternahmen regelmäßige Patrouillen zwischen den sich ausbreitenden Handelsniederlassungen, die in dem Gebiet zwischen Sumatra und Neuguinea verstreut lagen. Auch waren sie viele hundert Meilen westwärts gesegelt, um wertvollen Handelsschiffen auf der Fahrt von Europa Begleitschutz zu bieten. Die Vielleicht meinte er damit, wie Herrick, der Hitze und dem Durst zu entkommen, der täglichen Gefahr durch nicht kartographierte Riffe oder Überfälle kriegerischer Wilder. Die Entdecker und großen Seefahrer hatten viel getan, um die Geheimnisse und Gefahren dieser Gewässer zu mildern, aber jene, die in ihrem Kielwasser kamen, hatten weniger edle Motive. Für eine Handvoll Nägel, ein paar Äxte und Perlenschnüre konnte ein Kapitän beinahe alles und jeden kaufen. Zum Nutzen ihres Handels und ihrer Besitzungen übernahmen Großbritannien, Frankreich und Holland den Schutz weiter Seegebiete, damit die gefährdeten Handelsschiffe ihre Aufträge erfüllen konnten. Unglücklicherweise waren die Ozeane zu groß und die eingesetzten Kräfte zu gering, als daß dies mehr hätte darstellen können als eine Geste. Auch trauten die Länder, die das meiste in Indien und der Südsee investiert hatten, einander nicht; zudem hatten sie alte Kriege und unbezahlte Schulden nicht vergessen. Bolitho hörte die Bootsmannschaft in die Gig klettern und sah, daß das Spalier der Marinesoldaten und die Bootsmannsmaaten für die Zeremonie seines Vonbord-gehens bereitstanden. Er blickte zu dem schlaffen Wimpel im Masttopp auf und dann über das schimmernde Wasser zu den beiden großen Transportern hinüber, die ein gutes Stück vom Land entfernt ankerten. Hier lag eine zusätzliche Verantwortung: die wachsende Kolonie Neusüdwales. Er suchte auf den großen Transportern nach Lebenszeichen. Wie viele bedauernswerte Existenzen waren auf diesen Sträflingsschiffen hierhergebracht worden, um Arbeitskräfte für die Erschließung des Landes und die Gründung einer Nation zu stellen? Er versuchte, sich auszumalen, wie es auf einem solchen Schiff aussehen mochte, wenn es sich um das Kap der Guten Hoffnung oder, schlimmer noch, um das gefürchtete Kap Horn kämpfte, mit Männern, Frauen und Kindern an Bord. Herrick griff an seinen Hut.»Boot ist klar, Sir. «Bolitho nickte ernst und blickte zu den rotröckigen Marinesoldaten und ihrem Hauptmann Jasper Prideaux hinüber. Gerüchte wollten wissen, Prideaux diene nur bei den Marinesoldaten, weil er im Duell zwei Männer getötet habe und fliehen mußte. Bolitho hatte mehr Anlaß als mancher andere, das zu verstehen. Zwei Jahre lang hatte er versucht, seine Antipathie gegen Prideaux zu unterdrücken. Trotz Sonne und Seeluft war der Hauptmann der Marinesoldaten blaß geblieben und sah ungesund aus. Er hatte scharfe, fast spitze Züge — wie ein Fuchs. Wie einer, der sich mit Freunden duellierte und dabei gewann. Bolitho war es nicht gelungen, seine Abneigung zu überwinden.»Achtung im Boot!» Allday stand an der Pinne, mit einem Auge auf Bolithos Degen, während sein Kapitän, begleitet vom Klang der Bootsmannsmaatenpfeifen und präsentierten Musketen, ins Boot hinunterkletterte. «Absetzen! Riemen bei! Rudert an!» Bolitho schützte mit der Hand die Augen, als das Boot schnell um den Bug und unter der blauäugigen Galionsfigur hindurchglitt. Die Auf der anderen Seite mußten selbst die größten Zweifler einräumen, daß die Bolitho vergewisserte sich, daß seine Depeschen und sein eigener Bericht unter der Ducht sicher verstaut waren, und wandte dann seine Aufmerksamkeit der «Laß laufen!«Allday legte Ruder und kniff in der grellen Sonne die Augen zusammen, bis sie in den Schatten des Flaggschiffs glitten.»Anhaken, Buggast!» Bolitho stand auf und atmete tief ein. Bei solchen Gelegenheiten mußte er stets an einen Kapitän denken, unter dem er einmal gedient hatte. Als jener zum ersten Mal an Bord seines Schiffes ging, hatte er sich mit den Beinen im Degengehänge verfangen und war der Länge nach zu Füßen seiner verblüfften Marinesoldaten hingeschlagen. An der Schanzpforte nahm er seinen Hut ab und wartete, bis der Lärm der Befehle und das Klatschen der Musketen beim Präsentieren verklungen war. Mit ausgestreckter Hand kam der Kommodore ihm entgegen, um ihn zu begrüßen. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte Bolitho, sich geirrt zu haben. Das war nicht Leutnant James Sayer aus den amerikanischen Kolonien oder auch nur aus Cornwall. Das war ein ganz anderer Mann. Der Kommodore sagte:»Freut mich sehr, Sie wiederzusehen, Richard. Kommen Sie nach achtern und berichten Sie.» Erschüttert erwiderte Bolitho den Händedruck. Sayer war ein gutgebauter, lebhafter Mann gewesen. Jetzt hatte er Hänge-schultern und ein von tiefen Furchen durchzogenes Gesicht; das Schlimmste aber war seine Haut: wie altes, unbrauchbares Pergament. Und doch zählte er nur zwei oder drei Jahre mehr als Bolitho. In der verhältnismäßigen Kühle der Kommandantenkajüte warf Sayer den schweren Rock seiner Paradeuniform ab und ließ sich in einen Sessel sinken. «Ich habe nach Wein geschickt. Mein Diener lagert ihn an einer besonders kühlen Stelle in der Bilge. Nur Rheinwein, aber man hat ja schon Glück, wenn man hier draußen so etwas bekommt. «Er schloß die Augen und stöhnte.»Was für ein Land! Eine Insel der Verbrecher in einem Meer von Korruption.» Er wurde erst munterer, als der Diener mit Flaschen und Gläsern eintrat. «Nun zu Ihren Depeschen, Richard. «Er sah Bolithos Gesicht.»Was gibt es?» Bolitho wartete, bis der Diener eingeschenkt und die Kajüte wieder verlassen hatte. «Ich wurde auf dem Weg hierher aufgehalten, Sir. Drei Tage nach Madras gerieten wir in Schlechtwetter, und zwei meiner Leute wurden schwer verletzt, als sie von oben kamen. Zwei weitere gingen über Bord. «Von der Erinnerung bedrückt, senkte er den Blick. Mitten in der Nacht war blitzschnell Sturm aufgekommen und ebenso schnell wieder abgeflaut. Das Resultat: zwei Tote und zwei permanent Verkrüppelte.»Ich entschloß mich, Timor anzulaufen und die Verletzten dort an Land zu setzen. Mit dem holländischen Gouverneur in Coupang hatte ich bereits zu tun gehabt, und er war immer sehr hilfsbereit gewesen.» Der Kommodore beobachtete ihn über den Rand seines Pokals.»Ja. Sie haben sich in diesem Gebiet gegen Piraten und Kaperer erfolgreich behauptet.» Bolitho fuhr fort:»Ohne diesen unvorhergesehenen Besuch hätte ich folgendes nicht erfahren: Auf einem Schiff, einem Kriegsschiff, hat es eine Meuterei gegeben. Vor sechs Monaten, dem Gouverneur zufolge, auf der Rückfahrt von Tahiti. Ich bin mir über die Gründe nicht im klaren, aber eines steht fest: die Meuterer setzten die Offiziere und die loyal gebliebene Mannschaft in einem Boot aus. Ohne ihren Kommandanten — wie ich hörte, heißt er Bligh — wären sie umgekommen. Aber er schaffte es bis Timor, über dreitausendsechshundert Meilen weit, wo er Hilfe fand. Das Schiff war ein bewaffneter Transporter, die Als der Kommodore nur schwieg und weiter aus dem Fenster blickte, fuhr Bolitho fort:»Ich lichtete Anker, nahm Kurs nach Südwesten und dann an der Südküste der Kolonie entlang. Ich lief die Adventure Bay von Van Diemen's Land an, weil ich glaubte, die Meuterer hätten sich dorthin flüchten können, ehe die Nachricht von ihrem Verbrechen bekannt wurde. «Er hob die Schultern.»Aber sie waren verschwunden. Jetzt glaube ich, daß sie gar nicht die Absicht haben, in ein zivilisiertes Land zurückzukehren, wo sie belangt werden könnten. Sie werden in der Großen Südsee bleiben wie so viele Abtrünnige und Mörder, die auf Kosten unseres Handels und der Eingeborenen leben. Aber ein Schiff des Königs? Der Gedanke ist unerträglich. «Sayer drehte sich mit einem trüben Lächeln zu ihm um.»Sie haben ja auch Grund, das Wort Meuterei zu hassen. Aber ich bin froh über Ihre Entdeckung. Höhere Stellen als wir werden jedoch darüber entscheiden, was als nächstes geschehen soll, zweifeln Sie nicht daran. «Er trank aus seinem Pokal.»Bligh, haben Sie gesagt?«Er schüttelte den Kopf.»Er muß ein sehr willensstarker Mann sein, wenn er eine solche Fahrt überlebt hat.» Bolitho spürte, wie er sich entspannte. Seit er mit dem holländischen Gouverneur gesprochen hatte, war ihm diese Meuterei nicht aus dem Kopf gegangen, aber unter Sayers Einfluß sah er sie jetzt in der richtigen Perspektive. Er hatte wie die meisten Kapitäne reagiert: sich selbst in der gleichen verzweifelten Situation vorgestellt. Doch ohne das Schiff, die Mannschaft oder die Umstände zu kennen, war es das gleiche, wie den Mond anzubellen, er solle heller scheinen. Mit plötzlichem Mitgefühl beobachtete er Sayer. Seine wenig beneidenswerte Aufgabe hatte ihn erschöpft, ein über-standenes Fieber hatte ihn ausgelaugt, aber er war nichtsdestoweniger der ihm vorgesetzte Offizier. Genauso war Bolitho der einzige Repräsentant der größten Seemacht der Welt gewesen, als er auf der Suche nach Piraten und Eingeborenenhäuptlingen, die ihnen Schutz boten, viele hundert Meilen zurückgelegt hatte. Eines Tages würde vielleicht auch sein Schiff den breiten Stander des Kommodore führen, aber er bezweifelte, daß ihn die gleiche Selbstsicherheit wie Sayers auszeichnen würde. Der Kommodore sagte:»Ich werde unverzüglich den Gouverneur aufsuchen. Und Ihnen empfehle ich, auf Ihr Schiff zurückzukehren und Wasser und sonstige Vorräte zu übernehmen. «Er musterte ihn gelassen.»Ich fürchte, ich werde Sie bald wieder auf See schicken müssen. Das hätte ich ohnehin getan, aber Ihre Nachrichten beschleunigen es noch. «Als Bolitho sich erhob, fügte er hinzu:»Falls Sie zusätzliche Leute brauchen, läßt sich das wahrscheinlich regeln. Nach zwei Jahren in der Botany Bay ist nur schwer festzustellen, wo ein abgeschobener Sträfling aufhört und der ehrliche Mann anfängt. «Er zwinkerte.»Ich werde an Land mit dem Einbürgerungsoffizier sprechen. «An der Schanzkleidpforte blieb Sayers neben Bolitho stehen und blickte zur Der Kommodore hob die Schultern.»Ich würde Cornwall gern wiedersehen. «Er streckte die Hand aus und berührte die abgegriffene Reling.»Aber wahrscheinlich werde ich hier draußen sterben wie meine gute alte Hurra rufen und zurückschlagen, das kennzeichnete jene desperate Welt. Doch hier, meilenweit von jeder Zivilisation entfernt, was würden Männer wie sie empfinden, wenn man sie zu weit trieb? Allday blickte auf Bolithos hochgezogene Schultern hinab, auf das schwarze Haar, das über dem goldbestickten Kragen ordentlich zusammengebunden war. Der Kommandant grübelte wieder einmal, wie üblich, machte sich Sorgen um andere. Er wußte genau, was Bolitho in erster Linie beschäftigte, denn er war während der Meuterei auf Bolithos Schiff gewesen, ein zum Dienst gepreßter Mann. Auch er konnte es nicht vergessen. Wie der Rest der Crew hatten auch die von ihm ausgesuchten und ausgebildeten Rudergasten von der Meuterei auf der Allday hatte seine Eltern nie gekannt und konnte sich nicht erinnern, in welchem Alter er zum erstenmal auf ein Schiff gekommen war. Er hatte sein ganzes Leben auf See verbracht, von einer kurzen Unterbrechung in Falmouth abgesehen, wo er von einem Preßkommando auf Bolithos Schiff entführt worden war.[7] Vor jener Zeit hatte er mehrere Kapitäne kennengelernt, unter denen eine Meuterei gerechtfertigt gewesen wäre: grausame, brutale Männer, die offenbar Freude daran hatten, ihre Leute leiden zu sehen. Selbst die geringste freundliche Geste von Männern dieser Art konnte in der überfüllten Welt zwischen den Decks wie ein Wunder wirken. Das war wie Hohn, solange es andere wie Bolitho gab, die ihre Verantwortung ernst nahmen. «Wenn Sie nicht auf Ihre Arbeit achten, Allday«, schnauzte Bolitho,»kommen wir noch durch eine Stückpforte an Bord.» Allday legte Ruder und grinste Bolithos Rücken an. So gefiel er ihm schon besser. Wie ein verführerischer Samtvorhang hüllte die Dämmerung schnell den Hafen ein. Sie half, die Hitze des Tages zu vergessen und die Anstrengungen bei der Ergänzung des Proviants, den Benjamin Bynoe, der Zahlmeister mit den harten Augen, zu günstigsten Bedingungen eingehandelt hatte. Bolitho lehnte sich auf der Bank unter dem geöffneten Heckfenster zurück und sah die Lichter der Stadt herüberwinken. Es war der zweite Abend, an dem sie in Sydney vor Anker lagen, aber sein erster an Bord. Kommodore Sayer hatte ihn völlig in Anspruch genommen, vorwiegend an Land, wo er dem stellvertretenden Gouverneur begegnet war, dessen Vorgesetzter sich irgendwo in der Kolonie mit einer Eingabe gt;dieser verdammten Farmerlt;, wie er sie nannte, beschäftigte. Bolitho war auch mit den Offizieren der Garnison zusammengekommen. Dabei hatte er den deutlichen Eindruck gewonnen, daß sie ihre Angelegenheiten nicht gern mit Fremden besprachen. In diesem Sinne hatte er sich auch Sayer gegenüber geäußert, der über seine Vermutung gelächelt hatte. «Sie haben ganz recht, Bolitho«, hatte der Kommodore gesagt.»Zuerst ließ der Gouverneur von Marinesoldaten die öffentliche Ordnung sichern und die deportierten Sträflinge bewachen. Aber dann wurden sie in England gebraucht und zurückgeschickt. Diese gt;Soldatenlt;, mit denen Sie jetzt gesprochen haben, gehören dem New South Wales Corps an. Sie wurden mit hohen Kosten eigens angeworben, und in vielen Fällen sind sie noch unehrlicher als jene, die sie bewachen sollen. Auch für einen Sack voll Gold möchte ich nicht in den Schuhen des Gouverneurs stecken. «Bolithos Eindrücke von Sydney waren ebenso gemischt. Die Gebäude waren primitiv, aber günstig gelegen, mit leichtem Zugang zum Wasser. Manche standen — wie die riesigen Windmühlen hinter der Stadt — gleich hageren Zaungästen auf den Anhöhen und verrieten den holländischen Einfluß, praktisch und gut entworfen. Bolitho war von den Häfen vieler Länder an Roheit und Trunksucht gewöhnt, aber Sydneys Überfluß an Hafenkneipen und Schlimmerem ließ manches, was er gesehen hatte, als zahm erscheinen. Sayer hatte ihm erzählt, daß viele Wirte sogar im Sold der Offiziere standen, die den Verkehr ihrer Leute mit den deportierten Schankmädchen offen förderten. Dabei hatte er die Männer, die nur aus Habgier ins Corps eingetreten waren, voller Verachtung als Schwindler und Halunken bezeichnet. Wieder an Bord, gelang es Bolitho, sich von dem hektischen Treiben an Land zu lösen und etwas Ruhe zu finden. Sayer hatte über neue Aufgaben für die Bolitho gegenüber lehnte Herrick in einem Sessel. Sie hatten eine ausgezeichnete Hammelpastete gegessen, die Noddall, der Kabinensteward, aus unbekannten Quellen an Land beschafft hatte: seit Monaten das erste Fleisch, das nicht aus einem Pökelfaß kam. «Was halten Sie von einem Glas Rotwein, Thomas?«meinte Bolitho. Herrick grinste; seine Zähne schimmerten schwach im Licht der einzigen Lampe. Sie hatten schnell entdeckt, daß mehr Beleuchtung nur Schwärme summender Insekten anzog, die die Wohltat der kühleren Luft sofort zunichte machten.»Nicht viel, Sir«, antwortete er und winkte Noddall aus dem Schatten.»Ich habe mir erlaubt, beim Quartiermeister der Kaserne guten französischen Wein zu beschaffen. «Er lachte verhalten.»Als Soldaten mögen sie nicht viel wert sein, aber sie verstehen zu leben.» Noddall machte sich am Tisch mit seinem Weinkühler zu schaffen. Bolitho beobachtete ihn; er kannte jede seiner Bewegungen. Noddall war klein und flink wie ein Wiesel, hielt sogar die Hände, wenn sie nicht beschäftigt waren, wie Pfoten vor seinen Körper. Ein guter und williger Diener, war er wie mancher andere von Bolithos Herrick stand auf. Sein Kopf reichte nicht bis an die Decksbalken der Kajüte, was ein Beweis für die großzügigen Abmessungen der «Auf Ihr Wohl, Sir, und auf Ihren Geburtstag. «Er grinste.»Ich weiß, daß er eigentlich gestern war, aber ich brauchte einen Tag, um den Wein zu entdecken. «Wortkarg saßen sie zusammen, rauchten ihre langen Pfeifen, und ihre Gläser wurden von dem aufmerksamen Noddall bereitwillig nachgefüllt. Durch das Oberlicht konnten sie die Sterne sehen, sehr groß und nahe, und die regelmäßigen Schritte des Steuermannsmaaten der Wache hören, dazwischen das gelegentliche Scharren der Stiefel des Marinesoldaten, der jenseits des Schotts Posten stand. Bolitho sagte:»In Cornwall ist es jetzt Spätherbst. «Er wußte nicht, warum er das sagte, vielleicht hatte er an Sayer gedacht. Sofort sah er es vor sich: goldenes und braunes Laub, jede Morgendämmerung eine Spur kälter, aber immer noch frisch und klar. Das hielt den Winter auf. Er versuchte, sich an die üblichen Geräusche zu erinnern: den Ton der klingenden Hämmer, wenn die Landarbeiter die Zeit nutzten, um die typischen Stein- und Schieferwälle zu bauen oder zu reparieren, die ihre Felder und Häuser voneinander trennten. Das Blöken der Schafe und Stampfen der Fischer, die am Abend von Falmouth zu ihren kleinen Weilern herauf-wanderten. Er dachte an sein eigenes Haus unterhalb von Pendennis Castle: kantig und grau, seit Generationen das Heim der Bolithos. Jetzt wohnte dort niemand — von Ferguson, dem Verwalter, und der Dienerschaft abgesehen. Alle waren entweder tot oder fortgezogen wie seine beiden verheirateten Schwestern, die ihr eigenes Leben führten. Er erinnerte sich seiner ersten Begegnung mit dem Hauptmann der Marineinfantrie, Prideaux. Dessen Ruf als Duellant hatte ihn an seinen Bruder Hugh erinnert. Hugh hatte wegen einer Spielschuld einen Offizierskameraden im Duell getötet und war nach Amerika geflohen. Daß er von seinem Schiff desertierte, war für ihren Vater schon ein schwerer Schock gewesen, doch als Hugh in die Marine der amerikanischen Revolutionäre eintrat und ein Kaperschiff gegen seine alten Freunde und Waffenbrüder führte, hatte das den Tod des alten Mannes vollends beschleunigt. Nun lebte auch Hugh nicht mehr, war angeblich von einem durchgehenden Pferd in Boston getötet worden. Herrick spürte die Veränderung in Bolithos Stimmung.»Ich glaube, es wird Zeit für mich, Sir. Ich ahne, daß uns morgen einiges bevorsteht. Zwei Tage im Hafen? gt;Aber, aber!lt; wird oben bestimmt jemand sagen, gt;dazu ist die Bolitho blieb noch lange am Heckfenster sitzen, nachdem Herrick zu seiner Koje gegangen war — oder wahrscheinlicher in die Messe zu einem letzten Drink mit den anderen Offizieren. Herrick schien immer zu ahnen, wann sein Kommandant allein sein wollte, um nachzudenken; wie er auch verstand, daß die Bindung zwischen ihnen dadurch nur stärker wurde. Bolitho beobachtete den Rauch, der von seiner Pfeife aufstieg und langsam hinaus über das schwarze Wasser zog. Es tat nicht gut, zu oft an zu Hause zu denken. Doch er war jetzt schon so lange fort, und wenn er hier verbannt bleiben sollte, dann mußte er etwas dagegen unternehmen. Er hörte seltsam trauriges Geigenspiel vom Vordeck: vermutlich Owston, der Seiler, der für die Ankerwache aufspielte und auch die anderen Leute der Hundewachen unterhielt. Die Bolitho dachte an einige der Deportierten, die er gesehen hatte. Gewiß war keiner von ihnen wegen schwerer Vergehen hier, sonst hätte man sie gehenkt. Es beschämte ihn, daß er eben noch finster über seine eigene Trennung von der Heimat gebrütet hatte. Was mußten dagegen diese Verbannten leiden, wenn sie sein Schiff sahen, das schließlich Anker lichten und vielleicht nach England segeln würde. Wogegen sie… Er blickte überrascht auf, als an die Außentür geklopft wurde. Es war Borlase, der Zweite Offizier. Als Wachführer war er zweifellos der einzige Offizier an Bord in voller Uniform. Er war sechsundzwanzig Jahre alt, groß und kräftig gebaut, und doch waren seine Züge weich, sogar sanft, und sein Gesicht wirkte im allgemeinen leicht überrascht. Bolitho vermutete, daß das ursprünglich eine Tarnung für seine Empfindungen gewesen, jetzt aber zur ständigen Gewohnheit geworden war. Borlase war Erster Offizier auf einer kleinen Fregatte gewesen, die in der Nähe der Philippinen auf Grund gelaufen und verloren gegangen war. Zum Glück hatte sich ein Ostindienfahrer in der Nähe befunden und die gesamte Besatzung bis auf drei Mann gerettet. Von einem hastig eingesetzten Kriegsgericht wurde der Kommandant der Fregatte wegen Nachlässigkeit im Dienst unehrenhaft entlassen. Borlase war zu der Zeit wachhabender Offizier gewesen, und seine Aussage hatte dazu beigetragen, daß sein Kommandant in der Versenkung verschwand. Bolitho fragte:»Was gibt es, Mr. Borlase?«Der Leutnant trat in den Lichtschein der Lampe.»Das Wachboot hat diese Depesche für Sie gebracht, Sir. «Er leckte sich die Lippen, eine weitere kindliche Angewohnheit.»Vom Gouverneur.» Hastig tauchte Noddall mit einer weiteren Lampe aus der Pantry auf. Sein kleiner Schatten tanzte gigantisch über die weißgetünchte Zwischenwand. Bolitho schlitzte den Leinwandumschlag auf und fragte sich dabei, ob Borlase vor dem Kriegsgericht sich nicht ebensosehr hatte entlasten wie seinen Kapitän zu Fall bringen wollen. Doch als er hastig das sauber geschriebene Papier überflog, verblaßten mit einem Mal die Strapazen und Sorgen der vergangenen Monate, und selbst Borlase, der ihn mit einem sanften Lächeln beobachtete, schien zu verschwinden. Scharf sagte er:»Kompliment an den Ersten Offizier, Mr. Borlase, und ich möchte ihn sofort sprechen. «Der Leutnant öffnete den Mund, um eine Frage zu stellen, schloß ihn aber wieder. Bolitho ging zum Heckfenster, beugte sich so weit hinaus, wie er konnte, und ließ sich die Seeluft über Kehle und Brust streichen. Jetzt wünschte er, er hätte nicht so viel getrunken und gegessen. Er versuchte, seine Gedanken zu ordnen, sich auf die Depesche zu konzentrieren. Die «Sir?» «Wir haben Befehl zum Auslaufen, Thomas. Ein Transporter ist überfällig, obwohl von einem Postschiff gemeldet wurde, daß er vor drei Wochen noch sicher unterwegs war. Der Kapitän des Postschiffs hatte südöstlich von Tongatapu Signalkontakt mit ihm gehabt. «Herrick schob sich das Hemd in die Hose und sagte nachdenklich:»Aber das ist über zweitausend Meilen entfernt, Sir.» Bolitho nickte.»Andererseits war das Schiff, die «Glauben Sie, daß sich die Meuterer der Bolitho dachte an die dringlichen Anweisungen des Gouverneurs, an seinen Zorn. Am stärksten hatte ihn der letzte Absatz betroffen: neben ihrer wertvollen Ladung brachte die Bolitho wandte sich von den schimmernden Lichtern ab; ihr Glanz war trübe geworden. «Wecken Sie den Steuermann, Thomas, und stellen Sie den frühest möglichen Augenblick zum Auslaufen fest; notfalls lasse ich das Schiff mit Booten freiwarpen. Andererseits — vielleicht ist es ein blinder Alarm. Die Herrick studierte ihn mit sehr stillen Augen.»Unwahrscheinlich«, sagte er. Bolitho ging an ihm vorbei, berührte die Stühle, ohne sie zu spüren, und den alten Degen an der Schottwand, den Allday wie ein Gralshüter bewachte. Er fuhr fort:»Sayer wird die Kurierbrigg ausschicken, wenn sie erst wieder da ist, und der Gouverneur will zwei kleine Schoner nach Norden und Osten abkommandieren.«»Wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen, Sir. «Bolitho drehte sich auf dem Absatz um.»Das weiß ich, verdammt noch mal! Aber wir müssen etwas tun. «Er bemerkte Herricks überraschten und gekränkten Ausdruck und fügte hinzu:»Tut mir leid. Der Wein ist schuld. «Bolitho schob die Papiere über den Tisch, denn Herrick mußte es früher oder später erfahren.»Lesen Sie selbst. «Damit ging er zur Tür und sagte zu dem Wachtposten:»Benachrichtigen Sie den Midshipman der Wache, ich wünsche alle Offiziere unverzüglich zu sprechen. «Er merkte, daß Herrick ihn beobachtete, und sagte nüchtern:»Ich weiß, Thomas, ich weiß, was Sie denken. Aber das liegt fünf Jahre zurück. Eine lange Zeit für Erinnerungen.» Herrick sah ihn grimmig an.»Jawohl, Sir — wenn Sie meinen? Ich sammle die Offiziere draußen und bringe sie zusammen herein. «Damit verließ er die Kabine. Bolitho setzte sich und zog nach kurzem Zögern seine Uhr aus der Tasche. Sie hatte ein sehr gutes Werk von Mudge and Dutton und ein festes, luftdichtes Gehäuse. Geistesabwesend klappte er den Deckel auf, um die Widmung auf der Innenseite zu lesen: Er schloß den Deckel und steckte die Uhr wieder in die Tasche. Sein Kopf war jetzt ganz klar, und als seine Offiziere eintraten, fiel ihnen keine Veränderung an ihm auf. Außer Herrick, und der konnte nichts dagegen unternehmen. |
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